TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 97/15/0087

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1091;
ABGB §309;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §224 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
LAO Wr 1962 §128 Abs2;
LAO Wr 1962 §171;
LAO Wr 1962 §18;
LAO Wr 1962 §67 Abs3 lita;
LAO Wr 1962 §90 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §13 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der "E" Theaterbetriebsgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Susanne Fuchs-Weisskircher, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rabensteig 1, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien, vom 26. Juni 1996, MD-VfR-E 4/96, betreffend Haftung für Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.860 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1995 gab der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin bekannt, OR habe von November 1989 bis März 1990 im Lokal in Wien, P-Platz 1, vergnügungssteuerpflichtige Publikumstanzveranstaltungen durchgeführt, für welche noch Vergnügungssteuer von 54.905 S ausständig sei. Die Beschwerdeführerin hafte als Lokalinhaberin für diese Abgabe.

Die Beschwerdeführerin teilte dem Magistrat mit, OR habe im genannten Zeitraum Publikumstanzveranstaltungen ("Clubbings") im Theater am P-Platz 1 durchgeführt und hiefür die Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin angemietet. OR habe diese Einzelveranstaltungen angemeldet. Die Beschwerdeführerin habe mit den Einnahmen aus dem Kartenverkauf nichts zu tun.

Mit Bescheid des Magistrates vom 19. März 1996 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 4 VGSG zur Haftung für die durch die Veranstaltungen des OR in ihren Räumen in Wien, P-Platz 1, für die Zeit von November 1989 bis März 1990 entstandene Vergnügungssteuerschuld (samt Nebengebühren) von 54.905 S herangezogen. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Vergnügungssteuer sei OR als Primärschuldner vorgeschrieben, eine dagegen eingebrachte Berufung zurückgewiesen worden. Da die Beschwerdeführerin Inhaberin der von OR benutzten Räume gewesen sei und der Rückstand beim Primärschuldner nicht eingebracht werden könne, seien die Haftungsvoraussetzungen erfüllt.

Die Beschwerdeführerin brachte in der Berufung gegen den Haftungsbescheid vor, abgesehen von der Vermietung der Räume an Einzeltagen habe sie mit den Veranstaltungen des OR nichts zu tun. Überdies sei sie als von Subventionen abhängiges Kulturunternehmen nicht in der Lage, den geforderten Betrag zu bezahlen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es stehe nach der Aktenlage fest und werde auch nicht konkret bestritten, dass OR von November 1989 bis März 1990 Publikumstanz veranstaltet habe und die Beschwerdeführerin Inhaberin der dafür benützten Räume gewesen sei. Die Abgabenfestsetzung gegenüber dem Primärschuldner sei in Rechtskraft erwachsen, gegen den im erstinstanzlichen Bescheid ausgewiesenen Abgabenrückstand bestünden keine Bedenken. Die Geltendmachung der Haftung entspreche den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Billigkeit, zumal nach der Aktenlage eine rasche Einbringlichkeit beim Primärschuldner nicht gegeben sei und die Beschwerdeführerin durch die Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten Einnahmen erzielt habe.

Mit Beschluss vom 25. Februar 1997, B 2652/96 und B 2666/96, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten verletzt, dass sie zur Haftung herangezogen worden sei, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht vorlägen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 13 Abs. 4 VGSG lautet:

"Der Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke haftet neben dem Unternehmer für die Vergnügungssteuer, sofern er nicht selbst steuerpflichtig ist. Entsteht die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb, so haftet der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit folgenden Einschränkungen:

1. Der Verpächter haftet für jedes Kalenderjahr bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im verpachteten Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 haftet der Verpächter jedoch jedenfalls für die Steuer für die veranstaltungsrechtlich höchstzulässige Anzahl von Apparaten zusätzlich einer Musikbox.

2. Der Verpächter haftet aber immer bis zur Höhe des Pachtschillings, der für den Zeitraum, für den die Haftpflicht besteht, vereinbart wurde.

