TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/18 W176 2009537-1

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
DMSG §1 Abs1
DMSG §1 Abs2
DMSG §1 Abs8
DMSG §3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2009537-1/22E

Schriftliche Ausfertigung des am 11.06.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von (1.) XXXX , (2.) XXXX , und (3.) XXXX , XXXX vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte - Partnerschaft, gegen den Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 06.05.2014, Zl. BDA-08842/obj/2014/0001-allg, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), iVm §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz, BGBl. Nr. 533/1923 (DMSG), insofern stattgegeben, als das Innere der Wohnungen von der Unterschutzstellung ausgenommen wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte das Bundesdenkmalamt fest, dass die Erhaltung des Wohn- und Geschäftshauses in Wien I, XXXX ,

XXXX Wien , gemäß §§ 1 und 3 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist. In der Bescheidbegründung wird im Wesentlichen auf ein von XXXX erstattetes Amtssachverständigen-Gutachten verwiesen. Dieses besteht aus einem Befund, in dem die (Bau)Geschichte des Objektes dargestellt und sein Äußeres und Inneres beschrieben wird, sowie aus dem eigentlichen Gutachten, in dem die Genannte zum Ergebnis kommt, dass dem Objekt aufgrund des Umstandes, dass es zu den frühesten Bauten der Ringstraßenzone gehört, geschichtliche Bedeutung und überdies insofern künstlerische und (sonstige) kulturelle Bedeutung zukomme, als es mit seiner Fassadengestaltung eine besonders signifikante Position am Übergang zwischen Frühhistorismus und Hochgründerzeit einnehme, wobei sich aus dem erhaltenen Dachstuhl, einem der frühesten der Ringstraßenzone, eine weitere Facette der Bedeutung ergebe.

Zum Vorliegen des öffentlichen Erhaltungsinteresses hielt das Bundesdenkmalamt zunächst fest, dass der authentisch aus der Gründerzeit überlieferte Bestand im entsprechenden Abschnitt des XXXX - darunter das zu den frühesten Bauten dieser Ringstraßenzone gehörende gegenständliche Objekt - die ursprüngliche architektonische Gestaltung dieses Kaibereiches repräsentiere sowie dokumentiere und ihn als Teil der Stadterweiterungszone und damit eines der bedeutendsten europäischen Städtebau-Projekte des 19. Jahrhunderts erkennbar mache. Eine weitere Ausdünnung dieses originalen Bestandes durch Verlust des gegenständlichen Objektes würde diese Zusammenhänge verunklären und so eine gravierende Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes bedeuten. Zudem sei wegen des internationalen Stellenwerts der Wiener Ringstraße die Stadterweiterungszone in ihrer Gesamtheit in das Weltkulturerbegebiet des historischen Stadtzentrums von Wien einbezogen worden. Für historische Objekte innerhalb von Weltkulturerbestätten gelte aufgrund der vertraglichen Übereinkunft zwischen der Republik Österreich und der UNESCO eine verstärkte Erhaltungsverpflichtung, welcher durch die Unterschutzstellung des gegenständlichen Objektes nachgekommen werde.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die im Wesentlichen Folgendes geltend macht:

Das Argument, dass aufgrund der vertraglichen Übereinkunft zwischen der Republik Österreich und der UNESCO eine verstärkte Erhaltungsverpflichtung gelte, der durch die Unterschutzstellung des gegenständlichen Objektes nachgekommen werde, finde keine Deckung im Gesetz. Überdies sei der Erstbeschwerdeführer, der 34 Jahre in leitender Funktion beim Bundesdenkmalamt tätig gewesen sei, mindestens gleichwertiger Sachverständiger wie die herangezogene Amtssachverständige. Überdies sei das Amtssachverständigen-Gutachten hinsichtlich der Person des Planverfassers, der Verwendung der Begriffe "Hochgründerzeit" und "Ringstraßenarchitektur", des Kontextes, in dem das Objekt zu sehen sei ("Ringstraßenzone" versus "Stadterweiterung" versus "Architektur Wiens"), sowie bezüglich der angenommenen Bedeutung des Dachstuhles unrichtig oder ergänzungsbedürftig. Ferner habe das Bundesdenkmalamt nicht darlegen können, worin die Bedeutung des Objektes nun tatsächlich gelegen sei. Dies lege nahe, dass diesem keine Bedeutung zukomme und das Verfahren nur in Hinblick auf die Vereinbarung mit der UNESCO betrieben werde.

