TE OGH 2018/3/21 3Ob225/17k

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Veröffentlicht am 21.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. U*****, 2. T*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. H*****, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwältinnen in Graz, wegen 80.710,61 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Parteien sowie der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2017, GZ 2 R 95/17h-36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kläger begehren Schadenersatz wegen Verletzung von Treuhänderpflichten durch den beklagten Rechtsanwalt im Zusammenhang mit dem Kauf eines neu errichteten Wohnungseigentumsobjekts.

Die Kläger waren durch die Anzeige einer GmbH auf ein von dieser geplantes Drei-Parteien-Haus aufmerksam geworden. Der Beklagte fungierte dabei teilweise als Vertragserrichter; für die Abwicklung sämtlicher Zahlungen war er als Treuhänder tätig. Beim Abschluss des Kaufvertrags über die von den Klägern erworbenen Liegenschaftsanteile und des (davon getrennt unterfertigten) Bauwerkvertrags mit dem ausführenden Bauunternehmen vermittelte die GmbH den Klägern den Eindruck, dass es sich um ein Gesamtprojekt handle; von einer Möglichkeit zur Auswahl des Bauunternehmens durch die Kläger war nicht die Rede. Der Beklagte hatte vor dem gegenständlichen schon rund 30 solche Wohnbauprojekte mit der GmbH in gleicher Vertragskonstruktion abgewickelt. Im Bauwerkvertrag war ein Ratenzahlungsplan vorgesehen, der nicht den Bestimmungen des BTVG entspricht. Über das Bauunternehmen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter trat in den Vertrag nicht ein. Bisher wurde der Rohbau des Hauses sowie das Dach errichtet; außerdem sind bereits Fenster eingebaut. Die Kläger berechnen ihren auf § 10 Abs 2 BTVG gestützten Ersatzanspruch aus der Differenz zwischen dem vom Beklagten als Treuhänder bereits ausgefolgten Betrag und 40 % des vereinbarten Kaufpreises (entsprechend dem Fertigstellungsgrad).

Mit dem angefochtenen Zwischenurteil erkannte das Berufungsgericht das Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend und erachtete; zur Höhe des Schadens der Kläger eine Ergänzung des Verfahrens für erforderlich.

Rechtliche Beurteilung

Den beiden gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionen gelingt es nicht, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen.

1. Die Kläger halten die Entscheidung des Berufungsgerichts deshalb für unzutreffend, weil ihr Schaden bereits darin liege, dass sie mehr gezahlt hätten als dem Baufortschritt (nach § 10 BTVG) entspreche; bei der Schadensermittlung müssten sie sich den Gegenwert der ihnen über den Rohbau und das Dach hinaus bereits zugekommenen Leistungen nicht anrechnen lassen.

Dem ist kurz zu erwidern:

Bereits in der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Entscheidung 4 Ob 3/14s hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass nach dem Zweck der Ratenplanmethode nach Bauabschnitten (§ 10 BTVG), deren jeweiliger Abschluss unter Beiziehung von Sachverständigen festgestellt werden kann (§ 13 Abs 2 BTVG), eine Entsprechung zwischen den Zahlungen des Erwerbers und der Erhöhung des Werts der Liegenschaft bzw seines Liegenschaftsanteils durch die inzwischen erbrachten Bauleistungen gewährleistet werden soll. Solange nicht fest steht, dass der Bauträgervertrag endgültig nicht mehr erfüllt werden kann, ist es im Abwicklungsstadium unerheblich, ob einer vorzeitigen Zahlung ein ausreichender Gegenwert in Form bisher erreichter Bauleistungen gegenüber steht (4 Ob 3/14s [P 3.6.]). Demgegenüber ging es zu 9 Ob 50/11k, wo eine Fertigstellung wegen Insolvenz des Bauträgers nicht mehr stattfand, um die Berechnung eines konkreten Aufwandersatzes und nicht um die Wahrung des Interessenausgleichs zwischen der Vorfinanzierung des Bauvorhabens durch den Bauträger und dem Sicherungserfordernis des Erwerbers während des laufenden Bauvorhabens (4 Ob 3/14s [P 3.7.]).

