TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/24 W183 2174998-1

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Veröffentlicht am 24.05.2018
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Entscheidungsdatum

24.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31

Spruch

W183 2174998-1/12E

W183 2195788-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER über die Beschwerde von 1) XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2018 sowie über die Beschwerde von 2) XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Den Beschwerden wird jeweils hinsichtlich Spruchpunkt I. der Bescheide stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Beschwerde von XXXX gegen Spruchpunkte II. und III. des genannten Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 VwGG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) verließ im Jahr 2012 Somalia, stellte am 04.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 05.10.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 08.09.2017 wurde BF1 von der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) ist die am XXXX in Österreich nachgeborene Tochter der BF1 und stellte diese durch ihre gesetzliche Vertreterin (BF1) am 20.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im behördlichen Verfahren gab BF1 als Fluchtgrund im Wesentlichen Verfolgung und drohende Zwangsverheiratung durch al-Shabaab an.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.09.2018 erteilt.

Das BFA stellte den Beschwerdeführern (BF) amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 25.10.2017 erhob BF1 durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 15.09.2017.

Mit Schriftsatz vom 09.05.2018 erhob BF2 (vertreten durch BF1) durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 03.05.2018 ("in seinem vollem Umfang").

4. Mit Schriftsätzen vom 25.10.2017 (eingelangt am 30.10.2017) bzw. 14.05.2018 (eingelangt am 18.05.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerden samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. Mit Schreiben vom 06.12.2017 wurden die BF 1 sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.03.2018 geladen und wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, Wien am 25.4.2016 (letzte Informationen eingefügt am 08.08.2017)" sowie den FFM Bericht vom August 2017 als Feststellungen zur Situation in Somalia seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.03.2018 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF sowie deren Rechtsvertretung teilnahmen. Die BF1 wurde ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen auch betreffend die Tochter (BF2) befragt und wurde ihr Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 12.01.2018 zum Parteiengehör. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 06.03.2018 eine Strafregisterabfrage betreffend BF 1 durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerinnen

1.1.1. BF1 ist eine 1994 geborene, volljährige somalische Staatsangehörige muslimischen Glaubens. Sie verließ im Jahr 2012 Somalia und stellte am 04.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. BF1 stammt aus Qoryoley in der Region Lower Shabelle. BF1 besuchte (bis auf ein Jahr Koranschule) keine Schule in Somalia.

1.1.2. BF2 ist die Tochter von BF1 und wurde am XXXX in Österreich geboren. Für BF2 stellte die gesetzliche Vertreterin (BF1) am 20.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. BF2 ist somalische Staatsangehörige. An BF2 wurde bislang keine Genitalverstümmelung (FGM) vorgenommen.

1.1.3. Zum Zeitpunkt der Ausreise von BF1 lebten in Qoryoley deren Bruder und Mutter, zu diesen besteht derzeit kein Kontakt.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF2

Die BF2 gehört in Somalia der Gruppe der unbeschnittenen Mädchen an und droht ihr im Falle einer Rückkehr nach Somalia eine Genitalverstümmelung.

Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die BF2 im Falle einer Rückkehr nach Somalia in einem familiären Umfeld leben würde, welches dem gesellschaftlichen Druck, eine FGM durchzuführen, Stand halten könnte.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

In Somalia liegt die Beschneidungsrate bei 98 % (99% in der Gruppe der 15-49-jährigen). FGM ist eine weit verbreitete Praxis, auch wenn die Regierungen versuchen, sie einzudämmen. Die Entscheidung dafür liegt in erster Linie bei der Mutter, in geringerem Ausmaß auch bei der Großmutter. Eine Beschneidung ohne Einwilligung der Mutter ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Ein gesellschaftlicher Druck für eine Beschneidung besteht und sind nicht beschnittene Mädchen stigmatisiert. Relevant ist aber auch der Bildungshintergrund der Eltern, sowie das räumliche Umfeld (Stadt oder Land). Vgl. LIB Somalia 2018 S 99ff.

1.4. BF1 ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und hat keine Asylausschlussgründe verwirklicht. BF2 ist eine unmündige Minderjährige und damit nicht strafmündig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, durch das BFA und durch das Bundesverwaltungsgericht, die Geburtsurkunde der BF2, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia vom 12.01.2018 und der Strafregisterauszug vom 06.03.2018.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerinnen

Die Identität der BF1 konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. Die Identität der in Österreich geborenen BF2 steht aufgrund der Geburtsurkunde fest.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die BF1 - was die Feststellungen zu ihrer Person betrifft - für persönlich glaubwürdig, weil sie in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich im Kern gleichbleibende und gleichlautende Angaben machte.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Die Feststellung, dass die BF2 nicht beschnitten ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass diese bisher noch nicht in Somalia war, sowie der glaubwürdigen Aussage der BF1. Im Übrigen wurde von keiner der Verfahrensparteien Gegenteiliges behauptet.

