TE OGH 2018/2/23 8ObA8/18m

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Veröffentlicht am 23.02.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Robert Hauser23. Februar 2018 in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. R***** F*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65–67, vertreten durch Kremslehner-Milchram-Ehm-Mödlagl Rechtsanwälte GbR in Wien, wegen 30.007,80 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2017, GZ 9 Ra 43/17k-16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger begründet die Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision damit, dass der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wegen des größeren Personenkreises der hievon betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelmäßig erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme (RIS-Justiz RS0109942).

Dieser Rechtssatz steht unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass die kollektivrechtliche Norm überhaupt einer klärenden Auslegung bedarf; unabhängig vom betroffenen Personenkreis ist daher die Revision dann nicht zulässig, wenn – wie hier – die relevante Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Höchstgerichts bereits geklärt oder die Auslegung klar und eindeutig ist (RIS-Justiz RS0109942 [T1; T6]).

2. Die in einem Kollektivvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Einzelvertrag festgelegte einseitige Ruhestandsversetzung ist nach völlig herrschender Auffassung als Dienstgeberkündigung zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0030344) und bildet die Ausnahme von einer vereinbarten oder – im Fall des Klägers – kollektivvertraglich garantierten Unkündbarkeit (8 ObA 50/05v mwN).

Gemäß § 149 Abs 3 DO.A ist der Sozialversicherungsträger verpflichtet, einen unkündbaren Angestellten bei Vorliegen der Voraussetzungen der Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.

Mit dieser unmissverständlichen Regelung ist die Rechtsansicht des Revisionswerbers nicht vereinbar, dass der Sozialversicherungsträger eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit nicht von sich aus, sondern nur in Abhängigkeit von der Kooperationsbereitschaft des Angestellten vornehmen dürfte und in jedem Fall abwarten müsste, ob und wann sich der Angestellte zur Einleitung und Betreibung eines Pensionsverfahrens und (bei Nichtzuerkennung einer Pension) auch noch zur Antragstellung nach § 207 Abs 4 DO.A bereitfindet.

Ein solches Ergebnis ließe sich auch nicht damit begründen, dass der Angestellte gemäß § 60 Abs 3 und 4 DO.A nach vier Monaten eines ununterbrochenen Krankenstands unter der Sanktion einer Kürzung der fortzuzahlenden Bezüge zur Stellung eines Pensionsantrags verpflichtet werden kann. Eine Dienstunfähigkeit nach der Definition des § 207 Abs 2 DO.A setzt nicht notwendig voraus, dass sich der Angestellte im Krankenstand befindet. Ein lange andauernder Krankenstand ist lediglich ein Indiz dafür, dass keine bloß vorübergehende Beeinträchtigung vorliegt, sodass Anlass besteht, die Dienstfähigkeit im Wege eines Pensionsverfahrens zu überprüfen.

3. Die für den Standpunkt des Revisionswerbers ins Treffen geführte Entscheidung 9 ObA 106/07i ist, wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, nicht einschlägig, sondern betrifft den Fall einer vom Arbeitnehmer selbst angestrebten Ruhestandsversetzung.

Die in dieser Entscheidung getroffene Aussage, dass es nicht dem Dienstnehmer anheimgestellt ist, auf kurzem Wege selbst ein Gutachten iSd § 207 Abs 3 Z 2 DO.A einzuholen, ist nicht dahin umkehrbar, dass dies auch dem Dienstgeber verwehrt wäre. Nach der Auffassung des Revisionswerbers würde der Dienstgeber auf die Einhaltung eines Verfahrenswegs verwiesen, den er gar nicht beschreiten könnte, weil ein Verfahren auf Zuerkennung einer Pensionsleistung iSd § 207 Abs 3 Z 1 DO.A eben nur auf Antrag des Versicherten einzuleiten ist.

4. Nach § 149 Abs 3 DO.A sind unkündbare Angestellte mit dem Monatsersten in Ruhestand zu versetzen, der unmittelbar auf den Zeitpunkt folgt, zu dem der Versicherungsträger Kenntnis vom Eintritt der Dienstunfähigkeit erlangt hat oder bei rechtzeitiger Verständigung durch den Angestellten erlangen hätte müssen.

In diesem eindeutigen Wortlaut findet die in der Revision vertretene Auffassung, die Ruhestandsversetzung des Klägers wäre erst nach Verständigung der Beklagten vom Ausgang des anhängigen Pensionsverfahrens und nicht bereits nach Erlangen der Kenntnis von der Dienstunfähigkeit des Klägers nach § 207 Abs 3 Z 2 DO.A zulässig gewesen, keine Deckung.

5. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung und dem in den relevanten Teilen eindeutigen Wortlaut der kollektivvertraglichen Rechtsgrundlagen. Die Revision zeigt mit ihren Ausführungen daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Textnummer

E121045

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00008.18M.0223.000

Im RIS seit

05.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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