TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/30 LVwG-AV-1558/001-2017

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Entscheidungsdatum

30.01.2018

Norm

FSG 1997 §3 Abs1 Z2
FSG 1997 §7 Abs3
FSG 1997 §7 Abs4
FSG 1997 §24 Abs3
FSG 1997 §25 Abs1
FSG 1997 §26 Abs2 Z1
StVO 1960 §99 Abs1 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Einzelrichter Dr. Schwarzmann über die Beschwerde von HE, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 25.10.2017, ZTS1-F-1774/001, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht:

1.  Der Beschwerde wird stattgegeben und die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung von 10 Monaten auf 6 Monate (ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 22.8.2017) herabgesetzt.

2.  Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 17, § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Mit (Mandats-)Bescheid vom 30.8.2017 entzog die Bezirkshauptmannschaft Zwettl (im folgenden: „belangte Behörde“) dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, BE, C1E, CE und F bis einschließlich 22.6.2018 (10 Monate); weiters wurden eine Nachschulung und die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme und eines vom Amtsarzt erstellten Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung angeordnet. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer am 22.8.2017 um 20:20 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt: 1,06 mg/l) die Zugmaschine mit dem Kennzeichen *** im Ortsgebiet von *** gelenkt habe und daher verkehrsunzuverlässig sei.

Der Beschwerdeführer erhob rechtzeitig dagegen Vorstellung. Die belangte Behörde leitete ein Ermittlungsverfahren ein und erhob, dass gegen den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafvormerkung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aus dem Jahr 2014 vorliegt, dass im Elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem keine Vormerkungen vorliegen und dass der Polizei keine Umstände bekannt sind, welche seine Verkehrszuverlässigkeit in Frage stellten, bzw. dass nicht der Eindruck bestehe, er werde sich im Straßenverkehr rücksichtslos verhalten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.10.2017, ZTS1-F-1774/001, gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge, da der in § 99 Abs. 1 lit. a StVO genannte Wert „weit überschritten“ sei und „mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges im alkoholbeeinträchtigten Zustand eine Gefährdung“ vorliege.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, die Entziehungsdauer von zehn Monaten auf die gesetzliche Mindestfrist von sechs Monaten zu reduzieren, und zwar mit folgender Begründung: Die Entscheidung werde ausschließlich hinsichtlich der Dauer der Entziehung bekämpft. Er trinke nur gelegentlich geringe Mengen Alkohol und fahre dann mit keinem Fahrzeug; der gegenständliche Vorfall sei ein einmaliger Ausrutscher. Die hohe Alkoholmenge sei bereits bei der Mindestentzugsdauer ausreichend berücksichtigt, und es gäbe sonst keine Erschwerungstatbestände.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, dem die belangte Behörde den Akt und die Beschwerde vorlegt hat, hat dazu wie folgt erwogen:

Aufgrund des Beschwerdevorbringens und der unbedenklichen Aktenlage steht fest, dass der Beschwerdeführer am 22.8.2017 um 20:20 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt 1,06 mg/l = Blutalkoholgehalt 2,12 Promille) einen Traktor im Ortsgebiet von *** gelenkt hat und dass er nur eine Verwaltungsstrafvormerkung nach der StVO aufweist.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Die anzuwendenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG) in der geltenden Fassung lauten wie folgt:

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die ....

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7), …

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. ...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1.   ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, …
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, …

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ... die Lenkberechtigung zu entziehen. ...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung … wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960 erfolgt. … Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...

26. (2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges …

1.            erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen, …

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO ist mit Geldstrafe von 1.600 Euro bis 5.900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

Aufgrund der obigen Feststellungen hat der Beschwerdeführer eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG verwirklicht, was seine Verkehrsunzuverlässigkeit nach sich zieht.

