TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/22 98/02/0401

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Veröffentlicht am 22.10.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
VStG §10;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des WR in W, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien XVI, Ottakringer Straße 57, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Oktober 1998, Zl. UVS-03/P/52/03036/98, betreffend Übertretungen der StVO und des FSG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Wien und dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion (kurz: BPD) Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 13. August 1998 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 24. Juli 1998 um

23.10 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien einen dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagen 1) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemalkoholgehalt 0,47 mg/l) gelenkt, 2) ohne eine gültige Lenkerberechtigung zu besitzen, nachdem ihm diese Lenkerberechtigung mit Bescheid des Verkehrsamtes der BPD Wien vom 30. August 1993 entzogen worden sei.

Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung zu 1) nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1b StVO (in der Fassung der 20. StVO-Novelle) und zu 2) nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 37 Abs. 4 Z. 1 FSG begangen, weshalb über ihn zu 1) gemäß § 99 Abs. 1b und § 100 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe von S 50.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Tagen) und eine Freiheitsstrafe von 7 Tagen und zu

2) gemäß § 37 Abs. 4 Z. 1 und Abs. 2 FSG eine Geldstrafe von

S 30.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Tagen) und eine Freiheitsstrafe von 7 Tagen verhängt wurde. Ferner wurden dem Beschwerdeführer die Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er sich gegen die Höhe der über ihn verhängten Strafe wandte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde der lediglich gegen die Strafhöhe gerichteten Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Strafsanktionsnormen zu Punkt 2) mit "§ 37 Abs. 1, Abs. 4 Z. 1 und Abs. 2 FSG" zu zitieren sind.

In der Begründung wird u.a. ausgeführt, dass zu Punkt 1) drei einschlägige Vormerkungen und zu Punkt 2) fünf einschlägige Vormerkungen heranzuziehen seien. Es handle sich beim Beschwerdeführer offensichtlich "um einen unbelehrbaren Lenker von Kraftfahrzeugen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und/oder ohne Lenkerberechtigung", der durch die näher genannten Vorstrafen nicht von der Begehung der vorliegenden Verwaltungsübertretungen abgehalten werden habe können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Grundsätzlich wendet der Beschwerdeführer zur Höhe der verhängten Geldstrafen ein, dass sowohl zu Pkt. 1 als auch zu Pkt. 2 die höchst mögliche Geldstrafe verhängt worden sei. Diese hohen Geldstrafen würden ihn umso härter treffen, als er beruflich selbständig sei, und im Jahre 1997 aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage und vieler Ausfälle lediglich einen Gewinn von S 4.000.-- erzielen habe können. Ansonsten habe er kein Vermögen. Seine triste Vermögenslage, insbesondere die Tatsache, dass er Schulden von S 1 Mio. habe, welchen nur ein monatliches Nettoeinkommen von ca. S 18.000.-- gegenüberstehe, habe er auch in seiner Berufung der belangten Behörde bekannt gegeben. Wieso diese im angefochtenen Bescheid zu dem Schluss komme, dass seine Außenstände weder durch berufliche Investitionen noch solche zur angemessenen Lebensführung bedingt und demnach für die Strafbemessung unbeachtlich seien, bleibe rätselhaft. Die Außenstände von S 1 Mio. würden ausschließlich aus dem seinerzeit schwierigen wirtschaftlichen Umfeld und zahlreichen Forderungsausfällen bzw. aus der Zahlungsunfähigkeit einiger seiner Auftraggeber resultieren. Aus diesem Grunde wäre seine schwierige finanzielle Situation sehr wohl für die Höhe der Strafzumessung beachtlich gewesen, zumal er auch für sein Kind und seine Frau sorgepflichtig sei.

Gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bei der Bemessung von Geldstrafe zu berücksichtigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Behörde von den unbedenklichen Angaben eines Beschuldigten über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausgehen. Liegen Angaben eines Berufungswerbers über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor, so ist die Berufungsbehörde ohne besonderen Grund nicht verpflichtet, von Amts wegen weitere Erhebungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse anzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 1997, Zl. 97/15/0039, m.w.N.).

Ferner entspricht es der hg. Judikatur, dass bei der Entscheidung der Berufungsbehörde über die Strafbemessung die Einkommensverhältnisse des Beschuldigten zur Zeit der Erlassung des Berufungsbescheides zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0106, m.w.N.).

In der Berufung wird vom Beschwerdeführer selbst u.a. ein monatliches Nettoeinkommen von S 18.000.-- angeführt, welches wesentliche Basis für die Bemessung der Strafhöhe durch die belangte Behörde war. Der erstmals in der Beschwerde erwähnte Gewinn des Jahres 1997 stellt eine unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar.

Selbst unter Berücksichtigung einer vom Beschwerdeführer behaupteten schwierigen persönlichen und finanziellen Situation ist nicht erkennbar, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall angesichts der Verhängung der jeweils höchst möglichen Geldstrafe rechtswidrig vorgegangen wäre, zumal alle für die Strafbemessung maßgeblichen Umstände (insbesondere die wiederholte Begehung von einschlägigen Verwaltungsübertretungen durch den Beschwerdeführer) in die Strafbemessung einzubeziehen waren. Die im Beschwerdefall zu beurteilenden neuerlichen einschlägigen Straftaten des Beschwerdeführers lassen daher nur den Schluss zu, dass dieser gegenüber den vom Gesetzgeber geschützten Werten - wie insbesondere dem Verbot des Lenkens eines Kraftfahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und ohne entsprechende Lenkerberechtigung - eine gleichgültige Haltung einnimmt.

