TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/18 W161 2150312-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2018
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Entscheidungsdatum

18.09.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W161 2150312-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. LASSMANN über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zahl 1135618205/180322681, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 i.d.g.F. und § 61 FPG i. d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF), eine Staatsangehörige des Irak, brachte am 21.11.2016 ihren ersten Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein.

1.2. Eine EURODAC-Abfrage ergab eine Asylantragstellung in Belgien am 27.11.2014.

1.3. Bei der Erstbefragung am 21.11.2016 gab die BF im Wesentlichen an, ihre Eltern, vier Brüder und vier Schwestern würden sich in Österreich aufhalten, ein Bruder wohne in Deutschland. Sie sei im Jahr 2014 über die Türkei und Griechenland nach Belgien gereist, wo sie sich vier Monate aufgehalten habe. Anschließend habe sie zwei Jahre in Deutschland verbracht. Sie habe in Deutschland um Asyl angesucht, aber weder dort noch in Belgien Asyl erhalten. Ihren Verfahrensstand kenne sie nicht.

Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie Jesidin sei. Die Jesiden würden vom IS versklavt, verfolgt und getötet.

Die BF legte ein Schreiben der belgischen Behörden vor, aus dem hervorgeht, dass sie am 03.04.2015 ihren Asylantrag in Belgien zurückgezogen hatte. Ein weiteres Schreiben betreffend eine Einvernahme der BF im Asylverfahren in Belgien ist mit 03.12.2014 datiert.

1.4. Das BFA richtete am 28.11.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Belgien.

Mit Schreiben vom 04.01.2017 stimmte die belgische Dublinbehörde der Wiederaufnahme der BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c der Dublin III-VO ausdrücklich zu.

1.5. Bei der niederschriftlichen Einvernahme der BF vor dem BFA am 15.02.2017 gab diese an, ihre Eltern und Geschwister seien anerkannte Flüchtlinge in Österreich. Ein Onkel und eine Tante mit deren Kindern seien subsidiär Schutzberechtigte. Sie lebe mit ihren Eltern und Geschwistern in einem Haushalt, ihre Familie komme für ihren Unterhalt auf. Auf der Flucht aus dem Irak habe sie ihre Familie verloren und in Belgien um Asyl angesucht. Als sie erfahren habe, dass ihre Familie in Österreich sei, habe sie Belgien verlassen. In Belgien habe sie niemanden, sie könne nicht alleine leben. In Deutschland habe sie sich zwei Jahre in einem Frauenhaus aufgehalten. Sie habe dort nicht um Asyl angesucht.

1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 22.02.2017 den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Belgien für die Prüfung des Antrages der BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Belgien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.8. Mit Schriftsatz vom 07.03.2017, beim BFA eingelangt am 13.03.2017, erhob die BF durch ihren gewillkürten Vertreter gegen den gegenständlichen Bescheid Beschwerde und beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2017 zu GZ W241 2150312-1/5E wurde die Beschwerde gem. § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

1.10. Am 31.08.2017 wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin auf dem Luftweg nach Belgien abgeschoben.

2.1. Am 04.04.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen zweiten, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2.2. Eine EURODAC-Abfrage ergab eine Asylantragstellung in Belgien am 27.11.2014 und eine solche in Österreich am 21.11.2016.

2.3. Bei der Erstbefragung am 04.04.2018 gab die BF im Wesentlichen an, sie könne der Einvernahme ohne Probleme folgen und habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Sie habe ihre Heimat im Jahr 2014 zu Fuß in die Türkei verlassen. Als Fluchtgrund gab sie an, sie sei Yezidin und im Jahr 2014 von IS-Terroristen angegriffen worden. Die yezidischen Frauen seien von IS-Soldaten versklavt, vergewaltigt und getötet worden. Sie sei nach Europa geflüchtet und habe in Belgien gelebt. Ihre gesamte Familie sei in Österreich gelandet, darum wolle auch sie hierbleiben. Sie könne nicht in Belgien bleiben, da sie dort alleine sei. Ihre gesamte Familie lebe hier in Österreich. In Belgien habe sie eine Aufenthaltsbewilligung bekommen. Sie habe sich dort ca. vier Jahre lang in XXXX aufgehalten, sie möchte dorthin nicht zurückkehren.

