TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/29 G305 2179024-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2018
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Entscheidungsdatum

29.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2179024-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl,XXXX, vom 08.11.2017, Zl.: XXXX, vertreten durch XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 29.05.2015, 12:35 Uhr, stellte der im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Noch am selben Tag, wurde er ab 12:35 Uhr durch ein Organ der öffentlichen Sicherheitsbehörde einer Erstbefragung unterzogen. Anlässlich dieser gab der unverheiratete und kinderlose BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass sein Heimatdorf, in dem gekämpft werde, fast leer sei. Dort kämpfe der IS gegen die Kurden und gegen andere, die keine Muslime seien. Leute des IS hätten von ihm verlangt, dass er Muslim werde solle. Er habe das nicht gewollt. Wäre er erwischt worden, hätte man ihn sicher getötet. Er habe gesehen, wie eine Gruppe auf der Straße erschossen worden sei [Angaben des BF in Erstbefragungsprotokoll vom 29.05.2015, AS 63]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht. Auch erteilte er eine detaillierte Auskunft zu seiner Fluchtroute. Darüber hinaus gab er an, dass er bei seiner Rückkehr fürchte, dass er erschossen werde, wenn er in die Hände des IS gerate. Es gebe kein Haus mehr und auch keine Wohnung mehr. Alles sei vom IS besetzt [AS 63].

3. Am 02.06.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, XXXX (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er am 03.08.2014 beschlossen hätte, den Herkunftsstaat zu verlassen, nachdem er gehört hatte, dass der IS zu ihnen unterwegs sei. Da habe man sich entschlossen, die Häuser zu verlassen. Mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen habe er keine Probleme gehabt; auch sei er nicht in Haft gewesen oder festgenommen worden. Auch sei er weder Mitglied einer Partei oder einer parteiähnlichen Organisation oder einer terroristischen Organisation gewesen. In der Folge gab er an, in seiner Heimat auf Grund seiner Religionszugehörigkeit zu den Jesiden Probleme gehabt zu haben. Auf die Frage, ob es denn eine konkrete Bedrohung gegen ihn gegeben hätte, gab er an, dass er einmal angesprochen und aufgefordert worden sei, dass er so bald wie möglich zum Islam konvertieren solle, widrigenfalls er umgebracht werde. Zu einem zweiten Mal sei es nicht gekommen, da er geflüchtet sei. Sodann gab er an, dass man als Jeside überall diskriminiert werde, "von den Sunniten, den Schiiten und von jemand andern auch." Sie hätten immer in Angst gelebt. Am schlimmsten sei es gewesen, als der IS in den Irak gekommen sei. Da sei keine Hoffnung mehr zum Überleben geblieben. Die meisten Bewohner der Stadt seien Araber gewesen. Er sei meistens als Kurde und als Jeside diskriminiert worden. Um 10:30 Uhr habe er die Flucht ergreifen können; zuvor sei er immer wieder vom IS angesprochen und bedroht worden [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 02.06.2017, AS 115 f]. Als er darauf angesprochen wurde, wie oft er bedroht wurde, gab er an, dass er einmal bedroht worden sei [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 02.06.2017, AS 117]. Als er aufgefordert wurde, die Bedrohung durch den IS genauer zu schildern, gab er an, dass der IS zuerst im Dorf XXXX gewesen sei. Dann sei der IS nach MOSUL gekommen und habe diese Stadt ohne Kampfhandlungen eingenommen. Anschließend sei der IS zu ihnen gekommen. An einem Tag hätten sie 400 Personen enthauptet und er habe sich verstecken müssen. Schließlich seien sie auf einen Berg geflüchtet. Sie hätten sechs Stunden laufen müssen. Viele seien unterwegs umgekommen, da sie keine Kraft mehr gehabt hätten. Viele seien auch verdurstet. Drei Wochen hätten sie auf dem Berg gelebt und seien sie erst nach drei Wochen von der UNO vom Himmel mit Lebensmitteln und Wasser versorgt worden. Er sei dann in die Türkei geflüchtet [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 02.06.2017, AS 118]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht.

4. Mit Bescheid vom 08.11.2017, Zl. XXXX, dem BF am 15.11.2017 durch direkte Ausfolgung persönlich zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF vom 29.05.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum 30.11.2017 datierte, am 04.12.2017 an die belangte Behörde per Telefax übermittelte Beschwerde des BF, die er mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht wolle den Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass ihm internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG Folge gewährt werde, in eventu ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkennen, in eventu ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG erteilen und die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak aufheben und eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen.

6. Am 07.12.2017 legte die belangte Behörde die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde des BF samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz: BVwG) vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

7. Am 22.06.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF und eines Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt.

