TE Lvwg Erkenntnis 2018/7/23 LVwG-AV-523/002-2018

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Veröffentlicht am 23.07.2018
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Entscheidungsdatum

23.07.2018

Norm

BAO §184 Abs1
BAO §208 Abs1 lita
BAO §212a
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, vom 22. März 2018 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 21. Februar 2018, Zahl ***, mit welchem eine Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Stadtamts der Stadtgemeinde *** vom 11. Oktober 2017, Geschäftszahl ***, betreffend die Festsetzung einer Wasserbezugsgebühr für den Ablesezeitraum
1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 für die Liegenschaft ***, ***, als unbegründet abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4
Bundes-Verfassungsgesetz (B VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

1.1.1.

Mit Abgabenbescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde *** vom 11. Oktober 2017, EDV-Nummer ***, wurde Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) für seine Liegenschaft *** in *** für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 eine Wasserbezugsgebühr in der Höhe von € 15,- (zuzüglich Umsatzsteuer) festgesetzt. Der Gebührenberechnung zugrunde gelegt wurden eine verbrauchte Wassermenge von 10 m³ und die Grundgebühr von € 1,50.

1.1.2.

Mit Schriftsatz vom 6. November 2017 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Abgabenbescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde *** vom 11. Oktober 2017 rechtzeitig Berufung an den Stadtrat der Stadtgemeinde *** und führte begründend aus, dass ausdrücklich bekämpft werde, dass der Zählerstand am 1. Juli 2012 11.440 m³ und am 30. Juni 2012 11.450 m³ betragen habe. Es sei an diesen Tagen der Zählerstand des Wassermessers nicht abgelesen worden, es könnten daher diese Zahlen nicht zur Vorschreibung der Wasserbezugsgebühr herangezogen werden. Die Behörde hätte zur Festsetzung der Gebühr ein Ermittlungsverfahren durchführen müssen. Dabei habe sich herausgestellt, dass am 4. Februar 2012 das Hausanschlussventil wegen eines Gebrechens gesperrt worden wäre und nach Reparatur kein Wasser mehr weggeronnen sei, somit kein Mehrverbrauch wäre. Es werde auch der Einwand der Verjährung vorgebracht, könne doch ein Fehler der Behörde - nämlich die zeitgerechte Ablesung der Zählerstände innerhalb einer Verrechnungsperiode zu veranlassen - nicht zu Lasten des Liegenschaftseigentümers ausgelegt werden und 5 Jahre später eine Verrechnung auf Basis einer wohl unzulässigen Schätzung erfolgen. Wann wirklich wie viel Wasser tatsächlich verbraucht wurde, sei zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden. Es fehle sohin jegliche Feststellung zum tatsächlichen Verbrauch durch den Liegenschaftseigentümer. In seinem Fall sei jedoch nicht

abgelesen, sondern für einen unzulässig langen Zeitraum geschätzt worden. Er sei weder für die Instandhaltung noch die Instandsetzung der Zuleitungsventile verantwortlich. Diese Zuleitungen stünden auch nicht in seinem, sondern im Eigentum der Zulieferer. Ein eigenmächtiges Hantieren an diesen Leitungen stehe ihm daher auch aus diesem Grund nicht zu.

1.1.3.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Februar 2018,
***, wurde diese Berufung vom Stadtrat der Stadtgemeinde *** als unbegründet abgewiesen. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass laut Datenblatt bezüglich der Zählerstanderfassung auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers am 14. Mai 2009 ein neuer Wasserzähler (Nummer ***) mit dem Stand 1 m³ eingebaut worden sei. Beim Ausbau dieses Wasserzählers sei ein Zählerstand von 11.455 m³ festgestellt worden. Fest stehe somit ein Verbrauch von 11.454 m³ Wasser im Zeitraum von 14. Mai 2009 bis 12. Mai 2014. Auf Antrag des Beschwerdeführers sei der Wasserzähler vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) auf seine Verkehrsfähigkeit geprüft worden. Das BEV sei in der Befundprüfung, datiert mit 18. Dezember 2014, zum Ergebnis gekommen, dass der Wasserzähler mit der Fabrikationsnummer *** richtig anzeige und auch die weiteren Bedingungen für die Verkehrsfähigkeit einhalte. Laut Datenblatt für die Zählerstanderfassung sei der Verbrauch in den Jahren zwischen 2009 und 2013 (2009-2010, 2010-2011, 2011-2012, 2012-2013) nicht abgelesen, sondern von der Behörde aufgrund des Verbrauchs in den Jahren davor geschätzt worden, weshalb zwischen 14. Mai 2009 und 7. Juli 2013 jeweils 9 m³ bzw. 10 m³ vorgeschrieben worden wären:

