TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/15 LVwG-2-13/2018-R1

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Veröffentlicht am 15.03.2018
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Entscheidungsdatum

15.03.2018

Norm

StVO 1960 §97 Abs5
B-VG Art130 Abs1 Z2

Text

 

 

 

Im Namen der Republik!

 

 

 

Erkenntnis

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Nikolaus Brandtner über die Beschwerde des L V, T, vertreten durch Rechtsanwälte Piccolruaz & Müller, Bludenz, wegen behaupteter Rechtswidrigkeit einer Verfolgung und gewaltsamer Anhaltung, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 28 Abs 6 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und die Verfolgung und gewaltsame Anhaltung für rechtswidrig erklärt.

 

Gemäß § 35 VwGVG wird der dem Beschwerdeführer gebührende Kostenersatz mit 1.659,60 Euro bestimmt. Die belangte Behörde (das Land) ist verpflichtet, den angeführten Betrag dem Beschwerdeführer binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwang zu bezahlen. Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

Begründung

 

1.                       In seiner Beschwerde vom 10.04.2017 bringt der Beschwerdeführer vor, er sei am 27.02.2017, um 11.23 Uhr auf dem Güterweg beim Gweg im Ortsgebiet T durch eine sicherheitspolizeiliche Amtshandlung der Polizeiinspektion S, durch dessen handelndes Organ, Insp C R, schwer verletzt worden, zudem sei es dabei zu einer Sachbeschädigung gekommen. Die Beschwerde sei rechtzeitig, da sie innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist erfolgt sei.

 

Da die gegen ihn gerichtete sicherheitspolizeiliche Amtshandlung von Insp C R (PI S) vom 27.02.2017 (Verfolgung und gewaltsame Anhaltung auf dem Güterweg beim Gweg) gar nicht ausgeführt werden hätte dürfen und auch nicht in der Art ausgeführt worden sei, wie es das Sicherheitspolizeigesetz vorschreibe, sei er insbesondere in seinem Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen gemäß § 87 SPG, sowie in seinen gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit seiner Gesundheit und auf Unversehrtheit seines Eigentums verletzt. Die sicherheitspolizeiliche Maßnahme sei völlig unverhältnismäßig iSd § 29 SPG. Aufgrund dieser Rechtsverletzungen infolge einer gegen ihn gerichteten unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt durch ein handelndes Organ der Polizeiinspektion S als Sicherheitsbehörde für die Bezirkshauptmannschaft B sei er zur gegenständlichen Beschwerde auch legitimiert.

 

Er habe am 27.02.2017, gegen 11.23 Uhr mit seinem Trial-Motorrad von seinem Zuhause aus, Tweg in T, auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz beim Lokal „H“ im Skigebiet G fahren wollen. Ein Trial-Motorrad sei in der Regel ein nicht straßenzugelassenes Sportgerät. Es besitze ein enduroähnliches Erscheinungsbild und werde für das Motorrad-Trial in einem Geschicklichkeits-Parcours gefahren. Er sei ohne Helm unterwegs gewesen. Normalerweise fahre er mit dem Bus und mit der Gbahn zu seinem Arbeitsplatz. Ihm sei bewusst, dass das Trial-Motorrad im Straßenverkehr nicht zugelassen sei. Er fahre normalerweise nur auf seinem Privatgrundstück, nicht auf öffentlichen Straßen. Er sei zunächst über die Straße beim Werkheim der I in Richtung Stausee gefahren. Als er auf die Kreuzung beim Stausee hinaufgekommen sei und weiter in Richtung Gtal fahren habe wollen, habe er ein Polizeiauto gesehen. Es habe sich gerade auf der Brücke vor der Kreuzung befunden.

 

Das Polizeiauto sei dann hinter ihm hergefahren, habe ihn verfolgt und sei immer wieder bis circa zwei Meter aufgeschlossen. Dabei habe er mehrfach zurückgeblickt. Mit dem Trial-Motorrad habe er überhaupt nur maximal 50 km/h fahren können. Teilweise habe er im Wald auf der Forststraße aber nur deutlich langsamer fahren können.

