TE OGH 2018/10/31 7Ob139/18v

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Veröffentlicht am 31.10.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Univ.-Doz. Dr. P***** M*****, 2. Dr. K***** M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 16.275,92 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. Mai 2018, GZ 129 R 31/18d-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Jänner 2018, GZ 18 Cg 8/17s-16, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.506,23 EUR (darin enthalten 417,23 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

J***** B***** war 2004 als Einzelunternehmer tätig. 2005 brachte er sein Unternehmen in die J***** GmbH, später Jo***** GmbH, ein. Für diese GmbH bestand für die Versicherungsperiode 1. 5. 2006 bis 1. 5. 2007 bei der Beklagten ein Vermögensschadenhaftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 01/2005) und die Besonderen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 04/2005 sowie die Besonderen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister (Besondere Bedingungen) zugrunde lagen. In diesem Versicherungsvertrag war eine Rückwirkung bis 1. 11. 2003 und eine Nachhaftungsperiode bis zum 30. 4. 2012 vereinbart. Unstrittig ist die Tätigkeit von J***** B***** vom Versicherungsschutz umfasst.

Die Besonderen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 04/2005 lauten auszugsweise wie folgt:

3. Versichertes Risiko:

3.1 Berufshaftpflichtversicherung im Rahmen dieses Vertrags

[…]

3.1.2 Das versicherte Risiko umfasst alle Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten, zu denen der Versicherungsnehmer bzw das versicherte Mitglied im Rahmen seines Gewerbes oder dem Bereich der Wertpapierdienstleistungen berechtigt ist. Insbesondere erstreckt sich der Schutz auf die Nebenrechte i.S.d. WAG bzw der GewO idgF. Soweit sich die Berechtigung auf Vermittlung erstreckt, umfasst der Deckungsumfang auch die damit im Zusammenhang stehende Beratung.

[...]

6. Versicherungsschutz, Deckungserweiterungen und Deckungseinschränkungen sowie Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

[…]

6.2 Deckungserweiterungen und Deckungsein-schränkungen […]

[…]

6.2.2 In Ergänzung von Art 4 AVBV erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, die dadurch entstanden sind, dass:

6.2.2.1. die vorgenommenen Rechtsgeschäfte ohne Berechtigung – Konzession zur Ausübung der Tätigkeit bzw des Gewerbes […] oder ohne Berechtigung zur Erbringung der Bank- oder Finanzdienstleistungen […] ausgeübt werden […].“

Die Besonderen Bedingungen der Betriebshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister lauten auszugsweise wie folgt:

„6. Versicherungsschutz, Deckungserweiterun-gen und Deckungseinschränkungen sowie Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

[...]

6.2. Deckungserweiterungen und Deckungseinschränkungen

[…]

6.2.2 In Ergänzung von Art 4 AVBV erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, die dadurch entstanden sind, dass:

6.2.2.1. die vorgenommenen Rechtsgeschäfte ohne Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Finanzdienstleistungen ... ausgeübt werden oder […].“

J***** B***** verfügte zum Beratungszeitpunkt im Jahr 2004 über eine Gewerbeberechtigung zur Vermittlung von Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Vermögensberatung (einschließlich Vermittlung von Veranlagungen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 3 KMG), eingeschränkt auf die Vermittlung von Hypothekarkrediten und Vermögensberatung (einschließlich Vermittlung von Veranlagungen im Sinne des § 1 Abs 2 Z 3 KMG).

Er vermittelte den Klägern im Dezember 2004 ein von ihm entwickeltes Veranlagungsmodell mit dem Namen „Volkspension“. Es handelte sich dabei um ein kombiniertes Modell, das den Abschluss von Kreditverträgen sowie Lebens- und Rentenversicherungsverträgen vorsieht. Dabei werden mit einem durch einen endfälligen Fremdwährungskredit aufgebrachten Einmalerlag zwei Rentenversicherungsverträge abgeschlossen, einer mit einer sofort beginnenden und der andere mit einer aufgeschobenen lebenslangen Rente. Aus der Sofortausschüttung der Rentenversicherung sowie einer monatlichen Eigenleistung des Kunden wird einerseits der Fremdwährungskredit und andererseits ein Tilgungsträger bedient. Der Tilgungsträger soll nach dem Ende seiner Laufzeit den Fremdwährungskredit abdecken. Der Überhang aus der Sofortausschüttung der Rentenversicherung wird in eine weitere Lebensversicherung einbezahlt. Das Konzept beinhaltet darüber hinaus noch eine Ablebensversicherung, eine Berufsunfähigkeitspension und die Lukrierung eines Steuervorteils. Die Rentabilität des Modells „Volkspension“ hängt entscheidend von der Entwicklung des Fremdwährungskurses und der Zinsentwicklung in der jeweiligen Währung sowie der Performance des Tilgungsträgers ab. Änderungen in der Zinsentwicklung sowohl beim Kreditverhältnis als auch beim Tilgungsträger können zu einem stärkeren Anstieg der erforderlichen Eigenleistung führen.

