TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/2 LVwG-2-14/2018-R1

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Veröffentlicht am 02.08.2018
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Entscheidungsdatum

02.08.2018

Norm

B-VG Art 130 Abs1 Z2
StPO 1975 §120 Abs1
StPO 1975 §121 Abs1
StPO 1975 §106 Abs1 Z2

Text

Beschluss

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Nikolaus Brandtner über die Beschwerde des „F L“, L, vertreten durch Heinzle Nagel Rechtsanwälte, Bregenz, wegen behaupteter Rechtswidrigkeit einer Hausdurchsuchung, den Beschluss gefasst:

Gemäß § 28 Abs 6 iVm § 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

Gemäß § 35 VwGVG wird der der belangten Behörde (dem Bund) gebührende Kostenersatz mit 368,80 Euro bestimmt. Die Beschwerdeführerin ist verpflichtet, den angeführten Betrag der belangten Behörde (dem Bund) binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwang zu bezahlen. Der Kostenersatzantrag der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Begründung

1.              In ihrer Beschwerde vom 18.04.2018 bringt die Beschwerdeführerin vor, am 08.03.2018 um 00.05 Uhr sei im Vereinslokal „F L“, Rstraße, L, aufgrund eines Hausdurchsuchungsbefehls durch die PI L in Zusammenarbeit mit dem Einsatzkommando Cobra und unter Beiziehung der Bezirkshauptmannschaft D eine Hausdurchsuchung nach der StPO durchgeführt worden. Angeordnet worden sei die Durchsuchung von Orten und Gegenständen nach § 117 Abs 2 lit b StPO und die Sicherstellung gem § 109 Z 1 lit a StPO. Abweichungen von der bei einer Hausdurchsuchung vorgeschriebenen Vorgehensweise seien nicht angeordnet worden. Die einschreitenden Polizisten hätten das Vereinslokal Rstraße, L gestürmt, ohne zuvor zu klingeln und um Einlass zu ersuchen. Durch das gewaltsame Öffnen sei die Außentüre beschädigt worden. Wäre geklingelt worden, hätten ihnen Y V als Obmannstellvertreter oder ein anderes Vereinsmitglied die Türe geöffnet und die Türe hätte nicht beschädigt werden müssen. Nachdem sie die Türe gewaltsam geöffnet hätten, hätten sich die einschreitenden Polizisten im Vereinslokal verteilt und verschlossene Innentüren gewaltsam geöffnet, ohne zuvor um Öffnung zu ersuchen oder nach einem Schlüssel zu fragen. Hätten die einschreitenden Polizisten um Öffnung der Innentüren ersucht oder nach einem Schlüssel gefragt, wären auch diese Türen geöffnet bzw ihnen ein Schlüssel übergeben worden. Durch die gewaltsame Öffnung der Außen- und der Innentüren seien insgesamt sechs Türen beschädigt worden (Eingangstüre, vier Innentüren, eine Heizraumtüre). Dadurch sei ein leicht vermeidbarer Schaden in Höhe von 5.088,00 Euro entstanden (siehe Kostenvoranschlag).

In diesem Zusammenhang sei auch zu erwähnen, dass der „F L“ kurz zuvor eine Androhung einer Betriebsschließung der Bezirkshauptmannschaft D wegen Verdachts des illegalen Glückspieles erhalten habe und der „F L“ der Bezirkshauptmannschaft D mitgeteilt habe, dass die Bezirkshauptmannschaft D jederzeit vorbeikommen könne, um das Lokal zu kontrollieren. Da die Bezirkshauptmannschaft D in die Hausdurchsuchung einbezogen gewesen sei, sei bekannt gewesen, dass die Türe geöffnet werde, wenn aufgefordert werde, diese zu öffnen. Umso unverständlicher sei die Vorgehensweise der eingeschrittenen Polizisten gewesen, nicht einmal um Öffnung der Türen zu ersuchen.

Durch die geschilderte Vorgehensweise hätten die einschreitenden Polizisten in Ausübung unmittelbarer behördlicher Zwangsgewalt insbesondere das Recht der Beschwerdeführerin, gemäß § 9 StGG iVm § 121 StPO zuvor aufgefordert zu werden, die Durchsuchung zuzulassen und Eigentumsrechte Dritter soweit wie möglich zu schonen, verletzt. Da dieser überschießende Eingriff nicht mit richterlicher Bewilligung angeordnet worden sei, überschreite die gewaltsame Türöffnung die erteilte Ermächtigung, weshalb ein Exzess vorliege (vgl Landesverwaltungsgericht Wien vom 27.03.2014, VGW-102/013/6080/2014). Bei einem offenkundigen Überschreiten der staatsanwaltlichen Anordnung durch die Polizei im Sinne eines Exzesses liege ein der Verwaltung zurechenbares Organhandeln vor (OGH 15 Os 152/12 k, VfGH 20.09.2012, B 1233/11). Eine Beschwerde gem § 88 Abs 1 SPG sei daher zulässig.

Die Beschwerdeführerin stelle daher den Antrag, festzustellen, dass die einschreitenden Polizisten am 08.03.2018 dadurch, dass sie anlässlich der Hausdurchsuchung im F L, Rstraße, L, eine Außen- sowie fünf Innentüren gewaltsam geöffnet und dabei beschädigt hätten, ohne zuvor um Öffnung der Türen zu ersuchen, die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt, sowie auf Kostenzuspruch.

2.              Die Bezirkshauptmannschaft D als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Am 07.03.2018 sei über Anordnung der Staatsanwaltschaft F vom 26.02.2018 von der Polizeiinspektion L in Zusammenarbeit mit weiteren Polizeikräften und dem Einsatzkommando Cobra unter Beiziehung der Bezirkshauptmannschaft D mit Beginn um ca 00.03 Uhr im Lokal „F L“, Rstraße, L, eine Hausdurchsuchung auf Basis der Strafprozessordnung (StPO) durchgeführt worden. Es habe ua unter anderem der Verdacht des Bestehens eines Kokainlagers und des Kokainhandels bestanden. Weiters sei davon ausgegangen worden, dass die Lokalverantwortlichen Schusswaffen mit sich führen würden. Der Zutritt ins Objekt sei unter Anwendung von Zwangsgewalt ohne vorherige Ankündigung aus Gründen der Eigensicherung sowie zur Verhinderung der Vernichtung von Beweismitteln erfolgt. Anlässlich der Kontrolle habe sich auch der Verdacht erhärtet, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des Glücksspielgesetzes veranstaltet bzw durchgeführt würden. Dies in der Form, dass der Betreiber den Kunden einen Account mit eigenem Login auf einer Internetseite zur Verfügung stelle, dem Kunden im Lokal gegen Bargeld das entsprechende Guthaben auf dieses Konto auflade und allfällig verbuchte Gewinne in bar im Lokal ausbezahle. Die Kunden hätten über diesen Account selbstständig am eigenen Handy virtuelle Walzenspiele spielen können. Darüber hinaus seien im gegenständlichen Lokal Pokerspiele entgegen den Vorschriften des Glücksspielgesetzes veranstaltet worden.

Am 08.03.2018, um 03.53 Uhr, sei die Betriebsschließung des Vereinslokals „F L“, Rstraße, L, durch die Behördenvertreterin mündlich verfügt und in weiterer Folge der Zugang zu den Räumlichkeiten des Lokals versiegelt worden.

Aus Sicht der Bezirkshauptmannschaft D sei die Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde im konkreten Fall unzulässig, da sämtliche Amtshandlungen der Polizei im Rahmen der Kriminalpolizei auf Grundlage der Strafprozessordnung erfolgt seien und daher ein Einspruch nach § 106 StPO einzubringen gewesen wäre. Bis zum 31.12.2013 hätten kriminalpolizeiliche Zwangsakte, die ohne richterliche oder staatsanwaltliche Anordnung vorgenommen worden wären, ausschließlich der Kognitionsbefugnis der Unabhängigen Verwaltungssenate und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterlegen. Anderes gelte jedoch für kriminalpolizeiliches Handeln aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung - in diesem Fall liege nämlich ein Akt der Gerichtsbarkeit gemäß Art 90a B-VG vor, weshalb in diesem Bereich ein Einspruch gemäß § 106 StPO zulässig und von den Strafgerichten meritorisch zu erledigen sei.

Lediglich im Fall einer offenkundigen Überschreitung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung durch die Polizei iS eines Exzesses liege ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor (VfGH B 1233/11; Hengstschläger/Leeb, AVG § 67a Rz 37 mwN). Von einem Exzess könne im vorliegenden Fall jedoch keineswegs ausgegangen werden.

Nach allgemeinem Sprachgebrauch sei ein subjektives Recht eine Rechtsmacht, die dem Einzelnen von der Rechtsordnung verliehen sei (6 Ob 690/81; 3 Ob 518/86). Als subjektive Rechte iSd § 106 StPO seien solche zu verstehen, welche die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen würden, die bei Ausübung von Zwang gegenüber den Betroffenen nach diesem Bundesgesetz konkret einzuhalten seien, oder welche dem Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen würden. Der VfGH sehe Anordnung und Durchführung einer Maßnahme als Einheit an (VfSlg 10.290/1984; Bertel/Venier, Komm StPO § 106 Rz 1a; Ennöckl, JBl 2008, 412). Daher könne auch dann Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben werden, wenn die Kriminalpolizei bei der Durchführung einer von der StA angeordneten Maßnahme subjektive Rechte verletze, wie etwa dem von der Hausdurchsuchung Betroffenen die Beiziehung einer Vertrauensperson verweigere, dem Beschuldigten die gerichtliche Bewilligung bei der Durchführung einer Festnahme nicht zugestellt werde, ein Beamter verbale Entgleisungen setze oder unnötiges Aufsehen errege bzw vermeidbare Störungen im Zuge einer angeordneten Hausdurchsuchung vornehme. Denn in diesen Fällen liege ein Akt der Gerichtsbarkeit vor, der mit Einspruch wegen Rechtsverletzung bekämpft werden könne. Im gegenständlichen Fall werde lediglich vorgebracht, die Türen seien gewaltsam geöffnet worden, ohne zuvor um Öffnung ersucht zu haben. Diesbezüglich liege ein Exzess der einschreitenden Beamten vor.

Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Beamten der PI L und der dem BPK D zugeteilten Beamten des EKO Cobra habe eine richterlich bewilligte staatsanwaltschaftliche Anordnung vorgelegen. Dies habe zur Konsequenz, dass die hier in Rede stehenden Akte, da sie in Durchführung richterlich bewilligter staatsanwaltschaftlicher Anordnung gesetzt worden seien, funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen seien. Das zwangsweise Öffnen der Eingangstüren stütze sich demgemäß auf § 93 Abs 1 StPO, wonach die Kriminalpolizei nach Maßgabe des § 5 StPO ermächtigt sei, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die Durchsetzung einer Anordnung des Gerichtes sicherzustellen. Insofern das zwangsweise Öffnen der Eingangstüren eine notwendige Hilfsmaßnahme zur Durchsetzung der richterlich bewilligten staatsanwaltschaftlichen Anordnung gewesen sei, sei diese Maßnahme nicht als selbstständiger Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers zu deuten. Der Türöffnung komme kein eigenständiger Charakter zu. Da das zwangsweise Öffnen einer Türe durch die Hausdurchsuchungsanordnung bereits gerechtfertigt sei, liege auch kein Exzess vor.

Da die Maßnahmenbeschwerde nur ein subsidiärer Rechtsbehelf sei und gegen die staatsanwaltschaftliche Anordnung und gerichtliche Bewilligung ein eigener Rechtsweg an die ordentlichen Gerichte offen stehe (§ 87 Abs 1 StPO), sei sie im Gegenstande unzulässig. Darüber hinaus sei es gerade Sinn und Zweck der zugrundeliegenden Hausdurchsuchung gewesen, den aktuellen Zustand im Lokal möglichst authentisch vorzufinden, um das Vernichten von Beweismitteln zu verhindern. Bereits im Vorfeld sei bekannt gewesen, dass die Lokalverantwortlichen Schusswaffen mit sich führen würden und es zunehmend zu Gewaltdelikten in der Glücksspielszene komme. Durch eine vorherige Ankündigung der Türöffnung hätte daher der Schutz der einschreitenden Beamten nicht gewährleistet werden können. Der einzig angeführte Beschwerdegrund der gewaltsamen Türöffnung stelle daher aus Sicht der belangten Behörde in keiner Weise einen Exzess dar, der einer Beschwerde gemäß § 88 Abs 1 SPG zugänglich wäre.

 

Die belangte Behörde stellte daher den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg möge die Beschwerde als unzulässig zurückweisen und den gesetzlich zustehenden Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand und Aktenvorlage gemäß Aufwandersatzverordnung dem Bund zusprechen.

3.              Folgender Sachverhalt steht fest:

Mit Anordnung der Staatsanwaltschaft F vom 23.02.2018 wurde im Ermittlungsverfahren gegen Ö S wegen des Verdachtes des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG

1.   die Durchsuchung folgender Orte bzw Gegenstände, nämlich des Vereinslokals des Vereins „F L“, pA L, Rstraße, samt den dazugehörigen Räumlichkeiten und Kellerräumen und

2.   die Sicherstellung sämtlicher Gegenstände, die beweisrelevant sind, privatrechtlichen Ansprüchen oder der Konfiskation, dem Verfall bzw der Einziehung unterliegen, insbesondere Suchtgifte, Gelder und Unterlagen, die auf Suchtgiftumtriebe hinweisen, sowie Waffen

angeordnet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes F vom 23.02.2018 wurde diese Anordnung der Staatsanwaltschaft F auf Durchsuchung von Orten und Gegenständen nach § 117 Z 2 lit b StPO aus den vom öffentlichen Ankläger angeführten Gründen bewilligt, Frist zur Durchführung dieser Maßnahme 15.04.2018.

Diese Hausdurchsuchung wurde am 08.03.2018, ab 00.05 Uhr durchgeführt. Da die Kriminalpolizei Gefahr im Verzug (Vernichtung allenfalls vorhandenen Suchtgiftes) annahm, wurde weder um Einlass gebeten, noch aufgefordert, die Durchsuchung zugelassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Stattdessen wurden die Haupteingangstüre und auch sämtliche Verbindungstüren im Objekt ohne Vorankündigung geöffnet.

4.              Dieser Sachverhalt wird auf Grund der Aktenlage angenommen. Der Sachverhalt ist insoweit unstrittig.

5.              Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 87 Abs 1 StPO steht gegen gerichtliche Beschlüsse ua dem Beschuldigten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.

Nach § 106 Abs 1 StPO steht Einspruch an das Gericht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

1.   ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

2.   eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

Nach § 120 Abs 1 StPO sind Durchsuchungen von Orten und Gegenständen nach § 117 Z 2 lit b (das sind Wohnungen oder andere Orte, die durch das Hausrecht geschützt sind, und darin befindlicher Gegenstände) von der Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen.

Nach § 121 Abs 1 StPO ist vor jeder Durchsuchung der Betroffene unter Angabe der hierfür maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Von dieser Aufforderung darf nur bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des § 119 Abs 2 Z 1 abgesehen werden.

