TE Vwgh Beschluss 1999/11/25 98/20/0476

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Veröffentlicht am 25.11.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
StVG §122;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des MJ in K, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. September 1998, Zl. Jv 4831-16a/98, betreffend Besuchsverlängerung nach dem Strafvollzugsgesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Justiz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, zum damaligen Zeitpunkt Strafgefangener in der Justizanstalt Josefstadt, wandte sich mit einem Schriftsatz vom 28. Juli 1998 an die "Vollzugsbehörde beim Landesgericht Wien" und gab als Betreff dieses Schriftsatzes die "Anrufung des Aufsichtsrechtes der Vollzugsbehörde gemäß § 122 StVG" an.

Aus dem ersten Absatz dieses Schriftsatzes geht hervor, dass der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Verweigerung einer Besuchsverlängerung erhoben, die Anstaltsleitung dieser Beschwerde aber nicht abgeholfen habe. In der Begründung des Schriftsatzes vom 28. Juli 1998 fährt der Beschwerdeführer fort, er habe die Anstaltsleitung (der Justizanstalt Josefstadt) um eine Besuchsverlängerung von mindestens einer Stunde innerhalb von sechs Wochen ersucht. Gemäß § 93 Abs. 1 (ergänze: StVG) dürften Strafgefangene innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß Besuch empfangen, als deren Abwicklung mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden könne. Es dürfe ihnen nicht verwehrt werden, jede Woche wenigstens einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen; wenigstens ein Mal innerhalb von sechs Wochen sei die Besuchsdauer auf mindestens eine Stunde zu verlängern. Diese Gesetzesstelle garantiere dem Strafgefangenen an sich schon sein Ansuchen "um Verlängerung der Besuchszeit um mindestens eine Stunde innerhalb von sechs Wochen". Die Anstaltsleitung (der Justizanstalt Wien-Josefstadt) verwehre dem Beschwerdeführer, der auch Strafgefangener sei, dieses Recht und begründe dies damit, dass diesem Ansuchen des Beschwerdeführers wegen "mangelnder Begründung" nicht stattgegeben werden könne. Aber auch eine solche Begründung der Anstaltsleitung sei ebenso als "mangelhaft" zu bezeichnen wie diese, die dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorgehalten werde. Aufgrund mehrerer Ansuchen des Beschwerdeführers sei ersichtlich, dass die Anstaltsleitung von einer "Ausrede" zur anderen balanciere, um ihn in seinen (auch) Rechten zu schwächen.

Der Beschwerdeführer ersuchte abschließend die Vollzugsbehörde, "diesem 'Problem' abzuhelfen, sowie um Prüfung dieser Angelegenheit, und in eventu um Berichtigung bzw. Veranlassung sowie um eine etwaige Verständigung an den Strafgefangenen als Beschwerdeführer."

Mit Schriftsatz vom 7. September 1998 gab der Leiter der Justizanstalt Wien-Josefstadt zur Dienstaufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Vollzugsoberbehörde der Beschwerde keine Folge. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass der Beschwerdeführer, zu diesem Zeitpunkt noch Untersuchungshäftling, mittels Rapportansuchens am 20. Juli 1998 Besuchsverlängerung auf insgesamt eine Stunde begehrt habe. Dieses Ansuchen sei mit der Regelung wichtiger persönlicher und rechtlich unaufschiebbarer Angelegenheiten begründet worden. Dem Ansuchen sei am 21. Juli 1998 formlos, mithin ohne Erlassung eines Bescheides, nicht stattgegeben worden, weil ein Rechtsanspruch auf einen Stundenbesuch bei Untersuchungshäftlingen im Gegensatz zu Strafgefangenen in der StPO nicht vorgesehen sei. Gemäß § 187 Abs. 3 StPO bestehe der Rechtsanspruch für Untersuchungshäftlinge mindestens zwei Mal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von einer viertel Stunde zu empfangen. Einer (erg.: unrichtig) mit 20. Juli 1998 datierten Beschwerde des Beschwerdeführers, gerichtet an die Vollzugsbehörde erster Instanz gegen die Entscheidung vom 21. Juli 1998, sei vom Anstaltsleiter am 23. Juli 1998 nicht abgeholfen worden; dies sei dem Beschwerdeführer noch am selben Tag mündlich mitgeteilt und von ihm zur Kenntnis genommen worden. Im Sinne des § 22 Abs. 3 StVG hätten die Entscheidungen ohne förmliches Verfahren und ohne Erlassung eines Bescheides ergehen können.

