TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/23 95/15/0173

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Index

23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §20;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §1 Abs2;
KO §1;
KO §140;
KO §147;
KO §51;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 19. September 1995, B Z1-10/95, betreffend Haftung (für Umsatzsteuer, Lohnsteuer sowie Dienstgeberbeitrag, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Pfändungs- und Vollstreckungsgebühren sowie eine Zwangsstrafe) nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.980 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Obmann des M-Vereins, eines Vereins nach dem VereinsG. Über das Vermögen des Vereins wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 12. März 1993, 25 S nn2/93, der Konkurs eröffnet; die Konkursforderungen wurden mit der Quote von ca. 1 % befriedigt. Mit Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, 25 S nn3/93, wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs eröffnet; mit Beschluß des genannten Gerichts vom 3. November 1993 wurde in dieser Konkurssache ein Zwangsausgleich bestätigt, nach welchem die Konkursgläubiger eine Quote von 35 % erhalten.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1994 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 BAO für uneinbringliche Abgaben des M-Vereins im Betrag von 342.322,04 S (Umsatzsteuer, Lohnsteuer sowie Dienstgeberbeitrag für 1991 und 1992, Umsatzsteuervorauszahlung für Jänner 1993, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Pfändungs- und Vollstreckungsgebühren sowie eine Zwangsstrafe) wegen schuldhafter Nichtentrichtung als deren Vertreter zur Haftung herangezogen.

In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, der M-Verein habe im März 1993 Konkurs angemeldet, zugleich habe der Beschwerdeführer Konkurs angemeldet. In beiden Verfahren sei ein Zwangsausgleich beantragt und durchgeführt worden. Mit 31. Oktober 1993 sei der Zwangsausgleich aufgehoben worden.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, daß im Konkursverfahren des M-Vereines kein Zwangsausgleich zustande gekommen sei. Der Zwangsausgleich in dem den Beschwerdeführer betreffenden Konkursverfahren habe keine Relevanz auf die Geltendmachung der Haftung. Es handle sich nämlich um neu entstandene Forderungen.

Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er werde zur Haftung für solche Abgaben des M-Vereins herangezogen, die vor Eröffnung des Konkurses entstanden seien. Es wäre am Finanzamt gelegen gewesen, die Forderungen aus der Haftung in dem den Beschwerdeführer betreffenden Konkursverfahren 25 S nn3/93 geltend zu machen. Das Finanzamt könne die Prüfpflicht des Masseverwalters im Konkursverfahren bzw. im Zwangsausgleich nicht dadurch umgehen, daß es die Forderung erst nach Abschluß des Insolvenzverfahrens geltend mache. Eine Überprüfung hätte ergeben, daß den Beschwerdeführer kein Verschulden an den Zahlungsrückständen treffe. Es wäre jedenfalls im Haftungsverfahren die im Zwangsausgleich fixierte Barquote von 35 % zu berücksichtigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Haftung auf den Betrag von 339.462,04 S eingeschränkt, weil die Umsatzsteuer 1992 mit dem Teilbetrag von 2.860 S getilgt worden war, im übrigen die Berufung aber abgewiesen. Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen beim Abgabenschuldner sei unbestritten. Es sei Sache des Vertreters des Vereins darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden dürfe, daß er seiner Pflicht in schuldhafter Weise nicht nachgekommen sei. Nicht die Abgabenbehörde habe das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Er habe außerdem darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe. Es wäre daher Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, die Grundlagen für die Feststellung des zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zur Bezahlung der Abgaben zur Verfügung gestandenen Anteils an liquiden Mitteln beizubringen. Eine solche Darlegung, die die Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel ermöglicht hätte, habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Zudem entfalle der uneinbringliche Rückstand zum überwiegenden Teil auf Umsatzsteuer, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit den Preisen vereinnahmt werde und jedenfalls zur Abgabenentrichtung zur Verfügung stehen müsse. Hinsichtlich der ebenfalls im Rückstand enthaltenen Lohnsteuer werde bemerkt, daß das Unterbleiben ihrer Abfuhr jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung darstelle, weil gemäß § 78 Abs. 3 EStG, wenn die Mittel zur Deckung der Lohnsteuer nicht reichten, nur ein entsprechend niedrigerer Betrag an Lohn an die Dienstnehmer ausbezahlt werden dürfe. Dem Berufungsvorbringen, das Finanzamt hätte seine Forderungen im Konkurs des Beschwerdeführers geltend machen müssen, hielt die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, 89/14/0298, entgegen, daß sich die Uneinbringlichkeit erst im Laufe des Insolvenzverfahrens (über das Vermögen des Primärschuldners) herausstellen könne und daher erst mit Aufhebung des Konkurses überschaubar sei. Die Abgaben seien daher von den Rechtswirkungen des Zwangsausgleiches im Insolvenzverfahren des Beschwerdeführers nicht betroffen. Der Haftungsbescheid vom 16. Dezember 1994 habe gegenüber dem Beschwerdeführer insoweit konstitutive Wirkung, als er erst durch ihn zum Gesamtschuldner geworden sei. Gemäß § 1 Abs. 2 KO fielen in den Konkurs und damit auch in den im Laufe des Konkursverfahrens abgeschlossenen Zwangsausgleich nur solche vermögensrechtlichen Ansprüche gegen den Gemeinschuldner, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits bestanden hätten. Im gegenständlichen Fall sei die Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden beim M-Verein erst aufgrund der Aufhebung des Konkurses nach Verteilung des Massevermögens am 10. März 1994 anzunehmen gewesen; zu diesem Zeitpunkt sei aber der Konkurs über das Vermögen des Beschwerdeführers bereits aufgehoben gewesen. Ein Fall der willkürlichen Wahl des Zeitpunktes der Erlassung des Haftungsbescheides zu Lasten des Beschwerdeführers liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht verletzt, daß persönliche Haftungen für Abgabenschulden aus den Jahren 1991 und 1992 so verspätet geltend gemacht worden seien, daß sie im Zwangsausgleichsverfahren 25 S nn3/93 nicht angemeldet und somit nicht berücksichtigt worden seien. Der Haftungsbescheid hätte sich auf die Ausgleichsquote von 35 % beschränken müssen. Unabhängig vom Ergebnis des Insolvenzverfahrens des Primärschuldners hätte die Behörde die Haftung bereits im Insolvenzverfahren des Beschwerdeführers geltend machen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

