TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/24 W165 2162336-1

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Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W165 2162336-1/6E

W165 2162339-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidungen der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 22.05.2017, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/0448/2016, aufgrund der Vorlageanträge von 1.) XXXX, geb.XXXX alias XXXX, festgestellte Volljährigkeit, und 2.) XXXX, geb. XXXX alias XXXX, festgestellte Volljährigkeit, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 28.02.2017, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehörige Afghanistans, sind Geschwister. Die BF, deren Mutter und sieben weitere Geschwister der BF brachten am 03.02.2016 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad), Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein. Als Bezugsperson wurde der (angebliche) Vater der BF (und Ehemann der Mutter der BF) angegeben.

Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 11.08.2014, Zl. 811188104/1412811, nach Asylantragstellung am 09.10.2011 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und die damit verbundene befristete Aufenthaltsberechtigung bislang stets verlängert (laut IZR aktuell bis zum 11.08.2019).

In den Einreiseanträgen wurden das Geburtsdatum des BF1 mit XXXX und das Geburtsdatum der BF2 mit XXXX angegeben.

Den Einreiseanträgen waren ua. diverse Unterlagen betreffend die Bezugsperson und Reisepasskopien und afghanische Geburtsurkunden (Tazkira) der BF angeschlossen, in denen das Geburtsdatum des BF1 mit XXXX, das Geburtsdatum der BF2 mit XXXX ausgewiesen werden.

In einem (undatierten) Aktenvermerk der ÖB Islamabad werden auf Grund der äußeren Erscheinung der BF, die auf ein wesentlich höheres als das von den BF angegebene Lebensalter schließen lasse und Widersprüchen zwischen dem im Interview der Mutter der BF vor der Vertretungsbehörde genannten angeblichen Heiratsdatum mit der Bezugsperson und dem in der vorgelegten Heiratsurkunde ausgewiesenen Heiratsdatum, sowie dem Umstand, dass die BF2 einen Monat nach dem in der Heiratsurkunde ausgewiesenen Heiratsdatum geboren worden sein soll, die Mutter der BF2 jedoch angegeben habe, dass ihre ältere Tochter zehn Monate nach ihrer Heirat geboren worden sei, bezüglich der BF die Durchführung eines Altersfeststellungsverfahrens und eine DNA-Untersuchung zur Feststellung der Vaterschaft der Bezugsperson angeregt.

Die Einreiseanträge samt Unterlagen wurden von der ÖB Islamabad am 05.02.2016 an das BFA weitergeleitet.

Mit Schreiben vom 21.11.2016 ersuchte das BFA die ÖB Islamabad um Durchführung einer Altersfeststellung betreffend die BF sowie in Bezug auf eine weitere Schwester der BF, hinsichtlich derer ebenfalls Bedenken im Hinblick auf das behauptete Alter aufgetreten seien. Zweck der Altersfeststellung sei die Klärung der Frage, von welchem Mindestalter zum Zeitpunkt der Antragstellung ausgegangen werden könne.

In weiterer Folge beauftragte die ÖB Islamabad ein pakistanisches medizinisches Zentrum mit der Erstellung von Altersfeststellungsgutachten betreffend die BF und deren Schwester.

Die eingeholten multifaktoriellen Altersfeststellungsgutachten vom 08.12.2016 (Untersuchungsdatum: 01.12.2016) bestehen aus drei auf der Grundlage zahlreicher Befunde eingeholter Einzelgutachten (Röntgenbefunde der Knochen einschließlich der Schlüsselbeine, Röntgenbefunde des Zahnstatus und einer allgemeinen körperlichen Untersuchung und der auf diese gestützten Einschätzung des Alters der BF und deren Schwester nach dem Vier-Augen-Prinzip durch einen Facharzt für Kinderheilkunde und einen Arzt für Allgemeinmedizin) und einem die Ergebnisse der Einzelgutachten zusammenfassenden Gesamtgutachten. In keinem der Einzelgutachten lag das von den BF behauptete Alter innerhalb der Bandbreite eines noch möglichen Alters. Die multifaktorielle Altersfeststellung ergab ein Mindestalter des BF1 im Untersuchungszeitpunkt von rund 24 Jahren, ein Mindestalter der BF2 im Untersuchungszeitpunkt von rund 22 Jahren (und ein Mindestalter der Schwester der BF im Untersuchungszeitpunkt von 17 bis 18 Jahren).