3. In weiterer Folge zog das Bundesverwaltungsgericht a.o. XXXX , ständiges Mitglied des Denkmalbeirates, dem Verfahren als gerichtlichen (Amts)Sachverständigen (in der Folge: SV) bei.

4. In einer gutachterlichen Äußerung vom 16.05.2018 gelangt der SV im Wesentlichen zum Ergebnis, dass das Objekt aus kunsthistorischer und kulturgeschichtlicher Sicht ein bemerkenswertes Beispiel seiner Gattung darstelle, das eindeutig überdurchschnittliche Qualitäten aufweise und in exemplarischer Weise wesentliche Aspekte der Wohnkultur der frühen Ringstraßenzeit dokumentiere. Der inneren Austeilung der Wohnungen und deren Ausstattung komme kein besonderer Denkmalwert zu. Sowohl als Einzelobjekt als auch als Teil des Ensembles der Wiener Ringstraße besitze das Objekt eine besondere Bedeutung. Auch im Hinblick auf den regionalen und österreichweiten Bestand an Wohn- und Geschäftshäuser des späten Romantischen Historismus komme dem Objekt mit seiner individuellen Lösung und seinem künstlerischen Rang hohe Bedeutung zu.

5. In weiterer Folge übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die gutachterliche Äußerung des SV den Verfahrensparteien zur Stellungnahme und beraumte für 11.06.2018 eine öffentliche Beschwerdeverhandlung an.

6. Mit Schriftsatz vom 05.06.2018 nahmen die Beschwerdeführer zur gutachterlichen Äußerung des SV Stellung.

7. In der Beschwerdeverhandlung vom 11.06.2018 wurde der SV zur Denkmalbedeutung des gegenständlichen Objektes sowie dessen Stellenwert im österreichischen Denkmalbestand befragt (wobei er u. a. ausführte, dass er keine geschichtliche Bedeutung annehme, da sich im Objekt nichts historisch Bedeutsames ereignet habe) und nahm zum Vorbringen der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 05.06.2018 Stellung. Überdies wurde den Verfahrensparteien Gelegenheit gegeben, Fragen an den Sachverständigen zu stellen bzw. Vorbringen zu erstatten.

8. Im Anschluss an die Beschwerdeverhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

9. In der Folge erklärte der Beschwerdeführer fristgerecht, eine Ausfertigung der Entscheidung zu verlangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.1. Das Objekt hat insofern künstlerische Bedeutung, als es ein durchaus bemerkenswertes Beispiel für ein städtisches Wohnhaus des späten Romantischen Historismus mit einzelnen Elementen eines Überganges zum Strengen Historismus ist.

1.1.2. Dem Objekt kommt insofern (sonstige) kulturelle Bedeutung zu, als es in exemplarischer Weise die Auswirkungen des steigenden Selbstbewusstseins des aufstrebenden Bürgertums in der Baukultur dokumentiert.

1.2.1. In Hinblick auf die in den genannten Bereichen gegebene Denkmalbedeutung kommt dem Objekt (in seinen unterschutzgestellten Teilen) auch vor dem Hintergrund des österreichweiten Denkmalbestandes ein hoher Stellenwert zu.

1.2.2. Dem Inneren der Wohnungen kommt vor dem Hintergrund auch nur des regionalen Denkmalbestandes ein derartiger Stellenwert nicht zu.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen stützen sich (wie unten im Einzelnen ausgeführt wird) im Wesentlichen auf die Ausführungen des SV.

Der SV ist in Hinblick auf seine langjährige Tätigkeit als Kunsthistoriker (u.a. als Hochschullehrer) insbesondere auf dem Gebiet der zentraleuropäischen Kunst namentlich des 19. Jahrhunderts, als Leiter des Forschungsunternehmen "Wiener Ringstraße" und Verfasser einschlägiger Publikationen sowie als ständiges Mitglied des Denkmalbeirates in der Lage, ein Gutachten zur Denkmalbedeutung von Objekten wie dem gegenständlichen zu erstatten. Dies wurde von den Verfahrensparteien auch nicht in Abrede gestellt. Die Ausführungen des Sachverständigen zeigen, dass er sich umfassend und tiefgreifend mit den hier maßgeblichen Fragegestellungen auseinandergesetzt hat.