2.4. Das BFA richtete am 05.04.2018 ein auf Art. 18 Abs 1 lit b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Belgien.

Mit Schreiben vom 09.04.2018 lehnte die belgische Dublin-Behörde die Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin zunächst ab und gab bekannt, diese habe in Belgien am 17.11.2014 um Asyl angesucht und ihren Antrag am 03.04.2015 zurückgezogen.

Mit Schreiben vom 12.04.2018 remonstrierte Österreich dagegen.

Mit Schreiben vom 03.05.2018 stimmte Belgien der Wiederaufnahme der BF gemäß Art. 18 Abs 1 lit c Dublin III-VO ausdrücklich zu.

2.5. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, EAST Ost am 11.06.2018 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe sich einer Rechtsberatung unterzogen und fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Sie habe bisher im Verfahren zu ihrer Person und den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt. Sie habe in Belgien psychische Probleme gehabt, diese habe sie in Österreich nicht. Sie sei in ärztlicher Betreuung, weil sie in Belgien Schlafprobleme gehabt hätte. Sie sei in Belgien wegen ihrer Schlafprobleme zum Arzt gegangen. Sie habe keine Befunde erhalten. Sie habe auch in Österreich keine Befunde wegen ihrer Schlafprobleme erhalten. Auf Nachfrage nach dem Namen des Arztes, bei dem sie wegen ihrer Schlafprobleme in Behandlung sei, gab die Beschwerdeführerin an:

"Ich bin hier in Österreich doch nicht zum Arzt gegangen, seitdem ich von Belgien zurückgekommen bin."

Die BF gab weiters an, sie leide seit ungefähr neun bis zehn Monaten unter Schlafproblemen. Sie habe in Belgien Medikamente genommen, hier in Österreich nehme sie keine Medikamente. Ihre Eltern und ihre Geschwister seien hier in Österreich. Sie lebe mit ihrer Familie immer schon in einem gemeinsamen Haushalt. Es bestehe ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Sie wisse nicht, wieviel Geld sie von ihren Eltern bekomme. Einer ihrer Brüder arbeite, der zweite mache eine Ausbildung und ihre Eltern würden einen Deutschkurs absolvieren. Ihre Eltern würden sie unterstützen mit dem Geld, dass sie vom Österreichischen Staat erhalten. Sie sei nur von ihren Eltern finanziell abhängig. Sie lebe bei ihren Eltern im XXXX in XXXX . Sie sei das erste Mal ungefähr drei bis vier Monate in Belgien aufhältig gewesen, das zweite Mal sieben Monate lang. Sie sei sieben Monate in einem staatlichen Wohnheim untergebracht gewesen. Die Polizei habe sie gleich nach ihrer Ankunft in Belgien dorthin gebracht. Sie habe in Belgien beim ersten Mal um Asyl angesucht, beim zweiten Mal nicht. Sie habe in Belgien keine Einvernahme gehabt, es sei ihr keine Entscheidung mitgeteilt worden. Sie wolle nicht nach Belgien, ihre ganze Familie sei hier in Österreich und sie wolle auch in Österreich bleiben. Sie habe in Belgien Schlafstörungen bekommen, weil sie nicht bei ihrer Familie gewesen sei. Sie habe den Dolmetscher verstanden, der Einvernahme folgen und sich konzentrieren können. Sie wolle nichts mehr angeben, was ihr wichtig erscheine.

2.6. In der Folge wurde eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren von Dr. XXXX eingeholt. Diese kommt in ihrer Stellungnahme vom 26.06.2018 zu dem Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin aus aktueller Sicht weder eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung noch sonstige psychische Krankheitssymptome vorliegen.