Die Ergebnisse der Altersfeststellungsgutachten wurden dem BFA mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 15.12.2016 zur Kenntnis gebracht.

Das BFA teilte der ÖB Islamabad zu den gegenständlichen Einreiseanträgen mit Schreiben vom 10.01.2017 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die BF seien volljährig und daher nicht Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005. Näheres ergebe sich aus den beiliegenden Stellungnahmen des BFA. Es werde ersucht, den Parteien die Mitteilung und Stellungnahme des BFA im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen.

In den der Mitteilung des BFA vom 10.01.2017 angeschlossenen Stellungnahme wird jeweils ausgeführt, dass die auf Anregung der Durchführung einer Altersfeststellung seitens der ÖB Islamabad eingeholten, dem BFA am 15.12.2016 übermittelten Gutachten den (englischsprachigen) Vermerk tragen würden, "dass kein Teil dieses Berichtes aus Sicherheitsgründen der Partei oder einem Verwandten ausgehändigt werden dürfe". Auf Grund der Gutachten seien das Geburtsdatum des BF1 vom XXXX auf XXXX und das Geburtsdatum der BF2 vom XXXX auf XXXX geändert und deren Volljährigkeit festgestellt worden. Der BF1 sei laut Altersfeststellungsgutachten mindestens 24 Jahre alt, die BF2 sei laut Altersfeststellungsgutachten mindestens 22 Jahre alt. Bei den Antragstellern handle es sich somit um keine Familienangehörigen im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Im Lichte der Einräumung von Parteiengehör zu Ermittlungsergebnissen würden die wesentlichen Ausschnitte der Gutachten im Folgenden wiedergegeben werden:

1. Gutachtenszusammenfassung vom 08.12.2016:

"XXXX [...] presented for age estimation on December 1, 2016

His dental examination indicated that both upper and lower 3rd molars have erupted, but their roots have not yet calcified. His dental age is estimated to be above 17 years.

His physical examination revealed that he has physical appearance of a male of 20-22 years of age.

The x-rays taken of different parts of skeleton supported that his bone age ist 24 years or more.

Keeping in view the above results it is concluded that XXXX is about 24 years of age or more".

2. "Re: Bone age assessment ofXXXX [...], 08.12.2016:

Following radiographs dated December 1, 2016 were taken for bone age assessment of XXXX [...]

i. X-ray wrist antero-posterior view;

ii. X-ray elbow antero-posterior view;

iii. X-ray pelvis antero-posteroir view;

iv. X-ray shoulder joint antero-posterior-view;

v. X-ray medial end of clavicle oblique view.

[...] According to the radiographs the epiphyses of both ends of radius and ulna have fused, the epiphysis of shoulder joint has also fused. The epiphyses of iliac crest have fused. The epiphyses of medial ends of clavicle have fused as well. The radiographs are suggestive that XXXX is 24 years of age or more".

3. Das dritte Formular betrifft eine ärztliche Allgemeinbegutachtung vom 01.12.2016: als Ergebnisse, also betreffend die angekreuzten

Felder, werden angegeben:

Sex: Male, Height: 162cm, Weight: 59kg; breadth inspiration 90 cm, expiration: 88 cm; chest girth at the level oft je nipples: 88 cm;

Abominal girth at the level oft he umbilicus 72cm. General build and appearance: medium built. Hair: beard and mustace present an shaven;

axillary and pubic present. Testis: N/A

"The physical examination is suggestive that XXXX is 20-22 years of age".

4. Das vierte Formular betrifft die Ergebnisse der Dentalröntgen.

Die angekreuzten Felder bzw. die Anmerkungen lauten wie folgt:

"Estimation of Age according to OPG film (Dental X-Ray): XXXX, date of examination December, 2016, sex male.

Permanent: first box indicates erupted tooth and second box indicates complete root calcification. Please check appropriate boxes.

Erupted teeth: Born Boxes checked:

Upper right: 1st Molar, Central incisors, lateral incisors, 1st bicuspid, 2nd bicuspid, canine, 2nd molar.

