TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/18 2002/17/0009

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Veröffentlicht am 18.03.2002
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Index

E3R E03103000;
E3R E03705000;
E6J;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

31994R3108 Übergangsmassnahmen Handel mit landw Erzeugnissen Art4 Abs1;
62000CJ0179 Weidacher VORAB;
BAO §232 Abs1;
ÜberschußbestandsV 1995 §1;
ÜberschußbestandsV 1995 §4 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:98/17/0260 B 17. April 2000 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0179 15. Jänner 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Dr. Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Neugasse 9, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T-GesmbH in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (nunmehr des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) vom 4. April 1996, Zl. 17.711/24-I A 7/96, betreffend Sicherstellungsauftrag und Abgabenvorschreibung auf Überbestände nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag der Agrarmarkt Austria vom 1. Februar 1995 wurde die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Gemeinschuldnerin gemäß § 232 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, zur Sicherung eines voraussichtlichen Abgabenanspruches gemäß § 9 der Überschussbestandsverordnung, BGBl. Nr. 1103/1994 (im Folgenden ÜBV), in Höhe von S 11,224.193,96 angeordnet.

Mit Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 3. April 1995 wurde dem Beschwerdeführer als Masseverwalter der mittlerweile in Konkurs verfallenen Gemeinschuldnerin gemäß § 9 ÜBV eine Abgabe in der Höhe von S 11,086.683,-- binnen einem Monat zur Zahlung vorgeschrieben. Die erstinstanzliche Behörde ging davon aus, dass die Gemeinschuldnerin zum 1. Jänner 1995 Besitzerin eines Überschussbestandes an tunesischem Olivenöl von 1,091.340 kg gewesen sei.

Es sei daher eine Abgabe in der Höhe der Differenz aus dem in der (bis zum 31. Dezember 1994 bestandenen) Zwölfergemeinschaft geltenden Zollsatz und dem in Österreich geltenden Zollsatz, jeweils zum 31. Dezember 1994, vorzuschreiben gewesen.

In Österreich habe die Abschöpfung S 70,--/100 kg zuzüglich eines Tarazuschlages von 18 %, vorliegendenfalls sohin insgesamt S 901.447,-- betragen.

Demgegenüber habe die in der Zwölfergemeinschaft gültige Abschöpfung nach der Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vom 29. Dezember 1994 66,31 ECU/100 kg betragen.

Unter Zugrundelegung eines landwirtschaftlichen Umrechnungskurses von öS 16,5658 je ECU errechne sich eine Abgabenschuld in der vorgeschriebenen Höhe.

Gegen beide Bescheide wurde seitens der Gemeinschuldnerin bzw. des beschwerdeführenden Masseverwalters berufen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde seitens der Gemeinschuldnerin, bzw. später des Masseverwalters, zunächst bestritten, dass die Gemeinschuldnerin zum 1. Jänner 1995 Besitzerin des in Rede stehenden Olivenöls im Verständnis des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 gewesen sei:

Die Gemeinschuldnerin habe die Ware am 21. Oktober 1994 in Tunesien gekauft. Schon vor dem 1. Jänner 1995 sei ein Großteil der Ware an italienische Abnehmer weiterverkauft worden. Am 19. Dezember 1994 habe die Verladung in Tunesien begonnen. Am 21. Dezember 1994 sei die Ware aus Tunesien mit Frachtpapieren an die A-Bank abgesandt worden. Am 29. Dezember 1994 habe die Verzollung in den Transportmitteln stattgefunden.

Des Weiteren wurde folgendes Vorbringen erstattet:

"Gemäß Vereinbarung mit der A-Bank hatte die Einschreiterin unter anderem auch die gesamte importierte Ware vorab an die A-Bank zu verpfänden, was auch geschehen ist; verpfändet wurden weiters die Erlöse aus der Ware sowie allfällige Leistungen, auf welche die Einschreiterin im Versicherungsfalle gegenüber den jeweiligen Versicherungsgesellschaften Anspruch hätte und zwar lange vor der behördlichen Pfändung gemäß Sicherstellungsauftrag vom 1.2.1995.