Der gemäß § 122 StVG erhobenen Aufsichtsbeschwerde komme keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt des Ansuchens um Gewährung einer Besuchsverlängerung auf insgesamt eine Stunde noch in Untersuchungshaft (Strafantritt laut Angaben des Beschwerdeführers: 25. Juli 1998) befunden. Wie sich aus § 187 Abs. 3 StPO ergebe, bestehe für den Untersuchungshäftling kein Rechtsanspruch auf eine Besuchsverlängerung auf eine Stunde, sondern nur auf zwei Mal wöchentlich in der Dauer von einer viertel Stunde. Besuche innerhalb der Amtszeit so oft und in dem zeitlichen Ausmaß als möglich können einem Untersuchungshäftling dann gewährt werden, wenn die erforderliche Überwachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich sei. Da zum damaligen Zeitpunkt eine Verlängerung des Besuchsempfanges aus organisatorischen Gründen nicht möglich gewesen und eine ausreichende Begründung für die Notwendigkeit nicht vorgelegen sei, sei dem Gesetz entsprechend die Besuchsverlängerung nicht erteilt worden. Somit sei aber auch der Beschwerde gegen diese Entscheidung der Erfolg versagt, weil es sich nicht um einen Rechtsanspruch handle, sondern um eine Ermessensentscheidung.

Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides enthält einen Hinweis darauf, dass gemäß § 121 Abs. 2 StVG gegen diese Entscheidung ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 120 Abs. 1 StVG können sich die Strafgefangenen gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren.

Gemäß § 121 Abs. 2 StVG ist gegen Entscheidungen der Vollzugsoberbehörde eine Beschwerde nur zulässig, wenn die Entscheidung über die Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen einer gegen den Leiter eines gerichtlichen Gefangenenhauses gerichteten Ordnungswidrigkeit oder über eine gegen einen solchen Leiter gerichtete Beschwerde ergangen ist. Über die Beschwerde hat das Bundesministerium für Justiz zu entscheiden.

Gemäß § 122 StVG haben Strafgefangene das Recht, durch Ansuchen und Beschwerden das Aufsichtsrecht der Vollzugsbehörden anzurufen. Auf solche Ansuchen oder Beschwerden braucht den Strafgefangenen jedoch kein Bescheid erteilt zu werden.

Gemäß § 187 Abs. 3 StPO dürfen Untersuchungshäftlinge Besuche innerhalb der Amtszeit so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen als die erforderliche Überwachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung der Anstalt möglich ist. Es darf den Untersuchungshäftlingen jedoch in keinem Fall verwehrt werden, mindestens zweimal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von einer Viertelstunde zu empfangen.

Gemäß § 93 Abs.1 StVG dürfen Strafgefangene Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als deren Abwicklung mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden kann. Es darf ihnen nicht verwehrt werden, jede Woche wenigstens einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen; wenigstens einmal innerhalb von sechs Wochen ist die Besuchsdauer auf mindestens eine Stunde zu verlängern. Erhält ein Strafgefangener selten Besuch oder hat ein Besucher einen langen Anreiseweg, so ist die Besuchsdauer jedenfalls angemessen zu verlängern.

Ist ein Strafgefangener mit einem seine Rechte betreffenden Verhalten eines Straftvollzugsbediensteten oder des Anstaltsleiters unzufrieden, so hat er die Möglichkeit, sowohl eine Administrativbeschwerde gemäß § 120 Abs. 1 StVG als auch eine Aufsichtsbeschwerde gemäß § 122 StVG zu erheben.