8. Noch während dieser mündlichen Verhandlung vor dem BVwG brachte er eine zum 20.06.2018 datierte Stellungnahme zur Vorlage, worin er im Wesentlichen kurz zusammengefasst ausführte, dass er unzweifelhaft irakischer Staatsangehöriger sei und der Glaubensgemeinschaft der Jesiden und der Volksgruppe der Kurden angehöre. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde weitere notwendige Ermittlungstätigkeiten dazu unterlassen habe, welchen tatsächlichen Diskriminierungen der BF als Jeside grundsätzlich ausgesetzt sei bzw. wäre, seien die von der belangten Behörde getroffenen - in der Stellungnahme wörtlich wiedergegebenen - Feststellungen tatsachenwidrig. Sodann wurde darauf hingewiesen, dass er als Jeside im Herkunftsstaat Irak auch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt einer solchen Gefährdungssituation ausgesetzt sein werde, die die notwendige Gefährlichkeitsschwelle erreiche und eine von der irakischen Verfassung allenfalls garantierte Religionsfreiheit nicht bestehe. Auch werde er bei einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Irak sowie auch in die kurdischen Autonomiegebiete weder die notwendige Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit vorfinden, noch sei zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt in den kurdischen Autonomiegebieten auf Grund der Massen an Binnenflüchtlingen ein Überleben des BF im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit gewährleistet. Unter dem Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.03.2017, GZ: XXXX, führte er aus, dass er auch zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in seinem Herkunftsstaat einer durch den IS ausgesetzten Gruppenverfolgung unterliege und eine allfällige innerstaatliche Fluchtalternative in den kurdischen Autonomiegebieten auf Grund der gegenwärtig andauernden Lage ausscheide. Im zitierten Urteil werde auch auf das weitere Vorrücken bzw. den Frontverlauf von kontrollierten Gebieten des IS im Irak verwiesen und dass nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet werden könne, dass sich der Frontverlauf durch den IS in autonom kontrollierte Gebiete ausbreiten werde, sodass Jesiden auch in den autonomen kurdischen Gebieten einer konkreten Gefährdung ausgesetzt seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Kurden an und bekennt sich zur jesidischen Glaubensgemeinschaft. Seine Muttersprache ist kurdisch-sorani. In der Schule lernte er die von der Bevölkerungsmehrheit seines Herkunftsstaates gesprochene Sprache Arabisch [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 4].

Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

Er ist ledig und lebt auch im Bundesgebiet mit niemandem zusammen. Er hat weder leibliche, noch an Kindesstatt angenommene Kinder [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 5].

Im Herkunftsstaat besuchte er für die Dauer von sechs Jahren die Grundschule. In der Folge wurde er im Beruf eines Buchbinders angelernt. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich durch seine Mitarbeit in einer im Eigentum seiner Familie stehenden Landwirtschaft, die der dreiköpfigen Kernfamilie des BF, bestehend aus seinen Eltern und ihm, ein Auskommen sicherte. Die Landwirtschaft der Familie des BF liegt in Heimatdorf des BF, XXXX, das wiederum in der Nähe von XXXX und zwei Autostunden von MOSSUL entfernten liegt und insgesamt 6.000 Einwohner umfasst [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 6]. Die Höhe seines in dieser Tätigkeit erzielten Monatsverdienstes konnte nicht festgestellt werden.

1.2. Der BF ist der Sohn des XXXX und der XXXX. Er hat keine Geschwister. Gemeinsam mit seinen Eltern lebte er in einer in XXXX situierten Mietwohnung [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 14].

Darüber hinaus hat er zwei Onkel und eine Tante mütterlicherseits, die in XXXX leben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 10].

Er hat gegenwärtig zu keinem seiner Verwandten Kontakt. Dass von den Angehörigen seiner im Herkunftsstaat lebenden Kernfamilie jemand ums Leben gekommen wäre, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Der BF ist nicht verheiratet [AS 114; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. und 10].

1.3. Im Herkunftsstaat gehörte er keiner politischen Organisation oder bewaffneten Gruppierung an.

Mit den Behörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates hatte er keine Probleme.

Er hatte auch mit der Polizei des Herkunftsstaates keine Probleme. Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass er auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Jesiden mit der Polizei des Herkunftsstaates Probleme gehabt hätte. Er ist im Herkunftsstaat nicht vorbestraft [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 6; AS 115].

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat politisch tätig gewesen wäre. Auch nahm er nie an bewaffneten Auseinandersetzungen im Herkunftsstaat teil. Er war auch nie Mitglied einer radikalen extremistischen Gruppierung oder einer verbotenen Organisation und trug auch nie eine Waffe.