Jeder der Kläger nahm zwei Einmalbarkredite bei der V***** AG über 300.000 EUR sowie 32.827 EUR auf, schloss einen Girokontovertrag bei dieser Bank sowie eine anteilsgebundene Lebensversicherung bei der C***** Ltd, zwei Rentenversicherungen bei der W***** AG und eine Kapitalversicherung bei der E***** AG, die als Tilgungsträger für die Kredite dienen sollten. Dafür wurde den beiden Klägern eine lebenslange Rente von 410,39 EUR pro Monat beim Erstkläger und 431 EUR pro Monat bei der Zweitklägerin ab 1. 1. 2020 bei einer monatlichen Eigenleistung von 250 EUR in Aussicht gestellt. Dies beruhte auf der unrealistischen Annahme eines Währungszinssatzes von nur 2,2 % für den Schweizer Franken-Kredit. Die beiden Einmalbarkredite waren jeweils voll ausnützbar in Euro und Schweizer Franken sowie zu 50 % in Japanischen Yen und am 30. 11. 2019 endfällig.

Am 1. 9. 2011 brachten die Kläger Klage gegen 1. J***** B***** und 2. J***** B***** GmbH ein. Die dort Beklagten wurden verpflichtet, den Klägern 65.654 EUR sA zu zahlen, und festgestellt, dass sie den Klägern für alle Schäden, die über diese Zahlungsverpflichtung hinausgehen und welche den Klägern noch entstehen werden, zur ungeteilten Hand haften. Ihnen wurde die Verletzung von Beratungs- und Sorgfaltspflichten sowohl nach dem Maklergesetz als auch als Anlageberater vorgeworfen.

Den Klägern wurde unter anderem die Exekution durch Pfändung und Überweisung der gegen die Beklagte bestehenden Forderungen aus dem Vermögensschadenhaftpflichtversicherungsvertrag bewilligt.

Die Kläger begehren von der Beklagten gestützt auf die Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs die Bezahlung der Kosten des Berufungs- und Exekutionsverfahrens im Ausmaß von insgesamt 16.275,92 EUR sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die derzeit noch nicht absehbaren Schäden durch die Zeichnung der „Volkspension“. J***** B***** habe die Gewerbeberechtigung für die Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Vermögensberater gehabt. Das versicherte Risiko des Haftpflichtvertrags habe genau diese Tätigkeiten umfasst. Dennoch habe die Beklagte die Deckungsübernahme abgelehnt. Da noch nicht sämtliche Versicherungen zur Auszahlung gelangt seien und die Endfälligkeit der Kredite noch nicht eingetreten sei, könne der Gesamtschaden derzeit nicht beziffert werden, weshalb ein rechtliches Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung bestehe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Mangels Vorliegens der Gewerbeberechtigung für die Vermittlung von Personalkrediten, welche beim konkreten Finanzierungsmodell jedenfalls im Vordergrund gestanden sei, liege nach den Besonderen Bedingungen, die dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegen hätten, kein Versicherungsschutz vor. Dies könne die Beklagte den Klägern ungeachtet des § 158c VersVG entgegenhalten, da gemäß § 158b VersVG ein Einwendungsausschluss nur für die Pflichtversicherung gelte. Im Hinblick auf die hier im Vordergrund gestandene Vermögensberatung bestünde eine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung erst mit 1. 9. 2012. Die Beklagte sei daher leistungsfrei.