Erhebt ein Beschwerdeführer, obwohl er eine Administrativbeschwerde ergreifen könnte, nur eine Aufsichtsbeschwerde, so löst diese kein förmliches Verwaltungsverfahren aus. Die Aufsichtsbeschwerde braucht gemäß § 122 StVG nicht mit Bescheid erledigt werden. Selbst die Wahl der äußeren Form eines Bescheides in Erledigung einer Aufsichtsbeschwerde durch die Behörde könnte nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers führen, sodass Beschwerden gegen Erledigungen, deren Inhalt sich auf die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung beschränkt, ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückzuweisen sind (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, Zl. B 653/80, sowie die hg. Beschlüsse vom 30. Oktober 1978, Zl. 2817, 2818/78, vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/19/1203, vom 10. September 1998, Zlen. 97/20/0809, 0810, sowie zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0337).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen Schriftsatz vom 28. Juli 1998 ausdrücklich mit "Anrufung des Aufsichtsrechtes der Vollzugsbehörde gemäß § 122 StVG" überschrieben. Aus dem ersten Absatz dieses Schreibens geht zwar hervor, dass sich der Beschwerdeführer auf einen konkreten, in der Vergangenheit liegenden Vorfall, anlässlich dessen ihm (als Untersuchungshäftling) die Besuchsverlängerung verweigert worden war, bezieht; im weiteren Verlauf des Schreibens stellt er aber - auch durch seinen Verweis auf die (nur) auf Strafgefangene anwendbare Bestimmung des § 93 StVG - auf die Regelung seiner Besuchszeiten in der Zukunft ab. Er schließt sein Schreiben damit, dass er die Vollzugsbehörde "ersuche" diesem "Problem abzuhelfen", die Angelegenheit zu prüfen und in eventu um "Berichtigung bzw. Veranlassung" sowie um eine "etwaige Verständigung" an den Strafgefangenen als Beschwerdeführer. Daraus geht hervor, dass es dem Beschwerdeführer um ein aufsichtsbehördliches Einschreiten der Vollzugsbehörde und nicht um die (in einem solchen Fall mit einer Administrativbeschwerde geltend zu machende) bescheidmäßige Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit eines seine Rechte betreffenden Verhaltens des Leiters einer Justizanstalt ging.

Der Verfahrensgegenstand bestimmt sich bei antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren nach dem zugrunde liegenden Antrag (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, E 22 und 36 zu § 13 AVG).

Aus dem angefochtenen Bescheid geht nun zunächst nicht eindeutig hervor, ob die belangte Behörde die Beschwerde vom 28. Juli 1998 als Dienstaufsichtsbeschwerde wertete (dafür spricht die ausdrückliche Zitierung des § 122 StVG auf der zweiten Seite des angefochtenen Bescheides) oder ob sie diese als Administrativbeschwerde gemäß § 120 StVG qualifizierte (dafür spricht der Inhalt der Rechtsausführungen, mit welchen die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Verlängerung der Besuchszeit des Beschwerdeführers als Untersuchungshäftling festgestellt wurde). Der Spruch des angefochtenen Bescheides, dem zufolge der "Beschwerde" des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben wird, ist für die Prüfung der Frage, über welchen Verfahrensgegenstand die belangte Behörde nun tatsächlich entschieden hat, mangels Anführung gesetzlicher Grundlagen unergiebig.

Aus der ausdrücklichen Zitierung des § 122 StVG und der Feststellung, dass der "Aufsichtsbeschwerde keine Berechtigung zukomme", ist jedoch zu schließen, dass die belangte Behörde die Eingabe des Beschwerdeführers zutreffenderweise als Aufsichtsbeschwerde gemäß § 122 StVG wertete und - ohne dazu verpflichtet zu sein - über diese Aufsichtsbeschwerde einen bescheidmäßigen Abspruch traf. Insofern unterscheidet sich der gegenständliche Fall von demjenigen, der dem zitierten hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999 zugrundelag, weil die belangte Behörde im dortigen Fall eine Aufsichtsbeschwerde als Administrativbeschwerde wertete und in Ermangelung eines derartigen Antrages ihren (abweisenden) Bescheid als unzuständige Behörde erließ.

Wie vorhin dargestellt, kann der Umstand, dass die belangte Behörde über eine Aufsichtsbeschwerde in der äußeren Form eines Bescheides entschied, nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers führen.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. November 1999

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200476.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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