Auch konnte den anderslautenden Behauptungen des BF [AS 116 oben] nicht festgestellt werden, dass er auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner Religionszugehörigkeit mit den Behörden, Gerichten oder mit der Polizei seines Herkunftsstaates, oder mit Dritten Probleme gehabt hätte.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er vom IS dazu aufgefordert worden wäre, "so bald wie möglich zum Islam" zu konvertieren, widrigenfalls er getötet werde. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass eine zweite diesbezügliche Begegnung mit dem IS nur deshalb unterblieben wäre, da der BF die Flucht ergriffen hatte. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zu den Jesiden von den "anderen Bewohnern der Stadt öfter angehalten und geprügelt" worden wäre. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass konkret er in seiner Eigenschaft als Angehöriger der Jesiden "überall diskriminiert" worden wäre [AS 116].

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat Probleme gehabt hätte.

1.4. Der BF reiste zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 ausgehend von XXXX aus dem Herkunftsstaat in die Türkei aus. Dort eingetroffen, gelangte er mit dem Reisebus nach ISTANBUL und von hier aus zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt zu Fuß zur Grenze nach BULGARIEN, die er ebenfalls fußläufig illegal überquerte. Ausgehend von BULGARIEN fuhr er schlepperunterstützt direkt nach Österreich, wo er ohne Reisedokument, sohin illegal, die Grenze überquerte [AS 61].

Es steht fest, dass er am 29.05.2015, um 12:35 Uhr, vor einem Organ der Sicherheitsbehörde einen Asylantrag stellte [AS 57]. Noch am selben Tag wurde er ab 15:37 Uhr durch Organe des XXXX einer Erstbefragung unterzogen [AS 55 ff].

1.5. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.6. Er hat keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten bzw. nahe Angehörige, mit denen er in einem intensiven Kontakt stehen würde [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 10].

Es konnten keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden. Seit dem 01.04.2018 geht er beim Dienstgeber XXXX, der in XXXX, ein Restaurant mit der Bezeichnung "XXXX" betreibt, nach. Davor bezog er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Seit der Aufnahme der vorgenannten nichtselbständigen Erwerbstätigkeit bezieht er keine Mittel aus der staatlichen Grundversorgung mehr [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 11].

Der BF verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 10].

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für eine soziale Verankerung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 11].

1.7. Es steht fest, dass der BF, als er vernahm, dass der IS kommen werde, gemeinsam mit seinen Eltern und zahlreichen anderen Menschen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2014 die Flucht auf einen Berg ergriff.

Im Zeitpunkt seiner Flucht war der IS noch 40 bis 50 Kilometer vom Heimatdorf des BF entfernt.

In der Folge hielt sich der BF eineinhalb Monate auf dem Berg auf und ging anschließend zu Fuß in die Türkei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 12 f].

Es konnte nicht festgestellt werden, ob und bejahendenfalls wann der IS das Heimatdorf des BF (XXXX) besetzt hat und welche Maßnahmen diese Organisation im Heimatdorf setzte. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass das Heimatdorf des BF zu einem Kampfschauplatz geworden wäre, wo der IS gegen Kurden und gegen Nichtmuslime gekämpft hätte.

Jedoch steht fest, dass der BF zu keinem Zeitpunkt einen Berührungspunkt mit den Angehörigen des IS hatte. Er war selbst nie Adressat einer vom IS bzw. von dessen Angehörigen ausgesprochenen Aufforderung, zum Islam zu konvertieren; auch war gegen ihn persönlich nie eine Drohung gerichtet, dass er umgebracht würde, wenn er nicht zum Islam konvertiere.

Er selbst war auch nie Augenzeugen von Gräueltaten, die der IS begangen haben soll [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 12], so insbesondere einer persönlichen Wahrnehmung, wie "eine Gruppe auf der Straße erschossen worden" wäre [AS 63].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verfolgung durch den IS oder durch die in seiner Region aufhältigen Sicherheitskräfte befürchten müsste.

Auch konnte nicht feststellt werden, dass er während seines Aufenthaltes im Herkunftsstaat einer Bedrohung durch die Polizei wegen des Einmarsches des IS in XXXX ausgesetzt gewesen wäre.