2.7. Mit Bescheid vom 07.08.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.04.2018 gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Antrages gem. Art. 18 Abs. 1 lit c Dublin III-VO Belgien zuständig ist. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF wurde eine Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Belgien zulässig ist.

Dieser Bescheid enthält ausführliche Feststellungen zum belgischen Asylverfahren. Diese Feststellungen basieren auf der aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation im Sinn des § 5 BFA-G. Es handelt sich um die trotz älteren Datums noch immer aktuellen Feststellungen der Staatendokumentation.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Belgien lauten wie folgt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 12.2015; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_be_update.iv__0.pdf, Zugriff 20.9.2016

3. Dublin-Rückkehrer

Dublin-Rückkehrer haben in Belgien vollen Zugang zum Asylsystem. Ihre Verfahren werden inhaltlich behandelt und sie haben das Recht einen Folgeantrag zu stellen. Außerdem haben Dublin-Rückkehrer das Recht auf Versorgung wie normale Asylwerber (CGRS 17.2.2015)

Quellen:

-

CGRS - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (17.2.2015): Auskunft des CGRS, per E-Mail

4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel gelten Kinder, alleinstehende Elternteile mit Kindern, Schwangere, Behinderte, Alte, Opfer von Menschenhandel und Folteropfer. 2014 wurde im belgischen Fremdenbüro (Aliens Office, zuständig für Registrierung, Anm.) eine eigene Einheit gegründet, welche bei Antragstellung potentielle Vulnerable identifizieren soll. Da aber keine Vorgaben dafür existieren, werden nur sichtbare oder dezidiert vorgebrachte Merkmale in die Datenbank für Vulnerable (Evibel) eingetragen, auf die auch die Unterbringungsbehörde Fedasil Zugriff hat. Es gibt nur zwei prozedurale Bestimmungen zur Handhabung vulnerabler Fälle durch das Fremdenbüro: Minderjährige (begleitete wie unbegleitete) sollen beim Asylinterview durch einen Erwachsenen oder Vormund unterstützt werden; und in Gender-Fragen soll geprüft werden, ob von Seiten des/der Antragstellers/in Bedenken gegen Beamte des anderen Geschlechts bestehen. Beim CGRS (Büro des Commissioner General for Refugees and Stateless Persons, die Asylbehörde, Anm.) gibt es mehr oder weniger dieselben spezifischen Bestimmungen betreffend Screening, Prüfung und Vorgehensweise bei vulnerablen Antragstellern. Zulassungsverfahren werden bei Vulnerablen prioritär (also beschleunigt) geführt. UMA sind vom Grenzverfahren ausgenommen, da sie nicht inhaftiert werden können, wodurch auch die verkürzte Rechtsmittelfrist für sie nicht greift. Im CGRS gibt es eine Einheit, die auf Vulnerabilität spezialisiert ist und Verfahrensführer unterstützen, die solche Fälle bearbeiten. Eine Gender-Einheit bearbeitet alle Fälle mit Bezug auf Geschlecht, sexuelle Orientierung, Ehrenverbrechen, FGM, Zwangsheirat, Gewalt oder sexuellen Missbrauch. Wie systematisch Vulnerabilität von Anfang des Asylverfahrens an identifiziert wird, ist schwierig zu sagen. Zumindest in den Grenzverfahren gibt es scheinbar kein systematisches Screening, außer nach unbegleiteten Minderjährigen. Aber auch bekannte Gefährdungen werden nicht immer im Verfahren berücksichtigt, wenn der Asylwerber diese nicht explizit als entscheidungsrelevant darstellt (AIDA 12.2015).

