TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/7 Ra 2017/17/0408

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2018
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §16 Abs2;
VStG §16;
VStG §19 Abs2;
VStG §22 Abs2;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §42;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des A K in O, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. April 2017, LVwG-S-2657/001-2015, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Ausspruches über die Strafe und die Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 17. August 2015 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) mit zwei Glücksspielgeräten für schuldig erkannt. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 9.000,-- samt Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG in der Höhe von EUR 900,-- verpflichtet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der Beschwerde insofern Folge, als es den Tatzeitraum jeweils einschränkte und anstatt der im Straferkenntnis verhängten Gesamtgeldbzw. Gesamtersatzfreiheitstrafe zwei Geldstrafen von jeweils EUR 3.000,-- samt zwei Ersatzfreiheitstrafen zu je 32 Stunden verhängte. Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG wurden in Höhe von EUR 600,-- festgesetzt. Weiters sprach das LVwG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Mit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vor. Von dieser ist das LVwG im Revisionsfall nicht abgewichen.

9 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C- 347/09, Rn. 83 f; vom 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; vom 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie vom 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen vom 16. März 2016 sowie vom 11. Juli 2018 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen.

10 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.

11 Die Revision rügt überdies, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG. Sie unterlässt es aber darzulegen, dass die Tatumschreibung nicht so präzise gewesen wäre, dass der Revisionswerber seine Verteidigungsrechte nicht hätte wahren können oder er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/0787, 0788; 26.6.2018, Ra 2017/17/0795, mwN). Somit wird auch damit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.

12 Die Revision war daher hinsichtlich des Schuldausspruchs nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Mit seinem Vorbringen, das LVwG habe durch Verhängen einer höheren Ersatzfreiheitsstrafe als im Straferkenntnis gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, zeigt der Revisionswerber hingegen ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf. Die Revision erweist sich daher insoweit als zulässig und berechtigt.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt das Verbot der reformatio in peius bei einer zu Gunsten des Bestraften erhobenen Beschwerde dazu, dass in der Beschwerdeentscheidung nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im bekämpften Straferkenntnis, sofern in der Beschwerdeentscheidung der Tatzeitraum reduziert wird und nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im Straferkenntnis (vgl. VwGH 11.6.2018, Ra 2018/17/0014, mwN).

15 Im Revisionsfall hat das LVwG - der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend richtigerweise - anstatt der im Straferkenntnis verhängten Gesamtgeldstrafe bzw. Gesamtersatzfreiheitsstrafe für jede Verwaltungsübertretung gesondert jeweils eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe bemessen. Um das Verbot der reformatio in peius nicht zu verletzen, hätte es dabei aber beachten müssen, dass die Summe der von ihm verhängten Ersatzfreiheitsstrafen nicht die von der belangten Behörde festgesetzte Gesamtersatzfreiheitsstrafe überschreiten darf (vgl. VwGH 14.11.1995, 95/11/0310). Indem das LVwG an Stelle der im Straferkenntnis verhängten Gesamtersatzfreiheitstrafe von 50 Stunden zwei Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 64 Stunden verhängte, belastete es das angefochtenen Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

16 Für das fortzusetzende Verfahren ist anzumerken, dass im Falle der Herabsetzung einer Geldstrafe in der Beschwerdeentscheidung, die nicht nur aufgrund der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten erfolgt, auch die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen ist (vgl. VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141, mwN).

17 Ist der Ausspruch hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch zur Gänze aufzuheben (vgl. nochmals VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141, mwN).

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Strafausspruchs und in dem damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruch über die Verfahrenskosten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Wien, am 7. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170408.L00

Im RIS seit

27.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten