TE Bvwg Beschluss 2018/8/16 W214 2131604-1

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Veröffentlicht am 16.08.2018
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Entscheidungsdatum

16.08.2018

Norm

AVG §60
B-VG Art.133 Abs4
GebAG §18 Abs1 Z1
GebAG §18 Abs1 Z2 litb
GebAG §3 Abs1 Z2
GebAG §6
GebAG §7
GebAG §8
GebAG §9
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W214 2131604-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SOUHRADA-KIRCHMAYER über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Dr. Lucas LORENZ, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.06.2016, Zl. 8 CG 47/15k, betreffend Zeugengebühren beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. In einem zivilgerichtlichem Verfahren zu 8 Cg 47/15k fand am 25.05.2016 beim Landesgericht Innsbruck (im Folgenden: LG) eine Verhandlung statt, bei welcher XXXX (im Folgenden: Zeuge) als Zeuge einvernommen wurde.

2. In der Folge beantragte der Zeuge seine in diesem Zusammenhang angefallenen Gebührenansprüche und machte dabei Reisekosten nach §§ 6 bis 9 GebAG iHv € 24,20 sowie eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG (Einkommensentgang) iHv € 700,00) geltend.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.06.2016 bestimmte die Kostenbeamtin für den Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck die Gebühren des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung am 25.05.2016 mit insgesamt € 724,20 (Reisekosten iHv € 24,20 und Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG iHv €

700,00). Begründend wurde lediglich auf die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen verwiesen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter fristgerecht eine Beschwerde. Begründend führte sie im Wesentlichen Folgendes aus: Die Beschwerdeführerin habe als Beklagte in dem zu Grunde liegenden zivilgerichtlichen Verfahren den Zeugen namhaft gemacht. Der Zeuge habe der Ladung für den 25.05.2016 Folge geleistet, aber sich nicht als Arzt von der Verschwiegenheitspflicht entbinden lassen. Der Zeuge sei daher entlassen worden, ohne eine Aussage getätigt zu haben. Der Zeuge habe die Ladung ca. drei Monate vor dem Verhandlungstermin zugestellt erhalten. Ihm habe klar sein müssen, dass er nicht als zufällig anwesender unbeteiligter Zeuge, z.B. bei einem Verkehrsunfall, einvernommen werde, sondern in seiner Funktion als behandelnder Kinderarzt. Daher habe er auch gewusst, dass er sich selbst darum kümmern müsse, abzuklären, ob er von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden werde. Offensichtlich habe er dies aber verabsäumt. Hätte er sich ordnungsgemäß diesbezüglich erkundigt, wäre es ihm möglich gewesen, in den drei Monaten vor der Verhandlung das Gericht entsprechend zu informieren, sodass die Anreise zum Gerichtstermin gar nicht erforderlich geworden wäre. Die diesbezüglich aufgelaufenen frustrierten Kosten habe der Zeuge daher richtigerweise selbst zu tragen und habe er keinerlei Anspruch auf Kostenersatz gegenüber einer der Parteien des Rechtsstreites. Überdies sei dem angefochtenen Bescheid in keiner Weise zu entnehmen, auf welcher Basis ein Verdienstentgang von € 700,00 angenommen worden sei. Insbesondere seien dazu keinerlei Feststellungen getroffen und auch keinerlei Urkunden vorgelegt worden. Vielmehr erschöpfe sich der Bescheid in der Wiedergabe des Gesetzestextes. Abschließend wurde ein Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt.

5. Mit Schreiben vom 27.07.2016 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dem Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Daraufhin übermittelte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 10 VwGVG den mitbeteiligten Parteien die Beschwerde zur Kenntnis bzw. zur allfälligen Stellungnahme binnen zwei Wochen.

