TE OGH 2018/12/6 12Os121/18p

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Veröffentlicht am 06.12.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Strafsache gegen Philipp H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Philipp H***** und über die Berufung des Angeklagten Robert S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 27. August 2018, GZ 35 Hv 35/18d-92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Philipp H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Freisprüche der beiden Angeklagten enthält, wurde (unter anderem) Philipp H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (zu ergänzen), § 15 Abs 1 StGB (A./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Z 3 und Abs 2 SMG (C./) schuldig erkannt.

Danach haben – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz –

A./ Philipp H***** und Robert S***** im Zeitraum von Anfang 2015 bis 15. Jänner 2018 in B***** und anderen Orten des Bundesgebiets mit von vornherein auf eine kontinuierliche Tatbegehung sowie den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge „mit Ausnahme der in AZ 62 BAZ 22/17s, AZ 88 BAZ 758/17t und AZ 92 BAZ 895/17v der Staatsanwaltschaft Graz angeführten Substanzen“ ein- und ausgeführt sowie ein- und auszuführen versucht, indem sie in wiederholten Angriffen

1./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter 251,98 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 85,9 % (Reinsubstanz 216,45 Gramm Cocain), zumindest 40 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 60 % (Reinsubstanz 24 Gramm Heroin) und zumindest 800 Stück MDMA-hältige Ecstasy-Tabletten mit zumindest 225 mg MDMA pro Stück (Reinsubstanz 180 Gramm MDMA) per Post aus den Niederlanden, Spanien und anderen europäischen Staaten aus- und nach Österreich einführten, wobei es hinsichtlich 11,98 Gramm Kokain sowie 10 Gramm Heroin beim Versuch blieb, weil die Polizei eine Sendung sicherstellte und eine weitere Sendung letztlich nicht geliefert werden konnte.

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich ausschließlich gegen diesen Punkt des Schuldspruchs richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Philipp H*****, der keine Berechtigung zukommt:

Hinsichtlich der im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; zu dessen zweifacher Funktion vgl Lendl, WK-StPO § 260 Rz 9; RIS-Justiz RS0117435 [insbesondere T4]) – als in den Ermittlungsverfahren AZ 62 BAZ 22/17s, AZ 88 BAZ 758/17t und AZ 92 BAZ 895/17v, jeweils der Staatsanwaltschaft Graz, inkriminiert – ausgenommenen Suchtgiftquanten (US 1) moniert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), dass die bezughabenden Akten in der Hauptverhandlung nicht verlesen und sie bei der Berechnung der den Angeklagten zur Last gelegten Menge auch nicht berücksichtigt worden seien. Damit zeigt sie aber gerade keine beweiswürdigende Verwertung in der Hauptverhandlung nicht vorgekommener Beweismittel bei der Urteilsfällung (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) auf. Im Übrigen fanden die wesentlichen Teile der genannten Ermittlungsakten – dem Beschwerdevorbringen zuwider – als ON 71 bis 73 durch die „gemäß § 252 Abs 1 Z 4, Abs 2 und 2a StPO“ erfolgte Verlesung „des gesamten Akteninhalts“ (vgl ON 91 S 4 f) Eingang in das Beweisverfahren. Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ andeutet, weil sich die der Anklageschrift zugrunde liegenden Angaben des Robert S***** vor der Kriminalpolizei auf „sämtliche durchgeführten Suchtgiftbestellungen“ bezogen hätten, übersieht sie, dass sich dessen Vernehmung von vorneherein nur auf jene Vorgänge beschränkte (ON 37 S 45 ff), bei welchen die beiden Täter – gerade weil sie zuvor aufgrund von Lieferungen an ihre eigene Adresse ausgeforscht und zur Anzeige gebracht worden waren (vgl ON 71 bis 73) – unter fremdem Namen als Besteller auftraten.

Inwiefern die Konstatierung, die Angeklagten hätten Kokain, Heroin und Ecstasy-Tabletten in zahlreichen Angriffen „aus den Niederlanden, Spanien und anderen europäischen Staaten“ bestellt (US 6), mit den beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter zum Reinheitsgehalt der Suchtgifte, wonach die Kokain- und Heroinlieferungen immer über dieselbe Darknet-Plattform bezogen worden seien (US 10), in einem nach den Kriterien logischen Denkens unvereinbaren Widerspruch stehen sollen (RIS-Justiz RS0117402), vermag die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) nicht plausibel darzulegen (zu den unterschiedlichen Herkunftsländern der Postsendungen des Anbieters „Dreammarket“ vgl im Übrigen ON 37 S 47 f bzw 51).

Die nominell unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erhobene Kritik, das Erstgericht habe „nicht eine einzige“ Feststellung zum konkreten Tatbeitrag des Beschwerdeführers getroffen, spricht keine für den Schuldspruch oder die Subsumtion entscheidende Tatsache an, weil die Tatrichter von einem bewussten und gewollten Zusammenwirken beider Angeklagter bei den Suchtgiftbestellungen (§ 12 erster Fall StGB; US 6) und damit von – von einem gemeinsamen Vorsatz getragenen – Tatausführungshandlungen beider Täter ausgingen (RIS-Justiz RS0089835). Soweit der Nichtigkeitswerber hiezu die Einlassung des Mitangeklagten Robert S***** vor der Polizei ins Treffen führt, bei welcher dieser ausdrücklich angegeben habe, „sämtliche Bestellungen ausschließlich allein durchgeführt zu haben“, vernachlässigt er dessen diesbezügliche Erläuterung, wonach „lediglich“ die Bezahlvorgänge von Philipp H***** und ihm, „mehr oder weniger abwechselnd“ vorgenommen worden seien (ON 37 S 49).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) dient dazu, geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) zu verhindern (RIS-Justiz RS0118780).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie die Wortwahl und das Aussageverhalten des Mitangeklagten Robert S***** einer eigenständigen Bewertung unterzieht, die Sinnhaftigkeit des konstatierten Verhaltens des Rechtsmittelwerbers in Frage stellt, Hypothesen zum Geschäftsgebaren von „Suchtgiftvertreibern im Darknet“ in Bezug auf den Reinheitsgehalt der Suchtgifte entwickelt und einzelne hiezu angestellte Erwägungen der Tatrichter kritisiert, dabei aber jene zum schon vom Verkäufer auf seiner Plattform in Prozentsätzen angepriesenen Reinheitsgehalt (US 10) übergeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Philipp H***** war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E123657

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00121.18P.1206.000

Im RIS seit

08.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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