TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/22 LVwG-AV-433/001-2018

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Veröffentlicht am 22.05.2018
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Entscheidungsdatum

22.05.2018

Norm

GewO 1994 §74 Abs1
GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §74 Abs3
GewO 1994 §74 Abs7
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §358

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Hofrat Dr. Kindermann-Zeilinger über die Beschwerde des A, ***, ***, vertreten durch die B Rechtsanwäte Gesbr in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 27.03.2018, Zl. ***, betreffend Feststellung der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 358 Gewerbeordnung 1994 (GewO) im Standort ***, ***,

zu Recht:

I.

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 27.03.2018, Zl. ***, wurde festgestellt, dass es sich beim Vorhaben des Beschwerdeführers „Errichtung und Betrieb einer Tischlerei“ im Standort ***, ***, um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO handle. Die Feststellung beziehe sich auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 26.03.2018 sowie auf die Verhandlungsschrift über den Lokalaugenschein vom 26.03.2018.

Als Rechtsgrundlage führt die belangte Behörde § 358 GewO 1994 an.

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass ausgehend von einer Beschwerde des C betreffend einer vom Gewerbestandort des Beschwerdeführers ausgehenden Lärm- und Geruchsbelästigung am 26.03.2018 eine amtswegige Überprüfung der Betriebsanlage des Beschwerdeführers im Standort ***, ***, stattgefunden habe. Im Rahmen dieser Überprüfung habe der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, die belangte Behörde möge feststellen, dass es sich beim Vorhaben „Zusammenbau von Fertigbausätzen“ im Standort ***, ***, um eine nicht genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Sinne der Gewerbeordnung 1994 handle.

Rechtlich führt die belangte Behörde im ergangenen Feststellungsbescheid aus, dass die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage bereits dann vorliege, wenn sie geeignet sei, nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO verursachen zu können. Nicht gefordert sei ein mit Sicherheit feststehender, tatsächlicher Eintritt von Gefährdungen, Belästigungen oder Ähnlichem. Durch die Montagetätigkeiten sowie durch die zu- und abfahrenden Fahrzeuge, mit welchen die „An- und Ablieferung der Möbelstücke“ erfolge, werde Lärm verursacht, der geeignet sei Nachbarn zu belästigen. Da die zu- und abfahrenden Fahrzeuge im Zusammenhang mit der im Standort entfalteten gewerblichen Tätigkeit stehen, seien sie dem Betriebsgeschehen und somit der Betriebsanlage zuzurechnen. Es handle sich somit um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wird der Bescheid in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Unvollständigkeit des maßgeblichen Sachverhalts angefochten und die ergänzende Feststellung beantragt, dass die Zu- und Ablieferung der Fertigmöbelstücke stets über die öffentliche Zufahrt zum Grundstück der Betriebsanlage ohne Benutzung der (dort vorhandenen) privaten Zufahrt erfolge.

Inhaltlich bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass der Schwerpunkt seiner gewerblichen Tätigkeit in der Planung und im Zusammenbau von Möbelfertigteilen liege. Gemäß der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung, BGBl. II Nr. 80/2015, seien Einzelhandelsbetriebe mit einer Betriebsfläche von bis zu 200 m2, Bürobetriebe und Lager in geschlossenen Gebäuden für Waren und Betriebsmittel mit einer Betriebsfläche von bis zu 600 m2 innerhalb der in § 1 Abs. 2 leg. cit. genannten Betriebszeiten genehmigungsfrei, weshalb es sich am Gewerbestandort der *** e.U. somit um keine genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO handle.

Die Ladetätigkeiten würden händisch auf der öffentlichen Straße durchgeführt und seien die Zu- und Ablieferungen sowie das Be- und Entladen der Lieferfahrzeuge somit nicht der gewerberechtlichen Betriebsanlage zuzurechnen. Der ständigen Rechtsprechung des VwGH nach sei das bloße Vorbeifahren (ebenso wie das Anhalten, Halten oder Parken) von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, auch wenn es sich um die einzige Zufahrtsstraße zur Betriebsanlage handle, nicht mehr als zu einer gewerblichen Betriebsanlage gehörendes Geschehen gewertet worden. Entscheidend sei nämlich, ob die befahrene Verkehrsfläche einen Teil der gegenständlichen Betriebsanlage bilde oder als bloß der Zufahrt zu dieser Betriebsanlage dienende Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen sei. Treffe Letzteres zu, seien verkehrsbedingte Immissionen nicht mehr der Betriebsanlage zuzurechnen.

