TE Vwgh Beschluss 2000/4/17 98/17/0260

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2000
beobachten
merken

Index

E1E;
E1N;
E3R E03103000;
E3R E03605900;
E3R E03705000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
55 Wirtschaftslenkung;
59/04 EU - EWR;

Norm

11994N137 EU-Beitrittsvertrag Akte Art137;
11994N145 EU-Beitrittsvertrag Akte Art145 Abs2;
11994N149 EU-Beitrittsvertrag Akte Art149 Abs1;
11997E234 EG Art234;
31994R0287 OlivenöleinfuhrV Tunesien Art1 Abs1;
31994R0287 OlivenöleinfuhrV Tunesien Art1 Abs2;
31994R0287 OlivenöleinfuhrV Tunesien Art2;
31994R3108 Übergangsmassnahmen Handel mit landw Erzeugnissen Art4 Abs3;
31994R3108 Übergangsmassnahmen Handel mit landw Erzeugnissen Art4 Abs5;
31994R3108 Übergangsmassnahmen Handel mit landw Erzeugnissen Art4;
31994R3307 AbschöpfungsV Olivenöl Anh1;
31994R3307 AbschöpfungsV Olivenöl Anm2 litc;
BAO §232;
ÜberschußbestandsV 1995 §4 Abs1;
ÜberschußbestandsV 1995 §9;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2000/0037 15. Jänner 2002 * EuGH-Zahl: C-179/00 Weidacher * EuGH-Entscheidung:EuGH 62000CJ0179 15. Jänner 2002 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2002/17/0009 E 18. März 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, in der Beschwerdesache des Dr. G, Rechtsanwalt in N, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T-GesmbH, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 4. April 1996, Zl. 17.711/24-I A 7/96, betreffend Sicherstellungsauftrag und Abgabenvorschreibung auf Überbestände nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Stellt die Einhebung von Abgaben auf Überschussbestände in den neuen Mitgliedstaaten ab 1. Jänner 1995, wie sie in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 vorgesehen ist, im Sinne des Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte eine zur Erleichterung der Überleitung von der in den neuen Mitgliedstaaten bestehenden Regelung zu der Regelung, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisationen nach Maßgabe des Titels VI, Landwirtschaft, dieses Vertrages ergibt, notwendige Überleitungsmaßnahme dar, oder ist diese Verordnung infolge Unzuständigkeit der Kommission ganz oder teilweise nichtig?

2) Steht das Grundrecht des Dispositionsschutzes oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip der Anwendung des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 auf Überbestände entgegen, die auf Dispositionen (Einkäufe und Wiederverkäufe)

A) vor dem Tag der Kundmachung dieser Verordnung, oder

B) vor dem Zeitpunkt, an dem den beteiligten Kreisen bekannt sein

musste, dass Abschöpfungen von Überschüssen geplant sind, zurückzuführen waren; bejahendenfalls, ist diese Verordnung wegen Verletzung dieser Grundrechte ganz oder teilweise nichtig, oder aber dahin auszulegen, dass in solchen Fällen keine Abschöpfung zu erfolgen hat?

3) A) Ist der Käufer einer Ware, welcher diese schon vor dem 1. Jänner 1995 bereits weiterverkauft hatte, ohne sie jedoch seinem Abnehmer körperlich übergeben zu haben, am 1. Jänner 1995 als "Besitzer" dieser Ware anzusehen, wenn

