TE OGH 2018/3/21 3Ob42/18z

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Veröffentlicht am 21.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** AG, *****, vertreten durch Benn-Ibler Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. A***** Limited, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 22.028,28 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2017, GZ 5 R 75/17m-34, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. März 2017, GZ 671 Cg 93/16s-28, hinsichtlich der erstbeklagten Partei bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.487,34 EUR (hierin enthalten 247,89 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die in Deutschland ansässige Klägerin erwarb nach Beratung durch einen (deutschen) Vermögensberater am 14. Dezember 2006 und am 2. Februar 2007 insgesamt 1.286 Stück von der Zweitbeklagten emittierte aktienvertretende Zertifikate.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises der Zertifikate abzüglich der erlangten Dividendenausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate. Ihr sei sowohl durch den der Erstbeklagten zuzurechnenden Berater als auch durch die Werbebroschüren der Beklagten suggeriert worden, dass es sich um eine sichere Veranlagung handle. Am 23. Juli 2010 habe sie sich dem zu AZ 608 St 1/08w der Staatsanwaltschaft Wien geführten Ermittlungsverfahren (ua) gegen die Beklagten als Privatbeteiligte angeschlossen. Die von ihr zur Beauftragung und Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts ermächtigte A***** AG habe den Klagevertreter im Namen der Klägerin mit der Einbringung des Privatbeteiligtenanschlusses und der Klageführung betraut.

Die Beklagten wendeten insbesondere Verjährung ein. Der Privatbeteiligtenanschluss sei nicht ausreichend individualisiert gewesen. Er habe auch, weil er mittels CD-ROM erfolgt sei, nicht den Formerfordernissen der StPO entsprochen. Die Klägerin habe dem Klagevertreter keine Vollmacht erteilt, sondern erstmals nach Einbringung der Klage Kontakt zu ihm gehabt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Die Schadenersatzansprüche der Klägerin seien nach deutschem Recht zu beurteilen. Das Verhalten der Beklagten stelle eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSd § 826 BGB dar. Die Verjährungsfrist des § 199 Abs 1 BGB sei durch den Privatbeteiligtenanschluss gehemmt worden, weil dieser einem Adhäsionsantrag nach § 404 dStPO funktionell gleichwertig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten mit Teilurteil (wegen einer im Berufungsverfahren getroffenen Ruhensvereinbarung zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten) nicht Folge. Das Erstgericht sei zutreffend von der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts und davon ausgegangen, dass der Privatbeteiligtenanschluss ausreichend individualisiert gewesen sei, um die Verjährungsfrist zu unterbrechen und auch den Vorschriften der StPO entsprochen habe. Ein Adhäsionsantrag nach § 404 dStPO, dem der Privatbeteiligtenanschluss gleichwertig sei, entfalte seine prozess- und materiellrechtlichen Wirkungen (insbesondere Hemmung der Verjährung) nicht erst durch seine Zustellung an den Beschuldigten, sondern schon mit seinem Einlangen bei Gericht. Der Oberste Gerichtshof habe bereits zu 4 Ob 112/15x die Haftung der Erstbeklagten nach § 826 BGB für die irreführenden Angaben in den Werbebroschüren bejaht. Es könne keine Rede davon sein, dass der Klagevertreter den Privatbeteiligtenanschluss vollmachtslos eingebracht hätte. Im Übrigen sei ein allfälliger Vollmachtsmangel jedenfalls durch die nachträgliche Vollmachtsgenehmigung, die die Klägerin in der Verhandlung vom 28. Februar 2017 erklärt habe, saniert worden. Die Genehmigung der Prozessführung des Vertreters wirke nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder der ihr gleichstehenden Prozesshandlung (hier also des Privatbeteiligtenanschlusses) zurück, sodass von diesem Zeitpunkt an Hemmung eintrete.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Im vorliegenden Fall ist unstrittig deutsches Sachrecht anzuwenden. Dass die Vorinstanzen die Frage der Verjährung des Schadenersatzanspruchs der Klägerin nach der Vorschrift des § 199 BGB beurteilt haben, ist nicht zu beanstanden. Aus der zum Zeitpunkt des Erwerbs der Zertifikate durch die Klägerin noch in Geltung gestandenen Vorschrift des § 37a dWpHG (aF), wonach der Anspruch des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadenersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapier(neben)dienstleistung (bereits) in drei Jahren ab Entstehung des Anspruchs verjährt, ist für die Erstbeklagte nämlich schon deshalb nichts zu gewinnen, weil der Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen das dWpHG abzuleiten ist, sondern aus § 826 BGB (4 Ob 112/15x mwN).

2. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt gemäß § 199 Abs 1 BGB mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Verjährungsfrist wird gemäß § 204 Abs 1 Z 1 BGB insbesondere durch Erhebung der Klage gehemmt. Die Stellung eines Adhäsionsantrags nach § 404 dStPO hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit (§ 404 Abs 2 dStPO). Die Erstbeklagte zieht die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein Privatbeteiligtenanschluss nach österreichischem Recht dem Adhäsionsantrag grundsätzlich funktionell gleichwertig ist (vgl dazu BGH XII ZR 182/00), auch in dritter Instanz nicht in Zweifel.

3. Dass der Privatbeteiligtenanschluss ausreichend individualisiert war und den Formerfordernissen der StPO entsprach, hat der Oberste Gerichtshof – der Entscheidung 10 Ob 45/17s folgend – bereits mehrfach ausgesprochen (jüngst etwa 4 Ob 194/17h, 4 Ob 196/17b, 4 Ob 199/17v, 6 Ob 191/17g, 6 Ob 196/17t, 8 Ob 124/17v, 3 Ob 194/17a, 3 Ob 188/17v, 3 Ob 11/18s). Nach den Feststellungen wurden die Daten auf der CD-ROM nach Einlangen bei der Staatsanwaltschaft Wien ausgedruckt und zum Akt genommen. Auf einer dieser Listen befanden sich
– wie schon in der Beilage zum Schriftsatz, mit dem der Privatbeteiligtenanschluss für 7.880 Personen erklärt wurde – auch die Daten der Klägerin. Die Frage, ob ein ausschließlich mittels Übergabe einer CD-ROM erklärter Privatbeteiligtenanschluss wirksam ist, stellt sich hier deshalb nicht.

4. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Wirksamkeit des Privatbeteiligtenanschlusses nicht von dessen Zustellung an die Beklagten abhing, weil auch der Adhäsionsantrag nach § 404 dStPO seine Wirkungen bereits mit Einlangen bei Gericht entfaltet, ist angesichts des klaren Wortlauts des § 404 Abs 2 zweiter Satz dStPO nicht zu beanstanden.

5. Auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Klagevertreter den Privatbeteiligtenanschluss nicht vollmachtslos eingebracht hat, ist nicht korrekturbedürftig. Dass die Klägerin den Klagevertreter nicht unmittelbar beauftragt und bevollmächtigt hat, schadet angesichts des ihm unstrittig auch namens der Klägerin erteilten Auftrags der A***** AG nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beauftragung des Klagevertreters nicht der von der Klägerin dieser AG erteilten Vollmacht entsprochen hätte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Einer nachträglichen Genehmigung des vom Klagevertreter erklärten Privatbeteiligtenanschlusses durch die Klägerin bedurfte es daher nicht (vgl jüngst 3 Ob 11/18s).

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Bei einer Bemessungsgrundlage von 22.028,28 EUR (ON 24, Seite 4) beträgt der Ansatz nach TP 3C RATG jedoch nur 826,30 EUR.

Schlagworte

;

Textnummer

E121154

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00042.18Z.0321.000

Im RIS seit

18.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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