Gemäß Warenverpfändungsanbot vom 13.12.1994, welches am selben Tage angenommen wurde, und den Titel für das erworbene Pfandrecht der A-Bank darstellt, war die Ware in den als Pfandlager freigemachten und gemäß Vereinbarung von der Einschreiterin in Erfüllung ihrer Rechtspflicht aus dem Pfandbestellungsvertrag angemieteten Räumen der Schlosskellerei U einzulagern. Der Pfandbestellungsvertrag vom 13.12.1994 sah als Modus vor, dass die Übergabe der Ware (das ist die importierte Menge an Olivenöl) derart erfolgt, dass bereits die unter dem Einkaufsakkreditiv zu präsentierenden Konnossemente an die Order der A-Bank ausgestellt werden. Weiters waren gemäß Pfandbestellungsvertrag jegliche Schlüssel zum Pfandlager der A-Bank oder einem von ihr nominierten Pfandverwahrer zu übergeben.

Diesen Verpflichtungen wurde ordnungsgemäß nachgekommen:

Als Pfandverwahrer hat die A-Bank - offenbar auf Grund ihrer eigenen, räumlichen Distanz zum Lager - Frau Mag. C bestellt. Schließlich sollte, um die tatsächliche Verfügungsgewalt ausschließlich der A-Bank sicherzustellen, die Schlosskellerei U die Lagerscheine an die A-Bank ausfolgen, was ebenfalls geschehen ist.

Dass die A-Bank alleinige Verfügungsgewalt und alleinigen, unbeschränkten Besitz an der Ware hatte, wird auch dadurch dokumentiert, dass die Einschreiterin ausschließlich über vorangehende, schriftliche Genehmigung der A-Bank berechtigt und tatsächlich in die Lage versetzt wurde, irgendeine Warenmenge aus dem Pfandlager zu entnehmen.

In Erfüllung der mit der A-Bank geschlossenen Vereinbarung lautete der Seefrachtbrief (Konnossement) über die von Tunesien importierte Ware denn auch von vornherein an die Order der A-Bank.

Dasselbe gilt für das, auf Grund der kombinierten See- und Luftfracht erforderliche, multimodale Transportpapier, der Bill of Lading, deren Original - und damit sämtliche mit dem Wertpapier verbundenen Verfügungsrechte! - sich nach wie vor in Händen der A-Bank befindet.

Zum Stichtag befanden sich nur ca. 55.000 kg des betreffenden Olivenöls in dem von der Einschreiterin angemieteten, aber vom Pfandberechtigten (A-Bank) vollständig kontrollierten Lager Schloss U, während sich die übrigen 1,036.340 kg noch unter dem erwähnten multimodal transport bill of lading auf dem Transport, in Eisenbahnwaggons im Bereich des Bahnhofes G befanden. Bis zur Ablieferung am Bestimmungsort kommt der Spediteur, allenfalls aber der Warenempfänger laut Transportpapier als Besitzer in Frage, niemals aber die Einschreiterin, die über die Ware in keiner Form verfügen durfte noch konnte.

Nach dem jeweiligen Verkaufsgeschäft hatte die Einschreiterin, beschränkt durch das Verfügungsrecht der A-Bank, die Ware nur mehr für O und C (die Käufer der Ware) inne, sodass allenfalls diese eine Abgabepflicht nach Unionsrecht trifft."

Weiters brachte die Gemeinschuldnerin vor, dass im Jahr 1994 die Einfuhr von tunesischem Olivenöl in die damalige Zwölfergemeinschaft in aller Regel mit einem Abschöpfungsbetrag von 7,80 ECU/100 kg (gemäß der Verordnung Nr. 287/94 des Rates) belastet war. Die Beschwerdeführerin vertrat daher die Auffassung, dass schon zur Vermeidung einer Diskriminierung von Lagerhaltern aus den neu beitretenden Staaten der Differenzrechnung dieser letztgenannte Abschöpfungssatz zu Grunde zu legen gewesen wäre.

Schließlich wurde die Kompetenz der Kommission zur Erlassung der Verordnung (EG) Nr. 3108/1994 bestritten. Eine solche Kompetenz lasse sich aus Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte nämlich nicht ableiten. Darüber hinaus verstoße diese am 19. Dezember 1994 erlassene Verordnung gegen das im Europarecht anerkannte Grundrecht auf Dispositionsschutz, zumal von der in Art. 4 dieser Verordnung festgelegten Abgabe auch solche Verkehrsteilnehmer aus den neu beitretenden Staaten betroffen seien, deren Lagerbestände auf Dispositionen zurückzuführen seien, die vor dem 19. Dezember 1994 im Vertrauen auf die damals gültige nationale Rechtslage getätigt worden seien.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. April 1996 wurden die Berufungen der Gemeinschuldnerin bzw. des Beschwerdeführers gegen die Bescheide der Agrarmarkt Austria vom 1. Februar 1995 (Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides) und vom 3. April 1995 (unter Neufestsetzung des vorgeschriebenen Betrages mit S 11,086.685,--) (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abgewiesen, wobei die belangte Behörde die oben wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers nicht als unrichtig qualifizierte.

Die belangte Behörde vertrat in diesem Bescheid die Auffassung, die Zuständigkeit der Kommission zur Erlassung der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 ergebe sich aus Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte.

Der in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 verwendete Begriff des Besitzers laute in der französischen Originalfassung "detenteur". Dieser Begriff könne mit "Inhaber" übersetzt werden. Als solcher sei jene Person anzusehen, der in einem solchen Maße Verfügungsgewalt und Gestionsbefugnis zukomme, dass sie Einfluss darauf nehmen könne, welcher wirtschaftliche Nutzen aus der Sache zu ziehen sei und wem dieser wirtschaftliche Nutzen zukomme. Die aktuelle faktische Innehabung sei dabei irrelevant.

Die Gemeinschuldnerin habe die Ware bestellt und sie, sowie einen Teil der Erlöse aus dem Warenverkauf verpfändet. Die Gemeinschuldnerin habe in diesem Umfang über die Ware bestimmen können. Auf Grund des Sicherstellungsauftrages habe die Ware auch durch den Masseverwalter nicht mehr abgegeben werden können. Überdies sei auch der Erlös aus dem Verkauf auf das Konto der Gemeinschuldnerin bei der A-Bank geflossen, über welches diese bzw. der Masseverwalter aber auf Grund der Verpfändung nicht mehr habe verfügen können. Weder der A-Bank, die ihre Beteiligung am Geschäft pfandrechtlich sowie durch Erlösbeteiligung abgesichert habe, noch dem Spediteur, der die Bahnverfrachtung beaufsichtigt habe, sei eine derartige Einflussnahme zugestanden. Auch sei die Einfuhrabgabe von der Gemeinschuldnerin entrichtet worden. Diese Kriterien seien ausreichend, um die Gemeinschuldnerin als "Besitzer" anzusehen. Dies gelte auch für jene Mengen Olivenöl, die am 1. Jänner 1995 noch in Eisenbahnwaggons gelagert gewesen seien. Die Bahn sei lediglich Transporteur der Ware, nicht aber deren Besitzer gewesen. Auch sei die Gemeinschuldnerin noch am 29. Dezember 1994 als zollrechtlicher Empfänger aktiv gewesen.

Der Differenzberechnung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 sei jene Abschöpfung in der Zwölfergemeinschaft zu Grunde zu legen, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vom 29. Dezember 1994 ergebe. Schließlich habe die Gemeinschuldnerin naturgemäß im Jahr 1994 nicht über eine Einfuhrlizenz im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 287/94 verfügt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vorerst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. Juni 1998, B 1677/96-7, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer erklärte schon in der vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, den Bescheid in seinem gesamten Umfang anzufechten.

Er erachtet sich in seinem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung einer Abgabe auf Überbestände, erkennbar auch in seinem Recht auf Unterbleiben eines darauf gerichteten Sicherstellungsauftrages verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Mit Beschluss vom 17. April 2000, Zl. 98/17/0260-7, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

"1. Stellt die Einhebung von Abgaben auf Überschussbestände in den neuen Mitgliedstaaten ab 1. Jänner 1995, wie sie in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 vorgesehen ist, im Sinne des Art. 149 Abs. 1 der Beitrittsakte eine zur Erleichterung der Überleitung von der in den neuen Mitgliedstaaten bestehenden Regelung zu der Regelung, die sich aus der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisationen nach Maßgabe des Titels VI, Landwirtschaft, dieses Vertrages ergibt, notwendige Überleitungsmaßnahme dar, oder ist diese Verordnung infolge Unzuständigkeit der Kommission ganz oder teilweise nichtig?