I. die Ware und deren Erlös an ein Bankinstitut verpfändet wurden und auf Grund des Pfandbestellungsvertrages

a/ dieses Bankinstitut am 1. Jänner 1995 über die Schlüssel zu dem in einem Pfandlager eingelagerten Teil der Ware verfügte, bzw. b/ die Frachtpapiere, insbesondere das multimodale Transportpapier "Bill of lading" hinsichtlich der am 1. Jänner 1995 in einem österreichischen Bahnhof nach Verzollung in Eisenbahnwaggons befindlichen restlichen Ware an die Order dieses Bankinstitutes lauten und sich in dessen Besitz befinden, und

c/ dieses Bankinstitut zu 20 % am Ertrag des vom Verpfänder

abgeschlossenen Kaufgeschäftes beteiligt wurde,

wobei weiters

II. a/ die Einfuhrabgaben vom Verpfänder entrichtet wurden, b/ der dem Verpfänder zustehende Kaufpreis später auf sein Konto bei diesem Bankinstitut floss, über welches er jedoch auf Grund des Verpfändungsvertrages nicht mehr verfügen konnte?

B) Ist der Verpfänder der Ware dann nicht Besitzer, wenn er sie am 1. Jänner 1995, vorbehaltlich der durch den Pfandvertrag bestehenden Beschränkungen, schon für seinen Abnehmer innehaben wollte? Kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, dass dieser Wille nach außen in Erscheinung getreten ist?

C) Ist in Sachverhaltskonstellationen wie A) oder B) auch der Pfandgläubiger, der Abnehmer des Verpfänders, der Spediteur, Lagerhalter oder Frachtführer "Besitzer" im Verständnis dieser Verordnung?

4) Ist unter der "in der Zwölfergemeinschaft am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe" im Verständnis des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 im Falle von tunesischem Olivenöl des KN-Codes 1509 10

A) in jedem Fall die in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG)

Nr. 287/94 des Rates vom 7. Februar 1994 angeführte Sonderabschöpfung von 7,8 ECU/100 kg oder

B) in jedem Fall die in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 3307/94

der Kommission vorgesehene Abschöpfung von 79 minus 12,69, also von 66,31 ECU/100 kg,

zu verstehen, oder aber

C) hängt die Beantwortung dieser Frage davon ab, ob in den Mitgliedstaaten der Zwölfergemeinschaft die Einfuhr tunesischen Olivenöls im Rahmen der in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 287/94 festgelegten Quote auch Ende des Jahres 1994 noch problemlos möglich war, oder aber

D) ist der Zollsatz im Einzelfall danach zu bestimmen, ob es dem Abgabepflichtigen, wäre eine Einfuhr in einen EG-Mitgliedstaat geplant gewesen, im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses möglich gewesen wäre, ein (begünstigtes) Kontingent zu erwerben?

5) Wäre Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission in dem unter 4. B) genannten Verständnis infolge Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nichtig?

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag der Agrarmarkt Austria vom 1. Februar 1995 wurde die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Gemeinschuldnerin gemäß § 232 der Bundesabgabenordnung (BAO) zur Sicherung eines voraussichtlichen Abgabenanspruches gemäß § 9 der Überschussbestandsverordnung, BGBl. Nr. 1103/1994, in Höhe von S 11,224.193,96 angeordnet.

Mit Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 3. April 1995 wurde dem Beschwerdeführer als Masseverwalter der mittlerweile in Konkurs verfallenen Gemeinschuldnerin gemäß § 9 der Überschussbestandsverordnung eine Abgabe in der Höhe von S 11,086.683,-- binnen einem Monat zur Zahlung vorgeschrieben. Die erstinstanzliche Behörde ging davon aus, dass die Gemeinschuldnerin zum 1. Jänner 1995 Besitzerin eines Überschussbestandes an tunesischem Olivenöl von 1,091.340 kg gewesen sei.

Es sei daher eine Abgabe in der Höhe der Differenz aus dem in der Zwölfergemeinschaft geltenden Zollsatz und dem in Österreich geltenden Zollsatz, jeweils zum 31. Dezember 1994, vorzuschreiben gewesen.

In Österreich habe die Abschöpfung S 70,--/100 kg zuzüglich eines Tarazuschlages von 18 %, vorliegendenfalls sohin insgesamt S 901.447,-- betragen.

Demgegenüber habe die in der Zwölfergemeinschaft gültige Abschöpfung nach der Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vom 29. Dezember 1994 66,31 ECU/100 kg betragen.