Andernfalls wäre auch die Ausübung der gemäß der Genehmigungsfreistellungs-verordnung erlaubten Lagertätigkeit denkunmöglich, da auch diese die gelegentliche Zu- und Ablieferung von Lagerware notwendig bedinge.

Hinsichtlich der Geräusche die innerhalb der Betriebsanlage - vor allem durch das gelegentliche Anbringen von Metallbeschlägen an den Möbelfertigteilen - entstehen, sei auszuführen, dass es sich dabei um bloß geringfügige, von Nachbarn zu duldende, Immissionen handle.

Bereits aus dem Akteninhalt ergibt sich der folgender entscheidungsrelevante Sacherhalt:

Der Beschwerdeführer hat im Standort ***, ***, das Gewerbe „Tischler verbunden mit Modellbauer; Bootbauer; Binder; Drechsler; Bildhauer (verbundenes Handwerk)“ unter dem Namen „*** e.U.“, eingeschränkt auf den Bürobetrieb angemeldet. Der Schwerpunkt der *** e.U liegt in der Planung und im Zusammenbau von Möbelfertigteilen.

Für den Gewerbebetrieb bzw. Gewerbestandort ist keine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung gegeben.

Am Gewerbestandort, welcher im Siedlungsgebiet liegt, befindet sich angrenzend an das Wohnhaus eine ehemalige Garage, in welcher vor Jahrzehnten vom Vater des Beschwerdeführers eine Hobbytischlerei eingerichtet worden ist und von diesem auch weiterhin gelegentlich benutzt wird. In einem Teil dieser Hobbytischlerei bzw. Werkstatt werden vom Beschwerdeführer Möbelfertigteile, die von Drittfirmen angeliefert werden, ausgepackt, zusammengebaut und eventuell mit zusätzlichen Beschlägen versehen. Anschließend werden die zusammengebauten Möbel vom Beschwerdeführer zur Montage abtransportiert. Der Zusammenbau erfolgt mittels Handwerkzeugen und Akkuschrauber. Bearbeitungsschritte der fertig angelieferten Möbelbauteile erfolgen nicht.

Pro Woche werden ca. zwei bis drei Mal Möbel zusammengebaut (ca. 07:00 bis 18:00 werktags, Montag bis Freitag). Bei der Werkstatt handelt es sich somit um keinen ausschließlich für Lagerzwecke genutzten Raum.

Anlieferungen erfolgen ca. ein Mal im Monat mittels LKW. Zusätzlich erfolgen Anlieferungen kleinerer Möbelbestandteile mittels Paketdienst (Klein-LKW). Die Auslieferung erfolgt mittels Kleinbusses (unter 3,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht). Die Ladetätigkeiten werden händisch auf der öffentlichen Straße vorgenommen.

In der Betriebsstätte be?nden sich mehrere Maschinen, so eine Tischkreissäge, eine

Bandschleifmaschine und eine zentrale Staubabsaugung. Nicht festgestellt werden

kann, ob diese Maschinen vom Beschwerdeführer im Rahmen seines Gewerbes genutzt werden.

Festgestellt wird hingegen, dass die vom Beschwerdeführer durchgeführten Montagetätigkeiten sowie die Liefer- und Ladetätigkeiten grundsätzlich akustisch wahrnehmbare Geräusche verursachen.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt zur Zl. ***, insbesondere aus der Verhandlungsschrift der amtswegigen Überprüfung vom 26.03.2018, sowie durch Einsichtnahme in das Gewerbe-Informations-System-Austria hinsichtlich der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers.

Der so festgestellte Sachverhalt ist im Übrigen auch unbestritten geblieben.

Soweit davon ausgegangen wird, dass die in Rede stehenden Montagetätigkeiten sowie die Liefer- und Ladetätigkeiten grundsätzlich akustisch wahrnehmbare Geräusche verursachen, stützt sich das erkennende Gericht auf die allgemeine Lebenserfahrung sowie die Erfahrungen des täglichen Lebens, wonach derartige Tätigkeiten und Manipulationen grundsätzlich nicht geräuschfrei denkbar sind.