1.8. Laut Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine (nicht die) Hauptquelle der Gesetzgebung.

Quelle: AA 07.02.2017

Traditionelle Stammesstrukturen und ethnisch-religiöse Zugehörigkeiten bestimmen die gesellschaftlichen und politischen Loyalitäten bzw. Konfliktlinien. Die wichtigsten ethnischreligiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22%) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak (aus dieser Gruppe stammte bis zum Ende der Diktatur von Saddam Hussein 2003 der größte Teil der politischen und militärischen Führung) und die vor allem im Norden des Landes lebenden überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20%). Entlang dieser Linien hat sich die Parteienlandschaft gebildet. Angehörige der religiösen Minderheiten, die traditionell besonders im arabisch-kurdischen Grenzgebiet siedelten, haben teilweise eine eigene ethnisch-religiöse Identität bewahrt, betrachten sich häufig aber auch als Kurden oder Araber.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung, sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH-AL DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer längerfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.12.2017 noch ca. 2,6 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,2 Mio. Zurückgekehrte gegenüber.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von MOSSUL. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TAL AFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK. Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die irakischen Sicherheitskräfte starteten zwei große Offensiven gegen verbliebene IS-Kämpfer. Einerseits gegen Verstecke von Kämpfern im Westen MOSSULS, andererseits Säuberungsoperationen von RUTBA Richtung saudiarabischer Grenze. Der IS macht zudem regelmäßig mit Terroranschlägen auf sich aufmerksam: Die Angriffe konzentrieren sich auf die erdölreiche Stadt KIRKUK, mit dem Ziel die Beziehungen zwischen der KRG und der Zentralregierung zu verschlechtern, sowie auf BAGDAD, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Neben den wirtschaftlichen Zentren greifen IS-Kämpfer vermehrt auch sunnitisch geprägte Städte, wie RAMADI, an.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, darunter ERBIL und SULEYMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mit zustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK. Am 15.10.2017 wurden die in KIRKUK stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus KIRKUK zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen.

Quellen: Institute for the Study of War; IOM Iraq; Spiegel online;

IFK, Fact Sheet Irak Nr. 67, AA 07.02.2017 [letzter Zugriff:

28.06.2018]

Religionsfreiheit: Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an: Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung, in Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Art. 3 legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung Iraks fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes. Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z. B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Die alten irakischen Personalausweise enthielten ein Feld zur Religionszugehörigkeit, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religionskonfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Art. 26 stipuliert, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden.

Verstöße gegen die Menschenrechte sind zwar weit verbreitet. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet jedoch nicht statt. Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Region Kurdistan-Irak, oft benachteiligt. Die Hauptsiedlungsgebiete der Minderheiten, darunter Jesiden und Christen, liegen in den Gebieten Nordiraks, die im Sommer 2014 unter die Kontrolle von IS gerieten. Dabei kam es zu systematischer Verfolgung, Zwangskonversion, Massenvertreibungen und -hinrichtungen von Angehörigen religiöser Minderheiten, sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder. Insbesondere Angehörige der Minderheiten, aber auch schiitische Angehörige der Sicherheitskräfte wurden in den von IS beherrschten Gebieten Opfer von Gräueltaten. In der Region Kurdistan-Irak wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden.

Kurden

Von ethnisch-konfessionellen Auseinandersetzungen sind auch Kurden betroffen, soweit sie außerhalb der Region Kurdistan-Irak leben.

Jesiden

Die Zahl der monotheistisch-synkretistischen Jesiden in Irak liegt nach eigenen Angaben bei etwa 450.000 bis 500.000. Die Mehrzahl siedelte im Norden Iraks, v. a. im Gebiet um die Städte SINDSHAR (zwischen Tigris und syrischer Grenze) und SHEKHAN (Provinz NINAWA). Für die Extremisten des IS sind Jesiden "Ungläubige" (sog. "Teufelsanbeter"), die mit dem Tod bestraft werden können. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen an ihnen wurden bereits beschrieben. Viele Jesiden leben derzeit in Flüchtlingslagern, besonders in der Region Kurdistan-Irak, ein großer Teil trägt sich mit Auswanderungsplänen. Außerdem gibt es in der Stadt LALISH, nahe des jesidischen Heiligtums Lalesh, sehr viele Jesiden, die dort weitgehend ohne Unterdrückung oder Verfolgung leben. Eine Rückkehr nach SINDSHAR war bis Ende 2016 kaum möglich, da sich nach der Befreiung aus den Händen des IS im Stadtgebiet verschiedene Milizen bekämpfen.

Quelle: AA 07.02.2017

Jesidische Binnenvertriebene

Es wurde festgestellt, dass jesidische Binnenflüchtlinge (IDPs) im Allgemeinen mit weniger Beschränkungen in der KR-I konfrontiert sind, als Binnenflüchtlinge mit arabischer oder turkmenischer Volkszugehörigkeit. Beispielsweise wird es jesidischen Binnenvertriebenen und Zugehörigen anderer Minderheiten erlaubt, ihre Identitätspapiere zu behalten, während die Identitätspapiere von arabischen IDPs häufig konfisziert werden und dadurch ihre Bewegungsfreiheit weitgehend eingeschränkt wird. Auch ist es für jesidische Binnenflüchtlinge nicht erforderlich, Aufenthaltserlaubnisse in der KR-I zu besitzen. Jedoch wird von ihnen gefordert, ein Wohnungsschreiben von ihrem lokalen Asayish (kurdisch für Sicherheit) einzuholen, wenn sie eine Unterkunft in einer urbanen Gegend mieten wollen. Diese Wohnungserlaubnis wird ebenfalls benötigt, um sich beim Ministerium für Vertreibung und Migration (MoMD) registrieren zu können.

