TE OGH 2018/7/18 5Ob107/18y

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei e***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Marcel Pilshofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. N*****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.000 EUR sA, über den als Revisionsrekurs bezeichneten Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 2. März 2018, GZ 58 R 34/17y-125, mit dem die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 28. September 2017, GZ 58 R 34/17y-109, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Beklagte war Rechtsanwältin. Sie vertrat eine Mandantin bei der exekutiven Eintreibung einer Forderung gegen einen Schuldner. Die gegen diesen eingeleitete Zwangsversteigerung wurde gegen Bezahlung eines Betrags von 15.000 EUR aufgeschoben, der in der Kanzlei der Beklagten deponiert wurde. Die Mandantin trat ihren Ausfolgungsanspruch gegenüber der Beklagten mittels dreier Zessionsvereinbarungen an die Klägerin ab. Gegenstand des Verfahrens ist der am 11. 8. 2013 zedierte Anspruch von 5.000 EUR. Im Berufungsverfahren strittig war das Bestehen einer von der Beklagten dagegen eingewendeten Vereinbarung der Verrechnung mit ihrem pauschalen Honorar in Höhe des Treuhanderlags, hilfsweise eine von ihr erhobene Aufrechnungseinrede betreffend ihre Honoraransprüche.

Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, dass die Klageforderung mit 5.000 EUR, die Gegenforderung bis zu dieser Höhe ebenfalls zu Recht bestehe und wies das Klagebegehren daher ab.

Das Berufungsgericht gab der nur von der Klägerin gegen den Ausspruch über die Gegenforderung erhobenen Berufung Folge und änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Aufrechnungseinrede abwies und die Beklagte zur Zahlung von 5.000 EUR sA verpflichtete.

Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung der Direktverrechnung ihres Honoraranspruchs mit den erlegten 15.000 EUR habe sie nicht nachgewiesen. Aufgrund der Bestreitung des Honoraranspruchs durch die Klägerin wäre die Beklagte gemäß § 19 Abs 2 RAO zur unverzüglichen Ausfolgung oder gerichtlichen Hinterlegung der zurückbehaltenen Barschaft verpflichtet gewesen. Die Aufrechnungseinrede sei somit abzuweisen, ohne dass über Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung abzusprechen sei. Unter Hinweis auf § 502 Abs 2 ZPO sprach das Berufungsgericht aus, dass die Revision jedenfalls unzulässig sei.

Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte außerordentliche Revision, in der sie die Auffassung vertrat, aufgrund der Teileinklagungsregel des § 55 Abs 3 JN und des Umstands, dass die ursprüngliche Forderung der Klägerin 15.000 EUR betragen habe, die sie in drei getrennten Klagen über je 5.000 EUR begehre, sei von einem Streitwert von 15.000 EUR auszugehen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die außerordentliche Revision als unzulässig zurück. Nach neuerer Rechtsprechung sei bei Prüfung der Revisions- bzw Revisionsrekurszulässigkeit im Fall der Teileinklagung auf den Wert jenes (Teil-)Streitgegenstands abzustellen, über den das Berufungs- bzw Rekursgericht tatsächlich entschieden habe. § 502 Abs 2 und 3 ZPO stelle bei der Zulässigkeitsprüfung der Revision nur auf den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts ab. Eine Zusammenrechnung von Ansprüchen finde nur dann statt, wenn die Ansprüche in einer Klage geltend gemacht werden. Die Disposition der Klägerin, drei getrennte Klagen einzubringen, ändere an diesen Grundsätzen nichts, zumal bei der Beurteilung der Frage, ob zwischen mehreren Forderungen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang bestehe, grundsätzlich vom Vorbringen der Klägerin auszugehen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der als „Revisionsrekurs“ bezeichnete Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, ihn dahingehend abzuändern, dass die Revision nicht zurückgewiesen werde.

Die Klägerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig. Die Rechtsmittelbeschränkungen nach §§ 519 Abs 1, 528 ZPO sind auf einen Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem eine seiner Ansicht nach jedenfalls unzulässige Revision zurückgewiesen wurde, nicht anzuwenden, ein solcher bereits im Revisionsverfahren erlassener Beschluss ist vielmehr zufolge § 514 Abs 1 ZPO bekämpfbar (RIS-Justiz RS0112633). Er ist aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt. Im unmittelbaren Zusammenhang damit steht der dem Berufungsgericht in § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zur Feststellung dieser Wertgrenze bei einem nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Entscheidungsgegenstand übertragene Bewertungsausspruch, für den § 500 Abs 3 ZPO die sinngemäße Anwendung von §§ 54 Abs 2, 55 Abs 1–3, 56 Abs 3, 57 und 58 JN anordnet. Gemäß § 55 Abs 3 JN ist – wird nur ein Teil einer Kapitalforderung begehrt – der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalforderung maßgebend und gemäß § 55 Abs 4 JN sind Abs 1–3 auch für die Besetzung des Gerichts (§ 7a), die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Berufungsgründe (§ 501 ZPO) maßgebend.

