TE OGH 2018/7/17 4Ob8/18g

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Veröffentlicht am 17.07.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers T***** S*****, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die Beklagte f***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 355.978,30 EUR sA und Feststellung (Streitwert 46.394,14 EUR), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. November 2017, GZ 3 R 127/17t-23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger macht mit Klage vom 22. 6. 2016 gegen das beklagte Wertpapierdienstleistungsunternehmen Schadenersatzansprüche aus dem im April 2007 erfolgten Erwerb von Anteilen an geschlossenen Fonds aufgrund von Aufklärungs- und Beratungsfehlern geltend.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend ab, das Erstgericht, weil kein Beratungsfehler vorgelegen habe, das Berufungsgericht, weil Verjährung eingetreten sei.

Der Kläger zeigt in seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Zu den über mehrere Seiten der Revisionsschrift ausgeführten Beweisrügen ist auszuführen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist. Eine allenfalls mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverahren nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0043162).

2. Zur Verjährung

2.1. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RIS-Justiz RS0034366 [T3, T6]). In gewissem Umfang wird aber dann eine Erkundigungsobliegenheit angenommen (RIS-Justiz RS0034686 [T12]), wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RIS-Justiz RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]). Diese Obliegenheit darf nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0034327). Sie setzt regelmäßig deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt voraus. Es braucht konkrete Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RIS-Justiz RS0034327 [T21]).

2.2. Das gilt auch in Anlegerfällen. Nach gefestigter Rechtsprechung kann sich ein Anleger nicht darauf berufen, dass er ihm übersandte Mitteilungen, aus denen sich weitere Erkundungsobliegenheiten ergeben, nicht gelesen habe. Maßgebend ist danach der Zugang solcher Mitteilungen, nicht deren konkrete Kenntnisnahme. Anderes gilt nur in Bezug auf übersandte Geschäftsberichte, wenn der Anleger keinen Grund zu Misstrauen gegenüber dem Berater und zu Nachforschungen hatte (3 Ob 112/15i [Pkt 4.4]; 2 Ob 99/16x [Pkt 1.1.a und 1.1.b]; 10 Ob 58/16a [Pkt 2.3.2]; 6 Ob 118/16w [Pkt 2.2.1]; 7 Ob 95/17x [Pkt 2.2]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

3. Zum Totalverlustrisiko

3.1. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde der Kläger zwar grundsätzlich über das Risiko eines Totalverlusts aufgeklärt, dieses wurde jedoch verharmlost. Auch bei korrekter Aufklärung hätte er aber investiert.

3.2. Das Berufungsgericht ließ die dagegen gerichtete Beweisrüge des Klägers unerledigt, weil Verjährung eingetreten sei.

3.3. Diese Beurteilung ist vertretbar: Nach den Feststellungen erhielt der Kläger ab 2007 regelmäßig Schreiben und Berichte, die er teilweise las und in denen deutlich auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Fondsgesellschaft aufmerksam gemacht wurde. Dies erkannte auch der Kläger, zumal er Anfang des Jahres 2013 den Abbruch der Geschäftsbeziehung zur Beklagten damit begründete, dass seine Gelder „verloren“ seien. Damit wusste der Kläger aber spätestens Anfang 2013, dass die konkrete Möglichkeit eines Totalverlusts bestand bzw dass sich diese Möglichkeit sogar realisiert hatte. Dass seine auf diesen Beratungsfehler gestützten Ansprüche verjährt sind, wird vom Revisionswerber auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

4. Zur Rückforderbarkeit von Ausschüttungen

4.1. Das Erstgericht stellte fest, dass der Kläger nicht über die Rückforderbarkeit von aus der Substanz geleisteten Auszahlungen aufgeklärt wurde. Der Kläger habe zudem angenommen, es handle sich um Gewinnausschüttungen. Zur Kausalität dieses Irrtums auf seine Anlageentscheidung traf das Erstgericht eine Negativfeststellung, die das Berufungsgericht jedoch nicht übernahm, auf diesen Beratungsfehler gestützte Schadenersatzansprüche seien aber verjährt.

4.2. Grundsätzlich zutreffend zeigt der Revisionswerber dazu auf, dass die fehlerhafte Aufklärung über die Rückforderbarkeit von Substanzausschüttungen dann einer gesonderten, nicht an die Kenntnis vom Totalverlustrisiko gebundenen Verjährung unterliegt, wenn der Anleger bereits über die Rechtsnatur der Ausschüttungen („Ausschüttungsschwindel“) getäuscht wurde (vgl 3 Ob 133/15t [Pkt 5.3]; 4 Ob 65/16m; 6 Ob 118/16w [Pkt 2.3.1]; 4 Ob 164/17x). Dieser Sonderfall liegt hier auch vor, wurde beim Kläger doch die Erwartung geweckt, er erhalte Gewinnauszahlungen der Kommanditgesellschaft.

