TE OGH 2018/3/28 6Ob43/18v

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Veröffentlicht am 28.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers W***** K*****, vertreten durch Mag. Franz Paul, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Stadtgemeinde K*****, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft Kolarz & Augustin in Stockerau, wegen 18.255,26 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. Dezember 2017, GZ 12 R 37/17z-52, womit der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 17. März 2017, GZ 26 Nc 1/16i-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung:

Am 11. 6. 2013 stellte G***** M*****, der Nachbar des Antragstellers (in der Folge „Nachbar“), fest, dass sich im Keller seines Hauses Wasser gesammelt hatte, das seine Heizanlage zu beschädigen drohte. Er rief daraufhin die Freiwillige Feuerwehr K*****, die gegen 18:00 Uhr anrückte und sogleich mit den Pumpmaßnahmen in seinem Keller begann. Da das Abpumpen kaum Wirkung zeigte, forschte der Feuerwehrkommandant nach, woher das Wasser nachfloss. Im Zuge dieser Nachforschungen bemerkte er, dass das Wasser vor allem von der höher gelegenen Ackerfläche auf das angrenzende Grundstück des Antragstellers, auf dem sich ein Biotop befindet, abfloss, um in weiterer Folge auf das Grundstück des Nachbarn weiterzufließen.

Der Wasserspiegel des Biotops befindet sich im Normalzustand im südwestlichen Bereich etwa 27 cm über der Höhenkante der inneren Teichumrandung und an der nördlichen Stelle etwa 31 cm über der Höhenkante der inneren Teichumrandung. Das Biotop stand am 11. 6. 2013 komplett unter Wasser, sodass der Pegel des Wasserspiegels ungefähr 10–15 cm mehr als normalerweise betrug und über die Steinumrandung des Biotops stand.

Um den Abfluss von der Ackerfläche auf das Grundstück des Nachbarn zu reduzieren, kam dem Feuerwehrkommandanten die Idee, Wasser aus dem Biotop des Antragstellers abzupumpen, sodass das Wasser von der Ackerfläche in das Biotop nachfließen konnte. Für das Haus des Antragstellers, das über ein Drainage-System verfügt, bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr der Überschwemmung oder eine Beeinträchtigung durch Hochwasser. Zwar hatten sich im Keller und in der Garage des Antragstellers aufgrund von nicht abgepumptem Duschwasser feuchte Stellen gebildet, diese waren aber von der Ehegattin des Antragstellers mit Teppichen, die sie später hinaustrug, leicht in den Griff zu bekommen, sodass sie keine Hilfe der Einsatzkräfte benötigte, die das Haus des Antragstellers nicht betraten.

Der Feuerwehrkommandant teilte der Ehegattin des Antragstellers mit, dass die Einsatzkräfte zwei Tauchpumpen in das Biotop stellen würden. Weder der Antragsteller noch seine Ehefrau stimmten diesen Maßnahmen allerdings explizit zu oder ordneten diese an, sondern duldeten sie lediglich.

Ein Feuerwehrmann stellte auf Anweisung des Feuerwehrkommandanten zwei ca 80 cm große Tauchpumpen mit einer Pumpleistung von ungefähr 1.900 Liter pro Minute auf die dritte Stufe der Stiege des Biotops und startete um ca 18:45 Uhr den Pumpvorgang. Eine Stufe ist ca 20 cm hoch, die Pumpen waren dabei also ca 70 cm unter Wasser.

Schon zu Beginn des Pumpvorgangs senkte sich der Wasserspiegel des Biotops um 10–20 cm. Die Pumpen wurden in weiterer Folge nicht beaufsichtigt und erst um ca 21:00 Uhr gestoppt. Zwar floss eine nicht mehr feststellbare Menge an Wasser zu, allerdings wurde in diesen 135 Minuten trotzdem soviel Wasser abgepumpt, dass der Wasserspiegel unter die Höhenkante der inneren Teichumrandung sank. Durch diese Absenkung des Wasserspiegels konnten die Wände, die von Wasser gesättigt waren, dem äußeren Wasserdruck nicht mehr Stand halten und wurden instabil, wodurch es an mehreren Stellen zum hydraulischen Grundbruch des Biotops kam, bei dem eine nicht mehr feststellbare Menge an Erdreich unter der Plane in das Biotop absackte, das innere Volumen des Teiches verkleinerte und somit den Wasserspiegel wieder über die Höhenkante der inneren Teichumrandung drückte, sodass es den Anschein hatte, als wären nur ungefähr 30 cm abgepumpt worden. Auch ohne den vorhandenen Findlingsstein wäre es durch dieses massive Abpumpen zu einem hydraulischen Grundbruch gekommen.

Der Antragsteller machte die Antragsgegnerin auf den Schaden aufmerksam und ließ das Biotop in weiterer Folge sanieren. Er bezahlte hiefür 18.325,25 EUR zuzüglich 20 % USt.

Eine gütliche Einigung konnte innerhalb eines Jahres nicht erzielt werden, der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss vielmehr am 25. 6. 2015, den entstandenen Schaden nicht zu ersetzen.

Selbst wenn es zu keinem Grundbruch gekommen und nicht abgepumpt worden wäre, wäre aufgrund des Hochwassers eine Eutrophierung – eine Verunreinigung des Wassers im Biotop – eingetreten. Deren Beseitigung hätte 8.000 EUR gekostet.

Mit Antrag vom 24. 2. 2016 begehrte der Antragsteller die Festsetzung einer verschuldensunabhängigen Entschädigung von 18.255,26 EUR sA an Reparaturkosten für das Biotop gemäß § 30 Abs 6 NÖ Feuerwehrgesetz idF LGBl 4400-10. Die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin hätten im Zuge des Hochwassereinsatzes beim Nachbarn das Biotop des Antragstellers dadurch massiv beschädigt, dass sie das Wasser im Biotop viel zu schnell und viel zu massiv abgesenkt hätten, wodurch es zum hydraulischen Grundbruch gekommen sei. Der Antragsteller habe die Einsatzkräfte weder zur Hilfeleistung angefordert noch Unterstützung der Feuerwehr tatsächlich benötigt oder erhalten. Der Feuerwehreinsatz sei nicht zur Abwehr von Schäden am Haus oder am Biotop des Antragstellers erfolgt. Für das Einfamilienhaus des Antragstellers und dessen Biotop habe auch niemals eine gefährliche Situation bestanden. Er habe durch die Feuerwehr nicht profitiert, sondern nur Schaden erlitten. Es sei den Einsatzkräften als grob schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, dass sie das Biotop des Antragstellers als vermeintlichen Tiefpunkt im Gelände angesehen hätten. Richtigerweise hätten sie den Einsatz der Pumpe im Biotop nicht durchführen dürfen und bei richtiger technischer Beurteilung die Pumpe an tieferen Geländepunkten zum Einsatz bringen müssen. Der Antragsteller habe dem Betreten seiner Liegenschaft oder dem Aufstellen der Pumpen nicht zugestimmt, sondern dies nur geduldet, da er davon ausgegangen sei, dass er aufgrund des eklatanten Wassereintritts im Kellergeschoß des Nachbarn das Betreten seines Grundstücks gestatten müsse.

Die Antragsgegnerin stellte außer Streit, dass die Freiwillige Feuerwehr im Einsatz als Hilfsorgan der Antragsgegnerin bei Besorgung der Aufgaben der örtlichen Gefahrenpolizei gemäß § 4 NÖ Feuerwehrgesetz 2015 (NÖ FG 2015) tätig war. Sie wendete ein, der Einsatz der Feuerwehr sei ordnungsgemäß und entsprechend den Vorschriften des NÖ Feuerwehrgesetzes erfolgt. Aufgrund der massiven Niederschläge am Einsatztag habe im unmittelbaren Umgebungsbereich der Liegenschaften am S***** Postweg Hochwassergefahr für alle Liegenschaften, somit auch für die Liegenschaft des Antragstellers, bestanden. Der Einsatz der Pumpen sei fachgerecht und nicht schuldhaft erfolgt, habe auch der Abwehr von Schäden an der Liegenschaft des Antragstellers gedient und sei daher auch im Interesse des Antragstellers gelegen gewesen. Die Entschädigungsregelung des § 30 Abs 6 NÖ Feuerwehrgesetz gelte aber nur für Personen, die oder deren Vermögenswerte (Gebäude) sich selbst nicht in Gefahr befänden, und sei daher auf den Antragsteller hier nicht anwendbar. Die Kosten für die Biotopsanierung seien zum Teil Sowieso-Kosten, weil das Biotop durch das Hochwasser massiv verunreinigt gewesen sei.

Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung von 10.255,26 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 7. 2013 an den Antragsteller und wies das Mehrbegehren rechtskräftig ab. Es traf die wiedergegebenen Feststellungen und folgerte rechtlich, die Antragsgegnerin sei passiv legitimiert, weil die Freiwillige Feuerwehr im Rahmen der örtlichen Gefahrenpolizei als Hilfsorgan der Behörde tätig geworden sei (§ 4 Abs 1 NÖ FG 2015). Mangels einer objektiven Gefahr für das Haus des Antragstellers sei für diesen der Feuerwehreinsatz nicht notwendig gewesen. Der Anspruch auf Entschädigung sei verschuldensunabhängig, setze keine Rechtswidrigkeit voraus und bestehe hinsichtlich der Reparaturkosten grundsätzlich zu Recht. Bei den Kosten zur Beseitigung der Eutrophierung handle es sich allerdings um „Sowieso-Kosten“, die der Antragsteller auch ohne Feuerwehreinsatz aufgewendet hätte, sodass insoweit das Begehren nicht zu Recht bestehe.

Das nur von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts und ließ den Revisionsrekurs zu. Der Feuerwehreinsatz habe ausschließlich der Abwehr eines beträchtlichen Sachschadens auf der Nachbarliegenschaft gedient. Eine allenfalls vom Hochwasser ausgehende Gefahr für die Liegenschaft des Antragstellers sei nicht der Grund für den Feuerwehreinsatz gewesen. Dieser sei auch nicht zur Abwendung eines Schadens vom Biotop des Antragstellers erfolgt. Da sich der Antragsteller ausdrücklich auf den verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch nach § 27 Abs 3 NÖ FG 2015 (vormals § 30 Abs 6) stütze, sei der außerstreitige Rechtsweg zulässig. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach § 27 NÖ FG 2015 sei im Antragsvorbringen hinreichend begründet, weil auch der Antragsteller davon ausgehe, dass er das Betreten und die Benützung seines Grundstücks durch die Feuerwehr zur Bekämpfung des Wassereintritts im Keller des Nachbarn und damit zur Abwehr eines beträchtlichen Sachschadens habe hinnehmen müssen. Das Antragsvorbringen zum grob schuldhaften Vorgehen der Einsatzkräfte schließe einen Ersatzanspruch nach § 27 NÖ FG 2015 nicht aus. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur inhaltlichen Abgrenzung zwischen Ersatzansprüchen aus der Eingriffshaftung nach § 27 NÖ FG 2015 und allgemeinen Schadenersatzansprüchen keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Ersatzbegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, der Anspruch bestehe nicht, weil (nicht nur das Haus, sondern) auch die Liegenschaft des Antragstellers gefährdet gewesen sei, was festzustellen gewesen wäre. Gehe man wie der Antragsteller von einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der Einsatzkräfte aus, bestehe kein Entschädigungsanspruch im Außerstreitverfahren, weil dieses nur Schäden aufgrund rechtmäßiger Handlungen erfasse. § 8 Abs 3 MRG sei nicht analog anzuwenden.

