TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/30 99/18/0370

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Veröffentlicht am 30.11.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39;
FrG 1997 §40 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des E Ö, (geb. 12.4.1977), vertreten durch Dr. Benno Wageneder und Dr. Claudia Schoßleitner, Rechtsanwälte in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. August 1999, Zl. St 176/99, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 25. August 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Erstbehörde habe folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Beschwerdeführer sei erstmals am 1. September 1992 mit seiner Mutter und seinen sieben Geschwistern mit einem Sichtvermerk der österreichischen Botschaft in Ankara, ausgestellt am 13. August 1992, gültig bis 23. Dezember 1992, im Rahmen des Familiennachzugs zum Vater des Beschwerdeführers nach Österreich eingereist. Seither habe der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und den Geschwistern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Seit 2. August 1993 sei der Beschwerdeführer bei einem näher genannten Unternehmen beschäftigt gewesen. Die Lehre habe er wegen Sprachschwierigkeiten nicht abschließen können, sodass er nach Absolvierung einiger Kurse bis zu seiner Festnahme am 10. August 1998 in dem genannten Unternehmen als Hilfsschlosser mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. S 15.000,-- tätig gewesen sei. Zu den Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers sei anzuführen, dass er Eigentümer der Hälfte eines Wohnhauses und eines Pkw sei, aber Schulden in einer Gesamthöhe von S 800.000,-- habe.

Am 10. August 1998 sei der Beschwerdeführer über Anordnung des Landesgerichts Ried im Innkreis wegen des Verdachtes mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen in Untersuchungshaft genommen und in die Justizanstalt Ried im Innkreis eingeliefert worden, in der er nach wie vor angehalten werde.

Mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 9. Dezember 1998 sei der Beschwerdeführer der Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 und 2 StGB, der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB, und der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB, weiters der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB für schuldig erkannt und nach §§ 28 Abs. 1, 201 Abs. 1 StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Bei der Erlassung dieses Schuldspruches sei das genannte Gericht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer teilweise im Zusammenwirken mit den beiden Mitangeklagten am 8. August 1998 in Ried im Innkreis eine namentlich genannte türkische Staatsangehörige a) durch Zerren zum Einsteigen in einen Personenkraftwagen und zu der anschließenden Fahrt an einen näher bezeichneten Ort genötigt habe, und b) der Genannten die persönliche Freiheit durch Gefangenhalten im Personenkraftwagen entzogen habe, wobei darüber hinaus die Freiheitsentziehung bis 10. August 1998 unter solchen Umständen begangen worden sei, dass sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitet hätten. Der Beschwerdeführer habe ferner a) im Mai oder Juni 1998 an einem näher genannten Ort im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen türkischen Staatsangehörigen die angesprochene türkische Staatsangehörige durch Drohung mit dem Tod, nämlich durch Vorhalten einer Pistole, dazu genötigt, in eine Wohnung in diesen Ort mitzufahren und die Anfertigung von Lichtbildern zu dulden, die sie in Umarmung mit dem Beschwerdeführer zeigen würde, und b) dabei die angesprochene türkische Staatsangehörige widerrechtlich gefangen gehalten. Weiters habe der Beschwerdeführer c) die genannte Person am 9. August 1998 in dem angesprochenen Ort durch die Drohung, sie nicht, wie angekündigt, am nächsten Morgen nach Hause zu lassen, dazu genötigt, mit ihrem Vater und der Gendarmerie zu telefonieren und dabei wahrheitswidrig anzugeben, sie würde sich an einem anderen genannten Ort befinden, wäre freiwillig mitgekommen und nicht entführt worden, und d) am 9. und 10. August 1998 (während des seit 8. August 1998 andauernden Freiheitsentzuges) die genannte türkische Staatsangehörige zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er sie gefesselt habe, ihr den Mund zugehalten und gedroht habe, er würde sie schlagen, sollte sie nicht zu Schreien aufhören. Das Oberlandesgericht Linz habe mit Urteil vom 7. Juni 1999 der Berufung des Beschwerdeführers gegen das genannte Urteil keine Folge gegeben und das angefochtene Urteil sowohl hinsichtlich Schuldspruch als auch Strafausmaß vollinhaltlich bestätigt. Im Rahmen der Wahrung des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FrG keine Stellungnahme abgegeben. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei noch auszuführen, dass er ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Außer seinen unmittelbaren Familienangehörigen lebten nur eine Tante und ein Onkel im Bundesgebiet.

