TE Vfgh Erkenntnis 2018/3/14 G227/2017

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
GewO 1994 §39 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung

Leitsatz

Abweisung eines Eventualantrags des VwGH auf Aufhebung einer Bestimmung der GewO 1994 betreffend die Voraussetzungen für die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers zur Sicherstellung der verwaltungsrechtlichen Verantwortlichkeit und zur Vermeidung des Scheingeschäftsführerwesens; kein Verstoß gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Zurückweisung des Hauptantrags als zu eng gefasst

Spruch

I. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.

II. Der Eventualantrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof, "§39 Abs2 dritter, vierter und sechster Satz Gewerbeordnung 1994, BGBl I Nr 194 idF BGBl I Nr 85/2012 (GewO 1994), […] in eventu §39 Abs2 Gewerbeordnung 1994, BGBl I Nr 194 idF BGBl I Nr 85/2012 (GewO 1994)" als verfassungswidrig aufzuheben.

II.      Rechtslage

§39 der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 (im Folgenden: GewO), BGBl 194 idF BGBl I 85/2012, lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"a) Gewerberechtlicher Geschäftsführer

§39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Der Gewerbeinhaber hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat. Für Gewerbeinhaber, die keinen Wohnsitz im Inland haben, entfällt die Verpflichtung, einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn

1. die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen durch Übereinkommen sichergestellt sind, oder

2. es sich um Staatsangehörige eines Vertragsstaates des EWR handelt, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EWR haben, oder

3. es sich um Staatsangehörige der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt, die ihren Wohnsitz in der Schweiz oder in einem Vertragsstaat des EWR haben.

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen. Er muß der Erteilung der Anordnungsbefugnis und seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß §9 Abs1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem

1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder

2. ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.

Diese Bestimmung gilt nicht für die im §7 Abs5 angeführten Gewerbe, die in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt werden. Innerhalb eines Konzerns kann eine Bestellung zum Geschäftsführer auch für mehrere Konzernunternehmen erfolgen, wenn der Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des dritten Satzes zumindest bei einem der Konzernunternehmen ist. Der gemäß Abs1 für die Ausübung eines Gewerbes, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, zu bestellende Geschäftsführer muß ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein. Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl Nr 29/1993 geltenden Bestimmungen des §39 Abs2 gelten für Personen, die am 1. Juli 1993 als Geschäftsführer bestellt waren, bis zum Ablauf des 31. Dezember 1998 weiter.

(2a) Der Geschäftsführer muss seinen Wohnsitz im Inland haben. Dies gilt nicht, sofern

1. die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen durch Übereinkommen sichergestellt sind, oder

2. es sich um Staatsangehörige eines Vertragsstaates des EWR oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz haben, oder

3. es sich um Drittstaatsangehörige handelt, denen ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG' oder 'Daueraufenthalt-Familienangehöriger' erteilt wurde und die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz haben.

(3) In den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, muß der Gewerbeinhaber sich eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.

(4) Der Gewerbeinhaber hat die Bestellung und das Ausscheiden des Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§345 Abs1). Die zuständige Behörde hat in jenen Fällen, in denen dieses Bundesgesetz die Bestellung eines Geschäftsführers vorschreibt und ein Arbeitnehmer als Geschäftsführer angezeigt oder genehmigt (§176) wird, die Bestellung oder das Ausscheiden mit Sozialversicherungs- und Dienstgeberkontonummer auf automationsunterstütztem Weg dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zur Weiterleitung an den Versicherungsträger (§321 ASVG) anzuzeigen. Der Versicherungsträger hat das Ende der Pflichtversicherung eines ihm angezeigten und nicht ausgeschiedenen Geschäftsführers möglichst auf automationsunterstütztem Weg der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.

(5) Der Gewerbeinhaber ist von seiner Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des §370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs4 angezeigt hat."

III.    Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1.    Beim Verwaltungsgerichtshof ist eine Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25. Jänner 2016, Z LVwG-2015/41/1675-7, anhängig, in welchem die Beschwerde der (nunmehrigen) Revisionswerberin im Ausgangsverfahren gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 1. Juni 2015, mit dem festgestellt wurde, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung des S. als gewerberechtlichen Geschäftsführer nach §39 GewO nicht vorgelegen seien und die Geschäftsführerbestellung nicht zur Kenntnis genommen werde, als unbegründet abgewiesen wurde.

1.2.    Bei der Revisionswerberin – einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zur Ausübung des Gewerbes "Erdbau gemäß §1 Z7 Teilgewerbe-Verordnung" berechtigt ist – handelt es sich um ein Familienunternehmen. S. hatte bis zum 1. Jänner 2015 die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers inne – er besitzt den zur Ausübung des Gewerbes der Revisionswerberin notwendigen Befähigungsnachweis – und war bis 31. Dezember 2014 bei der Tiroler Gebietskrankenkasse nach den Bestimmungen des ASVG versichert. Er ist jedoch nicht handelsrechtlicher Geschäftsführer der Revisionswerberin. Mit Abtretungsvertrag vom 8. Juli 2014 erwarb S. von seinen Großeltern 75 % der Gesellschaftsanteile an der Revisionswerberin und wurde damit zum Mehrheitsgesellschafter. Als GmbH-Gesellschafter wurde er ab dem 1. Jänner 2015 nicht mehr bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, sondern bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als neuer Selbständiger versichert. Die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers übte er weiter aus.

1.3.    Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 12. Jänner 2015 wurde die Revisionswerberin zur Namhaftmachung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers aufgefordert. Mit näherer Begründung teilte die Revisionswerberin mit, dass S. weiterhin als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt sei. Mangels Namhaftmachung eines anderen gewerberechtlichen Geschäftsführers stellte sich für die Bezirkshauptmannschaft daher die Frage, ob S. als Mehrheitsgesellschafter einer GmbH mit 75%-Beteiligung, der zugleich in dieser GmbH (rund 50 Stunden die Woche) beschäftigt sei, aber auf Grund seiner Mehrheitsbeteiligung nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG, sondern dem GSVG unterliege, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer nach §39 Abs2 Z2 GewO bestellt werden könne. Dies verneinte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit Bescheid vom 1. Juni 2015 und führte aus, dass S., um die Bestellungsvoraussetzungen des §39 Abs2 dritter Satz GewO zu erfüllen, entweder dem vertretungsbefugten Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) zugehörig gemacht werden müsse oder eine dem Gesetz entsprechende Anmeldung (als voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer) bei der Tiroler Gebietskrankenkasse zu erfolgen habe.

1.4.    Das Landesverwaltungsgericht Tirol bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz insbesondere vor dem Hintergrund, dass S. – abgesehen davon, dass er unzweifelhaft nicht dem vertretungsbefugten Organ angehöre – auf Grund seiner 75%-Beteiligung der Geschäftsführung jederzeit Weisungen erteilen könne, sich seine Aufgaben zu großen Teilen selbst (-verantwortlich) gebe, er daher gegenüber dem Betriebsinhaber nicht wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer abhängig sei und S. daher insgesamt keinem voll versicherungspflichtigen Arbeitnehmer entspreche. Gegen das Erkenntnis erhob die GmbH ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

2.       Der Verwaltungsgerichtshof erhebt Bedenken ob der Verfassungskonformität des §39 Abs2 dritter, vierter und sechster Satz GewO im Hinblick auf das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG.

2.1.    Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes würden jene gewerberechtlichen Rechtsvorschriften, die bestimmte Tätigkeiten reglementieren und für den Erwerbsantritt einen Befähigungsnachweis erforderlich machen würden, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dem Schutz vor Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit sowie dem Schutz der Konsumenten und damit Zielen dienen, die im öffentlichen Interesse liegen würden (vgl. VfSlg 19.814/2013, Rz 24 mwN). §39 GewO diene iVm §9 Abs1 GewO diesen Zielen, weil mit diesen Bestimmungen für juristische Personen, die selbst den Befähigungsnachweis nicht erbringen können (§39 Abs1 zweiter Satz GewO), sichergestellt werde, dass der bestellte Geschäftsführer diesen Befähigungsnachweis erbringt (§39 Abs2 erster Satz GewO). Der gewerberechtliche Geschäftsführer sei sodann der juristischen Person (Gewerbeinhaber) gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Gewerbebehörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich (§39 Abs1 erster Satz GewO).

2.2.    Um diese Anforderungen erfüllen zu können, normiere das Gesetz, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer in der Lage sein müsse, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, und insbesondere eine dem Abs1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen müsse (§39 Abs2 erster Satz GewO). §39 Abs3 GewO ordne an, dass in den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen sei – also auch in den Fällen des §9 Abs1 GewO bei juristischen Personen – sich der Gewerbeinhaber eines Geschäftsführers bedienen müsse, der sich im Betrieb entsprechend betätige.