Wie an dieser Stelle festzuhalten ist, liegt dem Gericht in Hinblick darauf, dass der SV seinen gutachterlichen Aussagen den - um Ausführungen zur Baugeschichte ergänzten - Befund von XXXX zugrunde legte (vgl. dazu etwa VwSlg. 13.578 A/1992), ein Gutachten vor, welches sich aus einem Befund - bestehend aus den soeben erwähnten Ausführungen von XXXX und des SV - und den (das Gutachten im engeren Sinn bildenden) gutachterlichen Schlussfolgerungen des SV zusammensetzt.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass keine der Parteien dem Gutachten des SV auf gleichem wissenschaftlichem Niveau entgegengetreten ist; dies gilt auch für die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers, der Bautechniker ist.

Daher ist zu überprüfen, ob das Gutachten schlüssig und vollständig ist, wobei es diesfalls der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das Gutachten vollständig; denn es weist (wie zuvor dargestellt) einen Befund sowie ein Gutachten im engeren Sinne auf.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das Gutachten überdies schlüssig, da der SV darlegt, wie er zu seinen Aussagen gelangt ist und die Schlüsse im Gutachten im engeren Sinn sowohl auf dem Befund des Gutachtens fußen sowie nachvollziehbar sind. Dabei ist zum einen festzuhalten, dass der SV die entscheidungswesentlichen Aussagen zu Qualität und entwicklungsgeschichtlicher Position des gegenständlichen Objektes hinreichend durch einschlägige Literatur belegt und überdies mit zahlreichen Fotos des Objektes unterlegt hat. Sofern die Beschwerdeführer zum anderen vorbrachten, der SV führe auf S 3 seiner gutachterlichen Äußerung selbst aus, dass das gegenständliche Objekt "nicht die herausragende Einzelbedeutung besitz[e[] ..", womit die Frage des Gerichtes eindeutig beantwortet sei, ist festzuhalten, dass das Gebäude nach den betreffenden Ausführungen des SV zwar nicht die herausragende Einzelbedeutung besitzt wie andere Bauten der Ringstraße (wobei der SV in der Beschwerdeverhandlung diesbezüglich die Wiener Staatsoper und das Palais Schey nannte), seine künstlerische Qualität und seine entwicklungsgeschichtliche Position jedoch keineswegs gering anzuschlagen sind.

2.2.1. Die Feststellungen zur künstlerischen und (sonstigen) kulturellen Bedeutung stützen sich auf die diesbezüglichen schlüssigen Aussagen des SV, die er wie folgt begründete:

Seien bürgerliche Häuser im zweiten Viertel und in der Mitte des 19. Jahrhunderts meist von zurückhaltendem Fassadencharakter gewesen, zeige sich beim gegenständlichen Objekt der betonte Wille zur Repräsentation, der sich in der kombinierten Verwendung von Hoheitsmotiven wie Mittelrisalit, Balkonen, Pilaster, dichter Fassadenstruktur mit reich variiertem Dekor, Schaffung von vertikalen Einheiten bzw. Ansätzen zu solchen kundtue. Dabei bleibe aber das romantische Prinzip des Stilsynkretismus, also die Kombination unterschiedlicher historischer Stilmotive, gewahrt. Während beispielsweise Pilaster, profilierte Gesimse, Kartuschenformen und Maskarons mehr oder weniger renaissanceinspiriert seien, weise die Portalrahmung eine gotisierende Kehlung auf wie auch das Rankenwerk in den Parapetfeldern des zweiten und dritten Obergeschosses von fern mittelalterliche Assoziationen auslöse. Bemerkenswert sei auch die Vielfalt der Ornamentmotive, die nicht - wie in zeitlich späteren Kreationen dieser Art - sehr organisch modelliert seien, sondern eine gewisse bewusste Sprödigkeit aufwiesen und teilweise auch eine abstrakt-unorganische Formulierung demonstrierten. In den Balkonbrüstungen erkenne man fast stickereiartige Konfigurationen, die jedoch plastisch modelliert vor Raumgrund erschienen. Der entwerfende Künstler verrate eine reiche Formphantasie. Dennoch sei die Massivität und Geschlossenheit des Baukörpers nur oberflächlich "aufgebrochen", die Fenster seien typischerweise noch nicht vertieft, sondern säßen traditionell in der Fassadenflucht, der Gesamteindruck ist massig massiv, die Linienführung vielfach kantig, das ziselierte Ornament stehe in Kontrast zu größeren glatten Flächen. Der im wesentlichen spätromantische Charakter erhalte jedoch durch die räumliche Intensität der Mittelrisalitbalkone, durch die überreiche horizontale Gesimsprofilierung und das leicht renaissancehafte Kranzgesims einen modernen "Touch".

Das gegenständliche Objekt sei das früheste Wohnhaus der Stadterweiterung mit einem Mittelrisalit, wobei die Zweiachsigkeit des Mittelrisalits, die zu einer zentralen Pilasterpositionierung führe, eine höchst seltene Lösung, sei. Diese leitet der SV aus einer gewissen Zwiespältigkeit gegenüber der verwendeten, letztlich ja aristokratischen Repräsentationssprache ab, die man doch nicht einfach nur habe kopieren wollen. Für eine solche Annahme spreche auch, dass sich die Pilasterstellungen auf jeweils ein Geschoß beschränkten und nicht vertikal übergreifend als sogenannte Große Ordnung aufträten. Die dennoch unterschwellige soziale Aggressivität, die aus dem aufwendigen Äußeren abzuleiten sei, werde zusätzlich durch den Umstand verdeutlicht, dass zur Erbauungszeit des Objektes altadelige Stadtpalais als Folge eines durch die Französische Revolution ausgelösten Traumas meist eine schlichte Außenerscheinung aufwiesen und erst im Inneren eine oft geradezu märchenhafte Pracht entfalteten. Das Bürgertum habe dagegen unbelastet seinen politisch-sozialen Aufstieg optisch-architektonisch kundtun können und damit auch einen rasch einsetzenden Wettstreit mit dem Adel ausgelöst, der letztlich vergeblich getrachtet habe, sich architektonisch vom Großbürgertum und den neugeadelten Wirtschafts- und Kapitalunternehmern zu distanzieren. Das gegenständliche Objekt sei ein instruktives Exempel dieser Entwicklung und zeichne sich zudem durch gediegene kunsthandwerkliche Formulierungen auf. Eben infolge der zeitlich frühen Position des Objektes ende die Hauptrepräsentationszone nach der Einfahrt, die selbst durch die wechselnde Abfolge von überkuppelten und Quertraveen, Pilaster mit Volutenkapitellen, in Malerei ausgeführten Dekorationen und farbige Fassung als quasi zeremonieller Eintrittsrahmen akzentuiert werde. Demgegenüber erschienen die T-Struktur des Grundrisses und die beiden großzügig dimensionierten Wendeltreppen ausstattungsmäßig ohne besonders auffällige Merkmale.

Was das Vorbringen der Beschwerdeführer angeht, dass es den zweiachsigen Mittelrisalit in Wien bereits seit dem 17. Jahrhundert gebe und alle vom SV beschriebenen Fassadendetails nicht neu seien, sondern zum Architekturkanon der letzten 20 Jahre vor Errichtung des gegenständlichen Gebäudes gehörten, verweist das Gericht auf die nachvollziehbaren Aussagen des SV, wonach alle Motive letztlich weiter zurückverfolgbar seien, es beim Vergleich darauf ankomet, wie ein Motiv verwendet werde, ein Motiv unzählige Male verwendet werden könne und doch immer wieder anders aussehe, und die (von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten) Balkone am Palais Hardegg (Freyung 1) anders gestaltet seien als jene am gegenständlichen Objekt, da das Palais Hardegg eine viel straffere Fassade besitze.

2.2.1. Die Feststellung zum Stellenwert des gegenständlichen Objektes (in seinen unterschutzgestellten Teilen) im österreichischen Denkmalbestand fußt auf den diesbezüglichen schlüssigen Ausführungen des SV in der Beschwerdeverhandlung. Diesen zufolge ist das Objekt in Hinblick auf die Monumentalität und Struktur seiner Fassade eindeutig von überdurchschnittlicher Qualität.