In seiner Berufung vom 5. August 1999 gegen den Erstbescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass es die Erstbehörde unterlassen hätte, ihn im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu hören. Das in Rede stehende Aufenthaltsverbot wäre lediglich auf Grund der genannten Verurteilung durch das Landesgericht Ried erlassen worden; es wären weder die grundsätzliche Einstellung des Beschwerdeführers zu der ihm zur Last gelegten Tat bzw. der Wandel seiner Einstellung auf Grund der Eindrücke des stattgefundenen Verfahrens erhoben worden. Gegebenenfalls wären auch psychologische Untersuchungen notwendig gewesen, um sich ein unmittelbares Bild von der Person des Beschwerdeführers und vom Tathintergrund machen zu können. Zum Tatzeitpunkt sei der Beschwerdeführer gerade 21 Jahre alt geworden, völlig unbescholten gewesen und noch nie in irgendeiner Weise mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Der Beschwerdeführer hätte sich auch durch überdurchschnittlichen Fleiß und Einsatz an seinem Arbeitsplatz ausgezeichnet. Die in Rede stehende Tat würde in einem auffallenden und krassen Widerspruch zu seinem bisherigen Lebenswandel und zu seiner "Grundpersönlichkeit" stehen. Es hätte sich dabei um eine Tat gehandelt, die nicht auf eine gegenüber in Österreich rechtlich geschützten Werten ablehnende Einstellung zurückzuführen gewesen wäre, sondern um eine "unglückselige Verzweiflungstat", bei welcher sich persönliches Fehlverhalten, Unreife und Prägung durch ein tradiertes Weltbild unheilvoll verknüpft hätten. Die Einvernahme des Beschwerdeführers hätte diesen Tathintergrund aufgehellt und hätte dargetan, wie es dazu habe kommen können, dass ein unbescholtener junger Mann eine "derart verrückte und sinnlose Tat" habe begehen können, wie die gegenständliche. Es wäre dabei zu Tage getreten, dass der Beschwerdeführer - trotzdem objektiv vieles dagegen sprechen würde - subjektiv völlig davon überzeugt gewesen sei, dass die von ihm "umschwärmte" Landsmännin insgeheim ebenfalls in ihn verliebt wäre und der vermeintliche Widerstand dieser Landsmännin durch eine Art "Brautraub" überwunden werden könnte. Der Beschwerdeführer wäre in einem sozialen Umfeld aufgewachsen, welches stark durch eine islamisch geprägte Kultur bestimmt wäre. In diesem Kulturkreis wäre die Kommunikation zwischen Mann und Frau oft empfindlich gestört. Eine solche Störung hätte im vorliegenden Fall dazu geführt, dass der Beschwerdeführer nicht erkannt hätte, dass eine Verliebtheit und sein Wunsch, mit der Genannten die Ehe zu schließen, von dieser aus persönlichen Gründen nicht erwidert worden wäre. Auf Grund dessen hätte der Beschwerdeführer "den unseligen Plan" gefasst, das Mädchen zu entführen, um so die Eltern vor vollendete Tatsachen zu stellen und zu veranlassen, nach islamischer Tradtion einer Heirat mit der Entführten zuzustimmen. Den Widerstand der Entführten hätte der Beschwerdeführer so gedeutet, dass sie eben insgeheim auf der Seite des Beschwerdeführers stünde, aber aus Angst bzw. Rücksicht auf ihre Familie nach außen hin die Verbindung mit ihm ablehnen müsste. Der Beschwerdeführer hätte die Genannte auch nicht misshandelt, auch diesbezüglich hätte die Erstbehörde Feststellungen treffen müssen. Keinesfalls wäre damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer eine solche Tat wieder begehen würde. Der Eindruck des Strafverfahrens bzw. die langjährige Haft würden den Beschwerdeführer im besonderen Maß zu rechtstreuem Verhalten motivieren. Durch das Aufenthaltsverbot würde der Beschwerdeführer nicht nur den Kontakt zu seiner gesamten Familie in Österreich verlieren, sondern auch das angesparte Vermögen in Gestalt des Hälfteanteils an einer Liegenschaft in einem namentlich genannten Ort.

Die belangte Behörde habe Folgendes erwogen: In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Ried im Innkreis vom 9. Dezember 1998 sei zweifelsohne der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG als erfüllt zu betrachten; der Beschwerdeführer behaupte auch nichts Gegenteiliges.