7. Mit Stellungnahme vom 18.08.2016 beantragte der Kläger des zugrundeliegenden zivilgerichtlichen Verfahrens durch seinen Rechtsvertreter, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben und dem Bund den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens auferlegen. Begründend führte er aus, dass er sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin inhaltlich anschließe und ergänzend Folgendes ausführe: Aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht substantiiert hervor, wann der Zeuge seinen Gebührenanspruch geltend gemacht habe. Gemäß § 19 Abs. 1 GebAG habe der Zeuge diesen binnen 14 Tagen bei sonstigem Verlust geltend zu machen. Zur Frage, ob der Gebührenanspruch rechtzeitig erhoben worden sei, sei eine substantiierte Bescheidbegründung unerlässlich und der Bescheid insoweit mangelhaft. Gemäß § 18 GebAG stehe dem Zeugen statt der fixen Zeitentschädigung nach § 18 Abs. 1 Z 1 gemäß Z 2 leg. cit. bei selbstständigen Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen zu. Ergänzend zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei hierzu festzuhalten, dass es sich bei dem Einkommen iSd Gesetzesstelle nur um den entgangenen Deckungsbeitrag für die Zeit seiner Abwesenheit handeln könne. Nicht heranzuziehen sei jedenfalls sein Bruttoverdienst. Ein Gebührenzuspruch könne laut VwGH nur anhand des konkret bezeichneten, bestimmten und durch Urkunden oder Aussagen bescheinigten Nachweisen erfolgen; eine abstrakte Ermittlung anhand durchschnittlicher Stundensätze mit der Anzahl der Stunden der Zeitversäumnis sei nicht möglich. Vor diesem Hintergrund sei auch die Unbestimmtheit der Bescheidbegründung zu relevieren, worin lediglich von einem nachgewiesenen Verdienstentgang von € 700,00 gesprochen werde. Dies jedoch ohne Klarstellung, wie sich dieser Verdienstentgang aufgliedere und auf Basis welcher Nachweise und welcher rechnerischen Überlegungen dieser sich ermittle.

8. Mit Schreiben vom 20.08.2016 brachte auch der Zeuge eine Stellungnahme ein, in der er im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Die Ausführungen, wonach er die Zeugenladung ca. drei Monate vor dem Verhandlungstermin bekommen habe, seien unrichtig. Die Ladung sei ihm ca. eine Woche vor dem Verhandlungstermin zugestellt worden. In dieser Woche nach Pfingsten sei die Ordination wegen Urlaubs und des Besuches einer Fortbildung geschlossenen gewesen. Die Benachrichtigung zur Hinterlegung des Schriftstückes habe er am Montag, dem 23.05.2016, in der Post vorgefunden. Er habe die Ladung noch am selben Tag nach Ende der Ordination, also am späten Nachmittag, von der Post abgeholt. Dies lasse sich mit Sicherheit auch bei der Post nachvollziehen. Als Zeugen könne er seine Mitarbeiter nennen. Er hätte somit nur Dienstag und Mittwoch am Vormittag Zeit gehabt, die Nachmittagstermine des 25.05.2016 abzusagen, was eine beträchtliche Mehrarbeit bei laufendem Ordinationsbetrieb bedeutete und zum Teil zu Unzufriedenheit seitens der betreffenden Eltern geführt habe. In einem Fall habe er Eltern zur Behandlung an den Hausarzt verweisen müssen, was der Vater mit lautstarken aggressiven Unmutsäußerungen quittiert habe. Die Familie sei seither auch nicht mehr zu ihm gekommen. Er weise darauf hin, dass der finanzielle Erfolg einer Kinderarztpraxis ganz wesentlich von der Zufriedenheit der Eltern abhänge und solche Vorgänge geschäftsschädigend seien. Hinsichtlich seiner Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht sei er davon ausgegangen, dass er der Ladung Folge zu leisten habe und zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet sei sowie dass er von der Verschwiegenheitspflicht vom Patienten, bei Kindern von den Eltern, sowie vom Gericht entbunden werden könne. Weiters gehe er davon aus, dass es die Beschwerdeführerin selbst gewesen sei, die seine Zeugenaussage haben wollte. Zur Höhe des Verdienstentganges führte er Folgendes aus: Er habe über Aufforderung des Gerichtes drei schriftliche Unterlagen zum Nachweis des Verdienstentganges übermittelt, und zwar eine Kopie des Terminkalenders vom 25.05.2016, einen Ausdruck aus seinem EDV Programm, über die Höhe der Honorare vom Vortag, welcher mit der Anzahl der Patienten am Verhandlungstag vergleichbar sei, sowie eine Kopie seiner Einnahmen und Ausgaben laut Aufstellung seines Steuerberaters für den Monat April 2016. Er weise noch einmal darauf hin, dass er bei der Berechnung seines Verdienstentganges nur die Höhe der entgangenen Krankenkassen Honorare als Berechnungsgrundlage verwendet habe. Er habe keine Privathonorare berücksichtigt (z.B. Impfhonorare durch FSME Impfung, sonstige Privathonorare), weil diese unregelmäßiger anfallen und daher schwieriger zu kalkulieren seien. Der tatsächliche Verdienstentgang sei daher sogar etwas höher als beantragt.