Was die gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmende Wertung dieser „bestimmten Tatsache“ betrifft, lag der Vorfall im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst zwei Monate zurück. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zählen Alkoholdelikte zu den schwerstwiegenden Verfehlungen im Straßenverkehr, bei deren Beurteilung ein strenger Maßstab anzulegen ist. Das Lenken eines Kfz nach dem Konsum derartiger Alkoholmengen stellt einen hohen Grad an Verantwortungslosigkeit und ein großes Gefahrenpotenzial für alle Verkehrsteilnehmer dar. Der Verwaltungsgerichthof weist aber auch in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19.8.2014, 2013/11/0038 mwN) darauf hin, dass der Gesetzgeber für die erstmalige Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO in § 26 Abs. 2 Z. 1 FSG eine Mindestentziehungszeit von sechs Monaten festgelegt hat und dass diese Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten nur dann überschritten werden darf, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit oder Gefährlichkeit der strafbaren Handlung (§ 7 Abs. 4 FSG) die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Im seinem Erkenntnis vom 19.10.2010, 2010/11/0101 hat das Höchstgericht ausgesprochen, dass der Gesetzgeber auf die hohe Verwerflichkeit von Alkoholdelikten im Straßenverkehr insoweit Bedacht genommen hat, als er dafür in § 26 FSG eine Mindestentziehungsdauer oder eine fixe Entziehungsdauer festgelegt hat, die von der Behörde nicht unterschritten werden dürfen, und dass, wenn keine Feststellungen zu einem allfälligen sonstigen Fehlverhalten getroffen werden, keine längere Entziehungsdauer als die in § 26 Abs. 2 Z. 1 vorgesehene Mindestentziehungsdauer erforderlich ist. Der (bloße) Alkoholisierungsgrad von 2,12 Promille (Blutalkoholgehalt) vermag für sich allein also gegenständlich kein Überschreiten der Mindestentziehungsdauer zu begründen (siehe auch das Erkenntnis des LVwG NÖ vom 29.11.2017, LVwG-AV-1085/001-2017). Hätte der Beschwerdeführer nämlich den Alkomattest verweigert (also eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen), wäre er nach § 26 Abs. 2 Z. 1 FSG ebenfalls für die Mindestdauer von sechs Monaten als verkehrsunzuverlässig anzusehen (vgl. z.B. VwGH vom 3.7.2017, Ra 2017/11/0019, LVwG Tirol vom 22.9.2017,
LVwG-2017/13/0849, oder LVwG NÖ vom 28.2.2017, LVwG-AV-1/001-2017), und er soll aber wegen seines rechtmäßigen Verhaltens bei der Mitwirkung an der Feststellung seiner Alkoholbeeinträchtigung nicht schlechter gestellt werden. Erst bei einem Atemluftalkoholgehalt von 1,25 mg/l (einem Blutalkoholgehalt von 2,50 Promille) hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem zuvor zitierten Erkenntnis vom 19.8.2014 die Überschreitung der Mindestentziehungsdauer von 6 Monaten als rechtmäßig erachtet, da es sich dabei um einen „außerordentlich hohen Alkoholisierungsgrad“ handelt.

Solche in diesem höchstgerichtlichen Erkenntnis angesprochene „Umstände“, die eine Überschreitung der Mindestentziehungsdauer rechtfertigen, sind gegenständlich nicht verwirklicht, zumal der Beschwerdeführer seit fast drei Jahrzehnten im Besitz einer Lenkberechtigung ist und lediglich die angesprochene Verwaltungsstrafvormerkung wegen einer vor vier Jahren begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung aufweist und zumal er – soweit aktenkundig –erstmals ein Kfz (und zwar einen Traktor) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, dabei ein verkehrswidriges Verhalten nicht gesetzt bzw. einen Verkehrsunfall nicht verschuldet hat.

Das erkennende Gericht stellt aus all diesen Gründen die Prognose, dass der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit – unbeschadet der Absolvierung der begleitenden Maßnahmen – nach der gesetzlichen Mindestentziehungsdauer wieder erlangen könne. Somit war die Entziehungsdauer spruchgemäß auf sechs Monate herabzusetzen. Die von der belangten Behörde mit zehn Monaten bemessene Entziehungsdauer erscheint nach Ansicht des erkennenden Gerichts im Fall des Beschwerdeführers (eines „Ersttäters“) auch deshalb etwas zu lange, da dies der vom Gesetzgeber fixierten Mindestentziehungsdauer eines Wiederholungstäters, der innerhalb von fünf Jahren zuerst ein Alkodelikt mit zwischen 1,2 und 1,6 Promille Blutalkoholgehalt und dann das verfahrensgegenständliche begeht, entspricht (vgl. § 26 Abs 2 Z 5 FSG).

Da der Führerschein am 22.8.2017 vorläufig abgenommen wurde, beginnt die Entziehungsdauer an diesem Tag (§ 29 Abs. 4 FSG). Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Entziehungsdauer nicht vor Absolvierung der Nachschulung, der Vorlage eines vom Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung und der Beibringung der verkehrspsychologischen Stellungnahme enden kann.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Da sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde auf eine öffentliche mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte von einer solchen abgesehen werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).

Die Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (vgl. VwGH vom 23.9.2014, Ro 2014/01/0033) dar.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Alkohol; Entziehungsdauer;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1558.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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