Der Beschwerdeführer halte sich seit September 1992 in Österreich auf, ferner lebten hier auch seine bereits erwähnten Verwandten. Wenngleich dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die Dauer seines Aufenthalts eine dieser Dauer entsprechende Integration zuzubilligen sei, könne jedoch keinesfalls von einer vollständigen Integration ausgegangen werden. Dies schon deshalb nicht, weil sich der Beschwerdeführer im beruflichen Bereich - aus welchen Gründen auch immer - nicht habe integrieren können. Auch auf Grund der genannten Verurteilung bzw. auf Grund des dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalts müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer "in sozialer Hinsicht in keinster Weise" habe integrieren können. Der sicherlich vorhandenen "teilweisen" Integration des Beschwerdeführers müsse schon die Höhe der über ihn verhängten Freiheitsstrafe entgegen gehalten werden. Aus der Höhe dieser Freiheitsstrafe sei bereits erkennbar, dass das genannte Gericht die Verwerflichkeit der Straftaten enorm hoch eingestuft habe. Auch die belangte Behörde könne zu keinem anderen Ergebnis kommen.

Verbrechen nach §§ 201 (ff) StGB gehörten wohl zu den verwerflichsten und verabscheuungswürdigsten Handlungen, die das Strafrecht unter Strafe stelle. Das Abverlangen von zwangsweiser Duldung sexuell - abartiger - Handlungen anderer Personen könne wohl keinesfalls mehr mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Religionsbereich (hier islamischer Bereich) gerechtfertigt werden. Es wäre wohl zu einfach, sich bloß auf eine bestimmte Konfession berufen zu können, um schändliche Taten an anderen Personen zu rechtfertigen. Selbst wenn im islamischen Bereich derartige Handlungen geduldet würden, handle es sich beim Gebiet der Republik Österreich um ein den Menschenrechten verpflichtetes Gebiet, "in dem im Großen und Ganzen Ethik, Moral und Sitte noch Bedeutung" hätten. Dies sei - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - auch im islamischen Bereich der Fall, weshalb die Berufung des Beschwerdeführers auf die Zugehörigkeit zu einer anderen Konfession schon deshalb verfehlt sei.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausführe, dass die Erstbehörde es unterlassen hätte, ihm Parteiengehör einzuräumen, sei ihm entgegen zu halten, dass er nunmehr in seiner Berufung Gelegenheit gehabt hätte, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Auch wäre es am Beschwerdeführer gelegen, ein entsprechendes psychologisches Gutachten beizubringen. Überdies habe der Beschwerdeführer selbst keine konkreten Hinweise dahingehend gemacht, was die belangte Behörde über das Vorbringen des Beschwerdeführers hinaus noch hätte in Erfahrung bringen können.

Wenn der Beschwerdeführer ausführe, dass er zum Tatzeitpunkt gerade 21 Jahre alt geworden wäre, sei ihm entgegen zu halten, dass ein derartiges Alter wohl miteinbeziehe, dass er zwar noch nicht die Reife eines 60-Jährigen aufweise, jedoch vollkommen erwachsen und für seine Taten voll verantwortlich gemacht werden könne. Selbst wenn der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sein sollte, hätte er durch die ihm nunmehr vorgehaltenen strafbaren Handlungen in eindeutiger Weise dokumentiert, dass er sich in auffallender Weise geändert habe. Derartiges Verhalten mit überdurchschnittlichen Fleiß und Einsatz am Arbeitsplatz beschönigen zu wollen, sei nach Auffassung der belangten Behörde nicht angebracht. Selbst wenn die Straftaten in einem auffallenden und krassen Widerspruch zum bisherigen Lebenswandel und zur "Grundpersönlichkeit" des Beschwerdeführers stehen mögen, habe der Beschwerdeführer durch diese Straftaten nunmehr gezeigt, dass er auch "zu auffallenden Verbrechen" im Stande sei. Inwieweit diese Tat als "unglückselige Verzweiflungstat" zu werten sei, habe der Beschwerdeführer selbst nicht auszuführen vermocht; so habe bereits die Erstbehörde diesbezüglich aufgezeigt, dass die Straftaten nicht aus Unbesonnenheit begangen worden seien bzw. nicht auf einer augenblicklichen Eingebung, sondern auf einen wohl durchdachten Plan zurückzuführen seien. Auch habe das verurteilende Gericht den sozialen Störwert und den Unrechtgehalt der begangenen Straftaten als sehr hoch bewertet.

Weiters sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer selbst von der ihm eingeräumten Möglichkeit zum Parteiengehör keinen Gebrauch gemacht habe.