14. Mai 2009    Einbau Wasserzähler mit 1 m³

15. Mai 2009 - 1.Juli 2010:  geschätzter Verbrauch 9 m³/geschätzter Endstand 10 m³

2. Juli 2010 - 30. Juni 2011:  geschätzter Verbrauch 10 m³/geschätzter Endstand 20 m³

1. Juli 2011 - 28. Juni 2012:  geschätzter Verbrauch 10 m³/geschätzter Endstand 30 m³

29. Juni 2012 - 7. Juli 2013:  geschätzter Verbrauch 10 m³/geschätzter Endstand 40 m³

Als beim Zählertausch im Jahr 2014 dann ein Zählerstand von 11.455 m³ festgestellt worden sei, wäre für die Periode 2013 - 2014 aufgrund des Abzugs des bisher geschätzten Verbrauchs von 39 m³ für einen Verbrauch von 11.415 m³ eine Wasserbezugsgebühr in Höhe von € 17.122,50 (exkl. USt) festgesetzt und vorgeschrieben worden. Im Berufungsverfahren sei hervorgekommen, dass am 4. Februar 2012 das Entleerungsventil geronnen sei und der Schacht damals zu 3/4 mit Wasser gefüllt gewesen sei. Aus der Aktenlage sei es jedoch wahrscheinlicher, dass dieser hohe Wasserverbrauch nicht erst in der Ableseperiode 2013 - 2014, sondern wohl eher in der Periode, in die der Schaden falle, der am 4. Februar 2012 entdeckt worden sei, angefallen sei. Für die Wasserbezugsgebühr 2013 - 2014 sei der Verbrauch in diesem Zeitraum neu mit 5 m³ geschätzt und festgesetzt und daher die Wasserbezugsgebühr in Höhe von € 7,50 (exkl. USt) vorgeschrieben worden. Da der Schaden am Entleerungsventil am 4. Februar 2012 entdeckt wurde, sei es wahrscheinlich, dass der hohe Wasserverbrauch davor stattgefunden habe. Die Stadtgemeinde schätze den Verbrauch für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 auf 10 m³. Sie gehe dabei von folgenden geschätzten Zählerständen aus:

Zählerstand alt:  11.440 m³

Zählerstand neu:  11.450 m³

Verbrauch:    10 m³

Gemäß § 6 Abs. 1 NÖ WAG 1978 habe der Eigentümer der Liegenschaft die Hausleitungen herzustellen und zu erhalten. Unter Hausleitung sei dabei jener Teil der Wasserversorgungsanlage zu verstehen, der sich innerhalb der angeschlossenen Liegenschaft befinde, wobei der Wasserzähler nicht zur Hausleitung gehöre. Es obliege also keinesfalls dem „Zulieferer“, sondern dem Liegenschaftseigentümer für die Erhaltung der Hausleitung zu sorgen. Zur behaupteten Festsetzungsverjährung sei auszuführen, dass die Frist für die Festsetzungsverjährung fünf Jahre betrage und für die Periode 2012-2013 erst mit 31. Dezember 2018 abgelaufen wäre.

1.2. Beschwerdeverfahren:

Mit Schreiben vom 22. März 2018 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen wie die Berufungsschrift vom 6. November 2017. Auch wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

1.3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:

1.3.1.

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt der Stadtgemeinde *** wurden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am
18. April 2018 zur Entscheidung vorgelegt.

1.3.2.