 

Insp C R, der seine Familie und ihn seit Langem persönlich gut kenne, sei der Polizeibeamte gewesen, der ihn verfolgt habe. Da er keinen Helm gehabt habe, sei er sicher, dass er ihn ziemlich rasch erkannt habe. Er habe auch gewusst, dass er in der Nähe wohne und Trial-Motorrad fahre. Er sei schön öfters bei ihnen zuhause auf Besuch gewesen. Ebenfalls habe er ihn sicher erkannt, bevor er ihn gewaltsam mit seinem Polizeiwagen gestoppt habe. Aufgrund der vorliegenden Verwaltungsübertretungen sei es auf jeden Fall ausreichend gewesen, wenn er ihn deswegen einfach nur bei der BH B angezeigt hätte.

 

Insp R habe bei der Verfolgung weder das Folgetonhorn noch das Blaulicht eingeschaltet. Auch das widerspreche seines Erachtens den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes bei Einsatzfahrten von Polizeifahrzeugen.

 

Wie erwähnt, habe er auch mehrmals zurückgeblickt, sodass auch sein Gesicht für den Verfolger gut erkennbar gewesen sein müsse. Ihm sei bewusst, dass er hätte stehen bleiben müssen, da er einige Verwaltungsübertretungen zu verantworten habe. Für ihn absolut nicht nachvollziehbar sei aber der Umstand, dass er bei dieser Verfolgungsjagd vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verletzt worden sei. Nachdem Insp R mit seinem Polizeifahrzeug auf der Forststraße im Wald kurz vor einer scharfen Linkskurve (auf dem Güterweg beim Gweg) zu ihm aufgeschlossen habe, habe er ihm den Weg einfach abgeschnitten und sei er vom Polizeifahrzeug abrupt „abgeschossen“ worden, sodass er schwer gestürzt sei. Insp R habe absichtlich die rechte vordere Front des Polizeifahrzeuges von hinten in sein rechtes Hinterrad gelenkt, um ihn zum Stehen zu bringen. Er habe ihn in der Linkskurve gar nicht überholen wollen, sondern nur stoppen. Das ergebe sich bereits aus den Lichtbildern und den Bremsspuren. Auf diesen „Abschuss“ sei er absolut nicht gefasst gewesen und sei dadurch völlig abrupt zum Sturz gekommen, sodass er nicht einmal die Zeit gehabt habe, seine Arme in die Höhe zu reißen und das Gesicht zu schützen, weshalb er insbesondere im Gesicht schwer verletzt worden sei.

 

Der Unfall sei sehr gefährlich gewesen, insbesondere aufgrund des Umstandes, dass er keinen Helm gehabt habe und sich der Unfall auf einer ungesicherten Schotterstraße im Wald ereignet habe. Wenn er anders gestürzt wäre, hätte er auch schwerste Verletzungen am Kopf davontragen können, was Gott sei Dank nicht geschehen sei. Diese äußerst gefährliche sicherheitspolizeiliche Maßnahme nur aufgrund von Verwaltungsübertretungen sei in Bezug auf die in Kauf genommene Gesundheitsgefährdung völlig überschießend und absolut unverhältnismäßig iSd § 29 SPG gewesen.

 

Nach dem Unfall habe er einen Schock gehabt. Er sei am Rand der Forststraße auf dem Boden gesessen und habe geblutet. Er habe Schmerzen gehabt. Trotzdem habe Insp R keine Rettung gerufen. Es sei zwar richtig, dass er im Schock angegeben habe, dass er keine Rettung benötige, er habe dabei aber sicher nicht klar denken können. Insp R hätte aufgrund des Sturzes annehmen müssen, dass er allenfalls auch innere Verletzungen oder ein schweres Schädelhirntrauma erlitten habe. Tatsächlich habe er auch eine schwere Gehirnerschütterung gehabt und sei sein Schädel geröntgt und auch ein CT angefertigt worden. Er habe dann an der Stirn genäht werden müssen. Weiteres habe er eine offene Wunde am rechten Handgelenk gehabt. Erst eine halbe Stunde später, nachdem weitere Polizeibeamte zur Unfallstelle vor Ort gekommen seien, sei von diesen die Rettung gerufen worden.