Unter Zugrundelegung eines landwirtschaftlichen Umrechnungskurses von öS 16,5658 je ECU errechne sich eine Abgabenschuld in der vorgeschriebenen Höhe.

Gegen beide Bescheide wurde seitens der Gemeinschuldnerin bzw. des beschwerdeführenden Masseverwalters berufen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde seitens der Gemeinschuldnerin, bzw. später des Masseverwalters, zunächst bestritten, dass die Gemeinschuldnerin zum 1. Jänner 1995 Besitzerin des in Rede stehenden Olivenöls im Verständnis des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 gewesen sei:

Die Beschwerdeführerin habe die Ware am 21. Oktober 1994 in Tunesien gekauft. Schon vor dem 1. Jänner 1995 sei ein Großteil der Ware an italienische Abnehmer weiterverkauft worden. Am 19. Dezember 1994 habe die Verladung in Tunesien begonnen. Am 21. Dezember 1994 sei die Ware aus Tunesien mit Frachtpapieren an die A-Bank abgesandt worden. Am 29. Dezember 1994 habe die Verzollung in den Transportmitteln stattgefunden.

Des Weiteren wurde folgendes Vorbringen erstattet:

"Gemäß Vereinbarung mit der A-Bank hatte die Einschreiterin unter anderem auch die gesamte importierte Ware vorab an die A-Bank zu verpfänden, was auch geschehen ist; verpfändet wurden weiters die Erlöse aus der Ware sowie allfällige Leistungen, auf welche die Einschreiterin im Versicherungsfalle gegenüber den jeweiligen Versicherungsgesellschaften Anspruch hätte und zwar lange vor der behördlichen Pfändung gemäß Sicherstellungsauftrag vom 1.2.1995.

Gemäß Warenverpfändungsanbot vom 13.12.1994, welches am selben Tage angenommen wurde, und den Titel für das erworbene Pfandrecht der A-Bank darstellt, war die Ware in den als Pfandlager freigemachten und gemäß Vereinbarung von der Einschreiterin in Erfüllung ihrer Rechtspflicht aus dem Pfandbestellungsvertrag angemieteten Räumen der Schlosskellerei U einzulagern. Der Pfandbestellungsvertrag vom 13.12.1994 sah als Modus vor, dass die Übergabe der Ware (das ist die importierte Menge an Olivenöl) derart erfolgt, dass bereits die unter dem Einkaufsakkreditiv zu präsentierenden Konnossemente an die Order der A-Bank ausgestellt werden. Weiters waren gemäß Pfandbestellungsvertrag jegliche Schlüssel zum Pfandlager der A-Bank oder einem von ihr nominierten Pfandverwahrer zu übergeben.

Diesen Verpflichtungen wurde ordnungsgemäß nachgekommen:

Als Pfandverwahrer hat die A-Bank - offenbar auf Grund ihrer eigenen, räumlichen Distanz zum Lager - Frau Mag. C bestellt. Schließlich sollte, um die tatsächliche Verfügungsgewalt ausschließlich der A-Bank sicherzustellen, die Schlosskellerei U die Lagerscheine an die A-Bank ausfolgen, was ebenfalls geschehen ist.

Dass die A-Bank alleinige Verfügungsgewalt und alleinigen, unbeschränkten Besitz an der Ware hatte, wird auch dadurch dokumentiert, dass die Einschreiterin ausschließlich über vorangehende, schriftliche Genehmigung der A-Bank berechtigt und tatsächlich in die Lage versetzt wurde, irgendeine Warenmenge aus dem Pfandlager zu entnehmen.

In Erfüllung der mit der A-Bank geschlossenen Vereinbarung lautete der Seefrachtbrief (Konnossement) über die von Tunesien importierte Ware denn auch von vornherein an die Order der A-Bank.

Dasselbe gilt für das, auf Grund der kombinierten See- und Luftfracht erforderliche, multimodale Transportpapier, der Bill of Lading, deren Original - und damit sämtliche mit dem Wertpapier verbundenen Verfügungsrechte! - sich nach wie vor in Händen der A-Bank befindet.

Zum Stichtag befanden sich nur ca. 55.000 kg des betreffenden Olivenöls in dem von der Einschreiterin angemieteten, aber vom Pfandberechtigten (A-Bank) vollständig kontrollierten Lager Schloss U, während sich die übrigen 1,036.340 kg noch unter dem erwähnten multimodal transport bill of lading auf dem Transport, in Eisenbahnwaggons im Bereich des Bahnhofes Gleisdorf befanden. Bis zur Ablieferung am Bestimmungsort kommt der Spediteur, allenfalls aber der Warenempfänger laut Transportpapier als Besitzer in Frage, niemals aber die Einschreiterin, die über die Ware in keiner Form verfügen durfte noch konnte.

Nach dem jeweiligen Verkaufsgeschäft hatte die Einschreiterin, beschränkt durch das Verfügungsrecht der A-Bank, die Ware nur mehr für O und C (die Käufer der Ware) inne, sodass allenfalls diese eine Abgabepflicht nach Unionsrecht trifft."

Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, dass im Jahr 1994 die Einfuhr von tunesischem Olivenöl in die damalige Zwölfergemeinschaft in aller Regel mit einem Abschöpfungsbetrag von 7,80 ECU/100 kg (gemäß der Verordnung Nr. 287/94 des Rates) belastet war. Die Beschwerdeführerin vertrat daher die Auffassung, dass schon zur Vermeidung einer Diskriminierung von Lagerhaltern aus den neu beitretenden Staaten der Differenzrechnung dieser letztgenannte Abschöpfungssatz zu Grunde zu legen gewesen wäre.

Schließlich wurde - soweit für diesen Vorlageantrag von Bedeutung - die Kompetenz der Kommission zur Erlassung der Verordnung (EG) Nr. 3108/1994 bestritten. Eine solche Kompetenz lasse sich aus Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte nämlich nicht ableiten. Darüber hinaus verstoße diese am 19. Dezember 1994 erlassene Verordnung gegen das im Europarecht anerkannte Grundrecht auf Dispositionsschutz, zumal von der in Art. 4 dieser Verordnung festgelegten Abgabe auch solche Verkehrsteilnehmer aus den neu beitretenden Staaten betroffen seien, deren Lagerbestände auf Dispositionen zurückzuführen seien, die vor dem 19. Dezember 1994 im Vertrauen auf die damals gültige nationale Rechtslage getätigt worden seien.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. April 1996 wurden die Berufungen der Gemeinschuldnerin bzw. des Beschwerdeführers gegen die Bescheide der Agrarmarkt Austria vom 1. Februar 1995 und vom 3. April 1995 (unter Neufestsetzung des vorgeschriebenen Betrages mit S 11,086.685,--) als unbegründet abgewiesen, wobei die belangte Behörde die oben wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers nicht als unrichtig qualifizierte.

Die belangte Behörde vertrat in diesem Bescheid die Auffassung, die Zuständigkeit der Kommission zur Erlassung der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 ergebe sich aus Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte.

Der in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 verwendete Begriff des Besitzers laute in der französischen Originalfassung "detenteur". Dieser Begriff könne mit "Inhaber" übersetzt werden. Als solcher sei jene Person anzusehen, der in einem Maße Verfügungsgewalt und Gestionsbefugnis zukomme, dass sie Einfluss darauf nehmen könne, welcher wirtschaftliche Nutzen aus der Sache zu ziehen sei und wem dieser wirtschaftliche Nutzen zukomme. Die aktuelle faktische Innehabung sei dabei irrelevant.