Quelle: UNHCR Anfrage 04.03.2016

Ausweichmöglichkeiten

Innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayisch-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge. 2015 und 2016 sind weitere Flüchtlingslager entstanden. Wegen der eigenen Finanzkrise sieht sich die kurdische Regionalregierung nicht mehr in der Lage, weiter Flüchtlinge aufzunehmen.

Abschiebewege: Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u. a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach BAGDAD sowie nach ERBIL und SULEYMANIYA.

Mitunter kehren Iraker mit Hilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus Deutschland über Amman freiwillig nach Irak zurück. Dies wird nach Angaben der IOM von der jordanischen Regierung unterstützt. Zudem werden in geringem Umfang straffällig gewordene Iraker, die aus den kurdischen Gebieten stammen und dort noch Familie haben, aus Deutschland dorthin zurückgeführt.

Über Kuwait sind irakische Staatsangehörige nur in sehr geringer Zahl nach Irak eingereist. Dabei nutzen sie in der Regel den Landweg über den Grenzposten zwischen Kuwait und Irak Richtung Basra. Sie müssen hierbei ein militärisches Sperrgebiet durchfahren; dazu ist eine Sondergenehmigung der kuwaitischen Regierung erforderlich. Die Grenze zwischen Irak und Kuwait ist ansonsten vollständig abgeriegelt. Kuwait schließt weiterhin aus, bei möglichen Rückführungen aus Deutschland behilflich zu sein. Die Rückkehr für Iraker aus westlichen Ländern über Saudi-Arabien ist derzeit ausgeschlossen. Die Grenze zwischen Saudi-Arabien und Irak ist geschlossen (z. B. nur der Grenzübergang Arar wird einmal jährlich ausschließlich für Mekka-Pilger nach Mekka geöffnet). Saudi-Arabien hat 2015 den Bau eines Grenzzauns entlang der gesamten Grenze abgeschlossen.

Quelle: AA 07.02.2017

Zur Lage in der autonomen Region Kurdistan werden darüber hinaus folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quellen getroffen:

Die Spannungen zwischen der Zentralregierung in BAGDAD und der Kurdischen Regionalregierung (KRG) nehmen zu. Durch die Kürzung des Budgets für Kurdistan und die Aufrechterhaltung der Flugsperre, verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation massiv, sodass die KRG Schulen schließen musste und Beamtengehälter nicht auszahlen konnte. Der Unmut innerhalb der kurdisch-irakischen Bevölkerung ist groß. Weiter beeinträchtigt wurde das kurdische Budget durch den Wegfall der amerikanischen Subventionen für die Peschmerga.

(Quelle: IFK, Fact Sheet Irak Nr. 67)

Informationen zur Frage, ob Rückkehrer aus dem Ausland behördlichen Schikanen oder anderen Diskriminierungen ausgesetzt sind, sind nicht auffindbar.

In einer Grundsatzerklärung des Außenamtes der Kurdischen Regionalregierung zu internationalen Beziehungen vom Mai 2017 wird erwähnt, dass die Regierung der Region Kurdistan die Kurden, die im Ausland leben und zu einer Rückkehr bereit seien, zu dieser Rückkehr ermuntern würde, um sich am Wiederaufbau der Region zu beteiligen. Es sei bekannt, dass viele der Kurden, die nach Europa gegangen seien, alles verloren hätten, um ein neues Leben zu beginnen. Es handle sich nach Auffassung der Kurdischen Regionalregierung um eine humanitäre Angelegenheit, weshalb sie die Aufnahmeländer darum bitte, das Leiden der Kurden in Betracht zu ziehen, bevor man zu politischen Richtlinien übergehe, die sich auf das Leben von Asylsuchenden auswirken könnten. Die Bewohner der Region Kurdistan seien jedoch unabhängig der Interessen der Länder, die Kurden aufgenommen hätten und deren Entscheidungen im Hinblick auf Einwanderungsgesetze, dazu bereit, alles zu geben, um Personen, deren Rückkehr in die Region Kurdistan erzwungen worden sei, zu helfen.