Überdies hat der SV dadurch, dass er das gegenständliche Objekt einer Vielzahl anderer Objekte (und zwar den von den Beschwerdeführern als Vergleichsobjekte angeführten Häusern Rudolfplatz 4, Wollzeile 20 und 22 sowie dem Objekt Wasagasse 12) gegenüberstellte, nachvollziehbar dargelegt, dass keines dieser Häuser bezüglich der aufgezeigten Charakteristika hinreichend vergleichbar ist:

Bezüglich der Fassade des Hauses Rudolfsplatz 4 gebe es zwar einige zeittypische Entsprechungen, wie den zweiachsigen Mittelrisalit, die Mehrzonigkeit und den relativ filigranen Dekor, die stilistischen Unterschiede seien demgegenüber aber deutlich ausgeprägt: Das Haus Rudolfsplatz 4 verfüge weder über eine derart dramatische Steigerung zur Mitte hin noch über die starke stufenweise Verräumlichung im Mittelteil und sei wesentlich gleichmäßiger gestaltet; es dominierten die horizontalen Gesimse- und Fensterverdachungen und es falle die relativ gleichmäßige Achsenreihung ins Auge, wobei sich hier vertikale Fensterreihungen andeuteten. Auch fehlten - anders als beim gegenständlichen Objekt - die Pilaster.

Das Objekt Wollzeile 20 weise abgesehen vom ebenfalls zweiachsigen Mittelrisalit nur wenig auf, was man mit dem gegenständlichen Objekt spezifisch vergleichen könnte. Es habe wesentlich geringere Dimensionen und der ornamentale Dekor fehle.

Das Haus Wollzeile 22 habe etwas monumentalere Dimensionen und einen zweiachsigen Mittelrisalit, jedoch einfachere Verdachungen, Parapetzonen mit bloß einfacher Feldergliederung sowie in der Mitte einen Dreiecksgiebel, der am gegenständlichen Objekt fehle.

Hinsichtlich des Hauses Wasagasse 12 gebe es zwar eine Identität bezüglich des Bauausführenden. Der Unterschied zum gegenständlichen Objekt liege aber zunächst im Typus: Das Haus Wasagasse 12 sei ein adeliges Stadtpalais, während das gegenständliche Objekt ein bürgerliches Wohn- und Miethaus sei. Außerdem habe das Haus Wasagasse 12 keinen Mittelrisalit, sondern zwei schwach angedeutete Seitenrisalite. Außerdem habe es eine ausgenommene Ecke mit einem zweigeschossigen Erker, der eine Reverenz an die städtebauliche Situation ist. Vergleichbar sei hingegen das Pilastermotiv, dass beim Haus Wasagasse 12 aber auf die Nebenrisalite beschränkt sei.

2.2.2. Die Feststellung zum Stellenwert des Inneren der Wohnungen des gegenständlichen Objektes im österreichischen Denkmalbestand stützt sich auf die diesbezüglichen schlüssigen Ausführungen des SV. Diesen zufolge existiert in Wien noch eine hinreichende Anzahl von Objekten, welche die in den Wohnungen des gegenständlichen Gebäudes (in denen eine aufwändige wandfeste Ausstattung fehlt und die Türen und Türstürze relativ einfach gestaltet sind) abzulesende - einem gewissen "außen hui, innen pfui"-Ansatz folgende - Wohnkultur in einem bürgerlichen Haus aus der betreffenden Zeit dokumentieren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen Entscheidungen und Anordnungen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 DMSG sind Denkmale von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung. Diese Bedeutung ergibt sich aus der in der Fachwelt vorherrschenden Wertschätzung. Sie ist die ausschließliche Grundlage des öffentlichen Interesses an einer Erhaltung (VwGH 20.10.1991, 91/09/0047). Für die Begründung der Denkmaleigenschaft genügt es, wenn die Bedeutung in einem der drei genannten Bereiche (geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung) besteht (VwGH 03.06.2004, 2001/09/0010).

Die Bedeutung ist eine Tatsache, die durch Amtssachverständigenbeweis zu ermitteln ist (Bazil/Binder-Krieglstein/Kraft, Denkmalschutzrecht, 2. Aufl., § 1 Anm. 31). Der Amtssachverständige hat die Tatsachen zu erheben (Befund) und aus diesen Tatsachen aufgrund besonderer Fachkunde tatsächliche Schlussfolgerungen zu ziehen (Gutachten). Ein Gutachten besteht somit aus zwei Teilen: dem Befund und dem eigentlichen Gutachten (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2009, 199).

Zur Begründung einer Denkmaleigenschaft hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 09.11.2009, 2008/09/0322, fest: "Für die Lösung der Frage, ob einem Objekt eine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Dabei ist insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen. Grundlage der Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung ableiten lässt, aus der der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist" (vgl. auch VwGH 20.02.2014, 2013/09/0154 mwN).