Die Gemeinschuldnerin habe die Ware bestellt und sie, sowie einen Teil der Erlöse aus dem Warenverkauf verpfändet. Die Gemeinschuldnerin habe in diesem Umfang über die Ware bestimmen können. Auf Grund des Sicherstellungsauftrages habe die Ware auch durch den Masseverwalter nicht mehr abgegeben werden können. Überdies sei auch der Erlös aus dem Verkauf auf das Konto der Gemeinschuldnerin bei der A-Bank geflossen, über welches diese bzw. der Masseverwalter aber auf Grund der Verpfändung nicht mehr habe verfügen können. Weder der A-Bank, die ihre Beteiligung am Geschäft pfandrechtlich sowie durch Erlösbeteiligung abgesichert habe, noch dem Spediteur, der die Bahnverfrachtung beaufsichtigt habe, sei eine derartige Einflussnahme zugestanden. Auch sei die Einfuhrabgabe von der Gemeinschuldnerin entrichtet worden. Diese Kriterien seien ausreichend, um die Gemeinschuldnerin als "Besitzer" anzusehen. Dies gelte auch für jene Mengen Olivenöl, die am 1. Jänner 1995 noch in Eisenbahnwaggons gelagert gewesen seien. Die Bahn sei lediglich Transporteur der Ware, nicht aber deren Besitzer gewesen. Auch sei die Gemeinschuldnerin noch am 29. Dezember 1994 als zollrechtlicher Empfänger aktiv gewesen.

Der Differenzberechnung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 sei jene Abschöpfung in der Zwölfergemeinschaft zu Grunde zu legen, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vom 29. Dezember 1994 ergebe. Schließlich habe die Gemeinschuldnerin naturgemäß im Jahr 1994 nicht über eine Einfuhrlizenz im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 287/94 verfügt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vorerst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. Juni 1998, B 1677/96-7, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer vertritt - soweit für den gegenständlichen Vorlageantrag von Bedeutung - auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, die Kommission sei zur Erlassung des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 nicht zuständig gewesen. Zielsetzung dieser Kommissionsverordnung sei die Vermeidung von Verkehrsverlagerungen im Bereich der gemeinsamen Marktordnung für landwirtschaftliche Erzeugnisse infolge des Beitrittes der neuen Mitgliedstaaten zur EU gewesen. Das Vermeiden von die Marktorganisation störenden Verkehrsverlagerungen könne nun aber nicht den Zweck von Übergangsmaßnahmen nach Art. 149 der Beitrittsakte bilden. Solche sollten nämlich aus der Sicht der neuen Mitgliedstaaten der Erleichterung des Überganges von der einen zur anderen Marktordnung dienen. Aus dem Begriff "Erleichterung der Überleitung" sei ersichtlich, dass die Übergangsmaßnahmen den neu beitretenden Mitgliedstaaten dienen sollten. Keinesfalls könne die Erhebung einer Abgabe Gegenstand einer Übergangsmaßnahme sein. Es bestehe auch keine Möglichkeit, eine Abgabe auf Waren, die sich bereits im innergemeinschaftlichen Verkehr befänden, durch eine Änderung der anzuwendenden Marktordnung zu rechtfertigen.

Die in Rede stehende Abgabe widerspreche den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Sie diskriminiere all jene Importeure, welche unter Vertrauen auf die Rechtslage bis zur Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 Olivenöl gekauft und nach Österreich importiert hätten. Der Dispositionsschutz sei darüber hinaus dadurch verletzt, dass die Gemeinschuldnerin das in Rede stehende Öl auch schon verkauft habe, ohne zu wissen oder gewusst haben zu können, dass sie durch eine zukünftige Verordnung verpflichtet werden könnte, eine zusätzliche Abgabe zu bezahlen, die naturgemäß bei der Preisbildung hätte berücksichtigt werden müssen.

Unter Darlegung des schon im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens vertritt der Beschwerdeführer weiters die Auffassung, die Gemeinschuldnerin sei nicht Besitzerin der Ware im Verständnis des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 gewesen. Die alleinige Verfügungsgewalt zum Stichtag sei allein der A-Bank zugestanden.