 

Er sei der Meinung, dass er durch die oben beschriebene Maßnahme bedingt vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig schwer am Körper verletzt worden wäre. Allenfalls lägen auch eine Nötigung und das Imstichlassen eines Verletzten vor. Er sei weiteres der Meinung, dass aufgrund der von ihm zu verantwortenden Verwaltungsübertretungen eine Anzeige ausreichend gewesen wäre und die oben beschriebene Verfolgungsjagd, samt gewaltsamer Anhaltung, bei der er schwer zu Schaden gekommen sei, in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig gewesen sei. Sie wäre auch völlig außer Verhältnis gewesen und seine körperliche Unversehrtheit sei gefährdet worden, wenn man bedenke, dass der Polizeibeamte absichtlich mit seinem Fahrzeug sein Motorrad touchiert sei, um ihn zu Sturz zu bringen, obwohl er gesehen habe, dass er keinen Helm angehabt habe und ein derartiger Sturz auf einer Forststraße im Wald auch einen tödlichen Ausgang hätte nehmen können.

 

Er möchte auch Schadenersatzansprüche und Amtshaftungsansprüche geltend machen.

 

Er beantrage, das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg möge

1. gemäß § 28 Abs 6 VwGVG den angefochtenen Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt der Polizeiinspektion S durch dessen handelndes Organ Insp C R vom 27.02.2017 auf dem Güterweg beim Gweg im Ortsgebiet T (Verfolgung und gewaltsame Anhaltung) für rechtswidrig erklären; und

2. gemäß § 35 VwGVG erkennen, dass der (zuständige Rechtsträger) schuldig sei, die ihm durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen;

3. gemäß § 24 Abs 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen.

 

2.                       Die Bezirkshauptmannschaft B als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. In dieser bringt sie vor, der Beschwerdeführer sei am 27.02.2017 mit seinem nicht zum Verkehr zugelassenen Trial-Motorrad ohne Helm von der Lstraße in Richtung der Kreuzung Lstraße beim Lkraftwerk gefahren. Zur gleichen Zeit sei der Bundespolizeibeamte R mit Dienst-Kfz vom Parkplatz der Gbahn kommend auf die Lstraße in Richtung T gefahren.

 

Als der Beschwerdeführer das Polizeifahrzeug bemerkt habe, sei er über die Lstraße in Richtung Gtal gefahren. Der Beamte habe den Beschwerdeführer verfolgt und versucht, ihn mittels Lautsprecherdurchsagen zum Anhalten zu bringen bzw er habe diesen aufgefordert, anzuhalten.

 

Die Anhalteversuche seien vom Beschwerdeführer missachtet worden. Dieser sei in weiterer Folge über den Gweg auf den Gweg und von dort auf einen Güterweg gefahren.

 

Aufgrund einer starken Linkskurve habe der Beschwerdeführer verlangsamen müssen. Der Beamte habe auf das Motorrad aufschließen können und sich vor der starken Linkskurve links neben das Motorrad gesetzt.

 

Unmittelbar vor der Linkskurve sei der Beschwerdeführer ins Schleudern gekommen, habe das Dienst-Kfz touchiert und sei zu Sturz gekommen.

 

Ein in weiterer Folge mit dem Beschwerdeführer durchgeführte Alkomattest sei positiv verlaufen. Der Beschwerdeführer sei mit der Rettung ins Landeskrankenhaus B eingeliefert worden.

 

Der Beschwerdeführer sei mit dem nicht zugelassenen Motorrad ohne Helm und, wie es sich in weiterer Folge herausgestellt habe, alkoholisiert auf einer öffentlichen Straße unterwegs gewesen.

 

Der Beschwerdeführer sei durch einen Beamten der Bundespolizei in Ausübung seines Dienstes wahrgenommen worden.