2.3.    Der Zweck dieser gewerberechtlichen Bestimmung sei erkennbar darauf gerichtet, sicherzustellen, dass eine zur redlichen, fachkundigen Ausübung des Gewerbes geeignete und dafür verantwortliche Person innerhalb der juristischen Person vorhanden sei. Dadurch sollten die Geschäftspartner der Gesellschaft (die Kunden) vor den nachteiligen Folgen des Fehlens eines sich entsprechend im Betrieb betätigenden gewerberechtlichen Geschäftsführers bewahrt werden (vgl. OGH 30.6.2003, 7 Ob 135/03h, mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung). Dem gewerberechtlichen Geschäftsführer müsse es daher möglich sein, die gewerbliche Tätigkeit im Betrieb ausreichend zu beobachten, zu kontrollieren und zu steuern. Von zentraler Bedeutung seien die Möglichkeit der Verhaltenssteuerung und entsprechende Verfügungs- und Überwachungsmöglichkeiten. Der gewerberechtliche Geschäftsführer müsse in der Lage sein, Zustände, die der GewO widersprechen, abzustellen bzw. abstellen zu lassen (Köhler in: Ennöckl/Raschauer/Wessely [Hrsg.], Kommentar zur Gewerbeordnung 1994, 2015, Rz 29 zu §39; vgl. idS auch Hanusch, Kommentar zur Gewerbeordnung19, 2013, Rz 7 zu §39, und Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3, 2011, Rz 16 zu §39).

2.4.    Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Sinn in seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der "entsprechenden" Betätigungsmöglichkeit eines Geschäftsführers im Sinn des §39 Abs2 GewO in erster Linie auf die Bestimmungen der Abs1 und 5 des §39 GewO Bedacht zu nehmen sei, aus denen hervorgehe, dass der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer der Behörde gegenüber anstelle des Gewerbeinhabers für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich sei. Daraus ergebe sich – im Zusammenhang mit der Art der von dem jeweils in Betracht kommenden Gewerbe umfassten Tätigkeit – auch das Ausmaß des erforderlichen Betätigungsumfanges des Geschäftsführers. Eine entsprechende Betätigung könne danach nur angenommen werden, wenn durch sie eine gesetzmäßige Gewerbeausübung sichergestellt und somit unter Bedachtnahme auf die im Einzelfall in Betracht zu ziehende gewerberechtliche Betätigung die bloße Scheinerfüllung dieses Erfordernisses ausgeschlossen werde (vgl. VwGH 27.1.2010, 2006/04/0038, mwN).

2.5.    Über diese allgemeinen Anforderungen hinaus treffe §39 Abs2 dritter Satz GewO für juristische Personen, die ein reglementiertes Gewerbe (§94 GewO) auszuüben beabsichtigen bzw. ausüben, eine besondere Regelung: Danach dürfe eine juristische Person lediglich eine Person zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen, die dem Kreis der in Z1 und 2 erwähnten Personen angehört (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, Rz 26 zu §39). Diese Regelung sei somit abschließend. Andere Möglichkeiten der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers kenne §39 Abs2 dritter Satz GewO nicht, auch wenn die allgemeinen Anforderungen des §39 Abs2 erster Satz GewO – wie die vorliegende Revisionssache zeige – in anderer Weise erfüllt werden könnten.

2.6.    Der Gesetzgeber habe die Notwendigkeit dieser Regelung wie folgt begründet (vgl. RV 635 BlgNR 18. GP, 83, zur Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl 29/1993): "Bei Gewerben, für die die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, soll der Geschäftsführer einer juristischen Person enger als bisher an das Unternehmen gebunden werden; damit soll auch dem Scheingeschäftsführerunwesen entgegengewirkt werden. Es sollen daher in Hinkunft nur mehr Personen bestellt werden können, die entweder dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder als hauptberuflich beschäftigte Arbeitnehmer tätig werden." Der Umstand, dass eine besondere Regelung zusätzlich zu §39 Abs2 erster Satz GewO 1973 getroffen wurde, sei (in RV 798 BlgNR 15. GP, 8 f, zur Gewerbeordnungs-Novelle 1981) wie folgt begründet worden: "Erfahrungen der gewerberechtlichen Praxis zeigen, daß mit der im §39 Abs2 enthaltenen Vorschrift, daß der Geschäftsführer in der Lage sein muß, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, nicht das Auslangen gefunden werden kann. Es wird daher festgelegt, daß der gemäß §9 Abs1 von einer juristischen Person, die ein an einen Befähigungsnachweis gebundenes Gewerbe ausübt, zu bestellende Geschäftsführer eine Person zu sein hat, die neben der Erfüllung der schon bisher geltenden Voraussetzungen entweder dem zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufenen Organ angehören oder Prokurist sein oder ein Arbeitnehmer, der mindestens die Hälfte der nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigt ist, sein muß."