Jeder unbegleitete Minderjährige, der in Belgien einen Asylantrag stellt oder sonst aufgegriffen wird, muss dem Vormundschaftsdienst des Justizministeriums gemeldet werden. Der Vormundschaftsdienst hat den Auftrag, mittels Vormunden dauerhafte Lösungen für unbegleitet minderjährige Nicht-EU-Bürger in Belgien zu finden, ob Asylwerber oder nicht. Wenn es Zweifel am Alter der Person gibt, kann eine medizinische Altersbestimmung angeordnet werden. Nachdem es in der Vergangenheit Kritik an der Genauigkeit der Tests gab, wird eine Toleranz von zwei Jahren berücksichtigt. Einmal als minderjährig identifiziert, wird ein Vormund zugewiesen, dessen Aufgabe es ist, sicherzustellen, dass während des Aufenthalts des UM in Belgien alle notwendigen Schritte übernommen werden. Er muss die Unterbringung, erforderliche medizinische und psychologische Betreuung, sowie den Schulbesuch usw. sicherstellen. Der Vormund muss sich um das Asyl- oder andere Aufenthaltsverfahren kümmern, den UM vertreten und unterstützen und gegebenenfalls einen Anwalt hinzuziehen. Außerdem muss er bei der Suche nach den Eltern oder Erziehungsberechtigten helfen. Wenn dies noch nicht geschehen ist, kann der Vormund für seinen Schützling auch einen Asylantrag stellen. Bei Kindern soll deren bestes Interesse entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sein. Mit Ausnahme der Bestimmungen, die dem Vormund die Teilnahme an Interviews ermöglichen, gibt es keine spezifischen gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die Rolle des Vormunds im Asylverfahren. 2015 wurden 682 Altersfeststellungen durchgeführt, von denen 71% das Vorliegen der Volljährigkeit ergaben. Durch die große Zahl an UMA Ende 2015, kam der Vormundschaftsdienst an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Die jüngsten und vulnerabelsten UMA wurden daher prioritär behandelt (AIDA 12.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_be_update.iv__0.pdf, Zugriff 20.9.2016

5. Non-Refoulement

Es gibt keine veröffentlichten Berichte über Refoulement an den Grenzen Belgiens. Die Gesetzänderung von 2014 führte für CGRS die Verpflichtung ein, bei Umsetzung einer Rückkehrentscheidung das Vorliegen eines direkten oder indirekten Refoulement-Risikos zu prüfen, wenn es entscheidet, einen Folgeantrag nicht zuzulassen (AIDA 12.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_be_update.iv__0.pdf, Zugriff 20.9.2016

6. Versorgung

Das System der Unterbringung wird von der Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (Fedasil) koordiniert. Jeder Asylwerber hat ab Einbringung des Asylantrags das Recht auf Versorgung, die ein Leben in Menschenwürde ermöglichen soll. Bei Antragstellung erhält der AW von der Asylbehörde eine Bestätigung, mit der er bei Fedasil eine Unterkunft beantragen kann. Belgien verfügt über Unterbringungsplätze in kollektiven (1. Stufe) und individuellen (2. Stufe) Unterbringungsstrukturen. Die 65 Zentren der 1. Stufe umfassen 18.437 Plätze. Die 1.476 local reception initiatives (LRI) der 2. Stufe umfassen 7.154 Plätze in privaten Strukturen. Unterbringungsengpässe im Sommer 2015 wurden durch die Einrichtung einer sogenannten "pre-reception accommodation" für 1.000 Personen überbrückt. Seit August 2015 sind auch 2 Gruppen von Antragstellern von der Unterbringung in kollektiven Strukturen ausgenommen: ASt. mit hoher Wahrscheinlichkeit Asyl zu erhalten kommen sofort in individuelle Unterbringung und besonders vulnerable Fälle kommen in spezielle NGO-Strukturen. Normalerweise können alle ASt. nach 4 Monaten individuelle Unterbringung beantragen, aber durch das hohe Antragsaufkommen im Sommer 2015 wurde individuelle Unterbringung auf die genannten 2 Gruppen beschränkt. Es gibt Sonderregeln für Antragsteller, die sich im Prozess der Rückkehr befinden. Folgeantragsteller, deren Antrag nicht für zulässig befunden wird, haben kein Recht auf Unterbringung (AIDA 12.2015; vgl. Fedasil o. D.a).