Upper left: 1st molar, central incisors, lateral incisors, 1st bicuspid, 2nd bicuspid, canine, 2nd molar

Lower right: 1st molar, central incisors, lateral incisors, 1st bicuspied, 2nd bicuspid, canine; 2nd molar;

Lower left: 1st molar, central incisors, lateral incisors, 1st bicuspid, 2nd bicuspid, canine; 2nd molar;

Only one box checked:

Upper right: 3rd molar

Upper left: 3rdmolar

Lower right: 3rd molar

Lower left: 3rd molar

Please indicate if 3rd molars will erupt or not:

Upper left: no box checked, upper right: no box checked, lower left:

no box checked lower right: no box checked

Remarks -

The OPG x-ray survey is suggestive thattXXXX is more than 17 years of age".

1. Gutachtenszusammenfassung vom 08.12.2016:

"XXXX [...] presented for age estimation on December 1, 2016

Her dental examination indicated that both upper and lower 3rd molars have erupted, but their roots calcified. Her dental age is estimated to be above 18 years.

Her physical examination revealed that he has physical appearance of a female of 20-22 years of age.

The x-rays taken of different parts of skeleton supported that her bone age ist 22 years or more.

Keeping in view the above results it is concludes that XXXX is about 22 years of age".

2. "Re: bone age assessment of XXXX [...], 08.12.2016:

Following radiographs dated December 1, 2016 were taken for bone age assessment of XXXX [...]

i. X-ray wrist antero-posterior view;

ii. X-ray elbow antero-posterior view;

iii. X-ray pelvis antero-posteroir view;

iv. X-ray shoulder joint antero-posterior-view;

v. X-ray medial end of clavicle oblique view.

[...] According to the radiographs the epiphyses of both ends of radius and ulna have fused, the epiphysis of shoulder joint has also fused. The epiphyses of iliac crest have fused. The epiphyses of medial ends of clavicle have fused as well. The radiographs are suggestive that XXXX is 22 years of age or more".

Das dritte Formular betrifft eine ärztliche Allgemeinbegutachtung vom 01.12.2016: als Ergebnisse, also betreffend die angekreuzten

Felder, werden angegeben:

Sex: female, Height: 154cm, Weight: 59kg; breadth inspiration 94 cm, Expiration:93 cm; chest girth at the level oft je nipples: 93 cm;

abominal girth at the level oft he umbilicus 77cm. General build and appearance: medium built. Hair: Beard and mustace not present

Axillary present and shaven, pubic present

Testis: N/A

"The physical examination is suggestive that XXXXis 20-22 years of age".

Das vierte Formular betrifft die Ergebnisse der Dentalröntgen.

Die angekreuzten Felder bzw. die Anmerkungen lauten wie folgt:

"Estimation of Age according to OPG film (Dental X-Ray): XXXX, date of examination December, 2016, sex female.

Permanent: first box indicates erupted tooth and second box indicates complete root calcification. Please check appropriate boxes.

Erupted teeth: Both boxes checked:

Upper right: 1st molar, central incisors, 1st bicuspid, 2nd bicuspid, canine, 2nd molar, 3rd molar.

Upper left: 1st molar, central incisors, 1st bicuspid, 2nd bicuspid, canine, 2nd molar, 3rd molar

Lower right: 1st molar, central incisors, lateral incisors, 1st bicuspied, 2nd bicuspid, canine; 2nd molar; 3rd molar

Lower left: 1st molar, central incisors, lateral incisors, 1st bicuspied, 2nd bicuspid, canine; 2nd molar; 3rd molar

no box checked:

Upper right: lateral incisors

Upper left: lateral incisors

Please indicate if 3rd molars will erupt or not:

Upper left: no box checked, upper right: no box checked, lower left:

no box checked lower right: no box checked

Remarks -

The OPG -ray survey is suggestive that XXXXis more than 18 years of age".

Zwar seien im Verfahren Reisepässe vorgelegt worden, aus denen das Geburtsdatum des BF1 mit XXXX und das Geburtsdatum der BF2 mit XXXX ersichtlich sei, was ein Alter bei Antragstellung von 15 bzw 17 Jahren ergeben würde, doch sei amtsbekannt, dass jegliche Dokumente aus dem Bereich Afghanistan durch Gefälligkeit, Bestechung etc. erhalten werden könnten.