2. Steht das Grundrecht des Dispositionsschutzes oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip der Anwendung des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 auf Überbestände entgegen, die auf Dispositionen (Einkäufe und Wiederverkäufe)

A) vor dem Tag der Kundmachung dieser Verordnung, oder

B) vor dem Zeitpunkt, an dem den beteiligten Kreisen bekannt sein musste, dass Abschöpfungen von Überschüssen geplant sind,

zurückzuführen waren; bejahendenfalls, ist diese Verordnung wegen Verletzung dieser Grundrechte ganz oder teilweise nichtig, oder aber dahin auszulegen, dass in solchen Fällen keine Abschöpfung zu erfolgen hat?

3. A) Ist der Käufer einer Ware, welcher diese schon vor dem 1. Jänner 1995 bereits weiterverkauft hatte, ohne sie jedoch seinem Abnehmer körperlich übergeben zu haben, am 1. Jänner 1995 als "Besitzer" dieser Ware anzusehen, wenn

I. die Ware und deren Erlös an ein Bankinstitut verpfändet wurden und auf Grund des Pfandbestellungsvertrages

a/ dieses Bankinstitut am 1. Jänner 1995 über die Schlüssel zu dem in einem Pfandlager eingelagerten Teil der Ware verfügte, bzw. b/ die Frachtpapiere, insbesondere das multimodale Transportpapier "Bill of lading" hinsichtlich der am 1. Jänner 1995 in einem österreichischen Bahnhof nach Verzollung in Eisenbahnwaggons befindlichen restlichen Ware an die Order dieses Bankinstitutes lauten und sich in dessen Besitz befinden, und

c/ dieses Bankinstitut zu 20 % am Ertrag des vom Verpfänder abgeschlossenen Kaufgeschäftes beteiligt wurde,

wobei weiters

II. a/ die Einfuhrabgaben vom Verpfänder entrichtet wurden,

b/ der dem Verpfänder zustehende Kaufpreis später auf sein Konto bei diesem Bankinstitut floss, über welches er jedoch auf Grund des Verpfändungsvertrages nicht mehr verfügen konnte?

B) Ist der Verpfänder der Ware dann nicht Besitzer, wenn er sie am 1. Jänner 1995, vorbehaltlich der durch den Pfandvertrag bestehenden Beschränkungen, schon für seinen Abnehmer innehaben wollte? Kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, dass dieser Wille nach außen in Erscheinung getreten ist?

C) Ist in Sachverhaltskonstellationen wie A) oder B) auch der Pfandgläubiger, der Abnehmer des Verpfänders, der Spediteur, Lagerhalter oder Frachtführer "Besitzer" im Verständnis dieser Verordnung?

4. Ist unter der "in der Zwölfergemeinschaft am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe" im Verständnis des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 im Falle von tunesischem Olivenöl des KN-Codes 1509 10

A) in jedem Fall die in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 287/94 des Rates vom 7. Februar 1994 angeführte Sonderabschöpfung von 7,8 ECU/100 kg oder

B) in jedem Fall die in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vorgesehene Abschöpfung von 79 minus 12,69, also von 66,31 ECU/100 kg,

zu verstehen, oder aber

C) hängt die Beantwortung dieser Frage davon ab, ob in den Mitgliedstaaten der Zwölfergemeinschaft die Einfuhr tunesischen Olivenöls im Rahmen der in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 287/94 festgelegten Quote auch Ende des Jahres 1994 noch problemlos möglich war, oder aber

D) ist der Zollsatz im Einzelfall danach zu bestimmen, ob es dem Abgabepflichtigen, wäre eine Einfuhr in einen EG-Mitgliedstaat geplant gewesen, im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses möglich gewesen wäre, ein (begünstigtes) Kontingent zu erwerben?

5. Wäre Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission in dem unter 4. B) genannten Verständnis infolge Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nichtig?"

Mit Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Jänner 2002, Rs C-179/00, erkannte der Gerichtshof auf die ihm vorgelegten Fragen wie folgt zu Recht:

1. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften war gemäß

Artikel 149 Absatz 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge für den Erlass der Regelung des Artikels 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 über die auf Grund des Beitritts Österreichs, Finnlands und Schwedens zu treffenden Übergangsmaßnahmen für den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zuständig.

2. Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was der Gültigkeit von Artikel 4 der Verordnung Nr. 3108/94 in Ansehung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauenschutzes entgegenstünde.

3. Der Begriff des 'Besitzers' eines Überschussbestands im Sinne von Artikel 4 der Verordnung Nr. 3108/94 erfasst jede Person, die über die Möglichkeit verfügt, das gelagerte Erzeugnis in den Verkehr zu bringen und daraus Gewinn zu erzielen.

4. Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3108/94 ist dahin auszulegen, dass im Fall der Einfuhr tunesischen Olivenöls die 'Einfuhrabgabe', die am 31. Dezember 1994 in der Zwölfergemeinschaft anwendbar war, die Abgabe gemäß Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 3307/94 der Kommission vom 29. Dezember 1994 zur Festsetzung der Mindestabschöpfungen bei der Einfuhr von Olivenöl sowie der Einfuhrabschöpfungen für andere Erzeugnisse des Olivenölsektors ist.

5. Die Prüfung der fünften Frage hat nichts ergeben, was der Gültigkeit von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3108/94 in Ansehung des Grundsatzes der Gleichbehandlung entgegenstünde."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 lautet (auszugsweise):

"Artikel 4

(1) Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 145 Absatz 2 der Beitrittsakte erheben die neuen Mitgliedstaaten, sofern keine strengeren nationalen Vorschriften bestehen, ab 1. Januar 1995 Abgaben auf Überschussbestände, die von den Besitzern zu entrichten sind.

Es sind als mögliche Überschussbestände die Mengen an landwirtschaftlichen Produkten in Rechnung zu stellen, für die eine Ausfuhrerstattung im Sinne von Artikel 3 oder 25 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission beantragt worden ist, und die ab 1. Januar 1995 in den neuen Mitgliedstaaten vermarktet werden.

(2) Zur Ermittlung der jeweiligen Überschussbestände berücksichtigen die neuen Mitgliedstaaten insbesondere:

-

den Durchschnitt der in den Jahren vor dem Beitritt gehaltenen Bestände,

-

den in den Jahren vor dem Beitritt erfolgten Handel,

-

die Umstände, unter denen diese Bestände gebildet wurden.

Der Begriff der Überschussbestände gilt auch für landwirtschaftliche Produkte, die für den Markt der neuen Mitgliedstaaten bestimmt sind.

(3) Der Betrag der in Absatz 1 genannten Abgabe entspricht - für ein Erzeugnis aus einem Drittland der Differenz

zwischen der in der Zwölfergemeinschaft am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe und der im neuen Mitgliedstaat am 31. Dezember 1994 anzuwendenden Einfuhrabgabe, sofern die erstgenannte höher als die letztgenannte ist;

...

(5) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten für die Waren folgender KN-Codes:

- für Österreich: ...; 1509; 1510;"

§ 1 und § 4 Abs. 1 ÜBV lauten:

"Anwendungsbereich

§ 1. Die Vorschriften dieser Verordnung dienen der Erhebung von Abgaben, soweit diese in Rechtsakten der Europäischen Union im Zusammenhang mit den auf Grund des Beitritts zu treffenden Übergangsmaßnahmen für den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vorgesehen sind.

...

Kreis der Abgabepflichtigen

§ 4. (1) Natürliche oder juristische Personen, die am 1. Jänner 1995 zum Zwecke der Vermarktung Besitzer von Überschussbeständen der in § 3 angeführten Waren in Österreich sind, haben nach Maßgabe der in § 1 genannten Vorschriften und der nachstehenden Bestimmungen eine Abgabe zu entrichten."

§ 105 Abs. 1 erster Satz des Marktordnungsgesetzes, BGBl. Nr. 210/1985, in der Fassung dieser Bestimmung durch das BGBl. Nr. 664/1994 (im Folgenden: MOG) lautet:

"§ 105. (1) Auf Abgaben auf Marktordnungswaren, die im Rahmen von Regelungen im Sinne des § 94 Abs. 2 erhoben werden, sind die Vorschriften der Bundesabgabenordnung anzuwenden, soweit durch diesen Abschnitt oder durch Verordnung auf Grund dieses Abschnittes nicht anderes bestimmt ist. ..."