Die Versorgung von Asylwerbern in der 1. Stufe beinhaltet Unterkunft, Nahrung, Kleidung, medizinische, soziale und psychologische Hilfe, Zugang zu Übersetzung und zu juristischer Vertretung, Zugang zu Ausbildung, freiwilliger Rückkehr und einem Taggeld. In der 2. Stufe erhalten Antragsteller zusätzlich zum Taggeld noch einen Betrag oder Essengutscheine (Höhe variierend nach Familiengröße) um sich eigenständig versorgen zu können. Die LRI haben bei der Ausgestaltung der Unterstützung eine gewisse Autonomie. Im theoretischen Fall, dass es gar keine Unterstützung geben sollte, kann ein AW sich direkt an das zuständige Sozialamt (Public Centre for Social Welfare, PCSW) wenden und Sozialhilfe erhalten wie belgische Staatsbürger (AIDA 12.2015; vgl. Fedasil o. D.b).

Die Unterbringung von AW ist an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Fedasil hat hierzu Zugang zur Datenbank Evibel, wo bei der Registrierung bemerkte Vulnerabilität registriert werden kann. Es gibt 1.375 Unterbringungsplätze speziell für UMA, sowie 40 Unterbringungsplätze für minderjährige Mütter und ihre Kinder; 70 Plätze für alleinstehende Mütter und ihre Kinder; 40 Plätze für Personen mit psychologischen Probleme und 211 Plätze für Personen mit bestimmten medizinischen Bedürfnissen. In den Unterbringungszentren gelten gesetzlich festgelegte Mechanismen zur Prüfung spezifischer Bedürfnisse Vulnerabler, die zu deren Überstellung in geeignetere Einrichtungen führen können. Binnen 30 Tagen ab Zuweisung eines Unterbringungsplatzes sollte die individuelle Situation des AW geprüft werden, um zu bewerten ob die Unterbringung geeignet ist. Es ist speziell auf Merkmale von Vulnerabilität zu achten, die nicht sofort bemerkbar sind. Dazu sind ein Interview mit einem Sozialarbeiter und ein Evaluierungsbericht vorgeschrieben, der laufend zu aktualisieren ist und nach maximal sechs Monaten zu einem Ergebnis bezüglich Angemessenheit der Unterkunft kommen und eventuelle Empfehlungen enthalten soll. Es gab bisher kein öffentliches Monitoring der Effektivität dieser Vorgangsweise. Es gibt Kritik am vorgesehenen Maximalzeitraum von sechs Monaten bis zum Vorliegen eines Ergebnisses (AIDA 12.2015).

Für Fremde die vor der Rückkehr stehen, besitzt das Fremdenbüro spezielle offene Unterbringungsstrukturen mit 300 Plätzen (plus 105 Plätze für Familien) (AIDA 12.2015; vgl. Fedasil o.D.a).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_be_update.iv__0.pdf, Zugriff 20.9.2016

-

Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.a): Reception of asylum seekers, http://fedasil.be/en/content/reception-asylum-seekers, Zugriff 20.9.2016

-

Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.b): About the reception centres, http://fedasil.be/en/content/about-reception-centres-0, Zugriff 20.9.2016

6.1. Medizinische Versorgung

Bei der Aufnahme durch Fedasil wird jeder Antragsteller über 5 Jahren einem Lungenröntgen zur Tuberkuloseerkennung unterzogen (Fedasil o.D.a). Darüber hinaus hat jeder AW das Recht auf medizinische und psychologische Versorgung. In den Unterbringungsstrukturen sind immer Ärzte und Pflegepersonal anwesend. Der Arzt kann AW auch an spezialisierte Einrichtungen überweisen (Fedasil o.D.b).