9. Mit Schreiben vom 20.09.2016 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde um Übermittlung weiterer relevanter Aktenteile, insbesondere der Ladung des Zeugen samt Zustellnachweis sowie die Aufforderung des Gerichtes an den Beschwerdeführer zur Vorlage von bescheinigenden Unterlagen sowie die Unterlagen, die dem Gericht vom Zeugen vorgelegt worden seien.

10. Mit Schreiben vom 27.09.2016 übermittelte die belangte Behörde die geforderten Unterlagen, wobei der vorgelegte Terminkalenderauszug des Zeugen nicht leserlich ist. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Ladung ohne Rückschein zugestellt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde hat es unterlassen, notwendige Ermittlungen durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen. Die Erfordernisse an die Begründung eines Bescheides sind nicht erfüllt.

Die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde im o.a. Bescheid erweisen sich als gravierend mangelhaft, weil insbesondere zur Bemessung des tatsächlich entgangenen Einkommens keinerlei Ausführungen getroffen wurden. Überdies kann auch die Bemessung der zugesprochenen Fahrtkosten aus dem angefochtenen Bescheid und dem Verwaltungsakt nicht nachvollzogen werden.

Zudem ist dem gesamten Verwaltungsakt auch nicht zu entnehmen, ob der Zeuge seine Gebührenansprüche fristgerecht beantragt hat. Auf dem von der belangten Behörde vorgelegten Antrag zur Gebührenbemessung findet sich kein Datum und werden auch sonst im Verwaltungsakt keinerlei Ausführungen darüber getroffen.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungs- und des Gerichtsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Gemäß § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim Bundesverwaltungsgericht vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht. Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

3.2. Zu Spruchpunkt A) Zurückverweisung

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.

Gemäß § 18 Abs. 1 GebAG gebühren dem Zeugen als Entschädigung für die Zeitversäumnis

1. 14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu

bestellenden Stellvertreter,

d ) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

Gemäß Abs. 2 des § 18 GebAG hat der Zeuge im Falle des Abs. 1 Z 1 den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.

Nach § 19 Abs. 1 GebAG hat der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des § 16 binnen vier Wochen nach Abschluss seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen.

3.2.2. Der Verwaltungsgerichthof hat zur Frage des entgangenen Einkommens u. a. ausgeführt:

"Nach stRsp des VwGH ist unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Daß der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, nicht aber nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten. Die Berufung auf einen in der Regel mit Zeugeneinvernahmen verbundenen Verdienstausfall vermag ein konkretes Vorbringen betreffend einen bestimmten Einkommensverlust nicht zu ersetzen. Es kommt weder auf die Stundensätze nach den Allgemeinen Honorarrichtlinien noch auf die beim selbständig Erwerbstätigen auflaufenden Fixkosten an (Hinweis E 10.2.1989, 86/17/0057).

Es ist im konkreten Fall Sache des Zeugen (hier Zahnarzt), nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an den Tag der Zeugeneinvernahmen darzulegen, sondern - sollte dies zutreffen - jedenfalls zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, daß die Einnahmen verloren gingen, weil die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war."

(VwGH 25.02.1994, 93/17/0001).

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebAG 1975 nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Daß der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den KONKRETEN Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten. Von einem tatsächlichen Einkommensentgang kann beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 92/17/0184, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 14. Februar 1986, Zl. 86/17/0023, und vom 27. März 1987, Zl. 86/17/0257, weiters dargetan hat, können die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der dem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG 1975 keineswegs verschlossen ist. Die Schätzung des tatsächlichen Einkommensentganges, der durch eine bestimmte Zeitversäumnis verursacht wird, ist jedoch der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen keineswegs gleichzuhalten, muß doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine KONKRETE, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein.