Vom erkennenden Gericht wurde für den 19. Juni 2018 eine mündliche Verhandlung anberaumt, in deren Verlauf von der Beschwerdeführervertreterin hervorgehoben wurde, dass nach Bemerken des Schadensfalles am 4. Februar 2012 der Hahn gesperrt und das schadhafte Ventil dann Monate später ausgetauscht worden sei. Dann sei der Hahn auch wieder aufgemacht worden. Von Seiten der belangten Behörde wurde bestätigt, dass für die Ablesezeiträume 2009/2010 und 2010/2011 keine Bescheide gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen worden sind. Ablesungen seien zwischen 2009 und 2014 nie erfolgt seien. Vielmehr sei immer geschätzt worden. Vom Zeugen B wurde dargelegt, dass er am 4. Februar 2012, da er vis à vis von Beschwerdeführer wohne, auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers gewesen sei und feststellen habe können, dass der Wasserzählerschacht halbvoll mit Wasser gewesen sei. Da man am Wasserspiegel feststellen habe können, dass Bewegung an der Wasseroberfläche vorherrsche, wurde das Wasserwerk verständigt; dies auch deshalb da offenkundig Wasser abgeflossen sei. Circa ein bis zwei Stunden später sei von Mitarbeitern des Wasserwerkes straßenseitig die Wasserzufuhr abgedreht worden. Auf Grund der großen Minustemperaturen sei der Schaden im Frühjahr behoben worden. Das Entleerungshähnchen (Frosthahn) sei defekt gewesen und getauscht worden. Daneben sei zur Sicherheit auch das Hauptventiloberteil getauscht worden. Danach sei das Wasserwerk verständigt worden und wäre die Wasserzufuhr wieder geöffnet worden. Bei der Öffnung der Wasserzufuhr sei er noch zugegen gewesen, um festzustellen, dass kein Wasser austritt. Es ist auch kein Wasser mehr ausgetreten. Beim Entleerungshähnchen habe eine Dichtung gefehlt, sodass Wasser ungehindert habe austreten können. Seiner Erfahrung nach passiere so etwas im Einzelfall. So ein Ereignis trete plötzlich auf, könne aber auch schön langsam eintreten. Einen genauen Zeitpunkt, wann dieses Hähnchen kaputt gegangen ist, könne er nicht festgemachen. Das Hähnchen habe eine Dimension von ¼ Zoll (dies entspreche 3 mm Innendurchmesser) hat. Die Menge des abfließenden Wasser orientiere sich dabei an den herrschenden Druckverhältnissen. Die örtlichen Druckverhältnisse können seines Wissens nach 10 bar ausmachen. Das Entleerungshähnchen sei in der Regel aber vor dem Druckminderer eingebaut. Bei Druckverhältnissen von bis zu 10 Bar könne auch bei nur 3 mm Durchmesser viel Wasser abfließen. Ob das 11.000 m³ in einem Jahr sein können, wisse er nicht. Das Hauptventiloberteil sei deshalb getauscht worden, da es sich nur mehr schwer bewegen habe lassen. Ein Wasseraustritt sei nicht erfolgt.

1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der Stadtgemeinde *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

1.5. Feststellungen:

Aufgrund des von der belangten Behörde vorgelegten, unbedenklichen und ins Beweisverfahren einbezogenen Verwaltungsaktes, aufgrund der schriftlichen Ausführungen des Beschwerdeführers sowie aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung konnte Folgendes festgestellt werden:

Der Beschwerdeführer war im Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 Eigentümer der Liegenschaft ***, ***. Am 14. Mai 2009 wurde auf der gegenständlichen Liegenschaft seitens des Wasserversorgungsunternehmens der Stadtgemeinde *** der Wasserzähler mit der Zählernummer *** eingebaut. Der Zählerstand von 1 m³ wurde vom Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift bestätigt. Beim Ausbau des Wasserzählers mit der Nummer *** am 12. Mai 2014 wurde ein Zählerstand von 11.455 m³ festgestellt. Dieser Wasserzählerstand beim Ausbau des Wasserzählers wurde vom Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen und nicht in Zweifel gezogen. Zwischen 2010 und 2014 wurde kein Zählerstand bekannt gegeben, auch eine Ablesung durch Mitarbeiter der Wasserversorgung ist nicht erfolgt. Der abgelesene Zählerstand wies eine Menge 11.454 m³ auf. Aufgrund eines entsprechenden Antrages des Beschwerdeführers wurde der Wasserzähler mit der Zählernummer *** nach dem Ausbau vom Bundesamt für Eich-, und Vermessungswesen überprüft. Im Gutachten des BEV vom 18. Dezember 2014, Nummer ***, wurde ausgeführt, dass der Wasserzähler bei der Überprüfung geeicht und ordnungsgemäß plombiert gewesen sei. Es seien keine relevanten äußerlichen Mängel festgestellt worden, Messabweichungen des Zählers seien innerhalb der zulässigen Fehlergrenzen. Nach Zerlegung des Zählers seien ebenfalls keine relevanten technischen Mängel an den einzelnen Bauteilen festgestellt worden und konnten keine Manipulationen festgestellt werden. Es könne daher eine ordnungsgemäße Funktion des Zählers bis zum Zeitpunkt des Zerlegens angenommen werden. Ausgehend von diesem Gutachten wird festgestellt, dass der Wasserzähler mit der Zählernummer *** jedenfalls bis zum Ausbau einwandfrei funktioniert hat.

Am 4. Februar 2012 wurde ein erheblicher Wasseraustritt Schaden am Entleerungshähnchen festgestellt und die Wasserzufuhr gesperrt. Im Zeitraum zwischen 14. Mai 2009 und dem 30. Juni 2014 hat sich kein weiterer Schadensfall auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers ereignet.

Im gegenständlichen Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 hatte sich ebenfalls kein Schadensfall auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Wasserzuleitung ereignet.

Feststehend ist jedenfalls, dass es ab dem Jahr 2009 bis zum Jahr 2014 in Bezug auf das gegenständliche Grundstück zu einer Feststellung des Zählerstandes in Form eines Ableseergebnisses nicht gekommen ist. Es wurde daher für die jeweiligen Abrechnungszeiträume 2009/2010, 2010/2011, 2011/2012 und 2012/2013 seitens der Stadtgemeinde *** eine Schätzung des Verbrauches durchgeführt.

Für den gegenständlichen Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 wurde von den Abgabenbehörden ein Wasserverbrauch von 10 m³ geschätzt.

Im Wege der Schätzung geht das Landesverwaltungsgericht für den Zeitraum
1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 ebenfalls von einem Verbrauch 10 m³ aus.

1.6. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen (Punkt 1.5.) nicht entgegentritt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 184. (1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

§ 207. (1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. …

§ 208. (1) Die Verjährung beginnt

a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird; …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden. …

2.2. NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBI 6930:

Wasserbezugsgebühr

§ 10. (1) Für den Wasserbezug aus der Gemeindewasserleitung ist eine Wasserbezugsgebühr zu entrichten.

(2) Die Wasserbezugsgebühr ist derart zu berechnen, daß die vom Wasserzähler innerhalb eines Ablesungszeitraumes als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter mit der für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht wird.

(3) Als verbrauchte Wassermenge hat die Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl abzüglich der am Ende des vorhergegangenen Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl zu gelten.

(...)

(8) Wenn die Richtigkeit der vom Wasserzähler angezeigten Wassermenge bestritten und dessen Prüfung beantragt wird, so hat die Gemeinde die Prüfung durch die Eichbehörde zu veranlassen und den Wasserzähler während der gesamten Verfahrensdauer aufzubewahren. Ergibt die Prüfung, daß die Wassermenge richtig gemessen wird, hat der Abgabenschuldner der Gemeinde die Prüfungskosten zu ersetzen. Die Wassermenge gilt auch dann als richtig gemessen, wenn die Abweichung nicht mehr als 5 % beträgt. Beträgt die Abweichung mehr als 5 %, ist die Wassermenge zu schätzen.

(...)

2.3. Wasserabgabenordnung für die öffentliche Gemeindewasserleitung der Stadtgemeinde *** vom 10. Dezember 2010, Fassung vom 1. Juli 2011:

Gemäß § 7 Abs. 2 der Wasserabgabenordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** ist die Grundgebühr für 1 m³ Wasser zur Berechnung der Wasserbezugsgebühr mit € 1,50 festgesetzt.

2.4. Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG:

Artikel 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

(…)

2.5. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. …

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1. Zur eingewendeten Verjährung:

Der Abgabenanspruch für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 für die Wasserbezugsgebühr betreffend die bezeichnete Liegenschaft entstand mit Ablauf des Ablesungszeitraumes, in dem die der Berechnung der Wasserbezugsgebühr zu Grunde gelegte Wassermenge verbraucht wurde, unabhängig von einer tatsächlich erfolgten Ablesung.

In Bezug auf diesen im Jahr 2013 entstandenen Abgabenanspruch für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum ist in Bezug auf diese Abgabenschuld unter Berücksichtigung von § 207 Abs. 2 BAO iVm § 208 Abs. 1 lit. a BAO und § 209a Abs. 1 BAO ein Eintritt der Verjährung (fünf Jahre) nicht erfolgt.

3.1.2.

Eine Ablesung der verbrauchten Wassermenge vom Wasserzähler erfolgte für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum, ebenso wie im gesamten Zeitraum zwischen dem Jahr 2009 und 2014, nicht.

Bei der Ermittlung der verbrauchten Wassermenge waren somit grundsätzlich mangels anderer verwertbarer Grundlagen (Fehlen der Ableseergebnisse) die Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl (gegenständlich der anlässlich des Ausbaues des Wasserzählers mit der Fabrikationsnummer ***) am 12. Mai 2014 abzulesende Verbrauchsstand im Ausmaß von 11.455 m³ und die bei Einbau dieses Wasserzählers am 13. Mai 2009 ausgewiesene Verbrauchsmenge von 1 m³ als maßgebliche Eckdaten heranzuziehen. Die vom gegenständlichen Wasserzähler zwischen dem Einbau des Wasserzählers und dem Ausbau desselben angezeigte Verbrauchsmenge kann daher grundsätzlich einer gesetzlich vorgesehenen Berechnung zu Grunde gelegt werden, da die Prüfung des Bezug habenden Wasserzählers durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen keine technischen Beanstandungen ergeben hat.

3.1.3.

Da für den verfahrensgegenständlich zu Grunde liegenden Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 eine Ermittlung der Grundlagen für die Abgabenerhebung durch Ablesen des Zählerstandes nicht erfolgt ist, was für die Entstehung der Abgabenschuld nicht maßgeblich ist, es sich somit als unmöglich erwies, festzustellen, in welchem Ausmaß im verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum der Wasserverbrauch erfolgt ist, hatte die Abgabenbehörde II. Instanz rechtmäßiger Weise auf Grundlage des § 184 Abs. 1 BAO die für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum entstandene Abgabenschuld zu schätzen.

Bei der Schätzung handelt es sich um eine Form der Ermittlung des Sachverhaltes; sie kommt zur Anwendung, wenn die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht exakt ermittelt bzw. errechnet werden können (vgl. VwGH vom 24. Februar 2004, Zl. 99/14/0247).Es liegt im Wesen einer Schätzung, dass dabei eine Beweisführung für ein bestimmtes Ergebnis nicht möglich ist (vgl. VwGH vom 30. November 1989, Zl. 88/13/0177, und vom 8. April 1992, Zl. 90/13/0045).

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Bemessungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (vgl. VwGH vom 19. März 2003, Zl. 2002/16/0255; oder vom
23. Februar 2010, Zl. 2008/15/0027).

Insofern stellt eine Schätzung nur eine ultima ratio dar, soweit die Bemessungsgrundlagen auf anderem Wege nicht (mehr) festgestellt werden können (vgl. VwGH vom 13. September 2006, Zl. 2002/13/0105). Wie sich aus der Verwendung des Ausdrucks "soweit" in der Bestimmung des § 184 Abs. 1 BAO ableiten lässt, beschränkt das Gesetz die Möglichkeit der Schätzung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips (vgl. VwGH vom 17. Oktober 2001, Zl. 98/13/0233). Die Schätzung setzt ein Verschulden der Partei nicht voraus (vgl. die Nachweise bei Ritz, BAO6, § 184 Tz 6).