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er der Ansicht gewesen wäre, das Opfer hätte sich aus bloßer Selbstverständlichkeit bzw. Verantwortung seiner Familie gegenüber gewehrt, und der Beschwerdeführer hätte seine Handlungsweise lediglich deshalb gewählt, um die Heirat "zu erzwingen", sei auszuführen, dass es wohl in keinem Kulturkreis üblich und geduldet sei (selbst wenn diese Situation bestanden hätte, was von der belangten Behörde nicht angenommen werde), dass Personen - welchen Geschlechts auch immer - durch Freiheitsentzug, Fesselung und Bereitung besonderer Qualen bzw. Vorhalten einer Pistole zu einem Verhalten bzw. zur Duldung eines bestimmten Verhaltens genötigt würden. Frauen seien "kein Freiwild". Die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers seien mit einem "normalen menschlichen Verhalten" nicht mehr zu erklären. Schon gar nicht könne ein bestimmter Kulturkreis bzw. eine religiöse Einstellung für dieses Verhalten zur Rechtfertigung herangezogen werden.

Im Lichte dieser Ausführungen erübrige sich ein weiteres Eingehen auf die übrigen Ausführungen in der Berufung. Insbesondere werfe schon das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er sein Opfer nicht "misshandelt" hätte, ein bezeichnendes Bild auf "die schwer gezeichnete charakterliche Einstellung" seiner Person, zumal sich für die belangte Behörde zwangsweise die Frage aufdränge, in welche Kategorie die Vergewaltigung einer Person - gleich welchen Geschlechts - sonst einzuordnen sei. Eine derartige Auffassung könne wohl nur mit einer völligen Entfremdung von jeglichen humanitären, ethischen und moralischen Grundsätzen gedeutet werden, von der Befolgung "der dieser Gesellschaft inne wohnenden Normen" ganz zu schweigen.

Aus den oben angeführten Tatsachen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 37 Abs. 1 leg.cit. gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers schwer wiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG habe Gebrauch gemacht werden müssen. Daher sei dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in deutlicher Weise der Vorzug zu geben und seien diese Interessen schwerer zu gewichten gewesen, als die gegenteiligen - bereits erwähnten - privaten Interessen.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran vermöchten auch die Hinweise des Beschwerdeführers in seiner Berufung nichts zu ändern, zumal das Verbrechen des Beschwerdeführers "einfach zu schwer zu gewichten ist". Auch der EGMR werte derartige Verbrechen besonders schwer (vgl. das Urteil vom 29. Jänner 1997, Zl. 112/1995/618/700, im Fall Bouchelkia gegen Frankreich).