Zum familiären Umfeld der BF2 in Somalia im Falle einer Rückkehr ist auszuführen, dass - wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde - die Mutter der BF2 (BF1) über praktisch keine Bildung verfügt. Ein gehobener Bildungsgrad der Großmütter konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Auch wenn sich die Eltern der BF2 (BF1 und ihr Ehemann) gegen eine Beschneidung aussprechen, ist der gesellschaftliche Druck für eine Beschneidung in Somalia sehr hoch. Die in Österreich bestehende Standhaftigkeit der Mutter ist bei einer Rückkehr nach Somalia aufgrund des familiären Umfeldes im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Im Falle einer Rückkehr ist eine drohende Beschneidung daher in diesem konkreten Fall die BF2 betreffend anzunehmen.

Abgesehen von der individuell glaubwürdig vorgebrachten Verfolgungsgefahr ist eine drohende Verfolgung auch vor dem Hintergrund der festgestellten Situation im Herkunftsstaat objektiv wahrscheinlich. So ist die Beschneidungsrate in ganz Somalia extrem hoch und ist selbst eine Beschneidung ohne Einwilligung der Mutter nicht ausgeschlossen.

2.2.3. Zur Situation in Somalia

Die Feststellungen ergeben sich aus den im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia vom 12.01.2018 wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Auch wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung das aktuelle LIB 2018 eingeführt. Den Länderberichten wurde betreffend den hier entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass Genitalverstümmelung eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK darstellen kann (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0545; 20.06.2017, Ra 2017/01/0039; 27.06.2016, Ra 2016/18/0045 mwN). Aus dieser Judikatur ergibt sich allerdings auch, dass fallbezogen zu prüfen ist und die Umstände des Einzelfalls zu beachten sind.

3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ergibt sich vor diesem Hintergrund, dass die BF1 glaubhaft darlegen konnte, dass der BF2 im Falle einer Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure drohen würde. Glaubhaft ist die drohende Verfolgung aufgrund der im Rahmen der Beweiswürdigung näher begründeten persönlichen Glaubwürdigkeit der BF1 betreffend die drohende Genitalverstümmelung ihrer Tochter sowie der vor dem Hintergrund der Länderberichte gegebenen objektiven Plausibilität einer Verfolgung.

Bei der drohenden Genitalverstümmelung handelt es sich um einen Eingriff von erheblicher Intensität (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083) und ist es irrelevant, ob es sich bei der Genitalverstümmelung um eine Infibulation oder um eine "Sunna" handeln würde, weil beide Formen massive und nachhaltige Eingriffe in die körperliche und folglich psychische Integrität sowie sexuelle Selbstbestimmung der Mädchen darstellen. Das familiäre Umfeld der BF2 ist auch derart gestaltet, dass in dem konkreten Einzelfall das Risiko einer Genitalverstümmelung nicht mit der nötigen Sicherheit auszuschließen ist und diese im Gegenteil - vor dem Hintergrund der Länderberichte - sogar maßgeblich wahrscheinlich ist.

Ursache der Verfolgung ist der Umstand, dass BF2 ein junges, unbeschnittenes Mädchen ist und sie somit einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zugehört.

Bei den Verfolgern handelt es sich um nicht-staatliche Akteure, doch ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine mangelnde Schutzfähigkeit des Staates zu berücksichtigen (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Im gegenständlichen Fall ist aus der Berichtslage ersichtlich, dass weibliche Genitalverstümmelung in Somalia eine derart hohe gesellschaftliche Akzeptanz hat und in der Praxis - trotz bestehender Verbote - in hohem Ausmaß durchgeführt wird, sodass kein Schutz durch den Staat erwartet werden kann.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 besteht aufgrund der in ganz Somalia in einem hohen Ausmaß geübten Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung nicht.

Da im Verfahren auch keine Asylausschlussgründe iSd § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervorkamen und die BF2 strafunmündig ist, war ihr gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.1.3. Zur Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die BF1

Aus § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005 folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Im vorliegenden Fall ist die BF1 als Mutter der minderjährigen BF2 Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005. Da sie nicht straffällig wurde, war ihr im Rahmen des Familienverfahrens gem. § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 ebenfalls gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.1.4. Zur Zurückweisung der Beschwerde von BF2 gegen Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (in Folge: B-VG), kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Diese Verletzung muss hinsichtlich der Beschwerdelegitimation denkmöglich sein, oder - mit den Worten des Verwaltungsgerichtshofes - die Beschwerdelegitimation gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG setzt unter anderem voraus, dass eine Rechtsverletzung möglich ist; ob dies der Fall ist, ist nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheids zu bestimmen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/16/0038).

Da BF2 durch Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer - wenn auch befristeten - Aufenthaltsberechtigung signifikant besser gestellt ist als ohne und es daher nicht denkmöglich ist, dass sie dadurch in irgendwelchen Rechten verletzt ist (und dies hinsichtlich dieser Punkte auch nicht behauptet), mangelt es BF2 daher an der notwendigen Beschwerdelegitimation, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkte II. und III. des bekämpften Bescheides zurückzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2174998.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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