Zur Rechtslage:

Art. 137, Art. 145 Abs. 2 und Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte lauten:

"Titel VI

Landwirtschaft

Artikel 137

(1) Dieser Titel betrifft die landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit Ausnahme der Erzeugnisse der Verordnung (EWG) Nr. 3759/92 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse und Erzeugnisse der Aquakultur.

(2) Soweit in dieser Akte nichts anderes bestimmt ist, gilt Folgendes:

-

Der Handel der neuen Mitgliedstaaten untereinander, mit Drittstaaten oder mit den derzeitigen Mitgliedstaaten unterliegt der für die letztgenannten Mitgliedstaaten geltenden Regelung. Die für die derzeitige Gemeinschaft geltende Regelung in Bezug auf Einfuhrabgaben und Abgaben gleicher Wirkung, mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung gilt auch für die neuen Mitgliedstaaten;

-

die Rechte und Pflichten auf Grund der Gemeinsamen Agrarpolitik gelten für die neuen Mitgliedstaaten im vollen Umfang.

(3) Die Anwendung der Übergangsmaßnahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse nach Absatz 1 endet, soweit nicht in besonderen Bestimmungen dieses Titels andere Zeitpunkte oder Fristen vorgesehen sind, mit dem Ablauf des fünften Jahres nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Norwegens. Bei diesen Maßnahmen wird nichtsdestoweniger für jedes Erzeugnis der Gesamterzeugung während des Jahres 1999 voll Rechnung getragen.

...

Artikel 145

...

(2) Jeder Warenbestand, der sich am 1. Januar 1995 im Hoheitsgebiet der neuen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindet und mengenmäßig einen als normal anzusehenden Übertragbestand übersteigt, muss von diesen Mitgliedstaaten auf ihre Kosten im Rahmen der Gemeinschaftsverfahren und Fristen abgebaut werden, die nach dem in Artikel 149 Absatz 1 genannten Verfahren noch festzulegen sind. Der Begriff 'normaler Übertragbestand' wird für jedes Erzeugnis nach den Kriterien und Zielen der jeweiligen gemeinsamen Marktorganisation festgelegt.

...

Artikel 149

(1) Sind Übergangsmaßnahmen notwendig, um die Überleitung von der in den neuen Mitgliedstaaten bestehenden Regelung zu der Regelung zu erleichtern, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisationen nach Maßgabe dieses Titels ergibt, so werden diese Maßnahmen nach dem Verfahren des Artikels 38 der Verordnung Nr. 136/66/EWG oder der entsprechenden Artikel der anderen Verordnungen über gemeinsame Agrarmarktorganisationen getroffen. Diese Maßnahmen können während eines Zeitraums, der am 31. Dezember 1997 endet, getroffen werden; sie sind nur bis zu diesem Zeitpunkt anwendbar."

Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 lautet:

"Artikel 4

(1) Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 145 Absatz 2 der Beitrittsakte erheben die neuen Mitgliedstaaten, sofern keine strengeren nationalen Vorschriften bestehen, ab 1. Januar 1995 Abgaben auf Überschussbestände, die von den Besitzern zu entrichten sind.

Es sind als mögliche Überschussbestände die Mengen an landwirtschaftlichen Produkten in Rechnung zu stellen, für die eine Ausfuhrerstattung im Sinne von Artikel 3 oder 25 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission beantragt worden ist, und die ab 1. Januar 1995 in den neuen Mitgliedstaaten vermarktet werden.

(2) Zur Ermittlung der jeweiligen Überschussbestände berücksichtigen die neuen Mitgliedstaaten insbesondere:

-

den Durchschnitt der in den Jahren vor dem Beitritt gehaltenen Bestände,

-

den in den Jahren vor dem Beitritt erfolgten Handel,

-

die Umstände, unter denen diese Bestände gebildet wurden.

