Gbk 2018/7/24 GBK I/777/17

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Veröffentlicht am 24.07.2018
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Begründung des Arbeitsverhältnisses

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 24. Juli 2018 über den am 19. Juli 2017 eingelangten Antrag von Frau A, MA (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters und/oder der sexuellen Orientierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 3 Z 1 und 17 Abs. 1 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 40/2017; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) sowie durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß §§ 6 Abs. 1 Z 2, 7 Abs. 1 Z 2 und 21 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die X GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/777/17, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

1.   Frau A, MA ist auf Grund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.

2.   Da der Antrag auf Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und/oder der Religion oder Weltanschauung und/oder des Alters und/oder der sexuellen Orientierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG und durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß §§ 6 Abs. 1 Z 2, 7 Abs. 1 Z 2 und 21 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die X GmbH im Verfahren nicht ausreichend dargelegt worden ist, war eine weitere Prüfung durch den Senat nicht geboten.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Bewerbungsbogen und den aktualisierten Bewerbungsbogen der Antragsgegnerin, das E-Mail der Antragstellerin an die Antragsgegnerin vom 21. Juni 2017 und das E-Mail der Antragstellerin an Herrn B vom 30. Juni 2017. Weiters lagen dem Senat u.a. die Bewerbungsunterlagen der Antragstellerin vor.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin habe sich Anfang Juni 2017 bei der Antragsgegnerin als Verkaufsmitarbeiterin beworben und sei für 21. Juni 2017 zu einem Vorstellungsgespräch in die Filiale … eingeladen worden.

Im Zusammenhang mit dieser Bewerbung liege eine Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes vor. Folgendes hat sich zugetragen: Herr B, Bezirksleiter bei der Antragsgegnerin, sei am 21. Juni 2017 in der Zeit zwischen 14:00 und 15:00 Uhr bereits in einem Gespräch mit einer anderen Bewerberin gewesen, habe sein Bewerbungsgespräch jedoch kurz unterbrochen und der Antragstellerin einen Bewerbungsbogen samt Kugelschreiber sehr freundlich überreicht mit der Bitte diesen doch – bis er fertig sei – inzwischen auszufüllen. Die Antragstellerin habe sich vorab online beworben und ihren Lebenslauf hochgeladen, sodass der Antragsgegnerin ihre Qualifikationen bekannt gewesen seien. Nahezu alle Fragen auf dem Fragebogen seien eindeutig diskriminierend und irrelevant für ein zukünftiges Arbeitsverhältnis. Sie habe demgemäß den Fragenbogen nicht ausgefüllt, beim Verlassen des Ladens den Kugelschreiber an der Theke unten bei der Mitarbeiterin deponiert, sich bei der Antragsgegnerin per E-Mail wegen des diskriminierenden Fragebogens beschwert und Herrn B per E-Mail angeboten sich das Zurückziehen ihrer Bewerbung nochmals zu überlegen, wenn sie den diskriminierenden Bewerbungsbogen nicht ausfüllen müsse. Sie habe weder von der Antragsgegnerin noch von Herrn B eine Antwort dazu erhalten.

In der vom Senat aufgetragenen Konkretisierung vom 24. August 2017 führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass die Vorlage des Bewerbungsbogens durch einen Mitarbeiter der Antragsgegnerin ihr das Gefühl gegeben habe, diskriminierend behandelt zu werden. Das Unternehmen habe – wie der Senat dem vorliegenden BewerberInnenbogen entnehmen könne – der Antragstellerin Fragen zweifelhafter Art vorgelegt und das Ausfüllen des Fragebogens vor dem Bewerbungsgespräch verlangt. Offensichtlich sei der BewerberInnenbogen und das Ausfüllen des Fragebogens Grundlage für eine Anstellung bei der Antragsgegnerin. Sie fühle sich diskriminiert, weil eine potenzielle Anstellung in diesem Unternehmen mit dem Zwang zum Antwortgeben zu diskriminierenden Fragen einhergehe und das Nichtbeantworten zur Nichtanstellung. Der Versuch diese Informationen zu erlangen habe keinerlei Relevanz für den Arbeitsplatz an sich, sondern nur um eine Auswahl aufgrund diskriminierender Kriterien zu treffen.