Die ho. Behörde stütze die Altersfeststellung auf die Untersuchung und schlüssige Beurteilung durch geeignete medizinische Sachverständige. Insgesamt würden drei Gutachten vorliegen, eine röntgenologische Untersuchung der Knochen, ein Panoramaröntgen der Zähne und eine körperliche Untersuchung sowie ein gerichtsmedizinisches Gutachten, in welches alle Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen einbezogen worden seien. Eine Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse zeige, dass diese schlüssig seien und miteinander im Einklang stünden. In keinem der Gutachten liege das behauptete Alter innerhalb der Bandbreite eines noch möglichen Alters. Alle Untersuchungen würden übereinstimmend davon ausgehen, dass das seitens der BF angegebene Alter zu niedrig sei. Die Gutachten seien schlüssig und würden feststellen, dass der BF1 24 Jahre oder älter, die BF 22 Jahre oder älter sei. Die unterschiedlichen Angaben zum Mindestalter in den Untersuchungsergebnissen seien mit den unterschiedlichen Untersuchungsmethoden schlüssig zu begründen. Die Untersuchungen seien jeweils durch medizinische Sachverständige durchgeführt worden, an deren fachlicher Eignung kein Zweifel bestehe. Die Gutachten würden dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen entsprechen und könnten durch die bloß gegenteilige Behauptung in ihrer Beweiskraft nicht erschüttert werden (vgl. VwGH 16.10.1985, 84/09/0141).

Der VwGH habe zur Frage der Altersfeststellung festgehalten, dass eine Alterseinschätzung bei Asylwerbern überprüfbar zu erfolgen habe, wozu es - sollte die Altersfeststellung nicht auf weitere, nachvollziehbar dargestellte Umstände gestützt werden können - im Regelfall einer Untersuchung und Beurteilung durch geeignete (zumeist wohl medizinische) Sachverständige bedürfe. Sollten auch danach noch keine hinreichend gesicherten Aussagen zur Volljährigkeit möglich sein, hätten die Asylbehörden im Zweifel von den Angaben des Asylwerbers zu seinem Geburtsdatum (Alter) auszugehen.

Nichts Anderes normiere § 13 Abs. 3 BFA-VG, wonach die Asylbehörden die Durchführung einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose anordnen könnten, wenn es dem Antragsteller nicht gelinge, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit nachzuweisen.

Für die Annahme der Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung der BF bestünden keinerlei Anhaltspunkte. Das BFA gehe auf Grund der zweifelsfreien Gesamtgutachten davon aus, dass die BF die Volljährigkeitsgrenze bereits vor Antragstellung erreicht hätten.

Wenn schließlich vorgebracht werde, dass es Erwägungen des Art. 8 EMRK als notwendig erscheinen lassen könnten, den BF zur Fortsetzung des Familienlebens in Österreich die Einreise zu erlauben, werde übersehen, dass Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern oder zwischen Geschwistern nach der Rechtsprechung des EUGH nicht unter den Begriff des Familienlebens von Art. 8 EMRK fallen würden, sofern nicht weitere Faktoren einer Abhängigkeit, die über normale Gefühlsbande zwischen solchen Familienangehörigen hinausgehen würden, festgestellt werden könnten.

Solche Faktoren der Abhängigkeit seien nicht vorgebracht worden und hätten nicht festgestellt werden können.

Aus den dargelegten Gründen sei zum derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status im Sinne des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 nicht wahrscheinlich.

Mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 17.01.2017, von den BF übernommen am 03.02.2017, wurde den BF unter Übermittlung der Mitteilung und Stellungnahme des BFA vom 10.01.2017 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Es erging die Aufforderung, die angeführten Ablehnungsgründe innerhalb einer Woche ab Zustellung des Schreibens durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

