RS OGH 2018/3/28 6Ob19/18i, 6Ob202/19b

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.03.2018
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Norm

LGVÜ II 2007 Art23

Rechtssatz

Nach dem Grundsatz der "Autonomie der Gerichtsstandsvereinbarung" bildet diese eine vom Hauptvertrag unabhängige Übereinkunft. Demnach kann gegen ihre Gültigkeit nicht eingewendet werden, der Hauptvertrag sei ungültig. Dies gilt aber nur dann, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ihrerseits wirksam zustande gekommen ist, denn es ist möglich, dass Gerichtsstandsvereinbarung und Haupvertrag ausnahmsweise an demselben Wirksamkeitsmangel leiden ("Fehleridentität"). Der Grundsatz der Unabhängigkeit vom Hauptvertrag bedeutet daher nicht, dass auch Streitigkeiten um das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung als Teil des Hauptvertrags jedenfalls vor dem – scheinbar – prorogierten Gericht auszutragen wären.

Entscheidungstexte

  • 6 Ob 19/18i
    Entscheidungstext OGH 28.03.2018 6 Ob 19/18i
    Beisatz: Fehleridentität liegt etwa vor, wenn die den Vertrag abschließende Partei nicht handlungsfähig oder nicht rechtswirksam vertreten war oder wenn der Hauptvertrag an einem grundlegenden Fehler in der Willensbildung, wie einem offenen Dissens leidet oder durch Furchterregung erzwungen wurde. Nicht darunter fallen hingegen beispielsweise die Fälle der „Übervorteilung“ nach Art 21 Schweizer Obligationenrecht (entspricht im Wesentlichen dem Wucher nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB), Irrtum oder absichtlicher Täuschung, gröbliche Benachteiligung, Sitten? oder Gesetzwidrigkeit sowie Äquivalenzstörungen des Hauptvertrags, während es bei Willensmängeln darauf ankommt, ob auch die Gerichtsstandsvereinbarung bei isolierter Betrachtung von dem geltend gemachten Willensmangel betroffen ist. Auch in Fällen der Fehleridentität gibt es aber keinen Nexus oder ein Junktim zwischen den beiden Unwirksamkeiten, weil sie verschiedene Gegenstände haben. (T1)
    Beisatz: Hier: Im Fall des behaupteten Missbrauchs der Vertretungsmacht ist eine gesonderte Beurteilung der Gerichtsstandsvereinbarung und des Hauptvertrags erforderlich. Ein Missbrauch wäre nur dann relevant, wenn er sich gerade auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung bezieht und die Rechtsschutz? bzw Rechtsverteidigungsmöglichkeiten der Partei aus spezifisch prozessualen Gründen durch einen Nachteil von besonderem Gewicht beeinträchtigt. (T2)
    Veröff: SZ 2018/28
  • 6 Ob 202/19b
    Entscheidungstext OGH 23.01.2020 6 Ob 202/19b
    Beis wie T1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:RS0132040

Im RIS seit

28.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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