Hierzu wurde erwogen:

1. Tatsachengrundlage:

Der gerügte Feststellungsmangel betreffend eine Gefährdung (bloß) der Liegenschaft (nicht des Hauses) des Antragstellers liegt nicht vor. Das Haus war nach den Feststellungen nicht gefährdet. Das Biotop stand schon vor dem Feuerwehreinsatz unter Wasser und war somit bereits vom Hochwasser verunreinigt, sodass es von der Feuerwehr davor nicht mehr geschützt werden konnte. Inwiefern sonst die Liegenschaft, abgesehen vom Haus, also im Wesentlichen der Garten, derart gefährdet gewesen wäre, dass ein Feuerwehreinsatz drohenden Schaden abwenden hätte können, hat die Antragsgegnerin nicht konkret vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich. Soweit unter Hinweis auf einzelne Beweisergebnisse behauptet wird, es sei auch im Keller des Hauses des Antragstellers das Wasser gestanden, der Einsatz habe somit auch diesem gedient, geht die Rechtsrüge der Rechtsmittelwerberin nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

2. Anwendbare Normen:

2.1. Materielles Recht:

§ 30 Abs 5 NÖ Feuerwehrgesetz (NÖ FG) lautete in der am Einsatztag (11. 6. 2013) geltenden Fassung (LGBl 4400-10) folgendermaßen:

„Bei örtlichen Gefahren hat jedermann über Aufforderung gegen angemessene Entschädigung das Betreten und die sonstige Benützung seiner Grundstücke und Bauwerke, die Beseitigung von Pflanzen, Einfriedungen, Bauwerken und Teilen hievon, die Entfernung von Fahrzeugen und anderen hinderlichen Gegenständen sowie ähnliche Maßnahmen zu dulden. Bei der Gefahrenbekämpfung ist unter möglichster Schonung von Sachwerten aller Art vorzugehen.“

Mit NÖ LGBl 2015/85 wurde das NÖ Feuerwehrgesetz 2015 (NÖ FG 2015) erlassen, das nach seinem § 88 Abs 1 mit 1. Jänner 2016 in Kraft trat. Nach § 88 Abs 3 leg cit trat mit Inkrafttreten des NÖ FG 2015 das (bisherige) NÖ FG, LGBl 4400, außer Kraft.

Für die Ersatzpflicht nach § 30 Abs 5 NÖ FG enthält das NÖ FG 2015 keine Übergangsbestimmung.

Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. Nach § 5 ABGB sind nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, vorher geschehene Handlungen und analog sonstige Sachverhalte aber wie vorher entstandene Rechte weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen (RIS-Justiz RS0008715).

Nach diesen Grundsätzen ist mangels anderslautender Übergangsvorschriften das materielle Recht in der im Einsatzzeitpunkt geltenden, bereits wiedergegebenen Fassung anzuwenden.

Die folgenden Rechtsausführungen sind jedoch auch für ab dem 1. 1. 2016 eingetretene Sachverhalte von Bedeutung, weil sich für den geltend gemachten Ersatzanspruch durch das NÖ FG 2015 die Rechtslage nicht geändert hat (§ 27 Abs 1 Z 3 und Abs 3 NÖ FG 2015).

2.2. Formelles Recht:

Das gegenständliche Verfahren wurde im Jahr 2016 gerichtsanhängig.

Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). Das Verfahren richtet sich demnach nach den Bestimmungen des NÖ FG 2015. Dessen § 27 Abs 3 lautet:

„Der Anspruch auf Entschädigung ist bei der Gemeinde geltend zu machen. Darüber ist innerhalb eines Jahres eine gütliche Einigung anzustreben. Wird keine Einigung erzielt, kann die Person, die den vermögensrechtlichen Nachteil erlitten hat, die Festsetzung der Entschädigung durch das Landesgericht, in dessen Sprengel die die Forderung begründende Handlung gesetzt wurde, begehren. Für das gerichtliche Verfahren sind die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, sinngemäß anzuwenden.“

3. Abgrenzung zu Amtshaftungsansprüchen:

Im streitigen Verfahren geltend zu machende Amtshaftungsansprüche setzen nach § 1 Abs 1 AHG ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organwaltern von Organen der in der Bestimmung genannten Rechtsträger voraus.