Der Begriff der Überschussbestände gilt auch für landwirtschaftliche Produkte, die für den Markt der neuen Mitgliedstaaten bestimmt sind.

(3) Der Betrag der in Absatz 1 genannten Abgabe entspricht - für ein Erzeugnis aus einem Drittland der Differenz zwischen

der in der Zwölfergemeinschaft am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe und der im neuen Mitgliedstaat am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe, sofern die erstgenannte höher als die letztgenannte ist;

...

(5) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten für die Waren folgender KN-Codes:

- für Österreich: ...; 1509; 1510;"

Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Erhebung einer Abgabe auf bestimmte Überschussbestände (Überschussbestands-Verordnung), BGBl. Nr. 1103/1994, sieht in § 4 Abs. 1 vor, dass natürliche oder juristische Personen, die am 1. Jänner 1995 zum Zwecke der Vermarktung Besitzer von Überschussbeständen näher genannter Waren in Österreich sind, eine Abgabe zu entrichten haben.

Art. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 287/94 des Rates vom 7. Februar 1994 lauten:

"Artikel 1

(1) Bei der Einfuhr von nicht raffiniertem Olivenöl des KN-Codes 1509 10, das vollständig in Tunesien erzeugt und von dort unmittelbar in die Gemeinschaft verbracht wird, ist eine Abschöpfung von 7,8 ECU/100 kg zu erheben.

(2) Die Sonderabschöpfung gilt pro Wirtschaftsjahr für höchstens 46 000 Tonnen Olivenöl, für welche Einfuhrlizenzen gemäß Artikel 2 beantragt werden.

(3) Die Sonderregelung dieser Verordnung für die Einfuhr von Olivenöl mit Ursprung in Tunesien gilt bis zum 31. Oktober 1995.

Artikel 2

(1) Damit die in Artikel 1 genannte Sonderabschöpfung erhoben werden kann, stellen die Einführer bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einen Einfuhrlizenzantrag. Diesem Antrag ist die Kopie eines mit dem tunesischen Ausführer geschlossenen Kaufvertrags beizufügen.

(2) Die Einfuhrlizenzanträge sind am Montag und Dienstag der jeweiligen Woche zu stellen. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission jeweils am Mittwoch die in den eingegangenen Lizenzanträgen enthaltenen Angaben.

(3) Die Kommission rechnet wöchentlich die Mengen ab, für welche Einfuhrlizenzen beantragt wurden. Sie ermächtigt die Mitgliedstaaten, Lizenzen bis zur Ausschöpfung des Kontingents zu erteilen. Besteht die Gefahr, dass das Kontingent überschritten wird, ermächtigt sie die Mitgliedstaaten, Lizenzen nach Maßgabe der noch verfügbaren Menge zu erteilen."

Nach Anhang I der Verordnung (EG) der Kommission vom 29. Dezember 1994 beträgt die Mindestabschöpfung für Olivenöl des KN-Codes 1509 10 79 ECU/100 kg. Gemäß Anm. 2 lit. c dieser Verordnung reduziert sich diese Abschöpfung bei Erbringung des Nachweises der Entrichtung der Ausfuhrabgabe im Herkunftsland u.a. für tunesisches Olivenöl um 12,69 ECU/100 kg.

Gemäß Art. 234 EG entscheidet der Europäische Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Vertrages, sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft. Wird eine solche Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofes verpflichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof ist letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 234 Abs. 3 EG. Zu den vorliegendenfalls gestellten Fragen betreffend die Gültigkeit und die Auslegung von Gemeinschaftsrecht ist eine gesicherte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht erkennbar. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist auch nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Fragen bleibt.