In den Konkurs - und damit auch in den im Laufe eines Konkursverfahrens abgeschlossenen Zwangsausgleich - fallen grundsätzlich nur solche vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Gemeinschuldner, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung schon bestanden haben. Die Gruppe der Konkursgläubiger ist mit dem Tag der Verfahrenseröffnung abgeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, 89/14/0298, unter Hinweis auf Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4, Rz 32 und 68; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht5, 77).

Der Haftungsbescheid hat dem Haftenden gegenüber insoweit konstitutive Wirkung, als er erst hiedurch zum Gesamtschuldner wird (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 89/14/0298).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung; sie setzt die Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner voraus. Es entspricht daher dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat. Aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses kann nicht zwingend auf die gänzliche Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Primärschuldner geschlossen werden.

Im gegenständlichen Fall ist der genaue Zeitpunkt der Konkurseröffnung im Verfahren betreffend den Beschwerdeführer (25 S nn3/93) nicht aktenkundig, sie ist nach der Aktenlage aber jedenfalls vor dem 31. März 1993 erfolgt. Der Zwangsausgleich in diesem Verfahren 25 S nn3/93 ist am 3. November 1993 bestätigt worden. Der Konkurs des Vereines (25 S nn2/93) ist nach der Aktenlage erst am 10. März 1994 nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben worden. Wenn der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 16. Dezember 1994 zur Haftung herangezogen worden ist, ohne dabei die Rechtswirkungen des Zwangsausgleichs zu berücksichtigen, so entspricht dies dem Gesetz.

Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1996, 94/17/0122). Dieses Ermessen umfaßt auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens.

Der angefochtene Bescheid enthält keine Begründung für die Ermessensübung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes gebietet aber gerade eine Konstellation, wie sie im vorliegenden Fall gegeben ist, eine Begründung der Ermessensentscheidng betreffend das Ausmaß, in welchem die Haftung geltend gemacht wird: Kommt hinsichtlich des Haftenden ein Zwangsausgleich zustande und wurden die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches (Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Abgabenschuldner und eine schuldhafte, für den eingetretenen Schaden ursächliche Pflichtverletzung des Vertreters) vor der Konkurseröffnung verwirklicht, so entspricht es grundsätzlich der nach § 20 BAO im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Billigkeit, daß sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der Ausgleichsquote orientiert. In diesem Zusammenhang ist es aber der Behörde nicht verwehrt, in ihren Überlegungen allenfalls den Umstand zu berücksichtigen, daß es ihr im Hinblick auf den späteren Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1996, 95/16/0077) nicht möglich war, ihre Ansprüche im Insolvenzverfahren zu verfolgen und dabei die entsprechenden Gläubigerrechte (vgl. etwa § 147 KO) wahrzunehmen.

Weil sohin im gegenständlichen Fall der angefochtene Bescheid die erforderliche Begründung des Ermessens nicht enthält, war er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995150173.X00

Im RIS seit

07.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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