 

Der Beamte habe versucht, aufgrund des offensichtlich rechtswidrigen Verhaltens (nicht zugelassenes Motorrad, kein Helm) Amtshandlungen im Sinne des KFG bzw StVO durchzuführen.

 

Der Beschwerdeführer habe den Dienstkraftwagen der Bundespolizei wahrgenommen.

 

Seitens des Beamten seien mittels Durchsagen Handlungen gesetzt worden, um den Beschwerdeführer zum Anhalten zu bewegen.

 

Trotz dieser Maßnahmen habe der Beschwerdeführer versucht zu flüchten.

 

In weiterer Folge sei es im Kurvenbereich des Güterweges zu einem Zusammenstoß gekommen. Auf den unmittelbar nach dem Unfall aufgenommenen Lichtbildern sei ersichtlich, dass das Trial-Motorrad das Dienst-Kfz touchiert habe. Das Dienst-Kfz habe seine Fahrspur beibehalten.

 

Hierüber sei ein Abschlussbericht betreffend dieses Verkehrsunfalles an die Staatsanwaltschaft Feldkirch gegangen. Ein allfälliges strafbares Verhalten (Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr) wäre im Wege des Strafgerichtes zu prüfen. Mittlerweile sei dieses eingestellt worden.

 

3.                       Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Am 27.02.2017, gegen 11.20 Uhr fuhr der Beschwerdeführer in T/L mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Trial-Motorrad ohne Sturzhelm auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr (Lstraße). Dies wurde von dem mit einem Dienst-Kfz entgegenkommenden Polizeibeamten Insp C R, der sich dabei auf Streifendienst befand, bemerkt. Darauf fuhr der Polizist mit seinem Dienst-Kfz dem Trial-Motorrad des Beschwerdeführers nach. Er forderte zwei Mal mittels Lautsprecher den Beschwerdeführer zum Anhalten auf. Der Beschwerdeführer blieb jedoch nicht stehen. In weiterer Folge bog der Beschwerdeführer beim Gweg in einen Schotterweg ein, woraufhin der Polizeibeamte ihm weiterhin folgte. Auf einer längeren Gerade wollte er den Beschwerdeführer überholen und in einer darauffolgenden Kurve anhalten. Die Anhaltung wollte er dermaßen bewerkstelligen, dass er dem Beschwerdeführer in der Kurve den Weg blockiert, sodass dieser zum Anhalten gezwungen werden sollte. Während des Überholens stießen jedoch die beiden Fahrzeuge zusammen. Der Beschwerdeführer kam dabei zu Sturz. Dabei erlitt der Beschwerdeführer eine Rissquetschwunde an der Stirn, welche im Landeskrankenhaus B genäht werden musste, sowie Abschürfungen im Gesicht.

 

Ein Strafverfahren gegen den Polizeibeamten C R wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StPG wurde mit Verfügung vom 26.04.2017, abgefertigt am 04.05.2017, von der Staatsanwaltschaft Feldkirch, Zl 86 BAZ 495/17p, gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt. Daraufhin hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gestellt, welcher vom Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom 20.07.2017, Zl 32 Bl 47/17b, gemäß § 196 Abs 2 erster Satz StPO abgewiesen wurde.

 

4.                       Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der im Gegenstand durchgeführten mündlichen Verhandlung als erwiesen angenommen.

 

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer ua an, dass er am 27.02.2017 zwischen 11.20 Uhr und 11.30 Uhr von zuhause zur Arbeit mit einem nicht zugelassenen Motorrad ohne Helm auf der Straße gefahren sei. Ihm sei dann ein Polizeiauto entgegengekommen. Er habe zunächst gedacht, dass ihm das Polizeiauto aufgrund der Umstände, dass er ohne Helm mit einem nicht zugelassenen Motorrad gefahren sei, nachfahren werde. Das sei tatsächlich so gewesen. In weiterer Folge sei eine scharfe Linkskurve gekommen, es sei dies eine 180-Grad Kurve. Das Polizeiauto sei hinter ihm hergefahren. Er habe dann scharf gebremst und sei die Kurve außen angefahren. Er sei schon in die Kurve hineingefahren, in dem Moment habe er von hinten einen Stoß bekommen und sei dann in der Folge gestürzt. Er sei noch nicht richtig in der Kurve gewesen, aber er habe dazu angesetzt. Aus seiner Sicht sei der Zusammenstoß unvermeidbar gewesen. Er habe in dieser Situation das Polizeiauto nicht gesehen, weil er auch keinen Rückspiegel an seinem Motorrad habe. Er habe das Polizeiauto erst gesehen, als er am Boden gelegen sei.