Dies gilt insbesondere auch für die unter Punkt 1. gestellte Frage (vgl. hiezu auch die Position Österreichs in der 220. Sitzung des Verwaltungsausschusses für Handelsmechanismen vom 15. November 1994). Es ist nicht ausgeschlossen, dass unter zur Erleichterung der Überleitung notwendigen Übergangsmaßnahmen im Verständnis des Art. 149 der Beitrittsakte nur solche Maßnahmen zu verstehen sein könnten, die einen gleitenden, sich über einen längerdauernden Zeitraum erstreckenden Übergang an Stelle eines abrupten Sprunges zwischen den nationalen und den gemeinsamen Marktordnungen bewirken sollen. Demnach erscheint es nicht unmittelbar evident, dass Abschöpfungen auf Grund des Vorhandenseins von Überbeständen notwendige Übergangsmaßnahmen im Verständnis des Art. 149 der Beitrittsakte darstellen.

Auch wenn man der Auffassung wäre, dass zum 1. Jänner 1995 im Hoheitsgebiet der neuen Mitgliedstaaten gehaltene Überbestände einer Überleitung zu den gemeinsamen Marktorganisationen nach Maßgabe des Titels VI der Beitrittsakte hinderlich seien, bliebe es zweifelhaft, ob nicht zur Hintanhaltung der mit solchen Überbeständen verbundenen Nachteile die in Art. 145 Abs. 2 der Beitrittsakte verankerte Verpflichtung der neuen Mitgliedstaaten, den "Übertragbestand" auf ihre Kosten abzubauen, ausreichend wäre, und es daher an der "Notwendigkeit" der vorgesehenen Abschöpfung fehlen könnte.

Auch wenn man die Zuständigkeit der Kommission bejahen würde, ist es nicht ausgeschlossen, dass Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 im Hinblick auf eine fehlende Differenzierung zwischen bereits vor seiner Kundmachung (vor dem Bekanntwerden der Absicht, eine solche Regelung einzuführen) getroffenen Dispositionen und solchen, die danach getroffen werden, infolge Verstoßes gegen den Vertrauensschutz oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip ganz oder teilweise nichtig wäre.

Erläuternd sei den unter 4. gestellten Fragen noch hinzugefügt, dass der Verwaltungsgerichtshof von folgender Beurteilung ausgeht:

Durch die Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vom 29. Dezember 1994 wurde nicht etwa die Verordnung (EG) Nr. 287/94 des Rates vom 7. Februar 1994 abgeändert oder aufgehoben, vielmehr bestanden die in diesen Normen festgelegten Abschöpfungen zum 31. Dezember 1994 im Bereich der Zwölfergemeinschaft nebeneinander. Für im Rahmen der Art. 1 und 2 der letztgenannten Verordnung erfolgte Einfuhren war der dort genannte Abschöpfungsbetrag, für sonstige Einfuhren aber der im Anhang zur erstgenannten Verordnung genannte Abschöpfungsbetrag zu entrichten.

Vor dem Hintergrund, dass durch die Verordnung (EG) Nr. 3108/94 offenbar bezweckt wurde, Überbestände von Lagerhaltern in den neu beitretenden Staaten ähnlichen Bedingungen zu unterwerfen, wie sie für Bestände in den Mitgliedstaaten der Zwölfergemeinschaft herrschten, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass mit "der in der Zwölfergemeinschaft am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe", insbesondere für den Fall, dass die Einfuhr in die Zwölfergemeinschaft im Rahmen des Lizenzverfahrens nach der Verordnung (EG) Nr. 287/94 des Rates vom 7. Februar 1994 problemlos möglich war, der in Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung genannte Abschöpfungsbetrag gemeint sein könnte.

Aus diesen Erwägungen hat der Verwaltungsgerichtshof, teilweise einer diesbezüglichen Anregung des Beschwerdeführers folgend, beschlossen, die oben genannten Fragen gemäß Art. 234 Abs. 1 und Abs. 3 EG dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Wien, am 17. April 2000

Schlagworte

Überschußbestände an landwirtschaftlichen Produkten Landwirtschaftliche Überproduktion Überschußbestand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998170260.X00

Im RIS seit

04.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten