TE OGH 2018/8/31 6Ob139/18m

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Veröffentlicht am 31.08.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Niki Haas, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Juni 2018, GZ 133 R 24/18d-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Medieninhaberin eines periodischen Druckwerks, in dessen Ausgabe vom 28. 7. 2016 folgender Artikel erschien, wobei das Foto rechts den Kläger zeigt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. 2. 2017, AZ 091 Hv 84/16p, wurde die Beklagte der Verletzung der Unschuldsvermutung schuldig erkannt und zu einer Entschädigung für die erlittene Kränkung gemäß § 7b Abs 1 MedienG an den Kläger verurteilt, weil er als des Raubmordes schuldig und nicht bloß verdächtig hingestellt worden sei.

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. 3. 2017, AZ 30 Hv 65/16h, und damit knapp neun Monate vor Einbringung der vorliegenden Unterlassungsklage, wurde der Kläger rechtskräftig des Verbrechens des schweren Raubes mit Todesfolge nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 letzter Fall StGB und der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter das Opfer mit Gewalt gegen dessen Person durch Packen im Halsbereich, Versetzen von Faustschlägen in die Bauchgegend und in das Gesicht, Fesseln der Hände und Füße mit Klebeband, Knebeln mit einem Stoffstück sowie mehrminütiges Würgen unter Verwendung eines Unterarmwürgegriffs, wobei die Gewaltanwendung dessen Tod zur Folge hatte, beraubt habe.

Das Berufungsgericht wies die auf § 78 UrhG und die Behauptung, die Beklagte habe die Unschuldsvermutung verletzt, gestützte Unterlassungsklage ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Bindungswirkung einer strafgerichtlichen Verurteilung ausschließlich nach § 7b MedienG auf Entscheidungen über Ansprüche nach § 1330 ABGB kommt wegen der völlig unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen und Tatbestandsmerkmale nicht in Betracht (6 Ob 329/97v; 6 Ob 306/03y). Dies gilt auch für Ansprüche nach § 78 UrhG.

2. Für die Verletzung der Unschuldsvermutung in einem Medium gilt seit 1. 7. 1993 § 7b MedienG. Hat ein Medienunternehmer die Unschuldsvermutung verletzt, dann kann er sich nicht darauf berufen, dass seine Behauptungen wahr seien; die Rechtswidrigkeit des Verhaltens liegt darin, dass jemand vor rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung in einem Medium als schuldig hingestellt wurde. Nach zweitinstanzlicher Rechtsprechung (OLG Wien MR 2003, 217; OLG Wien 17 Bs 376/08f) und herrschender Auffassung in der Literatur (Rami, MR 2003, 217 [Entscheidungsanmerkung]; Hanusch, MedienG [1998] § 7b Rz 5; Rami in Höpfel/Ratz, WK² MedienG § 7b [Stand 1. 7. 2011, rdb.at] Rz 10; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG³ [2012] § 7b Rz 11) endet der Schutz des Betroffenen allerdings mit dessen rechtskräftiger Verurteilung. Dass die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens und damit einer – theoretisch auch mehrmaligen – Abfolge von Verfahrensbeendigungen und -fortsetzungen besteht, ändert daran nichts. Es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, dass der Geltungsbereich des § 7b MedienG von derartigen behördeninternen und vom Betroffenen kaum beeinflussbaren Akten abhängen soll (Rami, MR 2003, 217 [Entscheidungsanmerkung]).

3. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Frage der Wiederholungsgefahr (auch) bei Unterlassungsansprüchen nach dem Urheberrechtsgesetz nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist wie im Verfahren nach dem UWG. Auch hier darf bei der Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden; vielmehr ist eine solche Gefahr grundsätzlich schon bei einem einmaligen Gesetzesverstoß anzunehmen. Sie ist allerdings (nur) dann als ausgeschlossen anzusehen, wenn der Verletzte durch ein exekutionsfähiges Anerkenntnis geschützt oder sonst vom Beklagten die Unmöglichkeit einer neuerlichen Verletzung bewiesen wird (RIS-Justiz RS0077249).

3.1. Im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen der im inkriminierten Artikel erwähnten Tat(en) scheidet eine Wiederholung der Verletzung der Unschuldsvermutung durch die Beklagte im Hinblick auf diese Tat(en) denknotwendig aus.

3.2. Wenngleich ein Gesetzesverstoß in der Regel die Wiederholungsgefahr indiziert, kann sich diese Indizwirkung doch nur auf in der Ingerenz des beklagten Eingreifers liegende Umstände beziehen. Im vorliegenden Fall war Anlass für die Berichterstattung ein (tatsächlich begangener) Mord, für den der Kläger auch in seinem Geständnis ausdrücklich die Verantwortung übernommen hatte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass sich diese (oder eine ähnliche Konstellation) wiederholen könnte, ist nicht zu beanstanden. Damit besteht auch insoweit keine Wiederholungsgefahr, womit sich der konkrete Sachverhalt von den den Entscheidungen 4 Ob 184/97f und 4 Ob 11/00x zugrunde liegenden Sachverhalten abgrenzen lässt. Im Übrigen fehlte es im Fall der Entscheidung 4 Ob 184/97f sogar noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs an einer rechtskräftigen Verurteilung der dortigen Klägerin und war im Fall der Entscheidung 4 Ob 11/00x der dortige Kläger wegen bestimmter Straftaten rechtskräftig verurteilt, sein Bildnis hingegen ohne seine Zustimmung im Zusammenhang mit dem unberechtigten Vorwurf veröffentlicht worden, auch noch weitere Straftaten begangen zu haben.

Textnummer

E122845

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00139.18M.0831.000

Im RIS seit

12.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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