 

Er sei nach dem Sturz am Boden gelegen und habe Platzwunden am Kopf und Abschürfungen gehabt, dies auch an den Händen und am Knöchel. Er habe schon gemerkt, dass er ein bisschen verletzt sei, aber er habe sich ja nicht gesehen und deshalb zum Polizisten gesagt, dass er keine Rettung benötige. Der Polizist habe ihn zwar gefragt, aber im Schock habe er die Rettung zunächst abgelehnt. In der Folge seien dann weitere Polizisten zu ihnen gestoßen. Der andere Polizist hatte ihn dann noch einmal gefragt wegen der Rettung und habe ihm angeraten, dass sie die Rettung holen. Er sei dann damit einverstanden gewesen. In der Folge sei die Rettung auch gekommen und habe ihn ins Krankenhaus gebracht.

 

Es sei richtig, dass es sich bei der Straße zunächst um eine öffentliche Straße gehandelt habe, in der Folge habe es sich um einen Güterweg gehandelt. Es sei nicht richtig, dass beim Einsatzfahrzeug das Folgetonhorn eingeschaltet gewesen sei. Dies habe er gehört. Er habe keine Lautsprecherdurchsage vom Polizeiauto gehört, er habe zwei bis drei Mal eine Hupe gehört. Auf die Frage, ob er um die Kurve gekommen wäre, wenn er vom Einsatzfahrzeug nicht touchiert worden wäre, gab er an, er wäre 100-%-ig um die Kurve gekommen. Er sei nicht deshalb zu Sturz gekommen, weil er ins Schleudern gekommen sei, sondern weil er einen Stoß von hinten bekommen habe. Er hätte dieses geringfügige Ausbrechen kontrollieren können. Es sei normal, dass das Hinterrad etwas nach links oder rechts ausbrechen könne. Wenn man sein Kfz beherrsche, habe man dies jedoch im Griff.

 

Der Zeuge C R gab an, er sei damals in L auf Streife unterwegs gewesen. Er habe dann das einspurige Fahrzeug des Beschwerdeführers wahrgenommen. Ihm sei das einspurige Fahrzeug aufgefallen, weil es wie ein Trial-Motorrad ausgesehen habe. Normalerweise seien Trial-Maschinen auf Straßen nicht zugelassen.

 

Er habe nicht gehupt. Er habe weder Blaulicht noch Folgetonhorn eingeschaltet. Er habe den Beschwerdeführer zwei Mal mit Mikrofon aufgefordert, stehen zu bleiben. Der Beschwerdeführer sei dann vom Gweg links in einen Schotterweg abgebogen. Dort folge eine lange Gerade. Dort sei der Beschwerdeführer auf die rechte Seite der Straße gefahren. Er habe zu diesem Zeitpunkt die Chance gesehen, dass er ihn, ohne zu gefährden, überholen könne. Als er dann seitlich etwa in Höhe der Beifahrertür gesehen habe, habe der Beschwerdeführer nach links gesehen. Der Beschwerdeführer sei dann mit seinem Vorderrad gegen seine Beifahrerseite gefahren. Er sei dadurch zu Sturz gekommen und sei dann sofort stehengeblieben. Er habe gesehen, wie der Beschwerdeführer nach links geschaut habe. Dadurch sei es zu einer Lenkbewegung nach links und dadurch zum Sturz gekommen. Er habe nicht wahrgenommen, dass das Hinterrad des Kfz des Beschwerdeführers sein Fahrzeug berührt hätte. Er habe nur gesehen, dass der Beschwerdeführer vorne rechts touchiert habe. Er habe den Beschwerdeführer vorne bei der Kurve anhalten wollen, aus diesem Grund habe er ihn auch überholen wollen. Dazu sei es jedoch nicht mehr gekommen. Es sei ja seine Absicht gewesen, nach dem Überholvorgang die Fahrbahn zu blockieren, wodurch der Motorradfahrer stehenbleiben hätte müssen. Er habe sein Fahrzeug nicht in Richtung des Beschwerdeführers gelenkt. Er habe gerechnet, dass er den Beschwerdeführer in der Kurve stoppen könne, sonst hätte er dies nicht gemacht. Sonst hätte er nicht versucht, ihn zu überholen und vorne anzuhalten. Es sei nicht sein Plan gewesen, um die Kurve herumzukommen. Er habe vorne den Weg blockieren wollen. Er habe nicht damit gerechnet, dass es durch das Manöver zu einem Sturz des Trial-Fahrers kommen könne, er hätte ja auch stehen bleiben können.