Die mangelnde Abhilfe durch die Antragsgegnerin habe sie darin gesehen, dass sie sich per E-Mail erst an die Firma und einige Zeit später auch nochmals an den zuständigen Bezirksleiter per E-Mail gewandt habe und sich über den Fragebogen detailliert schriftlich beschwert und auch angeboten habe zu arbeiten, jedoch nur, wenn sie die diskriminierenden Fragen des BewerberInnenbogens nicht beantworten müsse. Die mangelnde Abhilfe durch die Firma sei ihr dadurch begründet erschienen. Eine sexuelle Belästigung habe keinesfalls stattgefunden.1

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 12. Dezember 2017 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Antragsgegnerin erhalte pro Woche etwa zwischen 50 und 100 Bewerbungen. Teilweise würden diese Bewerbungen als Initiativbewerbungen via E-Mail oder per Post erfolgen. Teilweise würden diese Bewerbungen auch aufgrund konkreter Stellenausschreibungen erfolgen. Teilweise würden BewerberInnen auch direkt in bestimmten Filialen vorstellig werden.

Wenn die Bewerbung über eine Filiale erfolge, werde dem/der BewerberIn vorab der gegenständliche Bewerbungsbogen ausgehändigt. Der ausgefüllte Bewerbungsbogen könne dann entweder via E-Mail an die Antragsgegnerin geschickt oder in der Filiale abgegeben werden; in der Folge werde ein Gesprächstermin vereinbart. Würden Initiativbewerbungen via E-Mail oder per Post erfolgen, hätten die BewerberInnen die Möglichkeit, entweder einen zuvor in einer Filiale erhaltenen Bewerbungsbogen anzuhängen, eine entsprechende Maske auf der Website der Antragsgegnerin auszufüllen oder im Zuge des Bewerbungsgesprächs den gegenständlichen Bewerbungsbogen auszufüllen.

Der Bewerbungsbogen diene in erster Linie als „Leitfaden“ für das daraufhin erfolgende Gespräch. Der Bewerbungsbogen bestehe in dieser Form bereits seit sehr vielen Jahren, und sei bisher noch nie überarbeitet worden. Die Verwendung des Bewerbungsbogens bzw. die darin enthaltenen Fragen seien bei der Antragsgegnerin bisher auch noch nie genauer hinterfragt worden.

Aufgrund des Anlassfalls habe sich die Antragsgegnerin nun intensiv mit dem Bewerbungsbogen auseinandergesetzt. Gemeinsam mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) seien die darin enthaltenen Fragen geprüft und Änderungsvorschläge erarbeitet worden. So werde beispielsweise der Bewerbungsbogen geschlechtsneutral formuliert werden; die Frage „Sind Sie Raucher? werde jedenfalls geändert in „Sind Sie Raucher/in?“. Aber auch andere Änderungen sollen, nach einer zwischen der Antragsgegnerin und der GAW am 7. November 2017 stattgefundenen Besprechung, erfolgen.

Beispielhaft sollen folgende Fragen herausgegriffen werden:

Allgemeines

Die Antragsgegnerin beschäftige rund 500 MitarbeiterInnen. Die Struktur innerhalb der Belegschaft sei sehr heterogen. Bei der Antragsgegnerin seien in einem sehr ausgewogenen Verhältnis Männer wie auch Frauen, Elternteile wie auch kinderlose MitarbeiterInnen sowie Personen mit unterschiedlichsten religiösen Bekenntnissen bzw. ohne religiöse Bekenntnissen tätig.

Die im Bewerbungsbogen angeführten Fragen mögen zwar das eine oder andere Potential für eine diskriminierende Auswahl bieten (siehe dazu weiter unten), es werde bei der Auswahl der MitarbeiterInnen bei der Antragsgegnerin aber keinesfalls aufgrund des Geschlechts, des religiösen Bekenntnisses oder irgendeines anderen Grundes diskriminierend vorgegangen.

Religiöses Bekenntnis

Die Antragsgegnerin verkaufe in ihren Filialen nicht nur Backware, sondern auch (schweine-) fleischhaltige Lebensmittel. … Hintergrund der Frage nach dem religiösen Bekenntnis sei es gewesen, sicherzustellen, dass ein/e potenzielle/r MitarbeiterIn auch bereit sei, mit solchen Lebensmitteln zu arbeiten.

Es sei geplant, die Frage daher folgendermaßen umzuformulieren: „Sind Sie bereit, mit Lebensmitteln, die sämtliche Fleischsorten enthalten, zu arbeiten?“.

