TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/28 98/05/0228

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Veröffentlicht am 28.03.2000
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §135 Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. September 1998, Zl. UVS-04/A/17/00004/98, betreffend Verwaltungsübertretung gemäß § 135 Abs. 1 i.V.m. § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien (weitere Partei gemäß § 21 VwGG: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Dezember 1997 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe "als Bauherr auf der Liegenschaft in Wien ... am 14.02.1997 entgegen der Vorschrift des § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien Arbeiten zur Errichtung eines Wohnhauses mit Büro, und zwar die Betoneinbringung für die Herstellung einer Fundamentplatte, durchführen lassen, ohne vorher die hiefür erforderliche Baubewilligung erwirkt zu haben." Er habe daher eine Verwaltungsübertretung nach § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 66.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen) verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt. Die verhängte Geldstrafe wurde auf S 20.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit auf vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das tatsächliche Vorliegen einer Notstandssituation durch das Berufungsverfahren nicht erwiesen sei, vielmehr zeige sich ein gegenteiliges Ergebnis: Der Beschwerdeführer habe weder Fotos von den angeblichen Rissen anfertigen lassen, noch habe er dazu einen Gutachter für bodenstatische Verhältnisse beigezogen. Wären Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen, dann wäre dieser Umstand - wenn schon versäumt worden sei, die Baupolizei über die eingetretene Notstandssituation zu informieren - spätestens bei der Baueinstellung vorgebracht worden. Der Baupolizist habe in der Verhandlung ausgeführt, er habe den Beschwerdeführer im Büro aufgesucht, um ihn über die Baueinstellung zu informieren und habe dies der Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen. Es sei zu keiner weiteren Besichtigung des Grundstückes gekommen, was seitens des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden sei. Es entspreche aber nicht der Lebenserfahrung, dass bei Vorliegen einer Notstandssituation - immerhin sei die Gefahr des Abrutschens des Nachbargrundstückes behauptet worden - eine Baueinstellung widerspruchslos oder zumindest ohne deutlichen Hinweis auf die Gefahr hingenommen werde. An dieser Auffassung könne auch die jetzige Behauptung des Vertreters des Beschwerdeführers, dass eine Notstandssituation vorgelegen sei, nichts ändern, da es der erkennenden Behörde nicht glaubhaft erscheine, dass sich der Beschwerdeführer in einem solchen Fall nicht sofort gegen die Baueinstellung gewehrt hätte. Auch sei auf Grund der Zeugenaussage des R. (dem Bauleiter) davon auszugehen, dass keine Sicherungsmaßnahme vorgelegen sei. Dieser habe zwar ausgesagt, dass Risse auf der Nachbarliegenschaft sichtbar gewesen seien, die möglicherweise ein Abrutschen des Hanges bewirken könnten. Weiters habe er angegeben, dass man das "so nicht sagen kann, welche Risse gefährlich sind und welche nicht". Es gebe Risse, die bewirkten schon nach wenigen Minuten ein Hinunterbrechen, und solche, bei denen es eben überhaupt nicht hinunterbreche. Auf Grund dieser Beweislage sei für die Behörde unglaubwürdig, dass eine Notstandssituation vorgelegen sei. Diese würde nämlich das Vorliegen einer unmittelbar drohenden Gefahr voraussetzen, was aber auf Grund des Schriftsatzes vom 17. September 1998 und auch nach den gewonnenen dargestellten Ermittlungsergebnissen nicht vorgelegen sei. In der mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer überdies ausgeführt, dass er vor Beginn der Betonierungsmaßnahmen durch Nachfrage bei der Baupolizei erfahren habe, dass seinem Ansuchen um Baubewilligung antragsgemäß stattgegeben werde und sich der Akt gerade beim Schreiben befände. Aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass er zumindest mit den Sicherungsmaßnahmen beginnen könnte. Dazu sei auszuführen, dass unter "Erwirken" der Baubewilligung im Sinne der Bauordnung für Wien die Erlassung zu verstehen sei. Erst mit Erlassung sei die Bewilligung erwirkt, was bei schriftlichen Bescheiden (wie in § 70 Abs. 2 Bauordnung für Wien vorgesehen) erst mit der Zustellung erfolge. Das behördeninterne Feststehen einer Entscheidung habe daher für den Rechtsunterworfenen keinerlei Auswirkungen. Selbst wenn die Berufungsbehörde im Sinne dieses Vorbringens davon ausgehe, dass eine Vorsprache bei der Baubehörde erfolgt sei und Anzeichen dafür gesprochen hätten, dass die Baubewilligung tatsächlich erteilt werde, so sei dem Beschuldigten doch vorzuhalten, dass er trotzdem bis zur Erteilung dieser Baubewilligung mit den gegenständlichen Baumaßnahmen zuzuwarten gehabt hätte. Auch ein dahingehender Rechtsirrtum könne den Berufungswerber nicht entschuldigen, hätte ihm diese Verpflichtung schon auf Grund seiner beruflichen Stellung als Baumeister bekannt sein müssen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt gemäß § 5 Abs. 2 VStG nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 StGB stellt einen entschuldigenden Notstand eine Situation dar, in der eine Person eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, um einen unmittelbar drohenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten ist. Gemäß § 10 Abs. 2 StGB darf sich der Täter der Gefahr nicht ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund bewusst ausgesetzt haben. Dieser Begriff des Notstandes des StGB ist nach der hg. Judikatur auch für das VStG als maßgebend anzusehen (vgl. die in Walter - Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, 329, Rz. 751, dazu angeführte hg. Judikatur). Nach der hg. Judikatur darf der Notstand auch nicht selbst verschuldet sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 1973, Slg. Nr. 8471/A, und vom 22. November 1983, Zl. 83/03/0298). Der Notstand wird ausgeschlossen, wenn sich der Beschuldigte selbst in die Zwangslage versetzt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1988, Zl. 88/03/0023).