In den nach eingeräumter Fristerstreckung ergangenen Stellungnahmen des bevollmächtigten Vertreters der BF vom 16.02.2017 wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der BF1 und die BF2 laut vorgelegter Reisepässe und vorgelegter Tazkira am XXXX bzw. XXXX geboren seien. Dementsprechend seien die BF minderjährig, woraus folge, dass diese eindeutig Familienangehörige im Sinne des § 35 AsylG 2005 seien. Den BF sei eine Zusammenfassung der ärztlichen Gutachten zur Altersfeststellung vom 08.12.2016 vorgelegt worden. Ergebnis der ärztlichen Untersuchung sei, dass der BF1 zum Zeitpunkt der Untersuchung ungefähr 24 Jahre alt, die BF2 zum Zeitpunkt der Untersuchung ungefähr 22 Jahre alt gewesen sei. In den Erläuterungen des FrÄG 2009 zu Z 16 (§ 15 Abs. 1 Z 6 AsylG) werde hinsichtlich der Durchführung der Altersdiagnose das Untersuchungsmodell der interdisziplinären Arbeitsgesellschaft für forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin empfohlen. Demnach sollten Altersschätzungsgutachten in jedem Fall so erfolgen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass die Person älter als das angegebene Mindestalter sei. Zusammenfassend sei die vorgelegte Gutachtenszusammenfassung zu ungenau, um dazu Stellung zu nehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Referenzstudien in der Untersuchung herangezogen worden seien, ob diese den Umständen entsprechend adäquat ausgewählt worden seien, über welche Qualifikationen die herangezogenen Sachverständigen verfügt hätten und ob personenspezifische Variationsmöglichkeiten berücksichtigt worden seien. Sollte die ärztliche Untersuchung ausschlaggebend für das Verfahren und der Grund für die beabsichtigte Ablehnung der Einreiseanträge sein, ergehe die Aufforderung, den BF das vollständige verfahrensrelevante Gutachten auszuhändigen. Im Sinne der Verfahrenstransparenz und der Wahrung des Parteiengehörs sollten zumindest die Methodik der Altersfeststellung sowie die Namen und Qualifikation der jeweiligen Sachverständigen offengelegt werden.

Nach Weiterleitung der Stellungnahmen der BF an das BFA teilte dieses der ÖB Islamabad mit Schreiben vom 27.02.2013 mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Den Parteien seien die wesentlichen Teile der Gutachten zur Stellungnahme übermittelt worden. Hinsichtlich Erwägungen zu Art. 8 EMRK würden die BF übersehen, dass keine über normale Gefühlsbande zwischen erwachsenen Familienangehörigen hinausgehende Abhängigkeitsmerkmale im Sinne des Art. 8 EMRK vorgebracht worden seien.

Mit Bescheiden vom 28.02.2017 verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005. Hinsichtlich der Begründung wurde auf die den BF bereits ausgehändigten, den Bescheiden nochmals beiliegenden Stellungnahmen des BFA vom 10.01.2017 verwiesen. Das BFA habe nach Prüfung der Stellungnahme der BF vom 16.02.2017 mitgeteilt, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde und seien den BF, wie von der Judikatur des BVwG gefordert, die wesentlichen Teile der Altersfeststellungsgutachten zur Stellungnahme übermittelt worden. Auf Grund der Aktenlage seien die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln daher gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzuweisen gewesen.

Gegen die Bescheide richten sich die am 28.03.2017 fristgerecht eingebrachten gleichlautenden Beschwerden, in denen wie in den Stellungnahmen vom 16.02.2017 vorgebracht wird.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 22.05.2017 wies die ÖB Islamabad die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Das BFA habe nach Erhalt der Antragsunterlagen mitgeteilt, dass erhebliche Zweifel am angegebenen minderjährigen Alter der BF bestünden und aus diesem Grund die Botschaft um Veranlassung einer Altersdiagnose ersucht. Insbesondere sei zu klären gewesen, ob die BF zum Zeitpunkt der Antragstellung das 18. Lebensjahr bereits vollendet hätten und somit volljährig gewesen seien. Die Botschaft habe dem BFA die Ergebnisse der Altersfeststellung am 15.12.2016 übermittelt, worauf das BFA der Botschaft mitgeteilt habe, dass die Gewährung des Status von subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei. Dass eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson, vorgeblich der Vater der BF, als nicht wahrscheinlich einzustufen sei, sei in der Stellungnahme des BFA ausführlich begründet worden. Daraus habe sich ergeben, dass der Antrag der BF auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzulehnen wäre.