Kinder

Bei der Antragsgegnerin würden etwa gleichviele Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen mit und ohne Kinder arbeiten. Das Vorhandensein von Kindern habe überhaupt keinen Einfluss darauf, ob eine Anstellung erfolge oder nicht.

Hintergrund dieser Frage sei lediglich, einen Anhaltspunkt zu erhalten, in welchem zeitlichen Ausmaß (Vollzeit/Teilzeit) eine Beschäftigung gewünscht werde und auch realistisch sei.

Im überarbeiteten Fragebogen solle daher an Stelle der Frage nach Kindern, die Frage, in welchem Stundenausmaß die Beschäftigung erfolgen solle, eingefügt werden. Weitergehende Informationen zu den Kindern seien im vorliegenden Bewerbungsbogen historisch bedingt, und sollen in der überarbeiteten Fassung gänzlich entfallen.

Verfügung über ein Fahrzeug

Die Antragsgegnerin verfüge über zahlreiche Filialen, hauptsächlich in Wien. Aus der Natur ihrer Tätigkeit …, würden standortbezogen manche dieser Filialen bereits zu einem Zeitpunkt öffnen, zu dem die öffentlichen Verkehrsmittel noch nicht oder nicht sehr regelmäßig fahren würden. Ob der/die BewerberIn über ein Fahrzeug verfüge, sei für die Antragsgegnerin daher insbesondere bei Initiativbewerbungen von Interesse, weil dann geprüft werden könne, ob eine Stelle auch in einer Filiale angeboten werden könne, die öffentlich (noch) nicht (gut) erreichbar sei, oder nicht.

Das Gleiche gelte auch bei Stellenausschreibungen für bestimmte Filialen. Werde in einer bestimmten Filiale eine Stelle besetzt und würden sich auf diese Stelle mehrere BewerberInnen bewerben, prüfe die Antragsgegnerin auch, ob für mehrere in Frage kommende BewerberInnen möglicherweise Stellenangebote in anderen Filialen vorliegen würden.

Worin in der Frage nach einem Fahrzeug eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu erblicken sei, könne die Antragsgegnerin auch nicht erkennen.

Vorhandensein einer Allergie oder chronischen Krankheit

Die Tätigkeit der Antragsgegnerin bringe es mit sich, dass MitarbeiterInnen im ständigen Kontakt mit Lebensmitteln, … etc. stünden. So werde ein/e BewerberIn mit einer …allergie für eine Beschäftigung bei der Antragsgegnerin von Vorneherein ausscheiden.

Die Antragsgegnerin gestehe aber zu, dass die Frage zu weit gefasst sei, weil bei strenger Betrachtungsweise auch nach Allergien bzw. Krankheiten gefragt werde, die mit der bei der Antragsgegnerin auszuübenden Tätigkeit in gar keinem Zusammenhang stünden. Es sei daher geplant, den Bewerbungsbogen in diesem Punkt abzuändern und entsprechend zu spezifizieren.

Trotzdem die Antragsgegnerin zwar die Problematik der Nachfrage des Gesundheitszustandes bewusst sei, erblicke sie aber auch in dieser Frage kein Diskriminierungspotential aufgrund des Geschlechts.

Schwangerschaft

Diese Frage solle im neuen Bewerbungsbogen ersatzlos gestrichen werden.

Vorstrafen

Der Antragsgegnerin sei bewusst, dass die Vorlage beispielsweise eines Strafregisterauszugs, nicht verlangt werden könne. Die MitarbeiterInnen in den Filialen der Antragsgegnerin würden aber regelmäßig auch die Kassen bedienen.

Angedacht werde daher, die zu weit gefasste Frage nach (sämtlichen) Vorstrafen einzuschränken auf die Frage nach Vorstrafen wegen Vermögensdelikten. So, wie die Frage derzeit gestaltet sei, wären davon eben auch Vorstrafen umfasst, die in keinerlei Zusammenhang mit der bei meiner Mandantin ausgeübten Tätigkeit stünden.

Aber auch in diesem Zusammenhang sei für die Antragsgegnerin nicht erkennbar, woraus sich aus dieser Frage ein Diskriminierungspotenzial aufgrund des Geschlechts der Antragstellerin ergeben könne, nicht zuletzt, weil in Österreich statistisch betrachtet mehr Männer vorbestraft seien als Frauen.

Dass der Bewerbungsbogen, der seit vielen Jahren verwendet und niemals hinter-fragt/überprüft worden sei, tatsächlich die eine oder andere Frage beinhalte, die problematisch im Sinne des GlBG sein könne, sei der Antragsgegnerin aufgrund des Anlassfalls bewusst geworden; er sei – wie ausgeführt – bereits überarbeitet worden.

Dass die Antragstellerin aufgrund des Ablaufs des Bewerbungsgesprächs aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden sei, sei für die Antragsgegnerin aber nicht nachvollziehbar. Dass sich bei der Antragsgegnerin wöchentlich etwa 50 bis 100 BewerberInnen melden würden, sei bereits ausgeführt worden. Es würden auch dementsprechend viele Bewerbungsgespräche geführt werden. Dass vor dem mit der Antragstellerin vereinbarten Termin ebenfalls ein Bewerbungsgespräch geführt worden sei, das beim Eintreffen der Antragstellerin noch nicht beendet gewesen sei, liege in der Natur der Sache und diskriminiere die Antragstellerin nach Ansicht der Antragsgegnerin keineswegs aufgrund ihres Geschlechts. Dass sie von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin – wie die Antragstellerin selbst schreibe – sehr freundlich gebeten worden sei, den Bewerbungsbogen doch während der Wartezeit auszufüllen, stelle ebenfalls keine Diskriminierung dar.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 3 Z 1 GlBG darf aufgrund des Geschlechtes im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Da der gegenständliche Sachverhalt außer Streit steht, beschränkte sich die Prüfung durch den Senat auf die Klärung der Rechtsfrage, ob die Antragstellerin insbesondere durch die Frage nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft im Bewerbungsbogen im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung bei der Antragsgegnerin aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert worden ist.

Die Überprüfung erfolgte im Rahmen eines Aktenverfahrens auf Grundlage der schriftlichen Eingaben der Antragstellerin und der Antragsgegnerin und des mündlichen Vorbringens in der vorbereitenden Sitzung vom 30. Jänner 2018.

Der Sachverhalt stellt sich für den Senat wie folgt dar:

Die Antragstellerin bewarb sich Anfang Juni 2017 bei der Antragsgegnerin um eine Stelle als Verkaufsmitarbeiterin. Sie wurde zu einem Bewerbungsgespräch am 21. Juni 2017, 14 bis 15 Uhr, in der Filiale … eingeladen. Da der Bezirksleiter, Herrn B, zum Zeitpunkt des Eintreffens der Antragstellerin noch ein anderes Bewerbungsgespräch führte, überreichte er der Antragstellerin einen Bewerbungsbogen mit der Bitte, diesen in der Zwischenzeit auszufüllen. In diesem Bewerbungsbogen wurde u.a. nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft gefragt. Die Antragstellerin füllte den Fragebogen aufgrund der darin enthaltenen Fragen nicht aus und verließ die Filiale. In weiterer Folge beschwerte sie sich mit E-Mail vom 21. Juni 2017 bei der Antragsgegnerin über den Fragebogen und leitete das E-Mail am 30. Juni 2018 an Herrn B weiter.

Der Antragsgegnerin ist zugute zu halten, dass nach der Antragstellung mit Unterstützung der GAW der Fragebogen diskriminierungsfrei gestaltet wurde. Dies ändert nach Ansicht des Senats jedoch nichts an dem Umstand, dass die Antragstellerin ihre Bewerbung aufgrund des ursprünglichen Fragebogens, in dem u.a. nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft gefragt wurde, zurückgezogen hat und somit frühzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden ist.

Dem Argument der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin in der vorbereitenden Sitzung vom 30 Jänner 2018, die Antragstellerin sei nicht bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses diskriminiert worden, da es in ihrem Fall gar nicht zu diesem Stadium gekommen sei, da sie den Bewerbungsbogen nicht ausgefüllt habe, kann aus den folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Die Begründung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 3 Z 1 GlBG ist ein zeitlich gedehnter Prozess und erfasst nicht nur die abschließende Entscheidung über den Abschluss des Arbeitsvertrags selbst, sondern auch bereits davor das Bewerbungs- und Auswahlverfahren. Der Gesetzgeber verbietet also mit § 3 Z 1 GlBG jedes diskriminierende Verhalten in diesem „Prozess“ und qualifiziert es als rechtswidrig. Zusammengefasst enthält also § 3 Z 1 GlBG die Anordnung des Verbots der Diskriminierung im Zuge des bereits auf eine konkrete Person bezogenen Einstellungsverfahrens.2