Es ist Sache des Zeugen, zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, daß ihm Einnahmen verloren gingen, weil die Vornahme der betreffenden ärztlichen Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch zu einem anderen Termin möglich gewesen sei (Hinweis E 25.2.1994, 93/17/0001; hier: Facharzt für Halskrankheiten, Nasenkrankheiten und Ohrenkrankheiten)."

(VwGH 15.04.1994, Zl. 93/17/0329).

"Die Annahme, es sei dem Zeugen, einem Wirtschaftstreuhänder, zumutbar gewesen, den von ihm angeführten Besprechungstermin, welcher für den Zeitpunkt der gegenständlichen Gerichtsverhandlung vereinbart worden war, zu verschieben, ist gerechtfertigt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/17/0235). In Anbetracht des zweimonatigen Zeitraums zwischen Ladung und Gerichtstermin ist unter Zugrundelegung eines normalen Geschäftsbetriebs einer Wirtschaftstreuhandkanzlei anzunehmen, dass gemeinsam mit dem Klienten ein anderer Termin gefunden werden hätte können. Es kommt im täglichen Betrieb einer Wirtschaftstreuhandkanzlei immer wieder vor, dass Termine (auch kurzfristig) verschoben werden müssen, ohne dass dies notwendiger Weise zu einem tatsächlichen Einkommensentgang für die betreffende Kanzlei führt. Hält man sich nun vor Augen, dass der Termin der Gerichtsverhandlung dem Zeugen zwei Monate im Vorhinein bekannt war, erweist sich die Einschätzung des Präsidenten des Arbeits- und Soziagerichtes Wien, wonach der Termin verschiebbar gewesen wäre, als unbedenklich. Es müssten schon äußerst ungewöhnliche Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen würden. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Mai 1998, Zl. 98/17/0137, klarstellte, wäre es dem Zeugen zuzumuten gewesen, in abstrakt-anonymer Form jene Gründe darzulegen, die ihm beziehungsweise seinem Klienten die Vereinbarung eines anderen Termins selbst trotz einer zweimonatigen Vorlaufszeit nicht ermöglicht hätten" (VwGH 08.09.2009, Zl. 2007/17/0161).

(VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

3.2.3. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3.2.4. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG:

Die belangte Behörde hat nicht das konkret entgangenen Einkommen des Zeugen ermittelt, sondern diesem lediglich die von ihm pauschaliert veranschlagte Summe zugesprochen.

Die belangte Behörde hätte auch die Rechtzeitigkeit des Gebührenantrages nachvollziehbar darlegen müssen, sowie den beantragten Einkommensentgang und die Reisekosten in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgeschlüsselt und nachvollziehbar wiedergeben müssen.

Somit wurden keinerlei taugliche Ermittlungen zur gegenständlich maßgebenden Frage, nämlich dem konkret entgangenen Einkommen sowie der Zusammensetzung der Summe der Reisekosten des Zeugen durchgeführt. Dies stellt eine besonders gravierende Ermittlungslücke dar, die einer gänzlichen Unterlassung von Ermittlungen gleichzuhalten ist.

Ohne Ermittlungsergebnisse zu der Anzahl des konkret entgangenen Einkommens kann der zugesprochene Einkommensentgang iHv € 700,00 sowie die Reisekosten iHv € 24,20 vom erkennenden Gericht nicht nachvollzogen werden. Überdies kann auch keine Überprüfung hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Geltendmachung des Gebührenanspruches getroffen werden.

Fallbezogen ist der Zeuge ein selbständig Erwerbstätiger und machte als Entschädigung für Zeitversäumnis einen Einkommensentgang nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG iHv € 700,00 sowie als Reisekosten nach §§ 6 bis 9 GebAG die Ticketkosten für öffentliche Verkehrsmittel iHv € 24,20 geltend.