§ 232 BAO lautet (auszugsweise):

"§ 232. (1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:

a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;

..."

Auf Grund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Jänner 2002 steht zunächst fest, dass die Europäische Kommission zur Erlassung des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 zuständig war, sowie dass dessen Anwendung aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes nichts entgegensteht.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 sind die von den neuen Mitgliedstaaten zu erhebenden Abgaben auf Überbestände von "den Besitzern" zu entrichten.

§ 4 Abs. 1 ÜBV führt ebenfalls die "Besitzer von Überschussbeständen" zum Zwecke der Vermarktung als Abgabepflichtige an. Wie sich aus § 1 dieser Verordnung ergibt, dient diese (lediglich) der Erhebung von Abgaben, soweit Letztere in Rechtsakten der Europäischen Union im Zusammenhang mit den auf Grund des Beitritts zu treffenden Übergangsmaßnahmen für Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vorgesehen sind. Es ist daher keinesfalls davon auszugehen, dass durch die ÜBV der Kreis der Abgabepflichtigen gegenüber den maßgeblichen Rechtsakten der Europäischen Union, hier gegenüber dem Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 erweitert werden sollte. Der Begriff "Besitzer" in der ÜBV ist daher in jenem Sinne auszulegen, der dem Verständnis dieses Begriffes in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 entspricht.

Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Berufungsverfahrens insbesondere die Eigenschaft der Gemeinschuldnerin als "Besitzer" der in Rede stehenden Ware mit der Begründung bestritten, sie habe schon vor dem 1. Jänner 1995 einen Großteil der Ware an italienische Abnehmer weiterverkauft. Diesem Einwand hat die belangte Behörde ausgehend von ihrer Auslegung des Begriffes "Besitzer" aber keine Bedeutung beigemessen.

Die von der belangten Behörde im Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides im Instanzenzug vorgenommene Abgabenvorschreibung wäre (jedenfalls in der dort erfolgten Höhe) dann rechtswidrig und hätte den Beschwerdeführer in dem als Beschwerdepunkt bezeichneten Recht verletzt, wenn die Gemeinschuldnerin in Ansehung der vor dem 1. Jänner 1995 bereits weiterverkauften Warenmengen nicht mehr als "Besitzer" im Verständnis des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 anzusehen gewesen wäre.

Unter anderem zur Klärung dieser Frage hat der Verwaltungsgerichtshof die unter Punkt 3. seines Beschlusses vom 17. April 2000 ausformulierte Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gestellt.

Dieser hat geantwortet, "Besitzer" im Verständnis dieser Bestimmung ist jede Person, die über die Möglichkeit verfügt, das gelagerte Erzeugnis in den Verkehr zu bringen und daraus Gewinn zu erzielen.

In der Begründung seines Urteiles vom 15. Jänner 2002, soweit sie die Beantwortung dieser Frage betrifft, heißt es (Rn 42 bis 44 dieses Urteiles):

"42 Wie oben in Randnummer 22 erwähnt, wollte die Kommission dadurch, dass sie die Besitzer von am 1. Januar 1995 bestehenden Überschussbeständen mit Abgaben belegte, zum einen der spekulativen Bildung von Beständen entgegenwirken und zum anderen die von Wirtschaftsteilnehmern, die solche Bestände gebildet hatten, erwarteten wirtschaftlichen Vorteile neutralisieren. Unter diesen Umständen ist der Begriff des 'Besitzers' im Sinne von

Artikel 4 der Verordnung Nr. 3108/94 dahin auszulegen, dass er die Personen erfasst, die am 1. Januar 1995 über die Möglichkeit verfügten, das gelagerte Erzeugnis in den Verkehr zu bringen, um dadurch jenen Gewinn zu erzielen, den die im Ausgangsverfahren streitige Abgabenerhebung gerade ausgleichen sollte.