 

Er habe den Trial-Fahrer mehrmals gefragt, ob er die Rettung rufen solle. Dies habe er verneint. Eine Zwangsbehandlung in diesem Sinne sei da nicht vorgesehen. Als seine Kollegen dann gekommen seien, habe er sich überreden lassen. In der Folge sei auch die Rettung geholt worden. Im Zuge des Gespräches habe er sehr wohl auf den Beschwerdeführer geachtet. Dieser sei ja zeitlich und örtlich orientiert gewesen. Er habe ihn auch gefragt, ob ihm schlecht oder schwindelig sei, dies habe er verneint. Er habe Verletzungen in Form von Schürfwunden beim Beschwerdeführer festgestellt. Er habe auch eine Verletzung am Fuß, ihm gegenüber habe er jedoch angegeben, dass er diese Verletzung schon vom Vortag habe. Es könne auch sein, dass dies eine Verletzung an der Hand gewesen sei, er könne sich daran nicht mehr genau erinnern. Bei den Straßen, auf denen sie gefahren seien, handle es sich um Straßen mit öffentlichem Verkehr. Bezüglich des Gweges könne er jedoch nicht sagen, ob dort ein Fahrverbot gelte. Auf die Frage, ob dieser Weg von Fußgängern benützt werden dürfe, gab er an, es handle sich um einen Winterwanderweg.

 

Soweit für die rechtliche Beurteilung relevant, sind die Zeugenaussagen übereinstimmend. So hat der Zeuge R ausgeführt, er habe den Beschwerdeführer deswegen überholen wollen, um ihm unmittelbar danach den Weg zu versperren. Ob der Polizeibeamte den Beschwerdeführer zuvor mittels Lautsprecherdurchsage aufgefordert hat, stehen zu bleiben, kann dahingestellt bleiben. Weiteres können der Grad der Verletzung und die Art der Verletzung ebenso dahingestellt bleiben.

 

Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer mit dem Vorder- oder mit dem Hinterrad mit dem Polizeifahrzeug zusammengestoßen ist. Es kam rechtlich nur auf die Absicht des Polizeibeamten an, dem Beschwerdeführer den Weg zu versperren.

 

5.                       Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

 

Das Überholen eines anderen Fahrzeuges durch ein Polizeiauto, um einem anderen Fahrzeug unmittelbar danach den Weg abzusperren, um dieses anzuhalten stellt eine Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Die Beschwerde ist daher zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26.02.1981, B 213/79, VfSlg 9013, angeführt, dass eine Aufforderung anzuhalten, sich offensichtlich als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt.

 

6.                       Die Bezirkshauptmannschaft B als belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift ausgeführt, dass der Polizeibeamte versucht habe, Amtshandlungen iSd KFG bzw der StVO durchzuführen. Auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sind keine anderen Gründe für die Anhaltung hervorgekommen. Aufgrund dessen war vom Verwaltungsgericht nur zu prüfen, ob die ausgeübte Befehls- und Zwangsgewalt aufgrund dieser Gesetze rechtskonform war oder nicht. Ob eine Anhaltung nach dem SPG (auf welches Gesetz die Beschwerde primär eingeht) zulässig gewesen wäre, war nicht zu prüfen.

