TE OGH 2018/7/10 15Os89/18d

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Veröffentlicht am 10.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrei B***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 19 HR 26/18z (nunmehr AZ 121 Hv 36/18s) des Landesgerichts für Strafsachen Graz über die Grundrechtsbeschwerde des Andrei B***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz, als Beschwerdegericht vom 6. Juni 2018, AZ 9 Bs 195/18x, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Andrei B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

In dem gegen Andrei B***** und andere Beschuldigte wegen des Verdachts des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen geführten Ermittlungsverfahren wurde die mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. April 2018 (ON 250) über Andrei B***** verhängte Untersuchungshaft mit Beschluss desselben Gerichts vom 23. Mai 2018 aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt (ON 324).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde (ON 337) gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 6. Juni 2018, AZ 9 Bs 195/18x, nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft ebenfalls aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und 3 lit a und b StPO fort (ON 346a).

Nach den Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts ist Andrei B***** – soweit hafttragend – dringend verdächtig,

I. in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen durch Einbruch eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, sowie als Mitglied einer neben ihm zumindest aus Gheorghe F*****, Stefan-Sorin N***** (vormals D*****), Gheorghe Di***** und einem weiteren Mitglied bestehenden kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch in Gebäude und Aufbrechen von Behältnissen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch Zueignung der Sachen unrechtmäßig zu bereichern, teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht zu haben, wobei sie unter Einsatz besonderer Mittel handelten, die eine wiederkehrende Begehung nahe legen (Verwendung einer Spitzhacke sowie von Spanngurten zum Herausreißen der Geldautomaten sowie jeweils unter Verwendung von Fahrzeugen) und beim Faktum 3. bereits zwei solche Taten begangen hatten, und zwar

1. in der Nacht zum 13. April 2017 in T***** Berechtigten des in der E*****filiale aufgestellten, mit 23.510 Euro befüllten Geldausgabeautomaten, indem sie mit einer Spitzhacke die Eingangstür aufbrachen, einen Spanngurt, der an einem PKW befestigt war, um den Bankomaten legten und versuchten, diesen aus der Verankerung zu reißen, wobei es lediglich deswegen beim Versuch blieb, weil der Spanngurt riss,

2. in der Nacht zum 2. Juni 2017 in V***** einen LKW der Marke Fiat Ducato im Wert von ca 11.900 Euro, indem sie den Maschendrahtzaun zum Firmenareal aufschnitten, das automatische Zufahrtstor und das automatische Tor zur Werkstättengarage manipulierten, Schlüsseltresore aufbrachen und mit dem widerrechtlich erlangten Schlüssel das Fahrzeug in Betrieb nahmen,

3. am 3. Juni 2017 in A***** Berechtigten des in der M*****filiale aufgestellten mit 12.340 Euro befüllten Geldausgabeautomaten, indem sie mit einem in der Nacht zum 2. Juni 2017 weggenommenen LKW der Marke Fiat Ducato (siehe II.2.) rückwärts gegen die Auslagenscheibe des M*****-Marktes fuhren, unter Verwendung eines Spanngurts den Geldausgabeautomaten aus der Verankerung rissen, auf das Fahrzeug aufluden und damit flüchteten.

II. Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen zu haben, indem sie sich die Gewalt über die Fahrzeuge durch eine der in § 129 StGB geschilderten Handlungen verschafften, und zwar

1. in der Nacht zum 13. April 2017 in T***** den im Eigentum des Unternehmens J***** stehenden PKW der Marke Renault Scenic, rot (Wert rund 10.000 Euro), und den PKW der Marke Renault Scenic, braun (Wert rund 9.000 Euro), indem sie die Eingangstür zu den Geschäftsräumlichkeiten und zur Werkstätte sowie eine Bürotüre aufbrachen bzw aufzwängten, aus einem Kasten die beiden Autoschlüssel für die genannten PKW an sich nahmen und mit den widerrechtlich erlangten Schlüsseln die Fahrzeuge in Betrieb nahmen,

2. in der Nacht zum 2. Juni 2017 in V***** den im Eigentum des Unternehmens G***** stehenden (weiteren; vgl ON 147 S 11 f) LKW der Marke Fiat Ducato (Wert rund 11.900 Euro), indem sie den Maschendrahtzaun aufschnitten, das automatische Zufahrtstor und das automatische Tor zur Werkstättengarage manipulierten, Schlüsseltresore aufbrachen, daraus (unter anderem) den Fahrzeugschlüssel für den genannten LKW an sich nahmen und mit dem widerrechtlich erlangten Schlüssel das Fahrzeug in Betrieb nahmen.

Diesen als sehr wahrscheinlich angenommenen Sachverhalt subsumierte das Beschwerdegericht den Tatbeständen der §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster und zweiter Fall, 15 StGB und § 136 Abs 1 und 2 StGB.

Gegen diesen Beschluss des Beschwerdegerichts richtet sich die die Annahme des dringenden Tatverdachts bekämpfende Grundrechtsbeschwerde des Andrei B*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren hinsichtlich der Sachverhaltsgrundlagen der Haftentscheidung in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden; eine am Gesetz orientierte Beschwerde hat somit einen Darstellungs- oder Begründungsmangel aufzuzeigen oder anhand deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenbestandteile erhebliche Bedenken gegen die vorläufige Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu erwecken (RIS-Justiz RS0110146).

Soweit die Beschwerde stattdessen den vom Oberlandesgericht für die Verdachtslage ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen, nämlich dem Ermittlungsbericht der Analyseabteilung der rumänischen Polizei über die Zuordnung einer Mobiltelefonrufnummer zum Beschuldigten (ON 144) sowie die ursprünglich belastenden, später widerrufenen Angaben des mittlerweile Verurteilten Gheorghe Di***** in seiner Vernehmung vor dem Landeskriminalamt für Niederösterreich (ON 123), eigenständige Erwägungen zum Beweiswert entgegenhält, die Annahmen der rumänischen Polizei als „mangelhaft und nicht logisch empirisch nachvollziehbar“ bezeichnet, auf ein weiteres auf den Beschuldigten angemeldetes Mobiltelefon verweist, dessen Auswertung „negativ“ verlief, und behauptet, die Angaben des Di***** würden „als Ermittlungsquelle“ ausfallen, verfehlt sie eine am Gesetz orientierte Beschwerdekritik.

Mit den den Beschuldigten entlastenden eidesstattlichen Erklärungen von Martin Valentin A***** und Pricop C***** hat sich das Beschwerdegericht auseinandergesetzt (S 7 im Beschluss ON 327, auf den das Oberlandesgericht – zulässigerweise [RIS-Justiz RS0124017] – verweist). Weshalb der Umstand, dass diese Zeugen ihre Angaben vor „der rumänischen Staatsanwaltschaft“ aufrechterhalten haben sollen, dazu führen sollte, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Oberlandesgerichts „nicht einmal ansatzweise vor dem Lichte eines fairen Verfahrens nach Art 5 und 6 MRK in Einklang zu bringen“ seien, bleibt unklar. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Verdachtsannahmen des Oberlandesgerichts vermag die Beschwerde damit nicht zu erwecken.

Soweit der Beschwerdeführer Feststellungen dazu vermisst, „wodurch er 'Mitglied' der kriminellen Vereinigung geworden ist“, legt er nicht dar, weshalb solche Annahmen zur rechtsrichtigen Beurteilung erforderlich sein sollten.

Auch mit dem (neuerlichen) Hinweis auf den Beschuldigten entlastende eidesstattliche Erklärungen, ärztliche Krankenunterlagen und Arbeitszeitaufzeichnungen zu den Tatzeiträumen sowie weiteren eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen zeigt die Beschwerde keinen Darstellungs- oder Begründungsmangel auf, sondern erschöpft sich in einer Betrachtung der Verdachtslage aus der Sicht des Beschwerdeführers.

Die Bezugnahme auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten (ON 348), das dem Oberlandesgericht zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht zur Verfügung stand, verstößt gegen das im Verfahren über Grundrechtsbeschwerden geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0106584).

Auf das in mehreren „Ergänzungen“ zur Grundrechtsbeschwerde erstattete Vorbringen war nicht einzugehen, weil eine bereits ausgeführte Grundrechtsbeschwerde wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels keiner Ergänzung zugänglich ist (RIS-Justiz RS0061430 [T5, T6 und T7]).

Die Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Textnummer

E122100

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00089.18D.0710.000

Im RIS seit

20.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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