43 Wie der Generalanwalt in Nummer 81 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, wird diese Auslegung auch durch Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3108/94 gestützt, der die Umstände aufführt, die die neuen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen haben, um das Bestehen eines Überschussbestands zu ermitteln. Es handelt sich dabei insbesondere um die durchschnittlichen Bestände und Handelsumsätze in den Jahren vor dem Beitritt des betroffenen Mitgliedstaats. Diese Umstände könnten offenkundig nicht berücksichtigt werden, wenn der Begriff dahin auszulegen wäre, dass als Besitzer jedermann gälte, der - wie der Inhaber eines Pfandrechts oder der Transporteur - im Zeitpunkt des Beitritts die tatsächliche Kontrolle über den Bestand ausübte, ohne aber darüber frei verfügen zu dürfen.

44 Ferner ist der Besitzer eines Überschussbestands unabhängig davon zu ermitteln, ob der fragliche Wirtschaftsteilnehmer den Überschussbestand im jeweiligen Fall - gleichviel wie und ob ganz oder teilweise - als Sicherheit gestellt hat."

Anders als zur Frage, welchen Einfluss die Innehabung der Sache durch einen Transporteur oder die tatsächliche Ausübung der Kontrolle darüber durch einen Pfandgläubiger auf die Person des "Besitzers" hat, nahm der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Begründung seines Urteiles zur Frage, inwiefern der Weiterverkauf eines Teiles der Ware vor dem 1. Jänner 1995 der Besitzerstellung entgegenstehen könnte, nicht ausdrücklich Stellung.

Freilich ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bei Beantwortung der dritten Vorlagefrage weitgehend den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 20. November 2001 gefolgt. Dieser hatte vorgeschlagen, jenen Wirtschaftsteilnehmer als Besitzer eines Überschussbestandes anzusehen, der in der Lage ist, das gelagerte Produkt auf den Markt zu bringen und dessen Vermögen das wirtschaftliche Ergebnis dieses Inverkehrbringens unmittelbar zugute kommt. Die zwischen der Ausformulierung des Spruchpunktes 3. des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und dem Vorschlag des Generalanwaltes, diese Frage zu beantworten, bestehenden Unterschiede dürften bei Beurteilung, inwieweit der Weiterverkauf der Ware vor dem 1. Jänner 1995 die Stellung als "Besitzer" berührt, ohne Bedeutung sein.

In der Begründung seiner Schlussanträge führte der Generalanwalt (Rn 84 bis 86) wie folgt aus:

"84. Der Importeur, der die importierte Ware vor dem 1. Januar 1995 verkauft hat, ist nicht mehr im Stande, sie nach diesem Zeitpunkt zu dem höheren Preis auf den Markt zu bringen, der vor dem 1. Januar 1995 in der Zwölfergemeinschaft und nach diesem Datum in der Fünfzehnergemeinschaft für Olivenöl galt. Er ist folglich nicht mehr in der Lage, den ungerechtfertigten Profit zu machen, der durch die Abgabenerhebung neutralisiert werden soll.

85. Ebenso wenig ist es legitim, die bereits vor diesem Datum verkauften Mengen zu berücksichtigen, um zu beurteilen, ob dieser Importeur am 1. Januar 1995 Besitzer von Beständen war, die über dem Durchschnitt der in den Jahren vor dem Beitritt verfügbaren Bestände lagen. Vielmehr ist auf der Ebene der Käufer zu bestimmen, ob Überschussbestände vorlagen.

86. Es ist festzuhalten, dass diese Auslegung nicht geeignet ist, die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 3108/94 in Frage zu stellen, um die sich die Kommission sorgt, denn wenn der so definierte Besitzer nicht in dem Land ansässig ist, in dem sich der Bestand befindet, hat dieser Mitgliedstaat offensichtlich die Möglichkeit, den betreffenden Bestand zu beschlagnahmen, um die Bezahlung seiner Forderung durchzusetzen."