Quelle: Außenamt der Kurdischen Regionalregierung, 8. Mai 2017

Das US-amerikanische Außenministerium schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom März 2017 (Berichtszeitraum 2016), dass das Höchstkomitee der Kurdischen Regionalregierung zur Evaluierung und Beantwortung internationaler Berichte sich mit den gegen die Peschmerga gerichteten Vorwürfen von Misshandlungen vor allem von Binnenflüchtlingen befasst und die Peschmerga daraufhin in öffentlichen Berichten und Stellungnahmen entlastet habe. Regierungsangestellte, Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Peschmerga sowie Milizen hätten faktisch straffrei handeln können. In einigen Haftanstalten der Region Kurdistan seien Berichten zufolge unter bestimmten Voraussetzungen missbräuchliche Verhörmethoden angewandt worden. Darunter seien Haftanstalten der für die innere Sicherheit verantwortlichen ASAYISH-Kräfte und der Geheimdienste der beiden größten politischen Parteien, dem zur KDP [Demokratische Partei Kurdistans] gehörenden Parastin und dem Zanyari der PUK [Patriotische Union Kurdistans]. Laut Berichten der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak hätten 70 Häftlinge während Besuchen in Haftanstalten vom Jänner 2015 bis Juni 2016 angegeben, während ihrer Verhöre Folter bzw. anderen Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Laut Angaben örtlicher NGOs und dem Leiter des parlamentarischen Menschenrechtskomitees der Autonomen Region Kurdistan (ARK) seien manche Personen in Haftanstalten der ASAYISH mehr als 6 Monate ohne Anklage festgehalten worden. Laut NGO- und Presseberichten hätten die Polizei und interne Sicherheitskräfte der ARK Demonstranten und Aktivisten, die der kurdischen Regionalregierung gegenüber kritisch gewesen seien, festgenommen und mehrere Tage lang festgehalten. Im Dezember 2016 seien beispielsweise 13 Lehrer in SULEYMANIYA im Vorfeld einer Demonstration wegen nicht ausbezahlten Löhnen im öffentlichen Sektor verhaftet worden. Örtliche NGOs hätten über ein Gefühl der Straffreiheit unter Mitgliedern der kurdischen Sicherheitskräfte berichtet, so habe es örtlichen Menschenrechtsbeobachtern zufolge Vorwürfe von Vergewaltigung und Totschlag gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte gegeben.

Der Sicherheitsdienst ASAYISH und andere kurdische Sicherheitskräfte nahmen Tausende Menschen wegen Terrorverdachts fest, vor allem sunnitische arabische Männer und Jugendliche. Die Behörden verstießen in mehrfacher Weise gegen deren Recht auf ein faires Verfahren, u. a. indem sie die Überstellung der Inhaftierten an die Justizbehörden extrem verschleppten und ihnen über lange Zeiträume keinen Zugang zu ihren Familienangehörigen gewährten. Im Oktober 2016 gaben die Behörden der Regionalregierung bekannt, dass der allgemeine Sicherheitsdienst ASAYISH GHISHTI und die ASAYISH-Abteilung in ERBIL seit Anfang des Jahres 2801 Terrorverdächtige festgenommen hätten.

Gerichte in der teilautonomen Region Kurdistan verhängten weiterhin Todesurteile für terroristische Straftaten. 2016 gab es jedoch keine Hinrichtungen

Quelle: ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum

Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak:

Menschenrechtslage in der Autonomen Region Kurdistan: Lage von Kurden sunnitischen Glaubens; behördliche Schikanen oder andere Diskriminierungen für Rückkehrer aus dem Ausland vom 10.05.2017 [letzter Zugriff: 28.06.2018]

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Menschenrechtslage in der Autonomen Region Kurdistan: Lage von Kurden sunnitischen Glaubens; behördliche Schikanen oder andere Diskriminierungen für Rückkehrer aus dem Ausland vom 10.05.2017 [letzter Zugriff:

28.06.2018]

1.9. Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses noch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme.

Er hat sich noch längere Zeit nach dem von ihm behaupteten Vorfall betreffend des Vordringens des IS unbehelligt auf einem von ihm namentlich nicht näher bezeichneten Berg im Norden seines Herkunftsstaates aufgehalten, ehe er sich entschloss, den Herkunftsstaat in die TÜRKEI zu verlassen.

Es konnte kein konkreter Anlass für ein fluchtartiges Verlassen des Herkunftsstaates festgestellt werden. Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass er vor seiner Ausreise einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich der hg. durchgeführten mündlichen Verhandlung, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und die amtswegig eingeholten Auskünfte.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität (XXXX), Staatsangehörigkeit (Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim sunnitischer Glaubensrichtung) des BF Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, sowie auf dessen Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten des Irak. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zu seiner weiteren Reiseroute und zu seiner Einreise in Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörden und des BFA, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Vernehmungsorganen der Sicherheitsbehörde und der belangten Behörde, sowie auf seinen Angaben in der Beschwerde und den vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Parteienvernehmung (in der Folge kurz: PV) gemachten Angaben.