Dass die Ladetätigkeiten auf der öffentlichen Straße erfolgen, ergibt sich nach Einsichtnahme in das Geoinformationssystem des Landes NÖ insbesondere dadurch, dass es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um eine ehemalige Garage eines Wohnhauses handelt, welche unmittelbarer an die öffentliche Straße angrenzt und weder für einen LKW noch für einen Klein-LKW oder Kleinbus eine Zufahrtsmöglichkeit zur Betriebsanlage am Betriebsgrundstück besteht.

In rechtlicher Hinsicht war dazu Folgendes zu erwägen:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28. Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.   das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.   die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.   die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.   die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.   eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Nach § 74 Abs. 3 GewO besteht die Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Gemäß § 74 Abs. 7 GewO kann der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Arten von Betriebsanlagen, für die jedenfalls keine Genehmigung erforderlich ist, durch Verordnung bezeichnen, wenn von ihnen erwartet werden kann, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind.

§ 75 Abs. 2 GewO lautet:

Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

§ 358 GewO lautet:

(1) Werden Umstände bekannt, die die Genehmigungspflicht einer Anlage im Sinne des § 74 begründen könnten, zieht aber der Inhaber der Anlage in Zweifel, dass die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht gegeben seien, so hat die Behörde auf Antrag des Inhabers der Anlage die Anlage oder das Vorhaben zu prüfen und durch Bescheid festzustellen, ob die Errichtung und der Betrieb der Anlage der Genehmigung bedürfen. Ein Feststellungsbescheid ist jedoch nicht zu erlassen, wenn die Genehmigungspflicht der Anlage offenkundig ist. Ergeben sich im Feststellungsverfahren Zweifel, ob dieses Bundesgesetz auf jene Tätigkeit anzuwenden ist, der die Anlage regelmäßig zu dienen bestimmt ist, so ist dieses Verfahren zu unterbrechen und ein Feststellungsverfahren gemäß § 348

durchzuführen.

(2) Durch ein solches Verfahren zur Feststellung der Genehmigungspflicht wird

späteren Feststellungen über Art und Umfang der möglichen Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen und nachteiligen Einwirkungen nicht vorgegriffen.

(3) Abs. 1 ist sinngemäß anzuwenden, wenn der Inhaber einer gewerblichen Betriebsanlage die Feststellung beantragt, ob eine gemäß § 82 Abs. 1 erlassene Verordnung oder der Abschnitt 8a betreffend die Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen auf seine Betriebsanlage anzuwenden ist.

§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über genehmigungsfreie Arten von Betriebsanlagen (2. Genehmigungsfreistellungs-verordnung) lautet:

(1) Für folgende Arten von Betriebsanlagen ist jedenfalls keine Genehmigung erforderlich, sofern die in Abs. 2 bestimmten Betriebszeiten eingehalten werden und § 2 nicht anderes bestimmt:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Einzelhandelsbetriebe mit einer Betriebsfläche von bis zu 200 m2;

2.

Bürobetriebe;

3.

Lager in geschlossenen Gebäuden für Waren und Betriebsmittel mit einer Betriebsfläche von bis zu 600 m2;

4.

Kosmetik-, Fußpflege-, Frisör-, Massage- und Bandagistenbetriebe;

5.

Änderungsschneidereien und Schuhservicebetriebe;

6.

Fotografenbetriebe.

(2) Die in Abs. 1 bezeichneten Betriebsanlagen werden innerhalb folgender Betriebszeiten betrieben:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

an Werktagen von Montag bis Freitag zwischen 6 und 22 Uhr, ausgenommen Lieferverkehr,

2.

an Werktagen am Samstag zwischen 6 und 19 Uhr, ausgenommen Lieferverkehr,

3.

für Lieferverkehr an Werktagen von Montag bis Freitag zwischen 6 und 19 Uhr, und

4.

für Lieferverkehr an Werktagen am Samstag zwischen 6 und 18 Uhr.

Vorerst ist festzuhalten, dass es sich bei der ehemaligen Garage im Standort ***, ***, um eine örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit, nämlich der Ausübung des Tischlergewerbes in der Form des Zusammenbaus von Möbelfertigbausätzen, nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist, handelt.

Es liegt somit eine Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 vor, was auch nicht bestritten wurde.

Im vorliegenden Zusammenhang ist zu prüfen, ob es sich um eine ‚genehmigungs-pflichtige‘ Betriebsanlage handelt.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hat der Beschwerdeführer im Standort ***, ***, das Gewerbe „Tischler verbunden mit Modellbauer; Bootbauer; Binder; Drechsler; Bildhauer (verbundenes Handwerk)“ eingeschränkt auf den Bürobetrieb angemeldet. Tatsächlich werden am Gewerbestandort jedoch nicht ausschließlich Bürotätigkeiten verrichtet, sondern erfolgt dort in faktischer Hinsicht der gänzliche Zusammenbau der angelieferten Möbelfertigteile, einschließlich der Zulieferung dieser Möbelteile und der Ablieferung bzw. des Abtransportes der fertigen Möbel sowie deren (vorübergehende) Lagerung.

Die Argumentation in der Beschwerde, wonach eine nach der 2. Genehmigungs-freistellungsverordnung genehmigungsfreie Lagertätigkeit auch eine gelegentliche Zu- und Ablieferung von Lagerware notwendig bedinge, übersieht, dass im vorliegenden Fall kein reiner Lagerbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung vorliegt, erfolgen doch auch der Zusammenbau der Möbelfertigteile und die damit in Zusammenhang stehenden Manipulationen am Betriebsstandort.

Von einer somit von vorneherein gegebenen Genehmigungsfreiheit der Anlage nach der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung kann daher nicht ausgegangen werden.

Ob im Konkreten eine Genehmigungspflicht besteht, ist daher anhand der Kriterien des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu prüfen. Demnach unterliegt eine Betriebsanlage unter anderem dann der Genehmigungspflicht, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet ist, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Durch die Montagetätigkeiten und die Zu- und Ablieferungen der Möbelstücke durch LKW, Klein-LKW und Kleinbusse wird Lärm verursacht, der grundsätzlich geeignet ist, Nachbarn zu belästigen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in der bei der Behörde wegen Lärmbelästigung eingegangenen Beschwerde aus der Nachbarschaft.

Zur Frage inwieweit das Zu- und Abfahren der Lieferfahrzeuge und die Ladetätigkeit auf öffentlichen Straßen einer Betriebsanlage zuzurechnen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass zwischen Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO grundsätzlich zu unterscheiden ist. Dies schließt - sofern es sich nicht um ein Verhalten von Kunden handelt, das gemäß § 74 Abs. 3 GewO der Betriebsanlage nur dann zuzurechnen ist, wenn es "in der Betriebsanlage" stattfindet - nicht aus, dass die Eignung einer "örtlich gebundenen Einrichtung", die Nachbarn zu belästigen, in Vorgängen liegen kann, die sich zwar außerhalb, aber im engeren örtlichen Bereich der Betriebsanlage abspielen. Solche Vorgänge sind aber gegenüber dem Verkehr auf öffentlichen Straßen in der Weise abzugrenzen, dass zwar das wesentlich zum Betriebsgeschehen in einer Betriebsanlage gehörende Zufahren zu dieser und das Wegfahren von dieser, nicht jedoch das bloße Vorbeifahren auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr dem einer Betriebsanlage zugehörenden Geschehen zuzurechnen ist (VwGH 14.4.1999, 98/04/0225 mit Hinweis auf VwGH 7.7.1993, 91/04/0338).

Es wird dabei nicht nur das Verhalten des Betriebsinhabers, sondern auch das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen der Betriebsanlage zugerechnet. Der Begriff des Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 74 Abs. 3 GewO ist von dem in § 1313a ABGB normierten Begriff zu unterscheiden. Erfüllungsgehilfen gemäß § 74 Abs. 3 GewO sind Personen, die bei Errichtung und/oder Betrieb der Betriebsanlage mit dem Willen des Inhabers der Anlage tätig werden. Dazu zählen auch Lieferanten (vgl. Reithmayer-Ebner in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO Band 11, § 74 Rz 20f mit Hinweis auf VwGH 2.6.1999, 98/04/0099).

Daraus ergibt sich, dass der Lärm aus dem Zu- und Abfahren der Lieferanten und des Betriebsinhabers sowie der entstehende Lärm im Zuge der Verladetätigkeit selbst dann der Betriebsanlage zuzurechnen ist, wenn es sich beim Verladeplatz um eine öffentliche Verkehrsfläche handelt.

Darüber hinaus verursacht auch der Zusammenbau der Möbelfertigteile mittels Handwerkzeugen und Akkuschrauber Geräusche, welche zu einer Lärmbelästigung von Nachbarn führen können, insbesondere weil sich die Betriebsanlage des Beschwerdeführers in einer ehemaligen Garage inmitten einer Siedlung befindet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage nicht darauf an, ob von dieser Betriebsanlage tatsächlich die im Gesetz näher beschriebenen Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen ausgehen. Die Genehmigungspflicht der Anlage ist vielmehr bereits dann gegeben, wenn solche Auswirkungen nicht auszuschließen sind. Bereits die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage, Gefährdungen, Belästigungen, etc. im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen, begründet demnach die Genehmigungspflicht dieser Anlage.

Die Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO ist daher immer schon dann gegeben, wenn die im § 74 Abs. 2 GewO genannten Auswirkungen nicht auszuschließen sind, und zwar selbst dann, wenn es sich um Auswirkungen handelt, die für gewerbliche Betriebsanlagen nicht spezifisch sind, sondern auch ohne Zusammenhang mit solchen Anlagen auftreten können; so können auch Geräte und Einrichtungen, die auch in herkömmlichen Privathaushalten verwendet werden, Gefährdungen oder Belästigungen verursachen und damit die Genehmigungspflicht auslösen (vgl. Reithmayer-Ebner in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO Band 11, § 74 Rz 34; hier z.B. Stereoanlage im Betrieb eines Gasthauses [VwGH 24.4.1981, 1145/80] oder auch Frittiergeräte, etc).

Ob diese Gefährdungen, Belästigungen, etc. im konkreten Fall von der Betriebsanlage auch tatsächlich ausgehen, ist sodann im Genehmigungsverfahren zu prüfen und – je nach dem Ergebnis dieser Prüfung – die Genehmigung nach § 77 allenfalls unter Vorschreibung von Auflagen zu erteilen oder zu versagen (vgl. Reithmayer-Ebner in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO Band 11, § 74 Rz 32 mit Hinweis auf VwGH 22.2.2001/2000/04/0206 und weiteren Hinweisen).

Da durch das Zusammenbauen der Möbelteile sowie durch das Zu- und Abfahren der LKW, Klein-LKW und Kleinbusse durch Lieferanten und den Beschwerdeführer als Betriebsinhaber, Geräusche, die über das bloße Vorbeifahren im Zuge der an der Betriebsanlage vorbeiführenden Straße mit öffentlichem Verkehr hinausgehen - insbesondere Bremsen, Rückfahrwarnsignale, Schließen von Türen bzw. Bordwänden, Startvorgänge – entstehen, welche anhand der oben angeführten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch der Betriebsanlage zuzurechnen sind und überdies geeignet sind, Nachbarn zu belästigen, liegt eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage vor und war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 3 iVm Abs. 5 VwGVG abgesehen werden, zumal der fehlende ausdrückliche Antrag in der von einem Rechtsanwalt verfassten Beschwerde als impliziter Verzicht auf Abhaltung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu verstehen ist (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0021).

Darüber hinaus war durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der

Rechtssache nicht zu erwarten und steht der Entfall einer Verhandlung weder Art. 6

Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen. Da im gegenständlichen Fall der

Sachverhalt geklärt war und ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen waren, deren

Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht

erforderlich war, erschien die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß

§ 24 Abs. 4 VwGVG auch aus diesem Grund nicht geboten (vgl. dazu etwa VwGH

26.04.2016, Ra 2015/09/0137; VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0118; VwGH

30.07.2015, Ra 2015/22/0008).

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Lösung der Rechtsfrage ergibt sich vielmehr aus dem Gesetzeswortlaut des § 74 Abs. 2 GewO 1994 sowie aus der umfangreich zitierten Judikatur zur Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage.

Schlagworte

Gewerberecht; Betriebsanlage; Genehmigungspflicht; Lärm; Verladeplatz;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.433.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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