Die Überlegungen des Berufungsgerichts zur Schadensermittlung im vorliegenden Einzelfall stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang und sind nicht zu beanstanden: Eine weitere Vertragserfüllung des (als Bauträgervertrag zu qualifizierenden) Vertrags findet nach dem Rücktritt des Insolvenzverwalters hier (ähnlich wie in dem der Entscheidung 9 Ob 50/11k zugrunde liegenden Sachverhalt) nicht statt. Der Beklagte hat zwar seine Verpflichtungen als Treuhänder verletzt, indem er die Bestimmungen des BTVG nicht beachtete und (unstrittig) höhere Zahlungen leistete, als es dem in § 10 BTVG geregelten Ratenplan entsprochen hätte. Anders als in dem zu 4 Ob 3/14s beurteilten Fall handelt es sich hier aber nicht (mehr) um ein laufendes Bauvorhaben, weshalb der Sicherungszweck des BTVG (Absicherung des Vorauszahlungsrisikos des Erwerbers) nicht mehr maßgeblich ist: Steht doch fest, dass eine weitere Erfüllung des Vertrags durch das Bauunternehmen nicht (mehr) stattfindet. Wie die Revisionswerber selbst zugestehen, ist für die Ermittlung ihres Schadens ihre Vermögenslage mit der Situation ohne das schädigende Ereignis (ohne die vom Beklagten vertragswidrig durchgeführte vorzeitige Zahlung) zu vergleichen. Wäre aber die verfrühte Zahlung (Überzahlung) an das Unternehmen nicht erfolgt, so wären die Kläger grundsätzlich einem (hypothetischen) Anspruch des Bauunternehmens (bzw des Insolvenzverwalters) für diejenigen Leistungen ausgesetzt gewesen, die ihnen über den Baufortschritt hinaus (für den die entsprechen Zahlungen vom Treuhänder jedenfalls zu erbringen waren) bereits zugekommen sind.

Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm aufgezeigten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179).

Eine „Überraschungsentscheidung“ liegt nicht vor, weil der Beklagte bereits in erster Instanz (auch) die Schadenshöhe bestritten hat (vgl RIS-Justiz RS0122365 [T1]).

2. Der Beklagte bezweifelt in seiner außerordentlichen Revision im Wesentlichen (weiterhin) die Aktivlegitimation der Kläger sowie die Anwendbarkeit des BTVG auf die gewählte Vertragskonstruktion.

Zu beiden Themen kann zunächst auf die Entscheidungsbegründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das von den Klägern (als Miteigentümer der Liegenschaft) geltend gemachte Begehren ist auf Geldleistung gerichtet und damit ein teilbarer Anspruch (vgl RIS-Justiz RS0017118); entgegen der Rechtsansicht des Beklagten handelt es sich um keine Gesamthandforderung.

Zur Anwendbarkeit des BTVG erschöpft sich die Zulassungsbeschwerde in der Behauptung, die angefochtene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung zur Definition der „wirtschaftlichen Einheit“ ab, ohne auf die Argumentation des Berufungsgerichts einzugehen; sie ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0043654). Von einer „rein subjektiven“ Einschätzung des Vertrags durch die Kläger, wie in der Ausführung des Rechtsmittels behauptet, kann nach dem – bindend festgestellten – Sachverhalt keine Rede sein: Den Klägern wurde „bei sämtlichen Vorgesprächen“ zum Abschluss der Verträge der Eindruck vermittelt, sie würden damit „ein Gesamtprojekt erwerben“; die Kaufpreise (je nach Größe und Ausfertigung des Objekts) und ausführende Bauunternehmen waren von der GmbH bereits vorgegeben. Die GmbH stellte den von den Klägern abgeschlossenen Bauwerkvertrag zur Verfügung und gab die Preiskalkulation (und damit auch den Werklohn sowie den Ratenplan) für das von ihr ausgewählte Bauunternehmen vor; damit ist die von den Vorinstanzen angenommene „wirtschaftliche Einheit“ der Verträge im Sinn des § 2 Abs 4 BTVG nicht zweifelhaft.

3. Beide außerordentlichen Revisionen sind daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Textnummer

E121279

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00225.17K.0321.000

Im RIS seit

04.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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