Nach der Judikatur des VwGH (12.09.2016, Ra 2014/04/0038) ist für die Zuständigkeit zur Behandlung einer Maßnahmenbeschwerde allein maßgeblich, ob es zu einer Überschreitung der gerichtlichen Anordnung iS eines Exzesses gekommen ist. Von einem Exzess kann (in diesem Sinn) nur bei Maßnahmen gesprochen werden, die ihrem Inhalt und Umfang nach in der gerichtlichen Anordnung keine Deckung mehr finden. Die Modalitäten und näheren Umstände, unter denen eine durch eine gerichtliche Anordnung gedeckte Hausdurchsuchung erfolgte, sind dagegen keine vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten [nunmehr VwG] selbstständig bekämpfbaren Maßnahmen (zu staatsanwaltschaftlichen Anordnungen VwGH 24.10.2013, 2013/01/0036).

Daher ist zu prüfen, ob die Türöffnung, ohne vorher zur Öffnung und Herausgabe des Gesuchten aufgefordert zu haben, einen Exzess darstellt.

In dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom 27.03.2014, Zl VGW-102/0136080/2014, ist dieses zum Schluss gekommen, dass eine gewaltsame Türöffnung jedenfalls nicht vornherein Bestandteil einer Hausdurchsuchung sei. Sofern dieser überschießende Eingriff nicht ebenfalls ausdrücklich mit richterlicher Bewilligung angeordnet werde, überschreite die gewaltsame Türöffnung die erteilte Ermächtigung.

Demgegenüber stehen jedoch die Erläuterungen (RV 25 BlgNR XX. GP 167) zu § 121 StPO, nach denen nach Abs 1 der Betroffene grundsätzlich über den Grund der Durchsuchung zu informieren und aufzufordern sei, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Eine Aufforderung zur Mitwirkung dürfe bei nur Gefahr in Verzug sowie im Falle der Festnahme oder der Betretung auf frischer Tat unterlassen werden. Die Kriminalpolizei sei auch berechtigt, innerhalb des Verhältnismäßigkeitsgebotes physische Gewalt gegen Sachen und Personen anzuwenden, soweit es sich nicht um die Durchsuchung eines Opfers handle.

Aus den Erläuterungen ist ableitbar, dass es in der Hand der Kriminalpolizei (und nicht des handelnden Staatsanwaltes) liegt, zu entscheiden, ob im konkreten Fall wegen Gefahr in Verzug die Anwendung von verhältnismäßiger Gewalt gegen Sachen zulässig ist.

Nach Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz WK StPO § 106 Rz 11 (Stand 13.11.2017, rdb.at) kann auch dann Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben werden, wenn die Kriminalpolizei bei der Durchführung einer von der Staatsanwaltschaft angeordneten Maßnahme subjektive Rechte verletzt, wie etwa dem von der Hausdurchsuchung Betroffenen die Beiziehung einer Vertrauensperson verweigert, dem Beschuldigte die gerichtliche Bewilligung bei der Durchführung der Festnahme nicht zustellt, ein Beamter verbale Entgleisungen setzt oder unnötiges Aufsehen erregt bzw vermeidbare Störungen im Zuge einer angeordneten Hausdurchsuchung vornimmt. Denn in diesen Fällen liegt ein Akt der Gerichtsbarkeit vor, der mit Einspruch wegen Rechtsverletzung bekämpft werden kann.

Nach Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz WK StPO § 121 Rz 5 (Stand 01.04.2010 rdb.at) darf von einer Aufforderung vor allem aus Eile abgesehen werden, etwa wenn der Überraschungseffekt notwendig ist, damit der Betroffene die beabsichtigte Festnahme oder Sicherstellung nicht abwenden kann. In der Regel könne die Polizei es auch verhindern, dass jemand den gesuchten Gegenstand schnell vernichtet – Suchtmittel mögen eine Ausnahme sein.

Laut Judikatur des OGH (12.12.2012, 12 Os 152/12k) liegt lediglich im Fall einer offenkundigen Überschreitung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung durch die Polizei im Sinne eines Exzesses ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor, wofür es bei der im dort gegenständlichen Verfahren behaupteten Verletzung des § 121 StPO wegen Unterlassung der Beiziehung der in Abs 2 leg cit genannten Personen sowie wegen Erregung unnötigen Aufsehens und vermeidbarer Störung (Abs 3 leg cit) bei der Durchführung der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsanordnung durch die Polizei keinen Anhaltspunkt gab.