Beim Entschädigungsanspruch nach § 30 Abs 5 NÖ FG (bzw § 27 Abs 1 NÖ FG 2015) handelt es sich hingegen um einen verschuldensunabhängigen Anspruch aus einer Eingriffshaftung. Der Ersatzanspruch setzt nach dem Wortlaut der Norm voraus, dass örtliche Gefahren vorliegen und dass deswegen der Ersatzberechtigte die im Gesetz genannten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu dulden hat.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen, dass der Anspruch nicht bestünde, wenn bei einem grundsätzlich rechtmäßigen Einsatz der Feuerwehr, also bei örtlichen Gefahren, die zur Gefahrenabwehr ergriffene Maßnahme (ex ante betrachtet) nicht zweckentsprechend war und demgemäß der durch diese Maßnahme verursachte Schaden rechtswidrig und schuldhaft zugefügt wurde.

Insoweit ist rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Feuerwehr somit zwar nicht Voraussetzung für die Haftung nach § 30 Abs 5 NÖ FG, aber unter den sonst gegebenen Voraussetzungen auch kein Grund für einen Ausschluss dieser Haftung.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts erweist sich somit als zutreffend. Es geht entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin nicht um eine analoge Anwendung von § 8 Abs 3 MRG, für die sich das Rekursgericht auch nicht ausgesprochen hat. Es hat lediglich zutreffend auf die ähnliche Interessenlage im Fall der Eingriffshaftung nach § 8 Abs 3 MRG für Schäden, die dem Mieter durch von ihm zu duldende Arbeiten am Objekt entstehen, hingewiesen. Nach der Rechtsprechung ist für einen Ersatzanspruch nach § 8 Abs 3 MRG nur Voraussetzung, dass sich der Mieter den nachteiligen Eingriff in sein Mietrecht gefallen lassen musste und die Arbeiten nicht hätte verhindern können (RIS-Justiz RS0069533; RS0069540 [T3] = RS0069520 [T5]). Liegt diese Voraussetzung vor, ist ein Anspruch nach § 8 Abs 3 MRG auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Schaden auf mangelhafte Ausführung zurückzuführen ist (5 Ob 54/01d).

Diese Wertungen sind auch für den vorliegenden Fall sachgerecht.

Dass bei einem nach § 30 Abs 5 NÖ FG zu bejahenden Ersatzanspruch im Fall eines fehlerhaften und daher insoweit rechtswidrigen und schuldhaften Vorgehens der Feuerwehr zur Gefahrenabwehr auch Amtshaftungsansprüche gegeben sein können, spricht nicht gegen das gewonnene Auslegungsergebnis: Es besteht dann (in Rechtsprechung und Lehre anerkannte) Anspruchskonkurrenz (vgl RIS-Justiz RS0038060; RS0013939; RS0087576; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 [2014] § 859 Rz 15 mwN).

4. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist der Ersatzanspruch zu bejahen: Mit der Gefahr der Beschädigung der Heizanlage des Nachbarn lag eine örtliche Gefahr vor. Der Antragsteller, für dessen Eigentum keine Gefahr bestand, hatte den in seinem Biotop erfolgten Pumpmaßnahmen nicht zugestimmt, er hatte sie aber zur Gefahrenabwehr zu dulden. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 30 Abs 5 NÖ FG sind somit erfüllt. Ob der Feuerwehr bei dieser Maßnahme vermeidbare Fehler vorzuwerfen sind, ist irrelevant. Der von den Vorinstanzen zuerkannte Schadensbetrag besteht daher zu Recht.

5. Zusammenfassend ist festzuhalten:

Liegen die Voraussetzungen nach § 30 Abs 5 NÖ FG idF LGBl 4400-10 (bzw § 27 Abs 1 Z 3 NÖ FG 2015) vor, nämlich ein Feuerwehreinsatz zur Abwehr örtlicher Gefahren, so besteht für jemanden, der die in dieser Vorschrift erwähnten Maßnahmen dulden musste, der dort normierte verschuldensunabhängige Anspruch auf angemessene Entschädigung auch dann, wenn die zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen fehlerhaft und somit insoweit rechtswidrig und schuldhaft waren.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 27 Abs 3 letzter Satz NÖ FG 2015 iVm § 44 Abs 2 EisbEG (RIS-Justiz RS0053546).

Textnummer

E121448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00043.18V.0328.000

Im RIS seit

24.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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