2. Bereits die Entscheidung 6 Ob 508/91 (SZ 64/150) sprach zu dieser mit der WGN 1989 (damals mit entsprechenden Schilling-Beträgen) eingeführten Regelung mit ausführlicher Begründung aus, dass die ihrem Wortlaut nach ausnahmslos klingende Anordnung des (damals) § 55 Abs 5 JN (nunmehr § 55 Abs 4) in Ansehung der für die Revisionszulässigkeit erforderlichen Wertfeststellung durch die gegenüber der allgemeinen Norm des § 55 Abs 4 JN als spezielle Norm anzusehende Regelung des § 500 Abs 3 ZPO über die bloß sinngemäße Anwendbarkeit bestimmter Bewertungsregeln (darunter auch § 55 Abs 3 JN) relativiert werde. Dort lehnte der Oberste Gerichtshof die Anwendung der Teileinklagungsregel des § 55 Abs 3 JN auf den zur Bestimmung der Revisionszulässigkeit maßgebenden Wert des Entscheidungsgegenstands mit der Begründung ab, bereits der Verfahrensgesetzgeber der ZVN 1983 habe schlüssig zu erkennen gegeben, dass für die Wertfeststellung des Entscheidungsgegenstands der Berufungsentscheidung als Kriterium der Revisionszulässigkeit nicht der für die sachliche Zuständigkeit und andere Ordnungsfragen des erstinstanzlichen Verfahrens bestimmende Wert des Streitgegenstands, sondern unmittelbar nur der Wert des Entscheidungsgegenstands der angefochtenen zweitinstanzlichen Entscheidung die Bezugsgröße zu sein habe. Die WGN 1989 habe daran nichts geändert. Eine sinngemäße Anwendung des § 55 Abs 3 JN sei auf Fälle von berufungsgerichtlichen Teilentscheidungen zu beschränken, in denen nach der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung noch mit einer weiteren zweitinstanzlichen Entscheidung gerechnet werden müsse. Dies führte zur Bildung des Rechtssatzes RIS-Justiz RS0042348.

3. Entgegen der Auffassung der Rekurswerberin wurde die dort vertretene Auffassung seither von allen Senaten des Obersten Gerichtshofs einhellig vertreten, die aussprachen, dass bei der Teileinklagung für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht der volle (nicht geltend gemachte) Forderungsbetrag, sondern der Streitwert maßgebend sei, über den das Rechtsmittelgericht entschieden habe (RIS-Justiz RS0042348 [T1]), dass sich die Teileinklagungsregel des § 55 Abs 3 JN nur auf die sachliche Zuständigkeit des Prozessgerichts beziehe (RIS-Justiz RS0042348 [T2]) und eine Teileinklagung von Pflichtteilsansprüchen aus prozessökonomischen Gründen nichts daran ändere, dass die Teileinklagungsregel des § 55 Abs 3 JN im Bereich der Revisionsbeschränkungen nicht anzuwenden sei (6 Ob 256/07a). Die Entscheidung 7 Ob 38/16p sprach unter Hinweis auf 6 Ob 508/91 aus, selbst im Fall zusammenzurechnender Teilansprüche sei allein der Entscheidungsgegenstand des ersten Berufungsurteils für die Frage der Revisionszulässigkeit maßgeblich, wenn im Zeitpunkt der Fällung dieser Entscheidung noch nicht absehbar sei, dass infolge Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrags eine weitere Berufungsent-scheidung erforderlich sein würde (RIS-Justiz RS0042348 [T9]).

4. Diese völlig einhellige höchstgerichtliche Rechtsprechung (vgl hiezu auch RIS-Justiz RS0042500, RS0046496) wird in der Lehre überwiegend geteilt (Gitschthaler in Fasching/Konecny3 § 55 JN Rz 36; vgl Mayr in Rechberger ZPO4 § 55 JN Rz 4).

5. Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Rekurs bieten keinen Anlass, davon abzugehen. Dass hier für das erstinstanzliche Verfahren gemäß § 55 Abs 3 JN für die Frage der Anwaltspflicht der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalforderung als maßgeblich angesehen wurde, ändert nichts daran, dass der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts nur 5.000 EUR betrug und eine weitere Entscheidung des Berufungsgerichts in diesem Verfahren nicht mehr zu erfolgen hat. Der unmissverständliche Gesetzeswortlaut des § 502 Abs 2 ZPO als speziellerer Norm steht der sinngemäßen Anwendung des § 55 Abs 3 JN für die Frage der Revisionszulässigkeit somit entgegen.

6. Da die Klägerin ihre Rechtszuständigkeit unstrittig im Weg von drei verschiedenen Zessionsvorgängen erworben hat, ist die von der Beklagten behauptete willkürliche und rechtsmissbräuchliche Einklagung in drei Teilbeträgen nicht zu erkennen. Davon abgesehen konnte die Klägerin bei Prozessbeginn das Ergebnis der Berufungsentscheidung nicht vorhersehen, sodass die von der Beklagten beanstandete Teileinklagung ebenso zulasten der Klägerin selbst ausschlagen hätte können.

7. Der erkennende Senat hält somit daran fest, dass im Fall der Teileinklagung nur der Streitwert, über den das Berufungsgericht tatsächlich entschieden hat, und nicht der volle Forderungsbetrag für die Revisionszulässigkeit maßgebend ist.

8. Da sich das Berufungsgericht an dieser Rechtsprechung orientierte, hat es die außerordentliche Revision zutreffend als absolut unzulässig zurückgewiesen, sodass dem Rekurs der Erfolg zu versagen war.

9. Gemäß §§ 40, 50 ZPO hat die Beklagte die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Textnummer

E122361

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00107.18Y.0718.000

Im RIS seit

09.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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