TE OGH 2018/6/25 8Ob121/17b

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Veröffentlicht am 25.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.

 Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmayr, Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei t***** GesmbH, *****, vertreten durch GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Auer Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 38.944,32 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 35.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. August 2017, GZ 3 R 75/17w-126, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 7. April 2017, GZ 64 Cg 51/10v-122, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte schrieb für ihr Betriebsgebäude die Herstellung von Fassaden-Sandwichpaneelen und einer Blechfassade aus. Die Klägerin legte für diese Gewerke ein schriftliches Anbot, das bei der Vergabeverhandlung von der Beklagten angenommen wurde. Die Parteien schlossen einen Werkvertrag, wonach die Klägerin die Sandwichpaneele um 73.020 EUR netto und die Blechfassade um 51.800 EUR netto je abzüglich eines Nachlasses von 7 % ausführen sollte. Trotz Leistungsbereitschaft der Klägerin unterblieb die Ausführung des Werks, weil die Beklagte sich auf den Standpunkt stellte, keinen Auftrag erteilt zu haben und die Arbeiten von einem anderen Unternehmen ausführen ließ.

Die Klägerin begehrt unter Berücksichtigung einer Eigenersparnis von 83.629 EUR netto die Zahlung des restlichen Werklohns von 38.944,32 EUR sA.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, das Werk sei zu dem angebotenen Preis technisch nicht mangelfrei innerhalb der Frist ausführbar gewesen. Die Klägerin hätte vielmehr einen erheblichen Verlust erlitten. So habe sie die Sandwichpaneele um 55 EUR netto/m2 angeboten, sie hätte das Material jedoch bestenfalls um 70 EUR netto/m2 zukaufen können, zuzüglich der Kosten des Fugenmaterials bedeutet das einen Nettoverlust an Material von 31 EUR/m2. Auch bei der Blechfassade seien die Materialkosten und die Arbeitskosten wesentlich geringer veranschlagt gewesen als von der Firma, die letztlich die Ausführung übernommen habe. Die Lohnkosten seien ebenfalls zu gering angesetzt. Für LKW-Transport und Montagekosten mit Bühne seien nur 550 EUR netto kalkuliert worden, die ausführende Firma habe dafür 37.700 EUR netto auslegen müssen. Obwohl die ausführende Firma den Werkauftrag um insgesamt 160.274,56 EUR netto übernommen habe, habe sie einen Gesamtverlust von rund 41.200 EUR netto erlitten. Der Werkvertrag hätte daher von der Klägerin niemals kostendeckend mängelfrei ausgeführt werden können.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf nachfolgende Feststellungen:

„Bei tatsächlicher Ausführung des Werkvertrags hätte die Klägerin, die ihre Angebote insgesamt zu niedrig kalkuliert hatte, bei Gesamtbetrachtung beider Gewerke (Blechfassade und Sandwichpaneele) jedenfalls insgesamt einen Verlust erlitten. Dieser Verlust ist durch das Unterbleiben der Auftragsdurchführung nicht eingetreten.“

Rechtlich führte es aus, dass bei Unterbleiben der Werkausführung kein Vergütungsanspruch bestehe, wenn sich der Unternehmer die verlustbringenden Aufwendungen erspart habe. Da nicht feststehe, ob die Klägerin überhaupt Aufwendungen getätigt habe, habe sie keinen Werklohnanspruch.

Der Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge. Bei Abbestellung des Werks habe der Unternehmer nach § 1168 Abs 1 ABGB Anspruch auf den Werklohn. Er solle jedoch weder besser noch schlechter gestellt werden als bei Ausführung des Werks. Es stehe fest, dass die Klägerin bei Ausführung der Arbeiten einen Verlust erlitten hätte. Dieser sei aufgrund der Nichtdurchführung nicht entstanden. Bei einer nicht kostendeckenden Verlustkalkulation gebühre nur ein entsprechender Teil des Aufwands. Dass im konkreten Fall nähere Feststellungen zur Höhe des Verlustes fehlten, schade nicht, da es Sache der Klägerin gewesen wäre, ihren bis zur Abbestellung des Geschäfts getätigten Aufwand zu beweisen. Das sei ihr jedoch nicht gelungen. Es fehle aber auch an entsprechenden Behauptungen. Daher könne sie auch keinen anteiligen Ersatz ihres Aufwands begehren.

Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Die Klägerin begehrt in ihrer gegen die Abweisung eines Betrags von 35.000 EUR gerichteten außerordentlichen Revision, das Urteil dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Nicht mehr strittig im Revisionsverfahren ist, dass ein Werkvertrag zustande gekommen ist, dessen Ausführung aufgrund von Umständen, die die Beklagte zu vertreten hat, unterblieben ist.

1. Nach § 1168 Abs 1 ABGB gebührt dem Unternehmer das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände auf Seiten des Bestellers, wie insbesondere die Abbestellung des Werks, an der Ausführung des Werks (endgültig) verhindert worden ist. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben verabsäumt hat.