2.7.    Gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes seien nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen seien (vgl. VfSlg 19.814/2013, Pkt. III.2.2., mwN). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes seien diese Voraussetzungen bei der angefochtenen Bestimmung des §39 Abs2 dritter Satz GewO jedoch nicht erfüllt, wie die vorliegende Revisionssache deutlich zeige:

2.7.1.  Vorauszuschicken sei, dass der von der Revisionswerberin der Gewerbebehörde angezeigte gewerberechtliche Geschäftsführer nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes die im Wortlaut des §39 Abs2 Z1 und 2 GewO normierten Voraussetzungen nicht erfülle: Er gehöre weder dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der revisionswerbenden GmbH an (vgl. VwGH 20.12.1994, 94/04/0220) noch könne er als Mehrheitsgesellschafter der GmbH deren Arbeitnehmer sein (vgl. VwGH 9.10.1984, 84/04/0091, insbesondere zum Begriff "Arbeitnehmer"). Gleichzeitig sei aber auf Grund der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass der von der Revisionswerberin angezeigte gewerberechtliche Geschäftsführer als Mehrheitsgesellschafter der Revisionswerberin durchaus gemäß §39 Abs2 erster Satz und Abs3 GewO in der Lage sei, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, und eine, insbesondere dem Abs1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitze.

2.7.2.  So sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Alleingesellschafter einer GmbH berechtigt, dem (handelsrechtlichen) Geschäftsführer der GmbH Weisungen zu erteilen, an die derselbe gebunden sei, sofern er sich dadurch nicht zivilrechtlich oder strafrechtlich haftbar mache (vgl. OGH 7.5.1979, Bkd 5/79 = RIS Justiz RS0060037; 20.10.2015, 11 Os 52/15d = RIS Justiz RS0130392). Auch Mehrheitsgesellschafter seien in diesem Sinn gegenüber den Geschäftsführern einer GmbH weisungsbefugt (vgl. §39 Abs1 GmbH-Gesetz).

2.7.3.  Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sei dem Vorbringen der Revisionswerberin zu folgen, demzufolge der angezeigte gewerberechtliche Geschäftsführer im Ergebnis die mit den Z1 und 2 des §39 Abs2 dritter Satz GewO verfolgte Zielsetzung nicht nur erfülle, sondern übertreffe. Er sei nämlich als Mehrheitsgesellschafter wesentlich stärker in das Unternehmen der Revisionswerberin eingebunden als das bei einem bloß unternehmensrechtlichen Geschäftsführer, der durch einfachen Gesellschafterbeschluss jederzeit abberufen werden könne und an der Gesellschaft nicht finanziell beteiligt sei, der Fall sei. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, diese Bestimmung aus diesen Gründen nach dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren "telos" der Regelung und nicht nach dem eindeutigen Wortlaut anzuwenden, stehe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach im Hinblick auf den Gesetzestext und die Systematik des Gesetzes den Gesetzesmaterialien, soweit sie den aus dem Gesetzestext und der Systematik des Gesetzes gewonnenen Interpretationsergebnissen widersprechen, keine Bedeutung bei der Auslegung des Gesetzes zukommen könne (vgl. VwGH 24.6.2014, 2012/05/0151, mwN).

2.7.4.  In Bezug auf die in den Gesetzesmaterialien angeführte Notwendigkeit der Regelung sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auf das Folgende hinzuweisen: Der Gesetzgeber begründe die Einführung einer besonderen Regelung für juristische Personen, die ein reglementiertes Gewerbe auszuüben beabsichtigen bzw. ausüben, mit (nicht näher genannten) Erfahrungen der gewerberechtlichen Praxis, die zeigen würden, dass mit der im §39 Abs2 erster Satz GewO enthaltenen Vorschrift nicht das Auslangen gefunden habe werden können (RV 798 BlgNR 15. GP, 8 f.). Die vorliegend maßgebliche Fassung des §39 Abs2 dritter Satz GewO habe der Gesetzgeber mit der Notwendigkeit begründet, den Geschäftsführer einer juristischen Person enger als bisher an das Unternehmen zu binden; wiederum mit dem Ziel, dem Scheingeschäftsführerunwesen entgegenzuwirken.