AW haben das Recht auf medizinische Versorgung, die für ein Leben in Würde nötig ist. Das umfasst, mit wenigen Ausnahmen, im Wesentlichen alle Leistungen, welche die belgische Krankenkasse übernimmt (und ein paar Leistungen darüber hinaus). Kosten müssen, wie bei belgischen Staatsbürgern, zuerst vom AW vorgestreckt werden und werden dann refundiert. In den kollektiven Unterbringungszentren muss nichts bezahlt werden. Anders als Belgier müssen AW keine Patientengebühr bezahlen, solange sie kein Einkommen oder finanzielle Zuwendung erhalten. Es gibt eigene Stellen, die sich um die psychologische Betreuung von AW kümmern, aber die Nachfrage ist größer als das Angebot. Öffentliche Zentren für psychologische Betreuung stehen AW offen und verfügen über angepasste Tarife, aber oft fehlt ihnen die spezifische asylbezogene Erfahrung bzw. wenn sie über diese Expertise verfügen, müssen sie mit Wartelisten arbeiten. Wenn die Versorgung als Sanktionsmaßnahme reduziert oder ganz beendet wird, ist das Recht auf medizinische Versorgung ausgenommen. Nach negativ beendetem Verfahren und Auslaufen des Rechts auf Versorgung ist nur mehr medizinische Nothilfe möglich (AIDA 12.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_be_update.iv__0.pdf, Zugriff 20.9.2016

-

Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.a): Reception of asylum seekers, http://fedasil.be/en/content/reception-asylum-seekers, Zugriff 20.9.2016

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Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.b): About the reception centres, http://fedasil.be/en/content/about-reception-centres-0, Zugriff 20.9.2016

7. Schutzberechtigte

Antragsteller, die einen Schutztitel erhalten, bekommen damit eine Aufenthaltserlaubnis und dürfen noch für 2 Monate in der Unterbringungsstruktur bleiben, während sie sich eine eigene Wohnung suchen (Fedasil o.D.a).

Antragsteller, denen internationaler Schutz verweigert, aber subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, können dagegen ein Rechtsmittel einlegen, um internationalen Schutz zu erlangen (AIDA 12.2015).

Die Zuerkennung internationalen Schutzes berechtigt zum befristeten Aufenthalt in Belgien für 5 Jahre. Danach erhält der Flüchtling unbefristeten Aufenthalt. Anerkannte Flüchtlinge dürfen ohne weitere Genehmigung selbständig und unselbständig arbeiten und von Familienzusammenführung profitieren (CGRS 6.2016).

Wer die Bedingungen für internationalen Schutz nicht erfüllt, aber subsidiären Schutz erhalten hat, darf sich für 1 Jahr befristet in Belgien aufhalten. Verlängerungen sind möglich und nach 5 Jahren erhält der Subschutzberechtigte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Subschutzberechtigte können eine befristete Arbeitsbewilligung beantragen. Sobald eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis vorliegt, ist keine Arbeitserlaubnis mehr nötig. Bei der Familienzusammenführung gibt es Einschränkungen, vor allem während der ersten 5 Jahre (CGRS 11.2015).

Schutzberechtigte müssen sich im Fremdenregister der Gemeinde erfassen lassen, in der sie leben. Dort erhalten sie auch ein entsprechendes Ausweispapier. Informationen bezüglich Arbeit, Krankenversicherung und Sozialleistungen erhalten anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte im öffentlichen Sozialhilfezentrum (CPAS/OCMW) ihrer Wohnsitzgemeinde, oder bei einer Gewerkschaft, NGO etc. (CGRS 11.2015 und 6.2016).

