Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §26 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/20/0513Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über den Antrag des am 10. Oktober 1975 geborenen ME, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Juli 1998, Zl. 201.018/0-V/165/98 (hg. Zl. 99/20/0393), sowie über die Beschwerde gegen diesen Bescheid (hg. Zl. 99/20/0513), betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:
Spruch
1.) Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Aus dem Antrag und der Beschwerde des Antragstellers ergibt sich in Übereinstimmung mit dem anzufechtenden Bescheid, dass der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, am 24. September 1997 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet einreiste und am 25. September 1997 einen Antrag auf Gewährung von Asyl stellte, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. November 1997 abgewiesen wurde.
Mit dem anzufechtenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Juli 1998 wurde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, abgewiesen.
Mit Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 22. Juli 1999, verbessert mit Schriftsatz seines Verfahrenshelfers vom 12. Jänner 2000, beantragte der Asylwerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof (hg. Zl. 98/20/0393) und holte die Beschwerde gegen den anzufechtenden Bescheid nach (hg. Zl. 98/20/0513). Als Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages gab er zusammengefasst an, der Bescheid sei an seine letzte Meldeadresse in Graz zugestellt worden; zu diesem Zeitpunkt habe er gerade eine Gefängnisstrafe im Landesgefangenenhaus in Wien verbüsst. Erst im Rahmen einer Beratung beim Flughafensozialdienst am 22. Juli 1999 habe er von der Erlassung dieses Bescheides an seiner Grazer Adresse Kenntnis erlangt. Darauf habe er sofort den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der anzufechtende Bescheid sei ihm nicht rechtswirksam zugestellt worden, weil er sich gerade im Zeitraum der Zustellung, nämlich vom 24. Juli bis 25. August 1998, in Untersuchungshaft im Landesgericht für Strafsachen Wien aufgehalten habe und danach nicht mehr nach Graz zurückgekehrt sei.
Der unabhängige Bundesasylsenat gab auf Nachfrage des Verwaltungsgerichtshofes bekannt, es sei vorerst versucht worden, den anzufechtenden Bescheid an die Grazer Adresse des Asylwerbers zuzustellen; die Sendung sei aber mit dem Vermerk "verzogen" retourniert worden. Eine daraufhin durchgeführte Meldeamtsanfrage vom 30. Juli 1998 habe eine neue Adresse des Asylwerbers im 17. Wiener Gemeindebezirk ergeben, wo der anzufechtende Bescheid schließlich durch Hinterlegung (mit Wirkung vom 5. August 1998) zugestellt worden sei. Dem Bundesasylamt Graz sei der anzufechtende Bescheid bereits am 23. Juli 1998 zugestellt worden.
1) Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hg. Zl. 99/20/0393):
Gemäß § 46 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher die Behauptung eines Rechtsnachteiles, somit durch eine Fristversäumung eines (zumindest behaupteten) Anspruches verlustig gegangen zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0864). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt daher voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Mai 1981, Zlen. 81/03/0066, 0067, 0103, 0104). Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Bescheides nicht rechtswirksam, d. h. nicht unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Beschwerdefrist auch keine Frist versäumt werden kann (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1985, Zlen. 85/02/0188 und 0189, vom 27. September 1989, Zl. 89/02/0112, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993).
Verneint der Wiedereinsetzungswerber also selbst, dass eine Fristversäumung vorliegt, weil der die Frist auslösende Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, kommt aus diesem Grunde eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stützt sich in seiner Begründung ausschließlich auf eine nicht rechtmäßig erfolgte Zustellung des Berufungsbescheides; daher fehlt es an einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründenden Tatbestand, zumal - folgt man dem Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers - wegen der Ortsabwesenheit des Wiedereinsetzungswerbers von der Zustelladresse infolge seiner Inhaftierung in der Zeit vom 24. Juli 1998 bis 25. August 1998 die vorgenommene Zustellung durch Hinterlegung keine Rechtswirkungen entfalten konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 95/02/0446); für ein Zukommen des anzufechtenden Bescheides im Sinne des § 7 ZustG finden sich - auch mangels Beantwortung einer entsprechenden Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes an den Antragsteller hinsichtlich der Umstände des Zukommens des dem Antrag in Kopie beiliegenden Bescheides - keine Anhaltspunkte.
War aber der anzufechtende Bescheid gegenüber dem Antragsteller und Beschwerdeführer nicht erlassen und gar keine Frist versäumt, so war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG nicht stattzugeben.
2) Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 22. Juli 1998 (hg. Zl. 99/20/0513):
Der Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 1998 wurde gegenüber dem Bundesasylamt Graz am 23. Juli 1998 erlassen. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers konnte infolge seiner Inhaftierung im Zeitraum vom 24. Juli 1998 bis 25. August 1998 die Hinterlegung des angefochtenen Bescheides nicht die Rechtswirkung der Zustellung entfalten, weil der Beschwerdeführer nicht regelmäßig an der Abgabestelle anwesend war. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht gegenüber dem Beschwerdeführer, aber - bereits im Juli 1998 - gegenüber dem Bundesasylamt als weitere Partei des Verfahrens erlassen worden.
Zwar kann gemäß § 26 Abs. 2 VwGG die Beschwerde auch erhoben werden, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Die Vorschrift hat daher nur im Mehrparteienverfahren einen Anwendungsbereich. Dass der Beschwerdeführer von diesem Recht nach § 26 Abs. 2 VwGG Gebrauch machen will, muss jedoch der Beschwerde entnommen werden können, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn sich der Beschwerdeführer auf diese Vorschrift beruft und auch dartut, dass der Bescheid überhaupt erlassen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde auf die Bestimmung des § 26 Abs. 2 VwGG weder ausdrücklich noch sinngemäß Bezug genommen und auch nicht dargelegt, dass der anzufechtende Bescheid etwa früher gegenüber der anderen Partei des Verfahrens (hier: gegenüber dem Bundesasylamt) erlassen worden sei. Der vorliegende Sachverhalt erlaubt es daher nicht, die Beschwerde als eine solche nach § 26 Abs. 2 VwGG (gegen den seinerzeit nur dem Bundesasylamt gegenüber rite erlassenen Bescheid, bevor dieser dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist) zu deuten (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. Oktober 1996, Zl. 94/17/0290, und vom 12. August 1997, Zl. 97/17/0225).
Die Beschwerde war daher mangels Vorliegens eines dem Beschwerdeführer zugestellten oder verkündeten Bescheides gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch des Bescheides über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 27. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999200393.X00Im RIS seit
04.05.2001