2.7.5.  Beide Ziele seien nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, die Verhältnismäßigkeit der Regelung des §39 Abs2 dritter Satz GewO darzutun: So sei nach Lage des vorliegenden Falles, in dem sich der angezeigte gewerberechtliche Geschäftsführer als Mehrheitsgesellschafter der Gewerbeinhaberin im familieneigenen Unternehmen betätige, eine enge Bindung an das Unternehmen unstrittig anzunehmen. Auch eine entsprechende Betätigung des angezeigten gewerberechtlichen Geschäftsführers im Betrieb gemäß §39 Abs3 GewO werde nicht angezweifelt. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Argument der Revision hinzuweisen, wonach die Entscheidung darüber, welche Person innerhalb einer Gesellschaft welche Funktion ausüben solle, eine rein unternehmerische Entscheidung sei. Der vorliegende Fall zeige, dass die zwei Funktionen, nämlich jene des unternehmensrechtlichen und jene des gewerberechtlichen Geschäftsführers, auseinanderfallen könnten, zumal eine derartige Arbeitsteilung nicht nur zur effizienteren Unternehmensführung beitragen könne, sondern auch dann sinnvoll sei, wenn der unternehmensrechtliche Geschäftsführer nicht den notwendigen Befähigungsnachweis erbringen könne, im Unternehmen aber Personen vorhanden seien, die diesen Nachweis erbringen könnten. Die Revision weise auch zutreffend darauf hin, dass die Revisionswerberin bei Anwendung des §39 Abs2 dritter Satz GewO gezwungen sei, einen unternehmensfremden Fachmann, der einen entsprechenden Befähigungsnachweis erbringen könne, über den der angezeigte gewerberechtliche Geschäftsführer bereits verfüge, in ihrem Unternehmen anzustellen. Ein solcher Fachmann wäre zwangsläufig als Angestellter wesentlich schwächer in die Unternehmensstruktur der Revisionswerberin eingebunden als der angezeigte Mehrheitsgesellschafter (vgl. insoweit zur Verhältnismäßigkeit einer Einschränkung der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit VfSlg 18.909/2009).

2.7.6.  Der in der vorliegenden Revisionssache zugrunde liegende Sachverhalt zeige, dass Bedenken hinsichtlich eines Scheingeschäftsführers völlig unbegründet seien und die Regelung sohin – wie von der Revision vorgebracht – die unternehmerische Entscheidung, welche Person innerhalb einer Gesellschaft welche Funktion ausüben solle, in derartigen Fällen in unverhältnismäßiger Weise beschränke. Es sei daher sachlich nicht zu rechtfertigen, dass die beiden Kriterien des §39 Abs2 dritter Satz GewO abschließend normiert seien und diese Regelung die im vorliegenden Fall gegebene Konstellation, in der die mit dieser Bestimmung verfolgte Zielsetzung ebenso erfüllt werde, ausschließe.

2.7.7.  Zweifel an der Notwendigkeit der in §39 Abs2 dritter Satz GewO aufgestellten Voraussetzungen seien deshalb berechtigt, weil es andere Bestimmungen des §39 GewO gebe, die dem Problem des Scheingeschäftsführerunwesens ebenso entgegenwirken würden (beispielsweise die nachweisliche Zustimmung nach §39 Abs2 zweiter Satz GewO, mit welcher dem gewerberechtlichen Geschäftsführer seine Befugnis deutlich vor Augen geführt werde [so Hanusch, aaO, Rz 13 zu §39] und die Strafbestimmung gemäß §367 Z7 GewO betreffend einen Geschäftsführer, der sich entgegen §39 Abs3 GewO nicht im Betrieb entsprechend betätigt).

2.7.8.  Hinzu komme, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Normzweck des §39 Abs3 GewO die Nichtigkeit einer Vereinbarung verlange, mit der das Fehlen einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder Konzession durch ein vorgetäuschtes Anstellungsverhältnis ausgeglichen bzw. umgangen werden soll (vgl. OGH 30.6.2003, 7 Ob 135/03h, mwN; vgl. auch Ennöckl/Raschauer/Wessely, aaO, Rz 30 zu §39). Derartige Scheingeschäfte mit einem gewerberechtlichen Geschäftsführer seien daher nichtig.

2.8.    Zusammenfassend erfülle daher die angefochtene Bestimmung des §39 Abs2 dritter Satz GewO nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Anforderungen.

3.       Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken – nach einer Darstellung der Rechtsentwicklung betreffend die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers – wie folgt entgegengetreten wird:

3.1.    Nach Ansicht der Bundesregierung würden die in §39 Abs2 dritter Satz GewO vorgesehenen zusätzlichen Anforderungen an gewerberechtliche Geschäftsführer für juristische Personen, die ein Gewerbe auszuüben beabsichtigen bzw. ausüben, für das ein Befähigungsnachweis vorgeschrieben sei, Ausübungsregeln darstellen, die durch das öffentliche Interesse der Gewährleistung einer sicheren Gewerbeausübung geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt erscheinen würden.