Mit Schreiben der ÖB vom 17.01.2017 sei den BF Gelegenheit gegeben worden, den angeführten Ablehnungsgrund durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Die nach Gewährung einer Fristerstreckung am 16.02.2017 ergangene Stellungnahme der BF sei an das BFA weitergeleitet worden, das nach deren Prüfung mitgeteilt habe, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrechterhalten werde.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die BF Anträge nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt hätten und eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ergangen sei. Als allein tragender Grund für die Abweisung der Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit nur in Betracht, dass nach der Mitteilung des BFA die Erfolgsaussichten eines Antrages der BF auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei in den angefochtenen Bescheiden auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Jenseits und unabhängig der obangeführten Bindungwirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des AsylG 2005 nicht vorliege. Das BFA habe sich bei der Altersfeststellung auf die Untersuchung und schlüssige Beurteilung durch geeignete medizinische Sachverständige gestützt, wobei insgesamt drei Gutachten, eine röntgenologische Untersuchung der Knochen, ein Panoramaröntgen der Zähne, eine körperliche Untersuchung, sowie ein gerichtsmedizinisches Gutachten, in welches alle Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen miteinbezogen worden seien, vorgelegen seien. Die Untersuchungsergebnisse seien schlüssig und stünden miteinander im Einklang. In keinem Gutachten liege das behauptete Alter der BF innerhalb der Bandbreite eines noch möglichen Alters. Ein begründeter Zweifelsfall liege somit nicht vor. Wenn den vorgelegten Urkunden, aus denen die BF ein noch minderjähriges Alter ableiten würden, kein Glaube geschenkt werde, so sei auch dieser Akt der Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.

Mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 22.03.2017 ergingen Verbesserungsaufträge zu den Beschwerden, da entgegen der Rechtsmittelbelehrung in den Bescheiden nicht alle im Verfahren vor der Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen in deutscher Sprache vorgelegt worden seien, denen die BF fristgerecht nachkamen.

Am 01.06.2017 wurden bei der ÖB Islamabad Vorlageanträge gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 14.06.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 23.06.2017, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt werden der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.

Eine Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden. Bei den BF handelt es sich um im Zeitpunkt der Antragstellung auf der Grundlage schlüssiger und unbedenklicher multifaktorieller Altersfeststellungsgutachten festgestellt volljährige Personen. Die Einzelgutachten und die Gesamtgutachten liegen vollständig in den Akten ein.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Islamabad, den vorgelegten Unterlagen, den Angaben der BF und dem Bescheid des BFA vom 11.08.2014, womit der Bezugsperson der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Die jeweils erfolgten Verlängerungen der damit im Zusammenhang stehenden befristeten Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson ergeben sich aus den vorliegenden Bescheiden und dem damit übereinstimmenden Auszug aus dem IZR, wonach deren befristete Aufenthaltsberechtigung aktuell bis 11.08.2019 aufrecht ist. Die Feststellungen zur Volljährigkeit der BF stützen sich auf unbedenkliche multifaktorielle Altersfeststellungsgutachten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:

Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis. Die Prognose des BFA - und die in der Folge darauf gestützte Auffassung der Vertretungsbehörde, dass Familienangehörigeneigenschaft zwischen den BF und der Bezugsperson nicht vorliegt - ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend:

Aus den Akten ergibt sich, dass seitens der Vertretungsbehörde Altersfeststellungsgutachten eingeholt wurden, die an Hand jener Parameter und jener multifaktoriellen Untersuchungsmethodik erstellt wurden, wie diese grundsätzlich auch in Österreich zur Anwendung gelangen. Dementsprechend wurden auf der Grundlage mehrerer Untersuchungen Einzelgutachten erstellt (Knochenröntgen, Dentalröntgen und körperliche Untersuchung mit einer auf dieser beruhenden Alterseinschätzung nach dem Vier-Augen-Prinzip), deren Ergebnisse in ein schlüssiges Gesamtgutachten eingeflossen sind. In keinem der Einzelgutachten liegt das von den BF behauptete Alter innerhalb der Bandbreite eines noch möglichen Alters. Die Gesamtgutachten haben unzweifelhaft ein Mindestalter des BF1 von 24 Jahren im Untersuchungszeitpunkt (01.12.2016) und ein Mindestalter der BF2 von 22 Jahren im Untersuchungszeitpunkt (01.12.2016) ergeben.

Auf der Grundlage der eingeholten multifaktoriellen Altersdiagnostik ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den BF um im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 eindeutig volljährige Personen handelt, sodass der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 (arg. "zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind") nicht erfüllt ist.

Für die Anwendung der von den BF ins Treffen geführten Zweifelsregel des § 13 Abs. 3 letzter BFA-VG, wonach im Falle, dass nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel bestehen sollten, zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen wäre, verbleibt in einem wie hier vorliegenden Sachverhalt kein Raum.