Das Erstgericht wies das Leistungs- und auch das Feststellungsbegehren (sowie ein weiteres in eventu erhobenes Feststellungsbegehren auf Gewährung von Deckung an die Kläger) ab. Die hier gegenständliche Vermittlungstätigkeit sei aufgrund der Art 3.1.2 und 6.2.2.1. der Besonderen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 04/2005 mangels Befugnis des J***** B***** zur Vermittlung von Personalkrediten nicht vom versicherten Risiko umfasst gewesen. Dieser habe mit seinem Modell der „Volkspension“ nicht die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gemäß § 137c GewO ausgeübt, sondern die gewerbliche Vermögensberatung gemäß § 136a Abs 1 GewO. Das Modell „Volkspension“ als Pensionsvorsorgemodell sei als Einheit mit dem Finanzierungsmodell der Vermittlung der Kredite anzusehen; ohne diese Kreditvermittlung sei das Pensionsvorsorgemodell nicht möglich gewesen. Auch sei ein zusätzliches Ziel dieses Produkts die volle Absetzbarkeit von Werbekosten gewesen. Es könne daher nur als Ganzes verstanden werden und nicht als Abschluss diverser Versicherungen. Da die Pflichtversicherung für den gewerblichen Vermögensberater gemäß § 136a Abs 12 GewO erst mit 1. 9. 2012 in Kraft getreten sei, habe es sich hier nicht um eine gesetzliche Pflichtversicherung gehandelt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Das Modell „Volkspension“ hänge ganz entscheidend von der Zinsentwicklung sowohl des Fremdwährungskredits als auch des Tilgungsträgers ab. Die Hauptattraktivität dieses Modells liege abgesehen von der steuerlichen Absetzbarkeit im spekulativen Ausnützen einer zukünftigen Zinsentwicklung. Die Tätigkeit des Versicherten sei daher der gewerblichen Vermögensberatung im Sinn des § 136a Abs 1 GewO und nicht der Versicherungsvermittlung im Sinn des § 137 GewO zuzuordnen. Die Gewerbeberechtigung zur Vermögensberatung des Versicherten zum Beratungszeitpunkt sei im Jahr 2004 auf die Vermittlung von Hypothekarkrediten und Vermögensberatung eingeschränkt gewesen. Da die beschriebene „Volkspension“ ganz entscheidend auf der Zinsentwicklung des Tilgungsträgers und des Fremdwährungskredits (eines Personalkredits und keines Hypothekarkredits) beruht habe, habe für die Tätigkeit in einem entscheidenden Punkt die Gewerbeberechtigung gefehlt. Die von den Klägern geltend gemachten Schadenersatzansprüche aus ihrer Prozessführung und das Feststellungsbegehren würden keinesfalls isoliert nur die Teile betreffen, die allenfalls von der Gewerbeberechtigung umfasst gewesen wären. Eine Trennung des Gesamtmodells in diesem Zusammenhang sei nicht möglich. Selbst wenn eine Pflichtversicherung vorgelegen wäre, wäre die Berufung auf § 158c VersVG unzulässig, weil die zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse auch gegenüber Dritten gelten würden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Kläger mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gemäß § 149 VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Der Versicherungsnehmer hat damit gegenüber dem Versicherer – im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags – einen Befreiungsanspruch, der ihn vor den Folgen der Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten schützen soll. Durch derartige Schadenersatzforderungen eines Geschädigten wird das Vermögen des Haftpflichtigen belastet; der mit dem Versicherer abgeschlossene Versicherungsvertrag gibt dem Versicherungsnehmer den Anspruch, ihn von dieser Schuld zu befreien (7 Ob 145/13v mwN).

2. Der geschädigte Dritte hat – abgesehen von wenigen Ausnahmen (zB Kfz-Haftpflichtversicherung) – gegen den Versicherer keinen direkten Anspruch, sondern ist auf einen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt. Er kann aber zur Hereinbringung der Schadenersatzforderung im Exekutionsverfahren den Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer pfänden und sich überweisen lassen. Dieser wandelt sich dadurch jedenfalls in einen Geldanspruch um. Der Geschädigte kann dann vom Versicherer unmittelbar Ersatz verlangen. Er tritt dabei in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein (7 Ob 108/11z; vgl auch RIS-Justiz RS0004099).

Die Kläger gründen ihren Klagsanspruch auf eine exekutiv zu ihren Gunsten gepfändete und ihnen zur Einziehung überwiesene Forderung gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer.