3.2.    Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes sei entgegenzuhalten, dass Mehrheitsgesellschafter zwar maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gesellschaft hätten. Der gewerberechtliche Geschäftsführer sei jedoch nicht für die Unternehmensführung verantwortlich. In welchem Ausmaß Mehrheitsgesellschafter Tätigkeiten im Betrieb tatsächlich übernehmen und insoweit der Verantwortung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers gerecht würden, ergebe sich nicht unmittelbar aus ihrer gesellschaftsrechtlich starken Position. Alleine die Qualifikation eines Gesellschafters als Mehrheitsgesellschafter biete folglich keinen ausreichenden Hinweis dafür, dass sich die Person – im Sinn der Regelungen des §39 Abs2 und 3 GewO – tatsächlich entsprechend im Betrieb betätige. Dies unterscheide Mehrheitsgesellschafter – wie schon früher Prokuristen – ganz wesentlich von unternehmensrechtlichen Geschäftsführern und Arbeitnehmern im Sinn des §39 Abs2 dritter Satz GewO, die schon auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgaben bzw. des Arbeitsverhältnisses gehalten seien, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen.

3.3.    Im vorliegenden Fall besitze der Gesellschafter 75 % der Geschäftsanteile an der GmbH und erbringe Arbeitsleistungen im Umfang von 50 Wochenstunden im familieneigenen Unternehmen. Dem Verwaltungsgerichtshof werde daher, wenn er für den gegenständlichen – atypischen – Fall eine enge Bindung des Gesellschafters an das Unternehmen annimmt, nicht entgegengetreten.

3.4.    Soweit der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich die Erforderlichkeit einer solchen Regelung im Hinblick auf §39 Abs2 zweiter Satz GewO – die nachweisliche Zustimmung zu der §39 Abs1 GewO entsprechenden selbstverantwortlichen Anordnungsbefugnis – in Zweifel ziehe, sei darauf hinzuweisen, dass diese Regelung nicht in erster Linie dazu diene, die Präsenz des Geschäftsführers im Betrieb zu gewährleisten. Da der Geschäftsführer der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich sei, solle er die Möglichkeit haben, ein Zuwiderhandeln gegen gewerberechtliche Vorschriften durch die Erteilung von Anordnungen abzustellen. Wesentliche Rechtsfolge der Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer sei die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß §370 Abs1 GewO. Eine solche Übertragung sei auch aus zivilrechtlicher Sicht nur zulässig, wenn ihr vom Betroffenen zugestimmt werde (vgl. Rebhahn, Gewerberechtlicher Geschäftsführer, 1994, 60). Es sei daher sicherzustellen, dass die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht einer Person aufgezwungen werde, die der Bestellung zum Geschäftsführer nicht ausdrücklich zugestimmt habe.

3.5.    Der Verwaltungsgerichtshof weise zudem darauf hin, dass bereits §39 Abs3 GewO den obligatorisch zu bestellenden Geschäftsführer dazu verpflichte, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen; wer sich eines Geschäftsführers bediene, der sich entgegen dieser Bestimmung nicht im Betrieb entsprechend betätige, begehe gemäß §367 Z7 GewO eine Verwaltungsübertretung. Die Bundesregierung erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass es eine dem §367 Z7 GewO entsprechende Verwaltungsstrafbestimmung auch schon nach der Stammfassung der Gewerbeordnung 1973 gegeben habe (vgl. §367 Z6 GewO 1973, BGBl 50/1974). Für den Gesetzgeber sei jedoch bereits 1981 im Hinblick auf die gewerberechtliche Praxis festgestanden, dass alleine mit dieser Bestimmung die Zielsetzung des Gesetzes – nämlich dass eine befähigte Person im Unternehmen tatsächlich vorhanden ist und sich entsprechend betätigt – nicht erreicht werden könne; dies würde nämlich eine (in der Praxis gar nicht mögliche) lückenlose und flächendeckende Kontrolle sämtlicher Geschäftsführertätigkeiten durch die Gewerbebehörden in Vollziehung der Verwaltungsstrafnorm voraussetzen. Durch die Regelung des §39 Abs2 dritter Satz GewO – das Abstellen auf vertretungsbefugte Organe und näher bestimmte Arbeitnehmer – werde sohin das Erfordernis der entsprechenden Betätigung im Betrieb für juristische Personen in allgemeiner Weise garantiert.

