TE OGH 2018/9/25 1Nc30/18d

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der zu AZ 69 Cg 55/18i des Landesgerichts Innsbruck anhängigen Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Robert Mäser, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 5.250 EUR sA, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Delegierungsantrag wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde am 27. 1. 2017 aufgrund der vorangegangenen Anordnung des Landesgerichts Feldkirch festgenommen; über ihn wurde mit Beschluss vom 29. 1. 2017 die Untersuchungshaft verhängt, deren Fortdauer mit den Beschlüssen dieses Landesgerichts vom 10. 2. 2017 und vom 29. 3. 2017 bis 9. 5. 2017 angeordnet wurde. Nach Erhebung eines Strafantrags der Staatsanwaltschaft Feldkirch am 4. 5. 2017 wurde der Kläger vom Landesgericht Feldkirch am 16. 6. 2017 zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Aus Anlass der dagegen erhobenen Berufungen hob das Oberlandesgericht Innsbruck am 5. 9. 2017 das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu II. als nichtig auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück. Für die aufrecht gebliebenen Schuldsprüche zu I. und III. verhängte es eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil dieser Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 27. 1. 2017 bis 5. 9. 2017 auf die Strafe angerechnet.

Der Kläger brachte in seiner
– verbesserungsbedürftigen – „Amtshaftungsklage wegen abgelehnter Haftentschädigung“ vor, dass ihn das Landesgericht Feldkirch zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt habe, die das Oberlandesgericht Innsbruck am 5. 9. 2017 auf vier Monate „unbedingt“ korrigiert habe. Diese vier Monate habe er im Rahmen der Untersuchungshaft bereits am 26. 5. 2017 verbüßt gehabt. Da er bis zu seiner Entlassung unberechtigt vom 27. 5. 2017 bis 5. 9. 2017 „hinter Gittern“ gewesen sei, habe er eine nicht berechtigte Haftzeit von 105 Tagen verbüßt. Er beantrage eine Entschädigung in Höhe von 50 EUR täglich, für 105 Tage insgesamt 5.250 EUR.

Nachdem das Oberlandesgericht Innsbruck das Landesgericht Innsbruck zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache gemäß § 12 Abs 1 StEG 2005 iVm § 9 Abs 4 AHG als zuständig bestimmte, wies dieses den Antrag des Klägers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab.

In der „verbesserten“ Mahnklage, in der er als Beklagte die „Finanz Prokuratur“ anführte, brachte er vor, dass er „mehrere Monate vollkommen zu Unrecht in U-Haft gewesen“ sei. „Aufgrund dem Gesetz, das in Österreich gilt, werden solche Menschen wie ich entschädigt.“ Zugleich erhob er Rekurs gegen die Abweisung seines Verfahrenshilfeantrags.

In der Rekursbeantwortung beantragte die Beklagte die Delegation der Rechtssache an ein anderes Oberlandesgericht zur Entscheidung über den Rekurs. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe „im vorliegenden Fall in der Anhaltung des Klägers durch die teilweise Bestätigung des verurteilenden Erkenntnisses des Landesgerichts Feldkirch vom 16. 6. 2017 mitgewirkt“.

Das Oberlandesgericht Innsbruck legte als Rekursgericht den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Antrag der Beklagten nach § 12 Abs 1 StEG 2005 iVm § 9 Abs 4 AHG vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß § 12 Abs 1 StEG 2005 ist auf das Verfahren gegen den Bund auch § 9 AHG anzuwenden. Nach der Judikatur sind die Fälle des § 9 Abs 4 AHG solche notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung (vgl nur die Nachweise bei Schragel, AHG3 Rz 255). Ein Antragsrecht kommt der Partei insoweit nicht zu (RIS-Justiz RS0056449 [T27]). Der förmliche Delegierungsantrag der Beklagten ist daher als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0056449 [T33]).

2. Es liegen aber auch die Voraussetzungen für eine Delegierung von Amts wegen nicht vor. Nach § 9 Abs 4 AHG hat das übergeordnete Gericht ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus einer Entscheidung eines Oberlandesgerichts abgeleitet wird, das nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre. Dieser Delegierungstatbestand gilt – wie dargelegt – nach § 12 Abs 1 StEG 2005 auch für nach diesem Gesetz erhobene Ansprüche.

Zweck des § 9 Abs 4 AHG ist es, dass alle im Zusammenhang betroffenen Gerichte, aus deren Entscheidungen ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über diesen Anspruch (und dessen allfällige verfahrensrechtliche Voraussetzungen) ausgeschlossen sein sollen (RIS-Justiz RS0056449 [zum StEG 2005: T31]). Im Rahmen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs wegen ungerechtfertigter Haft nach dem StEG 2005 genügt – weil ein darauf gegründeter Anspruch den Vorwurf eines schuldhaften Handelns nicht voraussetzt – die für einen Freiheitsentzug wirksame Beteiligung (auch) des (Rechtsmittel-)Gerichts (1 Ob 32/16m).

Nach der Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für eine Delegierung nach dieser Bestimmung etwa auch dann vor, wenn eine vom Landesgericht über den Kläger verhängte Freiheitsstrafe vom Oberlandesgericht reduziert wurde und dieser Ersatzansprüche nicht bloß auf die die reduzierte Strafe übersteigende tatsächlich verbüßte Haft stützt, sondern pauschal auf die „ungerechtfertigte Verurteilung“, womit er sich offensichtlich auch gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts wendet (RIS-Justiz RS0122240 [T5]).

Zwar ist der Mahnklage nicht konkret zu entnehmen, auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger Ansprüche geltend macht, jedoch enthält die als Verfahrenshilfeantrag zu wertende – später „verbesserte“ – Klage dahin ausreichendes Vorbringen, dass er seinen Anspruch aus Entscheidungen des Landesgerichts Feldkirch ableitet, das über ihn die Untersuchungshaft verhängte und mehrfach verlängerte. Nach dem Akteninhalt war das Oberlandesgericht Innsbruck damit nicht befasst. Er begründet seinen Anspruch auch mit der strafgerichtlichen Verurteilung durch das Landesgericht Feldkirch, nicht aber mit dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck, mit dem einerseits ein Teil des Schuldspruchs (zu II.) als nichtig aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht zurückverwiesen und andererseits wegen der aufrecht gebliebenen Schuldsprüche die Freiheitsstrafe reduziert wurde. Er begehrt offenbar entsprechend § 5 Abs 2 StEG 2005 Ersatzansprüche für die Zeit, in der er die die reduzierte Strafe übersteigende Haft tatsächlich verbüßte. Nach dem Vorbringen des Klägers ist nicht erkennbar, dass er auch aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck Ersatzansprüche ableiten will. Damit sind die Voraussetzungen für eine Delegierung der Rechtssache an ein anderes Oberlandesgericht nicht erfüllt.

Textnummer

E123015

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010NC00030.18D.0925.000

Im RIS seit

07.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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