TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/10 W151 2162585-1

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Veröffentlicht am 10.07.2018
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Entscheidungsdatum

10.07.2018

Norm

ASVG §18a
AVG §68
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W151 2162585-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom XXXX , betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung wegen Pflege eines behinderten Kindes zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) vom 25.04.2017 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG für die Tochter der BF, XXXX , geboren am XXXX , zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 68 Abs. 1 ASVG eine entschiedene Sache vorläge, da darüber bereits auf Grund des Antrages vom 18.06.2013 der BF mit rechtskräftigem Bescheid vom 06.10.2014 entschieden worden sei und sich seit dieser Entscheidung weder Änderungen in der Sach- noch Rechtslage ergeben hätten.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass dem negativen Bescheid vom 06.10.2014 keine Rechtskraft mehr zukäme, da sich seither eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben habe.

3. Die gegenständliche Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2017 vorgelegt und am selben Tag der zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF beantragte am 18.06.2013 ihre Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes XXXX , geboren XXXX , dies wurde mit rechtskräftigem Bescheid der PVA vom 06.10.2014 mit der Begründung abgelehnt, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege des behinderten Kindes nicht gänzlich beansprucht worden sei. Mit beschwerdegegenständlichem Antrag vom 25.04.2017 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeiten der Pflege des Kindes XXXX stellte die BF erneut am 25.04.2017 den Antrag gemäß § 18a ASVG, welcher mit Bescheid vom 15.05.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

Mit BGBI. I Nr. 2/2015 wurde § 18a Absatz 1 ASVG dahingehend geändert, dass - neben Bestehen der übrigen Voraussetzungen - nunmehr nicht die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft vorausgesetzt wird, sondern nur mehr eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft eines Antragstellers vorliegen muss. Der Bescheid vom 06.10.2014 stützte sich auf die alte Rechtslage, wonach die Arbeitskraft der BF nicht gänzlich beansprucht worden sei, dies waren somit die tragenden Entscheidungsgründe, die zur Ablehnung des Antrages der BF seinerzeit führten. Nunmehr ist eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die, wenn sie schon vorher existent gewesen wäre, eine andere Entscheidung aufgetragen oder ermöglicht hätte. Es handelt sich bei der Änderung des Wortlautes "gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft" in "überwiegende Beanspruchung" der Arbeitskraft um eine maßgebliche Rechtsvorschrift, die zur tragenden Norm des seinerzeit in Rechtskraft erwachsenen negativen Bescheides zählt. Es ist somit eine maßgebliche geänderte Rechtslage vorliegend, sodass der Beschwerde der BF stattzugeben war.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Maßgebliche Rechtslage:

§ 18 a Abs. 1 ASVG i.d.F BGBl. Nr. BGBl. Nr. 2/2015 lautet:

"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen."

§ 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBI. I Nr. 33/2013, lautet:

"Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

Stattgebung der Beschwerde:

Identität der Rechtslage als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn seit der Erlassung des formell rechtskräftigen Bescheides, dessen Abänderung begeht wird, in den die Entscheidung tragenden Normen, in der Rechtslage, auf welche die Behörde den Bescheid gestützt hat (VwGH 29.11.1988, 87/12/0004) keine wesentliche, die

Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Modifikation eingetreten ist (VwGH 18.05. 2004, 2001/05/1152; 12.09.2006, 2003/03/0279;

21.06 2007, 2006/10/0093).

Von einer geänderten Rechtslage kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die Entscheidung waren, nachträglich so geändert haben, dass sie, wären sie schon vorher existent gewesen, eine andere Entscheidung aufgetragen oder ermöglicht hätten (VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; 29.06.1998, 98/10/0100, 22.02.2006, 2006/17/0015).

Bedeutsam kann nur eine Änderung einer maßgeblichen Rechtsnorm sein (VwGH 15.06.1988, 88/01/0056).

Im vorliegenden Fall kam es durch BGBI. I Nr. 2/2015 zu einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage, in dem als Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anspruches auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht mehr die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der BF, sondern lediglich die überwiegende vorliegen muss. Der seinerzeitige Bescheid vom 06.10.2014 erging noch nach der alten Rechtslage und war der tragende Entscheidungsgrund die fehlende gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der BF. Nunmehr ist der Anspruch der BF nach der neuen Rechtslage zu prüfen, da die neue Norm geeignet ist, zu einem anderen Ergebnis führen zu können.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat ein Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Die BF hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von Amts wegen auch gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG), zumal es sich im gegenständlichen Verfahren ausschließlich um die rechtliche Frage der Beurteilung der neuen Rechtslage geht, die aus der Aktenlage geklärt werden konnte. Der Sachverhalt erschien daher zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitskraft, entschiedene Sache, Rechtslage, Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W151.2162585.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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