3.6.    Der Verwaltungsgerichtshof weise außerdem darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Normzweck des §39 Abs3 GewO die Nichtigkeit einer Vereinbarung verlange, mit der das Fehlen einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder Konzession durch ein vorgetäuschtes Anstellungsverhältnis ausgeglichen bzw. umgangen werden soll; derartige Scheingeschäfte mit gewerberechtlichen Geschäftsführern seien daher nichtig (OGH 30.6.2003, 7 Ob 135/03h). Hiezu führt die Bundesregierung aus, dass die Parteien dieses Verfahrens eine Vereinbarung getroffen hätten, wonach eine befähigte Person für ein monatliches Entgelt ihren Gewerbeschein "zur Verfügung stellen" und "nach außen hin" als Geschäftsführer fungieren sollte. Die Gewerbebehörde habe jedoch diese Person als gewerberechtlichen Geschäftsführer abgelehnt, weil sie bereits bei zwei anderen Gesellschaften in der Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers tätig gewesen sei. Dies habe die Klägerin veranlasst, die bereits gezahlten monatlichen Entgelte zurückzufordern. Dieser Sachverhalt zeige, dass insbesondere auch §39 Abs2 GewO eine wichtige Handhabe biete, um das Scheingeschäftsführerwesen zu bekämpfen. Wäre die Scheinbestellung des Geschäftsführers nicht von der Gewerbebehörde abgelehnt worden, hätte der Scheingeschäftsführer die von ihm erwartete Leistung des "Zurverfügungstellens" jedenfalls erbracht.

3.7.    Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die mit zivilrechtlichen Vorschriften verbundenen Anreizwirkungen, wie etwa die Nichtigkeit von solchen Verträgen, keine ausreichende Gewähr gegen die Gefahr einer Scheingeschäftsführerbestellung bieten könnten. Die Bundesregierung gehe insgesamt von der Verhältnismäßigkeit der in §39 Abs2 dritter Satz GewO vorgesehenen Regelung aus. Zivil- und verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen könnten die mit der generellen Regelung des §39 Abs2 dritter Satz GewO verbundenen Wirkungen nicht vollständig erreichen.

4.       Die Revisionswerberin als Partei des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes anschließt. Sinn und Zweck des Rechtsinstitutes des gewerberechtlichen Geschäftsführers im Sinn des §39 GewO sei es, dass im Betrieb eine Person vorhanden sei, die entsprechende fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten aufweise und dem Gewerbeinhaber sowie – insbesondere – der Behörde gegenüber verantwortlich sei. Durch die taxative Regelung in §39 Abs2 dritter Satz GewO gebe es keine andere Möglichkeit der Bestellung, auch wenn die allgemeinen Forderungen des §39 Abs2 erster Satz GewO auf andere Weise erfüllt oder – wie im vorliegenden Fall – sogar übertroffen werden würden. Dies sei unter keinen Umständen die Intention des Gesetzgebers gewesen. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass die GmbH einen unternehmensfremden Fachmann in ihrem Unternehmen anstellen müsse, nur um den Anforderungen des §39 Abs2 dritter Satz GewO gerecht zu werden, obwohl dieser als Angestellter zwangsläufig wesentlich schwächer in die Unternehmensstruktur der GmbH eingebunden wäre als S. als Mehrheitsgesellschafter.

IV.      Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.1.1.  Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, das den Verfassungsgerichtshof – wie schon mit Beschluss vom 21. Juni 2017, G266/2016 festgestellt – im vorliegenden Fall an der Präjudizialität des §39 Abs2 dritter Satz GewO zweifeln ließe: Sowohl dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes als auch dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes (sowie dem damit bestätigten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz) ist zu entnehmen, dass der Gegenstand der vorliegenden Entscheidungen das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der in §39 Abs2 dritter Satz GewO normierten Voraussetzungen zur Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für juristische Personen, die im reglementierten Gewerbe tätig sind, ist.

1.1.2.  Der Verwaltungsgerichtshof ist daher jedenfalls denkmöglich von der Präjudizialität des §39 Abs2 dritter Satz GewO ausgegangen.

1.2.    Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

1.3.    Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3.1.  Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

1.3.2.  Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011 und 20.082/2016; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

1.3.3.  Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.3.4.  Vor diesem Hintergrund erweist sich der Hauptantrag als zu eng gefasst:

1.3.4.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. Juni 2017, G266/2016, festgestellt hat, stehen einerseits §39 Abs2 dritter und vierter Satz GewO in einem untrennbaren Zusammenhang, andererseits ist zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit auch §39 Abs2 sechster Satz GewO anzufechten, weshalb sowohl §39 Abs2 dritter, vierter und sechster Satz GewO anzufechten sind.