Die von der Behörde dazu eingeforderten Unterlagen wurden von dieser jedoch nicht in die Sachverhaltsfeststellung miteinbezogen - der Terminkalenderauszug ist im Übrigen auch gar nicht leserlich - und ist dem angefochtenem Bescheid keinerlei Begründung zu entnehmen, wie die belangte Behörde die vom Zeugen als Einkommensentgang geltend gemachten € 700,00 nachvollziehbar überprüfen konnte. Auch die Tatsache, wann der Zeuge die Ladung überhaupt erhalten hat, wurde nicht ermittelt und festgestellt, wobei die Ladung ohne Rückschein an den Zeugen übermittelt wurde. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin behauptete der Zeuge, die Ladung überhaupt erst zwei Tage vor der Verhandlung erhalten zu haben. Eine Feststellung des Zustellungsdatums scheint jedoch im Hinblick auf die Möglichkeit des Beschwerdeführers, zeitgerecht disponieren zu können, relevant.

Bescheide, in denen die Behörde nicht in eindeutiger Weise aufzeigt, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im Einzelnen stützen, sind mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, AVG § 60, insb. Rz 35ff mwN).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Den Anforderungen an die Begründung eines Bescheides wird der angefochtene Bescheid jedenfalls nicht gerecht.

Inwieweit sich die belangte Behörde mit dem Antragsvorbringen auseinandersetzte, ist der Begründung ihres Bescheides - wie aufgezeigt - nicht hinreichend zu entnehmen. Das innere Ausmaß der Begründungspflicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt. Begründungslücken sind dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, dass der Beschwerdeführer über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird (vgl. zB VwGH 8.3.1989, 86/17/0044; VwGH 19.5.1992, 91/04/0242).

3.2.5. Aufgrund des Fehlens der genannten Ermittlungen und Feststellungen wie auch einer nachvollziehbaren Begründung kann der Gebührenanspruch des Zeugen nicht beurteilt werden. Die erwähnten notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts sind im behördlichen Verfahren unterblieben, sodass zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich keine Sachverhaltsgrundlage für eine Entscheidung vorhanden und die Rechtssache letztlich noch nicht entscheidungsreif ist. Der für eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache erforderliche Sachverhalt steht daher im vorliegenden Fall nicht fest.

Die Mängel des behördlichen Verfahrens sind im vorliegenden Fall somit deshalb als schwerwiegend zu bewerten, weil in einem wesentlichen Bereich der maßgebende Sachverhalt bloß ansatzweise erhoben wurde und auch nicht erschließbar ist.

3.2.6. Es kann nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, vielmehr dient in einem Fall wie dem vorliegenden die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des Sachverhalts.

Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG war daher von dem in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3.2.7. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG, vgl. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010; 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG), auch wenn durch eine Zurückverweisung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012).

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher das konkret entgangene Einkommen für den konkreten Verhandlungstag zu ermitteln haben und nachvollziehbar zu machen sowie die Summe der Reisekosten nachvollziehbar aufzuschlüsseln haben, um sie letztlich der Entscheidung zugrunde legen zu können. Hier werden sowohl vom Zeugen beigebrachten Angaben und Unterlagen als auch die Möglichkeit, die er allenfalls gehabt hätte, Termine zu verschieben und Termine an einem anderen Tag nachzuholen, zu berücksichtigen sein. Ebenso wären Widersprüche zu anderen Parteienvorbringen zu klären. Weiters wird die belangte Behörde Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Geltendmachung des Gebührenanspruches zu treffen haben.

3.2.8. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet aus den genannten Gründen die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG als erfüllt. Der gegenständlichen Entscheidung steht auch § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG nicht entgegen, zumal die Behörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und nicht mit höheren Kosten als das Bundesverwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die Ermittlung des Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

3.2.9. Das Bundesverwaltungsgericht hält daher fest, dass dem angefochtenen Bescheid aus den dargelegten Gründen eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anlastet und dieser gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen ist.

3.2.10 Dem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war nicht zu entsprechen, da ihr bereits von Gesetzes wegen eine solche Wirkung zukam (§ 13 Abs. 1 VwGVG).

3.2.11. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsfristen, Begründungsmangel, Einkommensentgang,
Ermittlungspflicht, Gebührenanspruch, Kassation, Ladungsbescheid,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Reisekostenvergütung,
selbstständig Erwerbstätiger, Zeitversäumnis, Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W214.2131604.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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