In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 ist die Haftung des Erwerbers nach § 12 WAO abweichend von den dort genannten Einschränkungen begrenzt mit der Steuer für die veranstaltungsrechtlich höchstzulässige Anzahl von Apparaten zusätzlich einer Musikbox."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, der an den Primärschuldner ergangene Vergnügungssteuerbescheid beziehe sich auf den Veranstaltungsort P-Platz 2. Da die Räumlichkeiten der Beschwerdeführer aber an der Adresse P-Platz 1 gelegen seien, sei der Haftungsbescheid ohne Grundlagenbescheid ergangen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Im Verwaltungsverfahren wie auch in der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, in ihren Räumlichkeiten an der Adresse Wien, P-Platz 1, habe OR "Clubbings" veranstaltet. Somit ist unbestritten, dass vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltungen in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin durchgeführt worden sind. Der Umstand, dass der an OR ergangene Abgabenbescheid im Betreff irrtümlich die Adresse P-Platz 2 anführt, steht der Geltendmachung der Haftung schon deshalb nicht entgegen, weil die Haftungsinanspruchnahme nicht voraussetzt, dass dem Primärschuldner gegenüber bereits ein Bescheid erlassen worden ist (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 224 Tz 2).

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich aber aus einem anderen Grund:

§ 13 Abs. 4 VGSG normiert einerseits die uneingeschränkte Haftung des Inhabers der für die Vergnügung benützten Räume und andererseits, soweit die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb entsteht, die mehrfach eingeschränkte Haftung des Verpächters.

Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, ist ihr Inhaber (§ 309 Abs. 1 ABGB). Aus der Gegenüberstellung von Inhaber und (nur beschränkt haftendem) Verpächter in § 13 Abs. 4 VGSG ergibt sich, dass diese Gesetzesbestimmung mit dem "Inhaber" den Fall der unmittelbaren Innehabung (im Wesentlichen Möglichkeit der Bestimmung des im Raum ausgeübten faktischen Geschehens) anspricht. Der Vermieter ist daher kein Inhaber iSd § 13 Abs. 4 VGSG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, 92/17/0083, und zur Relevanz der Abgrenzung zwischen Miete und Pacht das hg. Erkenntnis vom 16. November 1998, 93/17/0273).

Im Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin stets vorgebracht, sie habe OR ihre Räumlichkeiten zur Abhaltung von Tanzveranstaltungen vermietet. Im angefochtenen Bescheid führt die belange Behörde zur Haftungsvoraussetzung der Inhaberschaft lediglich aus, die Beschwerdeführerin habe diese nicht konkret bestritten, sie stehe nach der Aktenlage fest.

Nun ist aber der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG nicht zur Prüfung von Aktenmaterial als solchem, sondern zur Prüfung des letztinstanzlichen Bescheides berufen. Eine derartige Gesetzmäßigkeitsprüfung kann der Verwaltungsgerichtshof nur vornehmen, wenn ein angefochtener Bescheid die Beurteilung des Vorliegens einer Verletzung als verletzt geltend gemachter Rechte des Beschwerdeführers durch die Anwendung materiellen Rechts oder die Gestaltung des Verfahrens zur Sachgrundlagenermittlung in der dem Bescheid gegebenen Begründung auch ermöglicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200). Lässt die Begründung eine solche Beurteilung gar nicht zu, führt ein solcher Begründungsmangel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zwangsläufig schon aus diesem Grund.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, eine Bescheidbegründung müsse erkennen lassen, welcher als erwiesen angenommene Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 94/13/0200). Dass die Darstellung des von der belangten Behörde im Ergebnis ihrer Beweiswürdigung festgestellten Sachverhaltes durch einen bloßen Hinweis auf Aktenmaterial nicht ersetzt werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 1996, 93/13/0016).

Die oben wiedergegebene Begründung des im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheides entspricht den beschriebenen Anforderungen an eine Bescheidbegründung nicht. So fehlt insbesondere die Darstellung jenes als erwiesenen angenommenen Sachverhaltes, aufgrund dessen die Behörde bei ihrer rechtlichen Beurteilung die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke" angenommen hat.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Behörde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, 95/15/0173). Die Ermessensübung ist zu begründen. Die belangte Behörde stützt ihre Ermessensübung im Wesentlichen darauf, dass nach der Aktenlage eine rasche Einbringlichkeit beim Primärschuldner nicht gegeben sei. Auch hiezu ist darauf zu verweisen, dass die Begründung eines Bescheides die Erwägungen der Behörde enthalten muss, die sie dazu bewogen haben, einen bestimmten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, und auch in dieser Hinsicht der bloße Verweis auf die Aktenlage den Erfordernissen einer Bescheidbegründung nicht entspricht.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994. Der Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.

Wien, am 21. Oktober 1999

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Ermessen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997150087.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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