1.3.4.2. Darüber hinaus ist jedoch auch §39 Abs2 fünfter Satz GewO mit dem angefochtenen §39 Abs2 dritter Satz GewO sowohl in systematischer Hinsicht als auch sprachlich untrennbar verbunden. Aus der sprachlichen Anknüpfung an §39 Abs2 dritter Satz GewO – durch die direkte Anknüpfung an die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers im dritten Satz (arg.: "Innerhalb eines Konzerns kann eine Bestellung zum Geschäftsführer auch für mehrere Konzernunternehmen erfolgen, wenn der Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des dritten Satzes zumindest bei einem der Konzernunternehmen ist.") – ergibt sich ein enger Zusammenhang mit §39 Abs2 fünfter Satz GewO, der sich im Ergebnis – und zwar wegen der Bezugnahme auf die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers – als untrennbar erweist: Im Fall der Aufhebung von §39 Abs2 dritter, vierter und sechster Satz GewO wäre – nachdem der verweisende fünfte Satz in Folge der Aufhebung zweier Sätze selbst zum dritten Satz geworden ist – nicht mehr ersichtlich, auf welchen Arbeitnehmerbegriff verwiesen wird bzw. unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines Arbeitnehmers "im Sinne des dritten Satzes" zu bejahen ist.

1.3.5.  Demgegenüber erweist sich der Eventualantrag, §39 Abs2 GewO idF BGBl I 85/2012 als verfassungswidrig aufzuheben, als zulässig:

1.3.5.1. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua.; vgl. auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua.). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.).

1.3.5.2. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.011/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua.).

1.3.5.3. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.3.5.4. Wie bereits durch den Beschluss G266/2016 festgestellt, steht §39 Abs2 vierter Satz GewO mit dem präjudiziellen dritten Satz in untrennbarem Zusammenhang; zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit ist zudem auch §39 Abs2 sechster Satz GewO anzufechten. Soweit sich der Eventualantrag darüber hinaus (auch) gegen den verbleibenden ersten, zweiten, fünften und siebten Satz des §39 Abs2 GewO richtet, ist er deshalb zulässig, weil diese Sätze mit dem präjudiziellen §39 Abs2 dritter Satz GewO in einem Regelungszusammenhang stehen.

1.3.5.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Eventualantrag insgesamt als zulässig.

2.       In der Sache

2.1.    Der Antrag ist nicht begründet.

2.2.    Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.3.    Der Verwaltungsgerichtshof hegt im Wesentlichen folgende Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §39 Abs2 dritter Satz GewO: Die zusätzlich zu §39 Abs2 erster und zweiter Satz GewO geltenden, abschließend normierten Voraussetzungen des §39 Abs2 dritter Satz GewO seien sachlich nicht gerechtfertigt, weil es, wie der vorliegende Fall zeige, durchaus Konstellationen gebe, in denen die mit dieser Bestimmung verfolgten Ziele – den Geschäftsführer einer juristischen Person enger als bisher an das Unternehmen zu binden und dem Scheingeschäftsführerwesen entgegenzuwirken – (über-)erfüllt seien, ohne dass diese zusätzlichen, in §39 Abs2 dritter Satz GewO normierten Merkmale erfüllt seien. Trotz (Über-)Erfüllung dieser Zielsetzungen schließe die angefochtene Bestimmung diese Konstellationen auf Grund ihrer taxativen Normierung aus. Die Regelung beschränke daher die unternehmerische Entscheidung, welche Person innerhalb einer Gesellschaft welche Funktion ausüben solle, in derartigen Fällen in unverhältnismäßiger Weise.

2.4.    Die Bundesregierung hält diesen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen entgegen, dass Mehrheitsgesellschafter zwar maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gesellschaft hätten, die Frage, in welchem Ausmaß Mehrheitsgesellschafter Tätigkeiten im Betrieb tatsächlich übernehmen würden und insoweit der Verantwortung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers gerecht würden, ergebe sich dagegen nicht unmittelbar aus ihrer gesellschaftsrechtlich starken Position. Alleine die Qualifikation eines Gesellschafters als Mehrheitsgesellschafter biete folglich keinen ausreichenden Hinweis dafür, dass sich die Person tatsächlich entsprechend im Betrieb betätige. Für den Gesetzgeber sei bereits 1981 – auf Grund der bisherigen gewerberechtlichen Praxis – festgestanden, dass alleine mit dem Abstellen auf eine "entsprechende Betätigung" im Betrieb die mit der Bestimmung verfolgten Zielsetzungen nicht erreicht werden könnten. Durch das Abstellen auf vertretungsbefugte Organe oder näher bestimmte Arbeitnehmer in §39 Abs2 dritter Satz GewO werde die entsprechende Betätigung im Betrieb nach Ansicht der Bundesregierung auch ohne flächendeckende und lückenlose Kontrolle in allgemeiner Weise garantiert.

2.5.    Nach der ständigen Judikatur zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG (s. zB VfSlg 

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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