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die von ihm als "Sicherungsmaßnahme" bezeichnete Errichtung einer 35 cm starken und 70 m2 großen Betonplatte in Ausübung der mit dem Abbruchbescheid eingeräumten Ermächtigung erfolgt wäre. Er gab selbst an, dass "der gesamte Altbestand entfernt und ausgehoben und teilweise die Baugrube für das neue Gebäude ausgehoben" wurde; anlässlich der Baueinstellung wurde ein Aushub mit 3,5 m Tiefe festgestellt. Schon dafür lag somit ein Konsens nicht vor; wenn auf Grund dieses Aushubes Sicherungsmaßnahmen erforderlich waren, dann hat sich der Beschwerdeführer selbst in die Zwangslage versetzt, sodass er sich nicht auf Notstand berufen kann.

Auf das weitere Vorbringen zu dem vom Beschwerdeführer behaupteten Vorliegen einer Notstandssituation war daher nicht mehr einzugehen.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass er in der Verhandlung vorgetragen habe, er sei als Verantwortlicher einer Bauträgergesellschaft mit den Grobarbeiten befasst gewesen und betreibe zudem ein Planungsbüro. Seine Frau hätte die Errichtung des Gebäudes finanziert, er sei der Liegenschaftseigenümer, seiner Frau gehöre allerdings das neu errichtete Gebäude. Die Behörde sei ohne weitere Erörterung davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich der Bauherr sei. Als Bauherr sei aber nur derjenige anzusehen, über dessen Auftrag und auf dessen Rechnung die Bauführung erfolgt sei. Die belangte Behörde habe zu dieser Frage keinerlei Ermittlungen vorgenommen.

Mit diesem Vorbringen bestreitet der Beschwerdeführer erstmals, dass er nicht Bauherr der verfahrensgegenständlichen Baumaßnahmen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung ging sein diesbezügliches Vorbringen (in dem der Ausdruck "Bauherr" nicht vorkam) lediglich dahin, dass nicht er, sondern "eine dritte Person" Bauführer sei. Ein erstmaliges Sachverhaltsvorbringen ist gemäß dem vom Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG im Falle eines mängelfreien Verfahrens abgeleiteten Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Rechtsausführungen (wie im vorliegenden Fall die Frage der Bauherreneigenschaft des Beschwerdeführers), wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Feststellungen überprüft werden kann, die im Verwaltungsverfahren deswegen unterblieben sind, weil der Beschwerdeführer in diesem Verfahren untätig geblieben ist (siehe u. a. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1999, Zl. 95/05/0242).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Anberaumung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG (insbesondere auch im Lichte des Umstandes, dass vor der belangten Behörde, die als ein unabhängiges Tribunal gemäß Art. 6 EMRK zu qualifizieren ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung stattgefunden hat), abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. März 2000

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998050228.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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