Quellen:

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Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.a): Reception of asylum seekers, http://fedasil.be/en/content/reception-asylum-seekers, Zugriff 20.9.2016

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CGRS - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (6.2016): You are recognised as a refugee in Belgium,

http://www.cgrs.be/sites/default/files/brochures/2016-06-30_brochure_recognised-refugee_eng_0.pdf, Zugriff 20.9.2016

-

CGRS - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (11.2015): You are eligible for subsidiary protection in Belgium,

http://www.cgrs.be/sites/default/files/brochures/2015-11-03_brochure_subsidiary-protection_eng_1.pdf, Zugriff 20.9.2016

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums beziehe, werde angeführt, dass diese - aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Belgien - nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Die Identität der Beschwerdeführerin stehe in Ermangelung geeigneter heimatstaatlicher identitätsbezeugender Dokumente nicht fest. Die Antragstellerin habe am 27.11.2014 in Belgien einen Asylantrag gestellt. Belgien habe sich mit Schreiben vom 03.05.2018 gem. Art. 18 Abs. 1 lit c Dublin III-VO für die Führung ihres Asylverfahrens für zuständig erklärt. Ein Zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal könne nicht festgestellt werden bzw. habe sich ein solches im Zuge des Verfahrens nicht ergeben. Die Antragstellerin verfügt in Österreich über folgende familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte: Ihre namentlich genannten Eltern sowie zwei namentlich genannte Brüder und vier namentlich genannte Schwestern würden in Österreich leben und seien anerkannte Flüchtlinge. Lediglich ein namentlich genannter Bruder sei im Besitz einer Karte für subsidiären Schutz. Weiters leben ein Onkel mit Frau und Kindern in Österreich. Diese seien anerkannte Flüchtlinge. Die Antragstellerin lebe mit den Eltern und Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt. Ihre Eltern würden sie mit Verpflegung (Essen und Trinken) sowie mit Geld für Bekleidung unterstützen. Eine besondere Integrationsverfestigung ihrer Person in Österreich könne nicht festgestellt werden. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass die Antragstellerin in Belgien systematisch Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen haben sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass die Antragstellerin an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide. Die ihr zur Abgabe einer Stellungnahme zum vorliegenden Gutachten eingeräumte Frist habe sie ungenutzt verstreichen lassen. Aus den Angaben der Antragstellerin im Asylverfahren könne keine besondere gegenseitige Abhängigkeit zu den in Österreich lebenden Familienangehörigen festgestellt werden. Die Antragstellerin selbst habe bereits bislang über einen längeren Zeitraum freiwillig, unerzwungen und alleine gelebt. Sie sei kein Teil der Kernfamilie. Es sei von keinem im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswerten Familienleben auszugehen. Die Beziehung zu den angeführten Verwandten gehe über ein übliches verwandtschaftliches Maß nicht hinaus und lägen auch keine besonderen gegenseitigen Abhängigkeiten wie z.B. Pflegebedürftigkeit vor, die den Aufenthalt als notwendig erachten würden. Soweit die Antragstellerin angebe, sowohl finanziell als auch mit Essen usw. unterstützt zu werden, werde lediglich ausgeführt, dass dies auch von Österreich nach Belgien aus machbar sei. Die Möglichkeit der Aufrechterhaltung von Kontakten zu in Österreich befindlichen Verwandten bestehe für die Antragstellerin auch von Belgien aus. Im vorliegenden Fall sei die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet kurz und hätten sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Vorliegen besonders gewichtiger privater Interessen an einem Verbleib in Österreich ergeben. Insbesondere sei die Einreise nach Österreich illegal erfolgt. Die Außerlandesbringung stelle daher keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar.

2.8. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. In der Beschwerde wird insbesondere vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe den Irak zusammen mit ihrer Familie verlassen, ihre Familie jedoch auf der Flucht verloren. Die Familie der Beschwerdeführerin befände sich seither in Österreich, ein Bruder lebe in Deutschland. Die Familienmitglieder hätten alle asylrechtliche Aufenthaltstitel in Österreich. Die Beschwerdeführerin leide an Schlafstörungen und sei deshalb in Belgien behandelt worden. Sie lebe in XXXX mit ihrer Familie und werde von dieser betreut bzw. nehme auch die Beschwerdeführerin selbst Betreuungspflichten gegenüber ihren Geschwistern wahr. Die Beschwerdeführerin sei von ihrer hier aufhältigen Familie finanziell abhängig. Nach der Lage des Falles sollte die Beschwerdeführerin jedenfalls psychotherapeutisch behandelt werden und sei verfahrensgegenständlich nicht garantiert, dass diese die notwendige Behandlung in Belgien erhalte. Das Familienleben der Beschwerdeführerin erreiche eine solch hohe Intensität, die dazu führe, dass nach einer entsprechenden Interessenabwägung zwischen dem Privatinteresse der Beschwerdeführerin am weiteren Verbleib im Bundesgebiet und den öffentlichen Interessen am geordneten Vollzug der Dublin-VO das vorliegende Familienleben der Beschwerdeführerin schutzwürdiger erscheinen lasse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF reiste im Jahr 2014 über Griechenland in das Gebiet der europäischen Union und stellte am 27.11.2014 einen Asylantrag in Belgien. Sie zog diesen Antrag am 03.04.2015 zurück. Die BF reiste erstmalig im November 2016 nach Österreich ein und stellte am 21.11.2016 ihren ersten gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Nach rechtskräftiger negativer Beendigung des Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin am 31.08.2017 nach Belgien überstellt.

In der Folge reiste die Beschwerdeführerin neuerlich illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.04.2018 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das BFA richtete am 05.04.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Belgien, welchem die belgischen Behörden letztlich mit Schreiben vom 03.05.2018 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zustimmten.

Das BVwG schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Belgien an. Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Die BF hat keine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme oder Beeinträchtigungen geltend gemacht.

In Österreich leben die Eltern, drei volljährige Brüder, ein minderjähriger Bruder und vier minderjährige Schwestern der Beschwerdeführerin. Ein weiterer Bruder lebt in Deutschland. Ihre Eltern, drei Brüder und vier Schwestern haben in Österreich Asylstatus erhalten, ein Bruder hat den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Weiters lebt noch ein Onkel mit seiner Familie in Österreich. Diese haben ebenfalls Flüchtlingsstatus in Österreich. Die Beschwerdeführerin lebt eigenen Angaben zufolge mit ihren Eltern und Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt. Sie wurde an der Adresse XXXX am 23.11.2016 angemeldet und seither trotz Verlassen des Landes offenbar nicht abgemeldet.

Die Beschwerdeführerin befand sich von 04.04.2018 bis 12.04.2018 in Schubhaft.

2. Beweiswürdigung:

Auf Grund der EURODAC-Abfrage und der schriftlichen Erklärung Belgiens, die BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO aufzunehmen, steht fest, dass die BF in Belgien am 27.11.2014 einen Asylantrag stellte.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren. Die Beschwerdeführerin gab in ihrer Einvernahme lediglich an, sie habe in Belgien unter Schlafstörungen gelitten. In Österreich habe sie keine Schlafstörungen und musste sie nachdem sie zunächst behauptet hatte, in Österreich in ärztlicher Betreuung zu sein, schließlich auf nähere Nachfrage einräumen, dass sie in Österreich nicht zum Arzt gegangen ist seit ihrer Rückkehr aus Belgien. Aus dem eingeholten medizinischen Gutachten der Sachverständigen XXXX ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin aus aktueller Sicht weder an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung, noch an sonstigen psychischen Krankheitssymptomen leidet.

Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Belgien wurde nicht vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen unter Punkt 3.3.1.1.).

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Die Feststellungen zur familiären Situation der BF ergeben sich aus ihren Angaben und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.2. Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG i.d.g.F. lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 FPG i.d.g.F. lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz:

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Art. 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Fa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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