3.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS-Justiz RS0050063 [ins T71]; RS0112256 [T10]). Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die diesbezüglichen Formulierungen stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901).

3.2 Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden (RIS-Justiz RS0080166 [insb T10], RS0080068).

3.3 Nach der Systematik der vorliegenden AVB wird zunächst in Art 3.1.2 der Besonderen Bedingungen der Betriebshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 04/2005 die primäre Risikobeschreibung vorgenommen, dabei die versicherte Tätigkeit des Versicherungsnehmers umschrieben und die Deckung für die Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten – soweit hier interessierend – im Rahmen seines Gewerbes geregelt sowie der Deckungsschutz auf die Nebenrechte im Sinn der Gewerbeordnung erstreckt.

Art 6.2.2.1. der Besonderen Bedingungen der Betriebshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 04/2005 – wie auch Art 6.2.2.1. der Besonderen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister – stellen klar, dass sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche erstreckt, die dadurch entstanden sind, dass Rechtsgeschäfte ohne Berechtigung zur Ausübung der Tätigkeit bzw des Gewerbes vorgenommen werden.

3.4 Unstrittig ist, dass J***** B***** zur Vermittlung der Personalkredite im Rahmen seines Gewerbes nicht berechtigt war.

3.5 Den Klägern wurde ein von J***** B***** entwickeltes als „Volkspension“ bezeichnetes Gesamtkonzept angeboten, das auf einer Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern, Renten- und Lebensversicherungen und einer Berufsunfähigkeits-versicherung beruhte, dessen Rentabilität entscheidend von der Entwicklung der Fremdwährungskredite und der Zinsentwicklung in den jeweiligen Währungen sowie der Performance der Tilgungsträger abhing. Die Tätigkeit des J***** B***** beschränkte sich gerade nicht auf die Beratung über dieses Modell, sondern bezog sich auf die Vermittlung des Gesamtkonzepts samt Steuervorteil. Die vereinbarungsgemäß zu erbringende Leistung beinhaltete die Dienstleistungen der Vermögensberatung, Kreditvermittlung und Versicherungsvermittlung. Die Rentabilität des Gesamtkonzepts hängt vom Zusammenspiel der kombinierten Fremdwährungskredite und Tilgungsträger ab. Die von den Klägern angestellte künstliche Aufspaltung der Tätigkeit des J***** B***** in Teilaspekte und deren eigenständige Prüfung auf das Vorliegen von Versicherungsschutz kommt nicht in Betracht. Vielmehr hat die Beurteilung – wie bereits aus der Bedingungslage ersichtlich – danach zu erfolgen, ob die Tätigkeit des Versicherungsnehmers (hier die Vermittlung des Gesamtkonzepts) von der Gewerbeberechtigung umfasst ist und somit dem Versicherungsschutz durch die Beklagte unterliegt. Die Kläger gründen ihren Haftpflichtanspruch ja auch darauf, dass das Gesamtkonzept nicht der Zusage entsprach und leiten Schadenersatzansprüche aus der Risikoträchtigkeit (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Ertrags bzw Wertentwicklung der Tilgungsträger) des gesamten Modells ab, für die gerade auch der Fehler hinsichtlich der Einschätzung des Währungsrisikos beim Personalkredit kausal war.

3.6 Dass Versicherungsschutz nach der Bedingungslage nicht besteht, wenn sich die Tätigkeit des Versicherungsnehmers nicht im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung hält, bezweifeln selbst die Kläger nicht. Dass aber eine Tätigkeit auch dann nicht unter das versicherte Risiko fällt, wenn sie in der Vermittlung eines Gesamtkonzepts besteht, dessen wesentlicher Teil nicht von der Gewerbeberechtigung umfasst ist, ist auch einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer leicht erkennbar.

3.7 Das heißt, beruht ein entscheidender Teil eines von einem Versicherungsnehmer zu erbringenden Gesamtkonzepts auf einer nach seiner Gewerbeberechtigung nicht zulässigen Tätigkeit, besteht nach den vorliegenden Bedingungen kein Versicherungsschutz für Schadenersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer, deren Gegenstand dieses Gesamtmodell ist.