3.1.4.

Da gemäß § 184 Abs. 1, letzter Satz, BAO für die Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die von Bedeutung sind, hat der Stadtrat der Stadtgemeinde *** in der in Beschwerde gezogenen Entscheidung rechtmäßiger Weise das Ereignis des erhöhten Wasserverbrauchs auf Grund des Schadensfalles im Februar 2012 nicht in die Ermittlung für die Grundlagen der Abgabenerhebung für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 mit einbezogen, somit rechtmäßiger Weise nicht die zwischen den Ableseergebnissen bei Zählereinbau und bei Zählerausbau liegende Differenz unter Aufteilung auf die Verbrauchsmonate gesamt und anschließender Ermittlung des Verbrauchs in der verfahrensgegenständlichen Abrechnungsperiode der Ermittlung im Schätzungswege zu Grunde gelegt, sondern vielmehr für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum unter Zugrundelegung der Ableseergebnisse aus sieben vor dem Abrechnungszeitraum liegenden, abgelesenen Verbrauchsmengen in der oben dargelegten Weise durch Errechnung eines durchschnittlichen jährlichen Verbrauchs für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum nachvollziehbar und schlüssig einen gerundeten Verbrauch von 10 m³ ermittelt.

Durch diese Vorgehensweise hat die Berufungsbehörde dem gemäß § 184 Abs.1 BAO geltenden Grundsatz, wonach bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind, gegenständlich dem Umstand, dass der erhöhte Wasserverbrauch auf der Liegenschaft nicht im gegenständlichen Abrechnungszeitraum lag, Rechnung getragen.

Ziel der Schätzung ist es, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen, somit jene Bemessungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. VwGH vom 21. Oktober 2015, Zl. 2012/13/0097, und vom 27. Jänner 2016, Zl. 2012/13/0068).

Da somit die Wasserverbrauchsmenge für den Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 im Wege der Schätzung zulässiger Weise und nachvollziehbar sowie schlüssig auf die oben wiedergegebene Art und Weise der Feststellung des Wasserverbrauches zu Grunde gelegt wurde und aus dem Produkt der im Schätzungsweg festgestellten verbrauchten Wassermenge von 10 m³ unter Zugrundelegung der vom Gemeinderat verordneten Grundgebühr von

€ 1,50 in Übereinstimmung mit den oben wiedergegebenen rechtlichen Grundlagen die Wasserbezugsgebühr für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 mit € 15,- (exklusive 10% USt.) festgesetzt wurde, hatte das erkennende Gericht die in Beschwerde gezogene Entscheidung des Stadtrates der Stadtgemeinde *** spruchgemäß zu bestätigen.

3.1.5. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Zufolge § 17 VwGVG iVm § 2a BAO waren auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren beim Landesverwaltungsgericht die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung und nicht jene des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes anzuwenden.

Gemäß § 254 BAO kommt einer Bescheidbeschwerde keine die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides hemmende Wirkung zu. Ein Antrag auf Nichtausschluss der aufschiebenden Wirkung ist der BAO fremd, möglich wäre gemäß § 212a BAO ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abgabe, soweit deren Höhe von der Erledigung der Bescheidbeschwerde abhängt (vgl. VwGH vom 30. Mai 1979, Zl. 2789/78). Der gegenständliche Antrag, „die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen“, stellt sich aber nicht als mängelfreier Antrag gemäß § 212a BAO dar, über welchen im Übrigen auch im Beschwerdeverfahren die Abgabenbehörde zu entscheiden hätte.

Angesichts der gegenständlichen, inhaltlichen Beschwerdeentscheidung erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über diesen, ausdrücklich an das Landesverwaltungsgericht gerichteten, jedoch in der BAO nicht vorgesehenen Antrag.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Wasserbezugsgebühr; Abgabenfestsetzung; Schätzung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.523.002.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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