Da von einer Schwangerschaft nur Frauen betroffen sein können, qualifizierte der EuGH in der Rs Dekker die Verweigerung der Einstellung wegen Schwangerschaft als unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes.3 In der Rs Busch hielt der EuGH zudem fest, dass eine Arbeitnehmerin nicht verpflichtet ist, ihre Schwangerschaft mitzuteilen, weil der/die ArbeitgeberIn diesen Umstand bei der Anwendung der Arbeitsbedingungen nicht berücksichtigen darf. Diese Judikatur hat auch Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung des sogenannten „Fragerechts“ des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin im vorvertraglichen Schuldverhältnis. In der Sache geht es dabei darum festzustellen, ob bereits das Stellen bestimmter Fragen im Personalaufnahmeverfahren – hier jene nach einer Schwangerschaft – geschützte Rechtsgüter der BewerberInnen verletzen kann. Nach der aktuellen Judikaturentwicklung sind schon Fragen nach einer Schwangerschaft während der Bewerbungsphase (zB in Vorstellungsgesprächen oder in Fragebögen) als unzulässig anzusehen, weil der/die ArbeitgeberIn dadurch unrechtmäßig in die Privatsphäre der Frauen eingreift.4

Der OGH geht nämlich davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung des ideellen Ersatzanspruchs in § 12 Abs. 1 GlBG im Sinne der auch „verfahrensrechtlichen“ Dimension des Diskriminierungsschutzes das insoweit damit anerkannte und auch pauschal bewertete Rechtsgut schützen wollte, sich „diskriminierungsfrei“ am Arbeitsmarkt zu bewerben. Geht es doch darum, dass den betroffenen Personengruppen nicht bei ihren Bewerbungen der Eindruck vermittelt werden soll, dass sie aufgrund der sie spezifisch treffenden Merkmale (Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit etc.) am Arbeitsmarkt ohnehin „keine Chancen“ hätten, und sie so von Bewerbungen abgehalten werden.5 In dem in § 12 Abs. 1 Z 2 GlBG vorgesehenen Betrag von 500,- Euro kann auch eine gewisse Orientierung für die Bewertung der Rechtsgutbeeinträchtigung in Fällen gesehen werden, in denen es „nur“ um die „persönliche Beeinträchtigung“ geht und diese nur in der Beeinträchtigung des Rechts liegt, sich diskriminierungsfrei zu bewerben.6

Nachdem die Antragstellerin zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen und ihr ein Bewerbungsbogen zum Ausfüllen übergeben wurde, kann im gegenständlichen Fall von einem auf eine konkrete Person bezogenen Einstellungsverfahren gesprochen werden. Nach Auffassung des Senates war jedenfalls die im Bewerbungsbogen enthaltene Frage nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft – wie erwähnt, wurden die weiteren beantragten Diskriminierungsgründe im Verfahren nicht ausreichend dargelegt, weshalb eine weitere Prüfung nicht geboten war geeignet, der Antragstellerin den Eindruck zu vermitteln, dass sie bei Weigerung diese Frage zu beantworten, keine Chance hat, das Bewerbungsverfahren erfolgreich abzuschließen. Dieser Eindruck wurde durch die Nichtbeantwortung des E-Mails an die office-Mailadresse der Antragsgegnerin und des nachfolgenden E-Mails an den Bezirksleiter, in dem die Antragstellerin nochmals ihr Interesse bekundete, noch verstärkt.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegnerin, X GmbH, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes (gesetzliches Höchstmaß 500,- Euro).

Wien, 24. Juli 2018

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Anm.: Auf dem Musterantrag an Senat I, der der Antragstellerin vorlag, stand unterhalb der Tatbestände sexuelle Belästigung und Belästigung der Tatbestand der mangelnden Abhilfe ohne weitere Erklärung.

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  OGH 23.4.2009, 8 ObA 11/09i, Rechtssatznummer RS0124661.

3  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 36.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 40.

5  OGH 23.4.2009, 8 ObA 11/09i, Rechtssatznummer RS0124659.

6  OGH 23.4.2009, 8 ObA 11/09i, Rechtssatznummer RS0124660.

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2018
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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