Durch die bloße Behauptung von Geburtsdaten, die mit den schlüssigen Gutachtensergebnissen nicht in Einklang zu bringen sind einschließlich der Vorlage afghanischer Dokumente zur "Untermauerung" des angegebenen Lebensalters durch die BF, ist den Gutachten nicht wirksam entgegengetreten worden. Am Rande bemerkt ist die Beweiskraft derartiger Urkunden zudem gering, da afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind, zumal derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (vgl. etwa deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, S. 27).

Hinweise, dass die erstellten Gutachten grob willkürlich erstellt und die darin wiedergebenden Ergebnisse grob unsachgemäß ermittelt worden wären, liegen weder vor noch wurde Derartiges substantiiert behauptet. Ein Vorbringen dahingehend, dass die Ärzte des Institutes etwa notorisch mangelnde Fachkenntnis aufweisen würden, wurde nicht erstattet.

Bei dem tätig gewordenen pakistanischen medizinischen Zentrum handelt es sich um ein Institut, das laut Homepage unter anderem regelmäßig von den Visa-Abteilungen der Botschaften, so auch bezüglich Einreisewilliger in die USA, zur Vornahme der erforderlichen ärztlichen Begutachtungen herangezogen wird. Dem erkennenden Gericht liegen keine Anhaltspunkte vor, die die fachliche Kompetenz der für das Institut tätigen Ärzte in Zweifel zu ziehen sein könnte.

Den BF wurden die Ergebnisse der Einzelgutachten bzw. Einzeluntersuchungen zur Stellungnahme übermittelt. Die Gutachten wurden den BF damit in ihren wesentlichen Teilen, sohin im erforderlichen, eine zielgerichtete Stellungnahme ermöglichenden Umfang, zur Kenntnis gebracht.

Dass den BF die konkret tätig gewordenen Ärzte bzw. Ärztinnen nicht namentlich bekannt gegeben wurden, kann angesichts der seitens des medizinischen Zentrums geltend gemachten Sicherheitsbedenken akzeptiert werden, zumal davon auszugehen ist, dass den BF das medizinische Institut selbst, bei welchem sich diese zum Zweck der Untersuchungen persönlich eingefunden haben, ohnehin - namentlich - bekannt gewesen sein musste.

Sollte dessen ungeachtet ein Verfahrensmangel darin zu erblicken sein, dass den BF die Gutachten nicht in ihrer Gesamtheit zur Verfügung gestellt wurden, so ist die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang in dem Sinne, dass die vollständige Vorlage der Gutachten zu einem für die BF günstigeren Verfahrensergebnis, nämlich der Stattgebung der Einreiseanträge, zu führen vermocht hätte, weder erkennbar noch wurde diese von den BF dargetan.

Bemerkenswerter Weise bestreiten die BF jedoch gar nicht die Richtigkeit der in den Einzeluntersuchungen gewonnenen - unmissverständlich die Volljährigkeit der BF im Antragszeitpunkt belegenden - Untersuchungsergebnisse als solche, sondern erschöpft sich deren Kritik vielmehr im Wesentlichen darin, dass den vorgelegten Gutachten Referenzstudien, die Qualifikation der tätig gewordenen Sachverständigen und die Berücksichtigung personenspezifischer Variationsmöglichkeiten nicht zu entnehmen gewesen wären.

Soweit die BF schließlich mit dem Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK argumentieren, ist anzumerken ist, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, gegenständlich nicht vorliegen. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Abgesehen davon, dass Erwägungen zu Art. 8 EMRK die - in Ausfüllung des Gesetzesvorbehaltes ergangenen - einfachgesetzlichen Regelungen des § 35 AsylG 2005 grundsätzlich nicht auszuhebeln vermögen, ist gegenständlich auch kein nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK gefordertes besonderes Nahe- bzw Abhängigkeitsverhältnis der erwachsenen BF zu ihrem spätestens seit seiner Asylantragstellung im Jahr 2011 in Österreich - und somit seit rund sieben Jahren in dauernder räumlicher Trennung - lebenden angeblichen Vater erkennbar.

Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen der gegenständlichen Verfahren auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Altersfeststellung, Angehörigeneigenschaft,
Beschwerdevorentscheidung, Einreisetitel, österreichische Botschaft,
Sachverständigengutachten, Volljährigkeit, Vorlageantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W165.2162336.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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