Der Verwaltungsgerichtshof geht nach dem Vorgesagten bei Anwendung des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 - in der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Punkt 3. seines Urteiles vom 15. Jänner 2002 zum Ausdruck gebrachten Auslegung - auf den Einzelfall davon aus, dass die Gemeinschuldnerin, welche die importierte Ware vor dem 1. Jänner 1995 teilweise (zu einem fixen Preis) verkauft hatte, nicht mehr im Stande war, den bereits weiterverkauften Teil der Ware nach dem Verkaufszeitpunkt zu dem höheren Preis auf den Markt zu bringen, der vor dem 1. Jänner 1995 in der Zwölfergemeinschaft und nach diesem Datum in der Fünfzehnergemeinschaft für Olivenöl galt. Die Gemeinschuldnerin war insoweit nicht mehr in der Lage, den ungerechtfertigten Profit zu machen, der durch die Abgabenerhebung neutralisiert werden soll. Es fehlte ihr daher am 1. Jänner 1995 insoweit an der Möglichkeit, aus der Inverkehrbringung des Erzeugnisses Gewinn zu erzielen. Diese Voraussetzung wäre aber nach Punkt 3. des zitierten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Jänner 2002 erforderlich gewesen, um die Gemeinschuldnerin als "Besitzer" der Ware im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3108/94 ansehen zu können.

In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen zu dem sohin relevanten Vorbringen der Beschwerdeführerin zu treffen, sie habe den Großteil der Ware bereits vor dem 1. Jänner 1995 weiterverkauft. Die belangte Behörde belastete hiedurch die durch den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides im Instanzenzug vorgenommene Abgabenvorschreibung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

In Ansehung der im Instanzenzug erfolgten Bestätigung des Sicherstellungsauftrages gilt Folgendes:

Gemäß § 105 Abs. 1 erster Satz MOG hatten die Verwaltungsbehörden vorliegendenfalls die BAO anzuwenden. Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt gemäß § 232 Abs. 1 BAO voraus, dass der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen. Die Abgabenschuld muss freilich dem Ausmaß nach nicht feststehen.

Wollte man nun im vorliegenden Zusammenhang die Auffassung vertreten, die Abgabenschuld sei in Ansehung jener Mengen Olivenöls, die die Gemeinschuldnerin vor dem 1. Jänner 1995 weiterverkauft hatte, schon dem Grunde nach nicht entstanden, so wäre der im Instanzenzug ergangene Sicherstellungsauftrag bereits aus diesem Grunde inhaltlich rechtswidrig.

Aber auch wenn man die Meinung vertreten wollte, der behauptete Umstand des Weiterverkaufs einer (überwiegenden) Teilmenge des Olivenöls betreffe lediglich die Höhe des Anspruches, wäre für die belangte Behörde nichts gewonnen. Die Abgabenbehörde ist nämlich bei Erstellung eines Sicherstellungsauftrages verpflichtet, sich mit der Frage auseinander zu setzen, in welcher Höhe eine dem Grunde nach bereits bestehende Abgabe zur Vorschreibung (Festsetzung) gelangen wird. Dabei muss zwar nicht das genaue Ausmaß der Abgabenschuld ermittelt und dem Sicherstellungsauftrag zu Grunde gelegt werden, jedoch müssen entsprechende Tatsachen (Sachverhalte) ermittelt und angeführt werden, aus denen fundiert auf die Höhe der Abgabe, die sicherzustellen beabsichtigt ist, geschlossen werden kann (vgl. hiezu Stoll, BAO III, 2398). Die belangte Behörde hätte sich daher mit dem Einwand, ein Großteil der Ware sei schon vor dem 1. Jänner 1995 weiterverkauft worden, auch dann im Sicherstellungsverfahren auseinander setzen müssen, wenn man die Meinung vertreten wollte, dieser Einwand betreffe lediglich die Höhe eines dem Grunde nach entstandenen Anspruches.

Indem sie dies unterließ, belastete die belangte Behörde auch den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass die vorliegende Auslegung nicht mit den in Rn 86 der Schlussanträge des Generalanwaltes dargelegten Erwägungen in Widerspruch steht, weil eine "Beschlagnahme" des betreffenden Bestandes (allenfalls im Wege einer Pfändung des Herausgabeanspruches des Käufers gegenüber dem Verkäufer, hier der Gemeinschuldnerin) nur im Wege eines gegen den als "Besitzer" anzusehenden ausländischen Käufer der Ware ergangenen Sicherstellungsauftrages hätte erfolgen können.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Auf Grund des vom Beschwerdeführer gestellten allgemeinen Antrages auf Zuerkennung von Aufwandersatz war kein Stempelgebührenaufwand zuzuerkennen, weil Stempelgebühren nicht beigebracht wurden (§ 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG).

Wien, am 18. März 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 62000CJ0179 Weidacher VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002170009.X00

Im RIS seit

06.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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