So hatte er bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.05.2015 zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates angegeben, dass in seinem Heimatdorf gekämpft werde und der IS gegen Kurden und Nichtmuslime kämpfe. Leute vom IS hätten von ihm verlangt, dass er Muslim werden solle. Er habe das nicht gewollt. Wäre er erwischt worden, hätte man ihn sicher getötet. Auch habe er gesehen, wie eine Gruppe auf der Straße erschossen wurde [Angaben des BF in Protokoll der LPD XXXX vom 29.05.2015, AS 63].

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 02.06.2017 gab er zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er am 03.08.2014 beschlossen hätte, den Herkunftsstaat zu verlassen, nachdem er gehört hatte, dass der IS zu ihnen unterwegs sei. Da habe man sich entschlossen, die Häuser zu verlassen. Mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen habe er keine Probleme gehabt; auch sei er nicht in Haft gewesen oder festgenommen worden. Auch sei er weder Mitglied einer Partei oder einer parteiähnlichen Organisation oder einer terroristischen Organisation gewesen. In der Folge gab er an, in seiner Heimat auf Grund seiner Religionszugehörigkeit zu den Jesiden Probleme gehabt zu haben. Auf die Frage, ob es denn eine konkrete Bedrohung gegen ihn gegeben hätte, gab er an, dass er einmal angesprochen und aufgefordert worden sei, dass er so bald wie möglich zum Islam konvertieren solle, widrigenfalls er umgebracht werde. Zu einem zweiten Mal sei es nicht gekommen, da er geflüchtet sei. Sodann gab er an, dass man als Jeside überall diskriminiert werde, "von den Sunniten, den Schiiten und von jemand andern auch."

Sie hätten immer in Angst gelebt. Am schlimmsten sei es gewesen, als der IS in den Irak gekommen sei. Da sei ihm keine Hoffnung mehr zum Überleben geblieben. Die meisten Bewohner der Stadt seien Araber gewesen. Er sei meistens als Kurde und als Jeside diskriminiert worden. Um 10:30 Uhr habe er die Flucht ergreifen können; zuvor sei er immer wieder vom IS angesprochen und bedroht worden [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 02.06.2017, AS 115 f]. Als er darauf angesprochen wurde, wie oft er bedroht wurde, gab er an, dass er einmal bedroht worden sei [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 02.06.2017, AS 117]. Als er aufgefordert wurde, die Bedrohung durch den IS genauer zu schildern, gab er an, dass der IS zuerst im Dorf XXXX gewesen sei. Dann sei der IS nach MOSUL gekommen und habe diese Stadt ohne Kampfhandlungen eingenommen. Anschließend sei der IS zu ihnen gekommen. An einem Tag hätten sie 400 Personen enthauptet und habe er sich verstecken müssen. Schließlich seien sie auf einen Berg geflüchtet. Sie hätten sechs Stunden laufen müssen. Viele seien unterwegs umgekommen, da sie keine Kraft mehr gehabt hätten. Viele seien auch verdurstet. Drei Wochen hätten sie auf dem Berg gelebt und seien sie erst nach drei Wochen von der UNO vom Himmel mit Lebensmitteln und Wasser versorgt worden. Er sei dann in die Türkei geflüchtet [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 02.06.2017, AS 118]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF als Fluchtgrund an, dass der IS ihn zur Konvertierung zum Islam zwingen wollte. Er habe seine Religion jedoch nicht aufgeben wollen. Wäre er nicht zum Islam konvertiert, hätte ihn der IS umgebracht [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 12 oben] Über weiteres Nachfragen fiel jedoch dieses Gedankenkonstrukt des BF rasch in sich zusammen. Als er zum Zeitpunkt des auf ihn ausgeübten Konvertierungszwanges gefragt wurde, gab er vage an, dass das im Jahr 2014 gewesen sei. Auf die weiter gestellte Frage, ob es diesbezüglich ein Gespräch zwischen ihm und Angehörigen des IS gegeben hätte, gab er zur Antwort: "Die warten nicht lange. Ich habe gewusst, dass ich gezwungen würde, zum Islam überzutreten, wenn der IS kommt. Ich bin daher schon vor dem Eintreffen des IS geflüchtet. Der IS war im Zeitpunkt meiner Flucht 40 bis 50 Kilometer entfernt."

[PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 12].