Was wegen einer Verletzung des § 121 Abs 2 und 3 StPO gilt, ist auch auf eine behauptete Verletzung des § 121 Abs 1 StPO (Durchsuchung ohne vorherige Aufforderung und damit verbundene Ausübung physischer Gewalt) übertragbar.

Es ist eine notorische Tatsache, dass bei Suchtgift die Gefahr besteht, dass dieses angesichts einer unmittelbar bevorstehenden Hausdurchsuchung schnell vernichtet wird, wie dies offenbar auch die oben genannte Autoren (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz WK StPO § 121 Rz 5) annehmen; dies im Gegensatz zu anders beschaffenen bzw auch größeren Gegenständen.

 

Es ist vorauszusetzen, dass dieser Umstand auch der Staatsanwaltschaft bekannt ist. Den Erläuterungen zu § 121 StPO folgend liegt es in der Hand der Kriminalpolizei, im konkreten Fall zu entscheiden, ob wegen Gefahr in Verzug verhältnismäßige Gewalt gegen Sachen anzuwenden ist. Dabei handelt es sich um eine Modalität und nähere Umstände im Zuge der durch eine gerichtliche Anordnung gedeckten Hausdurchsuchung im Sinne der zitierten Judikatur. Es ist folglich nicht von einer Überschreitung der gerichtlichen Anordnung im Sinne eines Exzesses auszugehen. Ob Gefahr in Verzug tatsächlich vorlag oder nicht und die Anwendung der Gewalt gegen Sachen verhältnismäßig war, wäre im Zuge eines Verfahrens nach § 87 Abs 1 bzw § 106 Abs 1 StPO zu klären.

Die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht in dieser Sache war unzulässig, weshalb sie zurückzuweisen ist.

Abschließend wird angemerkt, dass das von der Beschwerdeführerin zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20.09.2012, B 1233/11, einen räumlichen Exzess zum Gegenstand hatte, der im gegenständlichen Verfahren nicht geltend gemacht wurde.

7.              Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Die Höhe des Aufwandersatzes richtet sich dabei nach der VwG-Aufwandersatzverordnung.

Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde obsiegende Partei (vgl § 35 Abs 3 VwGVG). Die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist der Bezirkshauptmannschaft D als belangter Behörde zuzurechnen. Die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde im Vollzugsbereich der StPO gesetzt, sodass der Kostenersatz dem Bund zu entrichten ist. Die zugesprochenen Kosten entsprechen dem Schriftsatzaufwand nach der VwG-Aufwandersatzverordnung. Ein Vorlageaufwand konnte nicht zugesprochen werden, da kein Akt vorgelegt wurde. Beim bloßen Anschluss einer in Reaktion auf die Aufforderung zu einer Gegenschrift durch das Verwaltungsgericht von der belangten Behörde angeforderte Stellungnahme der Polizeiinspektion samt der staatsanwaltschaftlichen Anordnung und dem gerichtlichen Beschluss handelt es sich um keinen Akt im Sinne der VwG-Aufwandersatzverordnung. Darüber hinaus wurde kein Akt vorgelegt.

8.              Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob eine nicht ausdrücklich im Durchsuchungsbefehl angeordnete gewaltsame Türöffnung beim Verdacht auf Suchtgiftkriminalität eine Überschreitung der gerichtlichen Anordnung iS eines Exzesses darstellt und somit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes gegeben ist.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde, Hausdurchsuchung, gewaltsame Türöffnung, Modalität, kein Exzess

Anmerkung

Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof (27.11.2018, E 3720/2018) abgelehnt.
Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (14.12.2018, Ro 2018/01/0017) zurückgewiesen (kein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw keine krasse oder unvertretbare Beurteilung des Einzelfalles).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.2.14.2018.R1

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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