Eine Strafbemessung, die von dem Gedanken getragen ist, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften durch die Verhängung einschneidender und im Wiederholungsfall entsprechend erhöhter Strafen zu erzwingen, ist nicht gesetzwidrig, insbesondere dann nicht, wenn das bisherige Strafausmaß nicht ausreichte, um eine Person zur Einsicht und zur Einhaltung der Vorschriften zu bringen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1985, Zl. 83/10/0002).

Auch wenn es, wie dies der Beschwerdeführer behauptet, bei den einzelnen (wiederholten) einschlägigen Verwaltungsübertretungen zu keinem konkreten Personen- oder Sachschaden gekommen ist, wird im Beschwerdefall mit diesem Vorbringen kein Überschreiten des behördlichen Ermessens bei der Bemessung der Höhe der Geldstrafen aufgezeigt. Dass die Verwaltungsübertretungen nach den Behauptungen des Beschwerdeführers im Regelfall bei sog. "routinemäßigen Kontrollen" festgestellt wurden, lässt gleichfalls keinen Anhaltspunkt für eine Rechtswidrigkeit der verhängten Geldstrafen erkennen. Schon die Tatsache, dass der Beschwerdeführer ohne Lenkerberechtigung und mit einer erheblichen Alkoholisierung neuerlich angetroffen wurde, macht im Hinblick auf die von derartigen Lenkern ausgehende Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, die gerade vor solchen Lenkern geschützt werden sollen (siehe insbesondere auch die durch die 20. StVO-Novelle hinsichtlich des Strafrahmens nach § 99 Abs. 1 bis Abs. 1b leg. cit. eingeführte Differenzierung), klar, dass im Beschwerdefall eine erhebliche Schädigung und Gefährdung der vom Gesetzgeber geschützten Werte vorlag, sodass selbst unter Berücksichtigung einer nur zufällig nicht eingetretenen konkreten Gefährdung oder Schädigung von anderen Personen oder Sachen keine Ermessensüberschreitung hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafe vorlag, zumal die bislang über den Beschwerdeführer für derartige Verwaltungsübertretungen verhängten Geldstrafen offenbar nicht bewirken konnten, dass dieser von der Begehung weiterer einschlägiger Verwaltungsübertretungen abgehalten wurde.

Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die zusätzlich erfolgte Verhängung von primären Freiheitsstrafen, weil seiner Ansicht nach eine eingehende und sorgfältige Begründung im angefochtenen Bescheid fehle. Es werde nur von einer "Vielzahl einschlägiger Vormerkungen" gesprochen, ohne dass aus der Begründung oder aus dem Akt nähere Einzelheiten dazu entnommen werden könnten, ob und inwieweit diese Vorstrafen zur Begründung einer Primärfreiheitsstrafe heranzuziehen seinen, insbesondere ob es sich um solche handle, die nach § 55 VStG bei der Strafbemessung noch Berücksichtigung finden dürften. Die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen auf das bisherige Verfahren verwiesen und ausführlich das zugrundeliegende Straferkenntnis sowie die dagegen erhobene Berufung zitiert. Darüber hinaus würden die verba legalia wiedergegeben werden; eine eingehende und sorgfältige Begründung fehle jedoch.

Gemäß § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Den Ausführungen des Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde im Detail jene über den Beschwerdeführer verhängten einschlägigen und noch nicht getilgten Verwaltungsstrafen anführte, die bei der Strafbemessung berücksichtigt wurden. Insbesondere war für die belangte Behörde im Beschwerdefall die Verhängung von Freiheitsstrafen im Ausmaß von je einer Woche schon deshalb geboten, um den Beschwerdeführer trotz seines bisher uneinsichtigen Verhaltens wenigstens für die Zukunft von der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abzuhalten. Damit hat aber die belangte Behörde hinreichend die Notwendigkeit der zusätzlichen Verhängung von (primären) Freiheitsstrafen dargetan.

Wie die belangte Behörde zutreffend in der erstatteten Gegenschrift aufzeigte, hat sie - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen - keine Doppelverwertung der berücksichtigten Vorstrafen vorgenommen, sondern diese nur bei der Festsetzung der Strafhöhe berücksichtigt. Da das Gesetz im Wiederholungsfall (vgl. § 100 Abs. 5 StVO und § 37 Abs. 2 FSG) auch die Möglichkeit der kumulativen Verhängung von Geld- und (primären) Freiheitsstrafen vorsieht, ist angesichts der von der belangten Behörde berücksichtigten besonderen Umstände des Beschwerdefalls nicht zu ersehen, dass bei der Strafbemessung - wegen der Verhängung der jeweils höchst möglichen Geldstrafe - die jeweilige Verhängung einer (primären) Freiheitsstrafe unzulässig und im Hinblick auf das uneinsichtige Verhalten des Beschwerdeführers hinsichtlich der Dauer unangemessen wäre. Der von der Behörde festgestellte Grad der Alkoholisierung kann schon im Hinblick auf die durch § 14 Abs. 8 FSG herabgesetzte Grenze des Alkoholgehaltes beim Inbetriebnehmen und Lenken von Kraftfahrzeugen - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - nicht als gering bezeichnet werden.

Die von der Behörde lediglich als Annahme im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Äußerung, der Beschwerdeführer habe infolge der geringen Wahrscheinlichkeit, in eine Verkehrskontrolle zu geraten, über die von der Behörde ihm vorgehaltenen Fälle hinaus sein Fahrzeug gelenkt, fand bei der Bemessung der Strafhöhe keine Berücksichtigung, sodass auch insoweit keine Rechtswidrigkeit zu ersehen ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Oktober 1999

Schlagworte

Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten Rücksichten der Generalprävention

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998020401.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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