Bei der Ermittlung dessen, was dem Unternehmen zu vergüten ist, ist daher zunächst zu errechnen, welche Vergütung ihm zustünde, wenn das Vertragsverhältnis nicht durch Stornierung des Auftrags seitens des Bestellers beendet worden wäre. Dieser Entgeltanspruch ist auf Antrag des Bestellers um das zu mindern, was sich der Unternehmer infolge Unterbleibens erspart hat, wie insbesondere nicht verbrauchtes Material und Entgelt für nicht in Anspruch genommene Fremdleistungen, und damit um variable Kosten. Aufwendungen für Produktionsfaktoren, die zwar nicht eingesetzt wurden, aber trotzdem bereitgehalten und bezahlt wurden (Fixkosten), sind nicht als Erspartes anzurechnen (vgl Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1168 Rz 35).

2. Der Unternehmer muss seine Leistungsbereitschaft, das Unterbleiben infolge von Umständen auf Seiten des Bestellers und die Höhe seines Anspruchs behaupten und beweisen (RIS-Justiz RS0021841 [T3]; vgl auch Reiner in Schwimann, ABGB Taschenkommentar³, § 1168 Rz 10 ua). Es ist aber Sache des Bestellers, konkrete Behauptungen darüber aufzustellen und zu beweisen, was sich der Unternehmer durch das Unterbleiben der Arbeit erspart hat (RIS-Justiz RS0021768; RS0112187; RS0021841).

3. § 1168 Abs 1 ABGB bezweckt, die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für den Unternehmer zu erhalten. Er soll durch die Stornierung des Werkauftrags keine Schlechterstellung, aber auch keine Besserstellung auf Kosten des Vertragspartners erfahren (RIS-Justiz RS0021779).

Eine Besserstellung würde aber eintreten, wenn der Werklohn so kalkuliert wurde, dass der Unternehmer bei Ausführung des Auftrags einen Verlust erlitten hätte, ihm aber dennoch der gesamte bis zur Stornierung des Auftrags getätigte Aufwand zuerkannt würde (vgl Krejci in Rummel, ABGB³ § 1168 Rz 15). Davon ausgehend wurde in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 642/90 darauf verwiesen, dass es vom Ansatzpunkt her unzutreffend sei, einen Ersatzanspruch des Unternehmers nach den von ihm getätigten Aufwendungen zu bestimmen und den Aufwand noch daraufhin zu prüfen, ob er angemessen sei.

Den Vorinstanzen kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass, weil die Klägerin nicht nachweisen konnte, in Ausführung des Werks bereits einen Aufwand getätigt zu haben, ihr deshalb überhaupt kein Anspruch zusteht. Richtig zeigt die Revision auf, dass bei Verlustgeschäften, also Geschäften, bei denen das vereinbarte Entgelt die Gesamtkosten des Unternehmers bei Auftragserfüllung nicht abdecken kann, nicht auszuschließen ist, dass dessen ungeachtet die Fixkosten zumindest zum Teil abgedeckt hätten werden können, wodurch das unternehmerische Gesamtergebnis verbessert worden wäre. Betragen bei einem vereinbarten Entgelt von 80 die Fixkosten 60 und die variablen Kosten 40 hätte der Verlust bei Ausführung 20 betragen. Soll der Unternehmer bei Unterbleiben der Ausführung genauso gestellt werden wie bei Durchführung muss er, trotzdem es sich um ein Verlustgeschäft handelt, 40 erhalten.

Gerade dieses Ergebnis erzielt man aber, wenn man, wie vom Gesetz vorgesehen, vom vereinbarten Entgelt die ersparten Aufwendungen abzieht (vgl dazu die ausführliche Darstellung in Van Gelder, NJW 1975, 189 ff zur vergleichbaren Bestimmung des § 649 Satz 2 BGB). Im Rahmen der nicht ersparten Ausgaben verbleibt dann dem Unternehmer jener Verlust, der auch bei Durchführung des Rechtsgeschäfts nicht hätte vermieden werden können. Nur wenn diese Berechnung ein negatives Ergebnis ergäbe, hätte der Werkunternehmer keinen Ersatzanspruch. Dies steht auch im Einklang mit der zitierten Entscheidung 1 Ob 642/90, die letztlich nur darauf verweist, dass das nach § 1168 Abs 1 ABGB zu zahlende Entgelt bei Verlustgeschäften nicht ohne weiteres mit dem bereits getätigten Aufwand gleichzusetzen ist, da der Unternehmer sonst besser gestellt würde als bei einer Ausführung des Geschäfts.

4. Aus den getroffenen Feststellungen lässt sich jedoch nur ableiten, dass das Geschäft für die Klägerin als solches einen Verlust dargestellt hätte, nicht aber, ob die Klägerin durch das wirtschaftliche Ergebnis bei Durchführung des Auftrags nicht ungeachtet des Umstands, dass es sich insgesamt um ein Verlustgeschäft gehandelt hat, einen wirtschaftlichen Vorteil lukrieren hätte können.

Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin diesbezüglich ihrer Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen ist. Die Klägerin hat das vereinbarte Entgelt abzüglich von ihr selbst angerechneter Ersparnisse geltend gemacht. Dass darüber hinaus Anrechnungen vorzunehmen sind, die zu einem so negativen Ergebnis führen, sodass für die Klägerin überhaupt kein wirtschaftlicher Vorteil mit dem Geschäft verbunden gewesen wäre, ist aber, wie ausgeführt, von der Beklagten zu behaupten und zu beweisen.

Da das Erstgericht ausgehend von der vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht die zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, lässt sich die Berechtigung des Klagebegehrens derzeit nicht beurteilen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E122043

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00121.17B.0625.000

Im RIS seit

18.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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