In ähnlicher Weise erkannte der Verwaltungsgerichtshof, dass Grundlage einer Unterschutzstellung ein Fachgutachten ist, aus dem sich die geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung ergibt sowie jener Dokumentationscharakter iSd. § 1 Abs. 2 DMSG näher dargelegt wird, aus dem der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist (VwGH 22.03.2012, 2009/09/0248). Inhalt eines Denkmalschutzgutachtens sollen Ausführungen zur geschichtliche Entwicklung, eine Beschreibung des Objektes samt Veränderungen sowie Ausführungen zur Bedeutung sein (vgl. VwGH 16.09.2009, 2009/09/0044).

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass dem Fachgutachten des Amtssachverständigen zur geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung außer bei Unschlüssigkeit oder ersichtlicher Tatsachenwidrigkeit solange zu folgen ist, als seine Richtigkeit nicht im Verwaltungsverfahren durch Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt wurde (VwGH 20.02.2014, 2013/09/0154 mwN, vgl. auch VwGH 03.06.2004, 2002/09/0134).

Die geschichtliche Dokumentation bezieht sich auch auf kunstgeschichtliche und kulturelle Zeugnisse der Lebens- oder Arbeitsweise einer Bevölkerungsgruppe und auf Geburts-, Wohn-, Arbeits- und Sterbehäuser berühmter Persönlichkeiten, selbst wenn ihr Aussehen zwischenzeitig verändert ist (Regierungsvorlage 1769 BlgNR XIII. GP zu § 1 Abs. 2 DMSG).

Für das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Denkmals ist nicht wesentlich, ob dieses in allen Details im Originalzustand erhalten ist; entscheidend ist vielmehr, ob dem Denkmal noch Dokumentationscharakter zukommt. Spätere Veränderungen vermögen den Charakter eines Gebäudes als Denkmal für sich allein nicht zu hindern (VwGH 04.10.2012, 2010/09/0079 mwN). Die Bedeutung eines Denkmales kann auch von der Bedeutung der Umgebung mitbeeinflusst sein (VwGH 20.11.2001, 2001/09/0072). Gefordert ist weder eine hervorragende oder außerordentliche Bedeutung des Objektes. Wesentlich ist nicht der absolute Rang, der dem Denkmal zukommt, sondern inwieweit es als Repräsentant einer bestimmten Stilrichtung oder Epoche der Geschichte der Kunst anzusehen ist (VwGH 15.09.2004, 2001/09/0219).

3.2.1.2. Wie oben festgestellt, kommt dem Objekt eine künstlerische sowie eine (sonstige) kulturelle Bedeutung zu.

3.2.2.1.1. Welche Kriterien für die Entscheidung der Rechtsfrage, somit der Frage, ob die Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, maßgeblich sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 DMSG. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Erhaltung dann im öffentlichen Interesse liegt, wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.

Eine Konkretisierung dieser Kriterien ergibt sich aus den Materialien zum DMSG bzw. erfolgt sie durch die oben dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

3.2.2.1.2. Für das Bundesverwaltungsgericht steht fest, dass es sich bei dem gegenständlichen Objekt (in seinen unterschutzgestellten Teilen) um ein zu schützendes Denkmal handelt: Denn in Hinblick auf die zu Punkt 1.2.1. getroffene Feststellung muss angenommen werden, dass der von § 1 Abs. 2 DMSG geforderte Seltenheitswert gegeben ist.

3.2.2.2.1. Werden nur Teile eines Denkmales geschützt (Teilunterschutzstellung), so umfasst dieser Schutz gemäß § 1 Abs. 8 DMSG auch die übrigen Teile in jenem Umfang, als dies für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig ist.

Im Zusammenhang mit der Entscheidung über eine Unterschutzstellung ist insbesondere der Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung zu beachten (vgl. etwa VwGH 04.10.2012, 2010/09/0079).

3.2.2.2.2. In Hinblick auf die unter Punkt 1.2.2. getroffene Feststellung war das Innere der Wohnungen des gegenständlichen Objektes von der Unterschutzstellung auszunehmen.

3.2.3. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem gegenständlichen Objekt (mit Ausnahme des Inneren der Wohnungen) um ein Denkmal handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes bedeuten würde; seine Erhaltung liegt damit (im genannten Umfang) im öffentlichen Interesse.

3.2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe die unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Denkmaleigenschaft, kulturelle Bedeutung, künstlerische Bedeutung,
öffentliches Erhaltungsinteresse, Sachverständigengutachten,
Teilunterschutzstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W176.2009537.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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