4.3. Jedoch hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gegen seine Nachforschungsobliegenheit verstieß. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts gingen dem Kläger nämlich beginnend mit 2007 eine Vielzahl von Schreiben zu, in denen wiederholt darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei den Auszahlungen um solche des „Kommanditkapitals“ aus Liquiditätsüberschüssen handle. 2010 wurde der Kläger in einem weiteren Schreiben darauf aufmerksam gemacht, dass diese Ausschüttungen nicht durch entsprechende Gewinne gedeckt seien und „die Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs 4 HGB wieder aufleben kann“.

4.4. Wenn das Berufungsgericht auf Grundlage dieser Feststellungen davon ausging, der Kläger hätte spätestens 2010 misstrauisch werden müssen und sich Klarheit über die Rechtsnatur der Ausschüttungen und die Möglichkeit einer Rückforderung verschaffen können, hält sich dies im Rahmen der bisherigen Judikatur (2 Ob 99/16x [Pkt 1.1.d]; insbesondere 7 Ob 95/17x [Pkt 4]).

5. Zu den Weichkosten

5.1. Zu dieser Frage hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass über ungewöhnlich hohe Weichkosten zwar gesondert aufzuklären ist, dieser Beratungsfehler jedoch im Verhältnis zur Fehlberatung über das Totalverlustrisiko keine gesonderte Verjährungsfrist in Gang setzt (6 Ob 118/16w [Pkt 3.4]; 7 Ob 95/17x [Pkt 5.2]). Auch daraus ableitbare Ansprüche wurden daher bei Klagseinbringung zusammen mit Ansprüchen aus der unrichtigen Aufklärung über das Risiko eines Totalverlusts als bereits verjährt beurteilt.

5.2. Gründe, weshalb von dieser Rechtsprechung abzugehen sei, nennt der Revisionswerber nicht, sondern führt nur eine – unzulässige – Beweisrüge aus, weshalb die Weichkosten im konkreten Fall über 15 % gelegen seien. Darauf kommt es aber nicht an; ebenso wenig kommt es auf die Negativfeststellung zur Kausalität an.

6. Zur Innenprovision

6.1. Das Erstgericht stellte fest, dass der Kläger darüber aufgeklärt wurde, dass die Beklagte neben dem Agio noch weitere Provisionen der Emittentin („Innenprovision“) erhalten werde. Die dagegen gerichtete Beweisrüge des Klägers wurde vom Berufungsgericht verworfen. Die Höhe der Innenprovision stellte das Erstgericht mit 4 % fest; eine dagegen gerichtete Verfahrensrüge wegen Unterlassung eines Auftrags zur Vorlage der Provisionsvereinbarung (§ 303 ZPO) wurde vom Berufungsgericht nicht erledigt.

6.2. Soweit der Revisionswerber die Feststellung zur Aufklärung über das prinzipielle Bestehen einer Provisionsvereinbarung neuerlich bekämpft und durch eine gegenteilige Feststellung ersetzt sehen will, ist er wiederum auf die Unanfechtbarkeit der Beweiswürdigung der Vorinstanzen im Revisionsverfahren zu verweisen.

6.3. Weiters rügt der Revisionswerber das Fehlen von Feststellungen dazu, dass er nicht über die genaue Höhe der Innenprovisionen aufgeklärt wurde und macht in diesem Zusammenhang eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, weil seine Verfahrensrüge nicht erledigt wurde.

6.4. Nach neuerer Rechtsprechung ist (trotz Kritik in der Lehre: 7 Ob 95/17x [Pkt 7.4]) über Innenprovisionen dann gesondert aufzuklären, wenn der Anleger – etwa weil er ohnedies ein Agio leistet – nicht davon ausgehen muss, ein Wertpapierberater werde zusätzlich noch Zahlungen von der Produktgesellschaft erhalten (RIS-Justiz RS0131382). Die Rechtswidrigkeit eines derartigen Aufklärungsmangels liegt im Verschweigen der damit verbundenen Interessenkollision (vgl 2 Ob 99/16x [Pkt 2.3.b und 2.3.e]), die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Innenprovision besteht (vgl 7 Ob 95/17x [Pkt 7.5]; 8 Ob 109/16m [Pkt 4.4 f]; so auch zuletzt 4 Ob 94/17b). Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung 6 Ob 118/16w (Pkt 3.3).

6.5. Ein mit 6 Ob 110/07f vergleichbarer Sachverhalt einer Provision in extremer Höhe (45 %) wird vom Revisionswerber nicht behauptet. Er bringt zur Begründung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels bloß vor, der Klage sei wegen Nichtaufklärung über die exakte Höhe der Innenprovision stattzugeben. Damit zeigt er aber keinen relevanten Verfahrensmangel auf, ist doch nach der oben zitierten Rechtsprechung die Interessenkollision grundsätzlich schon durch die – hier erfolgte – Aufklärung über die Zahlung einer Innenprovision an sich offen gelegt.

Insoweit liegt daher zum Thema Innenprovision kein Aufklärungsmangel vor, weshalb das Berufungsgericht diesbezüglich – im Ergebnis – vertretbar die Ansprüche des Klägers verneint hat.

Textnummer

E122254

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00008.18G.0717.000

Im RIS seit

01.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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