TE OGH 2018/3/22 4Ob44/18a

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Veröffentlicht am 22.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** s.r.o. *****, vertreten durch die Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Mistelbach, gegen die beklagte Partei S***** Z*****, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere Rechtsanwälte in Melk, wegen 17.008,20 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. November 2017, GZ 64 R 98/17k-60, womit das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 26. Juni 2017, GZ 3 C 261/14d-56, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Revision wird in Ansehung der Klagsforderung von 2.414 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 6. 9. 2013 zurückgewiesen.

II. Im Übrigen – in Ansehung der Klagsforderungen von 6.120 EUR und 8.473,20 EUR – wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus mehreren Rechnungen für aufgrund verschiedener Verträge auf drei Baustellen erbrachte Werkleistungen restliche 2.414 EUR, 6.120 EUR und 8.473,20 EUR, jeweils sA.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Die Klägerin erhebt eine „Zulassungsrevision“ mit dem Antrag, das Berufungsgericht möge die ordentliche Revision doch für zulässig erklären, und verbindet dies mit der Ausführung der Revision, in der sie die Abänderung im klagsstattgebenden Sinne, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt.

Die Beklagte erstattete eine – verfrühte – Revisionsbeantwortung.

Das Erstgericht legte das Rechtsmittel als außerordentliche Revision dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

I. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Diese Regelung gilt auch für Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RIS-Justiz RS0053096; RS0037838 [T38]).

Eine Zusammenrechnung hat nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zu erfolgen, wenn mehrere Ansprüche von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und die Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Fehlt es an einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, so muss als Entscheidungsgegenstand jeder dieser Ansprüche einzeln betrachtet werden (RIS-Justiz RS0042753, RS0053096).

Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können (vgl RIS-Justiz RS0042766; RS0037648 [T4]). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus derselben Rechtsnorm oder demselben Vertrag abgeleitet werden, zB aus einem einheitlichen Liefervertrag (RIS-Justiz RS0037648). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037648 [T11, T18, T20]).

Kein Zusammenhang nach § 55 Abs 1 Z 1 JN liegt vor bei Forderungen aus verschiedenen, wenn auch gleichartigen Verträgen (RIS-Justiz RS0037648 [T15], RS0037926 [T3, T7, T23, T26, T28]), oder bloß aufgrund ständiger Geschäftsverbindung (RIS-Justiz RS0037926 [T14, T19, T22]), und zwar auch dann nicht, wenn im Rahmen der Geschäftsverbindung für alle Rechtsgeschäfte (kraft jeweiliger Unterwerfung) die allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei gelten (vgl RIS-Justiz RS0037926 [T11]).

Bei der Beurteilung ist von den Klagsangaben auszugehen (RIS-Justiz RS0106759); es kommt auch bei der Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit nicht auf nachträgliche Behauptungen oder Feststellungen in der erstgerichtlichen Entscheidung an (RIS-Justiz RS0042741 [insb T7]; 4 Ob 167/17p mwN). Wurde ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang der den einzelnen Rechnungsbeträgen jeweils zu Grunde liegenden Werkverträge nicht behauptet, ist von mehreren Entscheidungsgegenständen auszugehen, die im Hinblick auf die Revisionszulässigkeit einer unterschiedlichen Beurteilung unterliegen (RIS-Justiz

RS0042741 [T11]).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine Umstände behauptet, aus denen ein Zusammenhang im dargestellten Sinne ableitbar wäre. Es ist daher der Entscheidungsgegenstand jeder der geltend gemachten Ansprüche einzeln zu betrachten.

Nach § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt.

Dies betrifft die Klagsforderung von 2.414 EUR; die Revision ist insofern als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

II. Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – in Streitigkeiten jedenfalls unzulässig, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt, wenn das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Nach § 508 Abs 1 ZPO kann eine Partei einen begründeten Antrag an das Rechtsmittelgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Erachtet das Rechtsmittelgericht den Antrag für stichhältig, so hat es seinen Ausspruch mit Beschluss abzuändern und auszusprechen, dass das ordentliche Rechtsmittel doch zulässig ist (§ 508 Abs 3 ZPO), anderenfalls hat es den Antrag samt dem ordentlichen Rechtsmittel mit – keiner Begründung bedürftigem und unanfechtbarem – Beschluss zurückzuweisen (§ 508 Abs 4 ZPO).

6. In Ansehung der Klagsforderungen von 6.120 EUR und 8.473,20 EUR übersteigt der jeweils maßgebliche Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Das Rechtsmittel war daher nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen; dieser darf über das Rechtsmittel nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

Das Rechtsmittel wäre demnach dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Es ist die aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsanordnung zu treffen.

Das Berufungsgericht wird in Ansehung der jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigenden Einzelforderungen über den von der Klägerin ausdrücklich gestellten Antrag auf Abänderung seines Ausspruchs über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu entscheiden haben.

Textnummer

E121538

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00044.18A.0322.000

Im RIS seit

07.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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