3.8 Scheidet aber der Versicherungsschutz bereits wegen des Fehlens der Gewerbeberechtigung für die hier wesentliche Vermittlung von Personalkrediten aus, dann stellt sich die Frage, ob J***** B***** zu einem weiteren Teil des Gesamtkonzepts, nämlich der Vermittlung von Versicherungsverträgen berechtigt gewesen wäre ebenso wenig, wie jene, ob bei Einschränkung der Gewerbeberechtigung auf die Vermittlung von Hypothekarkrediten und Vermögensberatung zumindest die Befugnis zur Beratung über Personalkredite umfasst ist.

3.9 Ob statt der Aufnahme von Personalkrediten auch der Einsatz von Eigenmitteln möglich gewesen wäre, ist unerheblich, ergibt sich doch aus den Feststellungen, dass gerade die Aufnahme der Fremdwährungskredite ein charakteristischer Teil des Gesamtmodells war.

3.10 Soweit die Kläger die Frage als erheblich ansehen, ob es sich bei der Vermittlung von Personalkrediten um ein Nebenrecht gemäß § 32 Abs 1 Z 1 GewO handelt, übersehen sie, dass die genannte Bestimmung zwei Nebenrechte regelt: Zum einen Vor- und Vollendungsarbeiten und zum anderen Leistungen anderer Gewerbe im geringem Umfang, die unabhängig von einander zu sehen sind (VwGH vom 2. 10. 2012, 2010/04/0018, vgl VwGH vom 2. 10. 2012, 2010/04/0018; VwGH vom 5. 11. 2010, 2007/04/2010; vom 10. 12. 2009, 2009/04/0250).

Abgesehen davon, dass die Ausführungen der Kläger schon nicht erkennen lassen, ob sie sich auf § 32 Abs 1 Z 1 erster oder zweiter Fall GewO beziehen, schließt die ausdrückliche Ausnahme der Vermittlung der Personalkredite von der Gewerbeberechtigung ihre Qualifikation als Nebenrecht im Sinne der obigen Ausführungen jedenfalls aus.

4. Richtig ist zwar, dass nach § 158c Abs 1 VersVG die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten auch dann bestehen bleibt, wenn der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist. „Leistungsfreiheit des Versicherers“ bedeutet allgemein seine einseitige Befreiung von seiner Einstandspflicht für einen Versicherungsfall. Gemäß § 158c Abs 1 VersVG wird ungeachtet der Leistungsfreiheit des Versicherers im Verhältnis zum Versicherungsnehmer oder Mitversicherten im Verhältnis zwischen Versicherer und geschädigten Dritten das Bestehen eines Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers oder Mitversicherten fingiert (7 Ob 145/13v mwN; RIS-Justiz RS0129255).

Ob im vorliegenden Fall von einer freiwilligen oder einer Pflichthaftpflichtversicherung auszugehen ist, muss nicht geklärt werden. Der Versicherer haftet auch im letzteren Fall nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr, hier für die Tätigkeit im Rahmen des Gewerbes des Versicherungsnehmers gemäß Art 3.1.2 der Besonderen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 04/2005; die örtlichen, zeitlichen und sachlichen Grenzen der Gefahrenübernahme, also auch die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse, gelten gegenüber dem Dritten, der sich insoweit nicht auf § 158c VersVG stützen kann. Das heißt, die Leistungspflicht des Versicherers kann nicht weiter als bei einem ordnungsgemäßen Versicherungsverhältnis gehen (7 Ob 145/13v; RIS-Justiz RS0129256). Zulässig vereinbart sind übliche Risikoausschlüsse und -begrenzungen (vgl 7 Ob 70/14s, RIS-Justiz RS0125940). Die Haftpflichtversicherung soll der Absicherung von Risken im Zusammenhang mit der Ausübung eines bestimmten Gewerbes dienen. Die Risikobegrenzung auf genau diese Tätigkeit (die Risikoausschlüsse dienen der Verdeutlichung) ist damit nicht unüblich und es muss sie der Dritte gegen sich gelten lassen.

5. Da der Revision bereits im Hinblick darauf, dass für die vorliegende Tätigkeit des Versicherungsnehmers kein Versicherungsschutz besteht, nicht Folge zu geben war, erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit der Sachlegitimation der Kläger, insbesondere im Hinblick auf das Feststellungsbegehren, wurde die Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs doch lediglich zur Hereinbringung einer Geldforderung bewilligt.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E123384

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00139.18V.1031.000

Im RIS seit

06.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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