Da auf Grund der "schweren charakterlichen Verfehlungen" des Beschwerdeführers nicht abgeschätzt werden könne, wann die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegfallen würden, habe das Aufenthaltsverbot nur unbefristet verhängt werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 verwirklicht sei, unbekämpft. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken. Gleiches gilt für die Ansicht der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf das der in Pkt. I.1. genannten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung - unbestritten - zu Grunde liegende, dort näher beschriebene Fehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt, liegt doch dem Beschwerdeführer das durch die besagte Verurteilung auch für die belangte Behörde feststehende Fehlverhalten der Freiheitsentziehung, der Nötigung, der schweren Nötigung sowie der Vergewaltigung zur Last, das insgesamt betrachtet als außerordentlich schwer wiegend einzustufen ist und somit die besagte Annahme im Lichte der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG), aber auch in Ansehung der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer, des Schutzes der Gesundheit sowie des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung anderer im Art. 8 EMRK genannter öffentlicher Interessen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG), als gerechtfertigt erscheinen lässt.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grunde des § 37 FrG. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer in Österreich völlig integriert, er sei vor seiner Verhaftung jahrelang im selben Unternehmen beschäftigt gewesen, wo er durch besonderen Fleiß und Einsatz aufgefallen sei, und er habe für sich und seine Familie ein Einfamilienhaus - gemeinsam mit seinem Vater - erwerben können. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebe seit 1992 in Österreich, Angehörige in der Türkei seien nicht mehr vorhanden. Es sei somit evident, dass sämtliche familiäre und sonstige soziale Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich bestünden und daher die Auswirkungen eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie besonders schwer wögen. Demgegenüber könne nicht gesagt werden, dass vom Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ruhe und Sicherheit ausgehen könne, was bei Einvernahme des Beschwerdeführers bzw. gegebenenfalls seiner psychologischen Untersuchung zweifellos hervorgekommen wäre. Der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt 21 Jahre alt gewesen, in jeder Weise unbescholten und beruflich und sozial vollständig in Österreich integriert gewesen. Wie in der Berufung ausgeführt und auch dem Strafakt des Landesgerichts Ried im Innkreis zu entnehmen, sei die Tat des Beschwerdeführers in auffallendem Widerspruch zu seinem bisherigen Lebenswandel und zu seiner "Grundpersönlichkeit" gestanden; die - zweifellos höchst verwerfliche - Tat sei auf eine "unselige Verknüpfung der erfahrenen Prägung durch ein tradiertes Weltbild, persönlicher Unreife und der Einflüsterung falscher Freunde zu Stande gekommen". Dem Beschwerdeführer sei unter Eindruck des Strafverfahrens und der Reaktion seines Opfers klar geworden, dass er schweres Unrecht auf sich geladen habe. Zum Tatzeitpunkt sei er aber zutiefst davon überzeugt gewesen, dass das von ihm umworbene Mädchen nur auf Grund des Einflusses ihrer Familie eine Heirat mit dem Beschwerdeführer ablehne. Diese - für einen Außenstehenden schwer nachvollziehbare - Fehleinschätzung habe zu dem "wahnsinnigen Plan" geführt, ein "Brautraub" könnte die Einwilligung der Familie des Mädchens erzwingen. Der belangten Behörde sei zuzustimmen, wenn sie das Verhalten des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang auf das Schärfste verurteile. Es hätte aber erhoben und in weiterer Folge berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer "eben einen tief greifenden Bewusstseinswandel durchgemacht" habe und sein Verhalten heute zutiefst bedauere. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde wäre daher eine positive Zukunftsprognose für das Verhalten des Beschwerdeführers zu erstellen gewesen, insbesondere unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt, seiner sozialen Integration und nicht zuletzt auch der verhängten Strafhaft.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat in Anbetracht der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten persönlichen Interessen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend ist sie aber - entgegen der Beschwerde - zu dem Ergebnis gelangt, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot im Lichte des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer - wie unter II.1. ausgeführt - ein außerordentlich schweres und damit besonders verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das vorliegende Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie zum Schutz der Gesundheit, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt. Wenn die belangte Behörde im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG angenommen hat, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie, bestehen gegen diese Beurteilung ebenfalls keine Bedenken, wurde doch die für eine aus seinem Aufenthalt, aus seinen familiären Bindungen und aus seiner beruflichen Tätigkeit in Österreich abzuleitende Integration des Beschwerdeführers wesentliche soziale Komponente durch die besagten Straftaten entscheidend gemindert. An dieser Beurteilung vermögen - entgegen der Beschwerde - weder die vorherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und sein Alter zum Tatzeitpunkt noch die verhängte Strafhaft etwas zu ändern, zumal diese Umstände der besonderen Verwerflichkeit seines Fehlverhaltens und der in diesem Fehlverhalten zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers keinen Abbruch tun.

2.3. Auf dem Boden des Gesagten geht auch die Rüge, die belangte Behörde habe mit Bezug auf § 37 FrG den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, fehl.

3.1. Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen wurde, und führt für ihre Auffassung ihre zu § 37 FrG vorgebrachten Überlegungen ins Treffen. Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. - um einen solchen handelt es sich vorliegend (vgl. oben II.1.) - unbefristet erlassen werden. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen unter II.2.2. kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des vorliegenden Aufenthaltsverbotes nicht im Sinn des § 39 Abs. 2 (erster Satz) FrG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht genommen hätte.

3.2. Schließlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Gemäß § 39 Abs. 2 (letzter Satz) FrG beginnt die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit dem Eintritt seiner Durchsetzbarkeit zu laufen. Nach § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. In Anbetracht dieser Bestimmungen ist für die Frage, ob im Grunde des FrG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, auf den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit - das ist vorliegend das Ende der Strafhaft auf Grund der eingangs genannten gerichtlichen Verurteilung - abzustellen. Dadurch, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung - insbesondere bezüglich der Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG sowie der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 37 leg. cit. - nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt hat, ist für den Beschwerdeführer aber nichts zu gewinnen, weil im Hinblick auf sein in Rede stehendes gravierendes Fehlverhalten nicht zu erkennen ist, dass eine auf den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des vorliegenden Aufenthaltsverbotes abgestellte Beurteilung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Diesbezüglich unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall maßgeblich von dem dem hg. Beschluss vom 21. September 1999, Zl. 98/18/0282, zugrundeliegenden Fall, in dem es für die belangte Behörde nicht abzusehen war, ob und gegebenenfalls wann eine bedingte Entlassung der beschwerdeführenden Partei aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher vom Gericht verfügt werde.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180370.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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