Dass die Dorfbewohner, wie der BF in der Folge glaubhaft schilderte, auf einen Berg geflüchtet seien, nachdem sie gehört hatten, dass der IS, dem ein fürchterlicher Ruf vorauseilte, kommen könnte, erscheint dem erkennenden Gericht nachvollziehbar und glaubhaft und ist dies auch mit den Länderinformationen über die in dieser Region des Irak lebenden Jesiden in Einklang zu bringen. Der BF hat diesen, dem IS vorauseilenden Ruf anlässlich seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht anschaulich beschrieben, indem er auf die Frage "Wo befand sich der IS im Zeitpunkt Ihrer Flucht?" angab: "Der IS war in XXXX. Jene Leute, die nicht flüchteten bzw. nicht flüchten konnten, wurden lebendig begraben." Wenn man derartiges vom Hörensagen vernimmt und noch dazu zu befürchten war, dass der IS auch in das Heimatdorf des BF kommen könnte, führt das begreiflicherweise zu einer Angst um das eigene Leben, die eine (vom BF auch behauptete und beschriebene) massenfluchtauslösende Wirkung haben kann. So hatte der BF beschrieben, dass er mit seinen Eltern und vielen anderen Menschen auf den Berg geflüchtet sei und sich dort eineinhalb Monate aufgehalten hätte, bevor er in die Türkei gegangen sei. Dass jedoch die vom BF behauptete Massenflucht tatsächlich begründet war, weil danach der IS tatsächlich gekommen sein könnte, wurde vom BF nicht glaubhaft gemacht und konnte ein derartiges Szenario selbst aus den dem BVwG vorliegenden Länderberichten nicht verifiziert werden.

Mit diesem Vorbringen setzte er sich zu seinem bisherigen Vorbringen, dass er vom IS gezwungen worden sei, zum Islam zu konvertieren, in Widerspruch. Wenn er mit anderen vielen anderen Menschen vor dem herannahenden IS auf den Berg flüchtete, konnte er keine Berührung mit dem IS gehabt haben. Damit fällt sein Vorbringen, dass er vom IS dazu gezwungen worden sei, zum Islam zu konvertieren [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 12], wie auch sein Vorbringen vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde anlässlich seiner Erstbefragung am 29.05.2015, dass er gesehen hätte, wie eine Gruppe auf der Straße erschossen wurde, nachdem der IS bereits da gewesen sei, als ein im Widerspruch zu den Tatsachen stehendes Gedankenkonstrukt in sich zusammen. Der BF, der angegeben hatte, seit seiner Ausreise in die Türkei weder mit den Eltern, noch mit anderen Personen in Kontakt zu stehen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 22.06.2018, S. 10 oben], vermochte selbst keine verlässlichen Angaben machen, ob der IS tatsächlich in sein Heimatdorf gekommen, dieses allfällig eingenommen und dort Gräueltaten vollbracht hätte. Unter den, dem BVwG vorliegenden Länderinformationen und der weiter vom BF vorgelegten Länderinformationen scheinen keine Berichte zum Heimatdorf bzw. zur Heimatregion des BF auf, sodass die entsprechenden Konstatierungen zu treffen waren, dass nicht festgestellt werden konnte, ob der IS das Heimatdorf des BF (XXXX) besetzt hat und welche Maßnahmen diese Organisation dort setzte und dass weiter nicht festgestellt werden konnte, dass das Heimatdorf des BF zu einem Kampfschauplatz geworden wäre, auf dem der IS gegen Kurden und gegen Nichtmuslime gekämpft hätte. Wenn auch im Juni 2014 die vom Heimatdorf des BF zwei Autostunden entfernte Stadt MOSSUL vom IS eingenommen wurde, wie sich dies aus den Länderberichten ergibt, so ergibt sich in Hinblick auf die auf dem Land situierte Dorf XXXX nicht zwangsläufig, dass auch dieses vom IS eingenommen worden wäre.

In Anbetracht der eklatanten Widersprüche, in die sich der BF verstrickte (direkte Bedrohung des BF durch den IS vs. Flucht in die Berge noch vor dem Eintreffen des IS ohne Wiederkehr des BF und ohne Angaben zu einer direkten Begegnung mit dem IS oder einzelnen Angehörigen des IS) ist die auf dem Bedrohungsszenario durch den IS für den Fall der Nichtkonvertierung zum Islam aufgebaute Fluchtgeschichte nicht nur unglaubwürdig, sondern auch wiederlegt.

Es waren daher die entsprechenden Konstatierungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 08.11.2017 erhobene Beschwerde des BF wurde bei dieser am 04.12.2017 eingebracht und langte sie mit dem angefochtenen Bescheid und den Bezug habenden Verwaltungsakten am 07.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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