 

Im KFG finden sich keine Bestimmungen über ein Recht, Fahrzeuglenker anzuhalten, wohl jedoch über Verstöße gegen das KFG, die bei einer Anhaltung nach § 97 Abs 5 StVO festgestellt wurden, wie etwa die Sturzhelmpflicht (§ 134 Abs 3d KFG).

 

Nach § 97 Abs 5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen und dergleichen) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

 

Rechtlich ist also zu klären, ob die Bestimmung des § 97 Abs 5 StVO Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Verkehrsteilnehmer zum Anhalten zu zwingen, indem sie ihnen den Weg für die Weiterfahrt verstellen.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (14.04.2011, 2007/21/0322) setzt die Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt begriffsnotwendig ein positives Tun der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde einer bestimmten Person gegenüber voraus und liegt nur vor, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den gewollten Zustand herzustellen. Rechtswidrig sind solche Akte, wenn sie entweder ohne gesetzliche Ermächtigung gesetzt werden oder wenn die gesetzliche Ermächtigung überschritten (und missbraucht) wird.

 

§ 97 Abs 5 StVO regelt abschließend, durch welche Handlungen Organe der Straßenaufsicht berechtigt sind, Fahrzeuglenker anzuhalten. Dies sind nach dem Gesetzestext ausschließlich deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen. Pürstl, (StVO-ON14.01 § 97 StVO Rz 13 [Stand 01.02.2017, rdb.at]) führt aus, dass die Anordnung nicht durch einen senkrecht nach oben gehaltenen Arm gegeben werden muss, aber durch ein deutlich sichtbares Zeichen, zB Arm- oder Handzeichen oder ein Zeichen, mit einer roten Signallampe oder Signalscheibe. Auch Grundtner, die österreichische Straßenverkehrsordnung § 97, S 8ff, spricht lediglich von optischen und akustischen Zeichen.

 

Die Ermächtigung nach § 97 Abs 5 StVO zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt im Zuge der Anhaltung von Verkehrsteilnehmern beschränkt sich somit darauf, Fahrzeuglenker mittels optischer und/oder akustischer Zeichen anzuhalten. Diese Bestimmung ermächtigt jedoch Organe der Straßenaufsicht nicht, darüber hinausgehende Befehls- und Zwangsgewalt - wie hier das Blockieren einer Fahrbahn durch ein Polizeifahrzeug, um ein anderes Fahrzeug zum Anhalten zu zwingen - auszuüben.

 

Bei dem vom Polizeibeamten R gewählten Verhalten, nämlich das Anhalten durch Abschneiden des Weges, handelt es sich somit um eine Ausübung von Zwangsgewalt, die die gesetzliche Ermächtigung nach § 97 Abs 5 StVO überschritten hat.

 

Aufgrund dessen war der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig zu erklären.

 

Ob der Polizeibeamte nach dem Unfall der Ansicht hätte sein müssen, dass die Rettung zu rufen sei, ist nicht im Maßnahmenbeschwerdeverfahren zu klären. Auch die Frage des Imstichlassen eines Verletzten ist nicht Gegenstand des Maßnahmebeschwerdeverfahrens. Ebenso wenig ist in einem Maßnahmenbeschwerdeverfahren über Schadenersatz und Amtshaftungsansprüche abzusprechen. Mit diesen Forderungen wird der Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

 

7.                       Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Die Höhe des Aufwandersatzes richtet sich dabei nach der VwG-Aufwandersatzverordnung.

 

Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer obsiegende Partei (vgl § 35 Abs 2 VwGVG). Die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist der Bezirkshauptmannschaft B als belangter Behörde zuzurechnen. Die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde im Vollzugsbereich der StVO gesetzt, sodass das Land zur Kostentragung verpflichtet ist.

 

8.     Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob § 97 Abs 5 StVO den Organen der Straßenaufsicht das Recht einräumt, andere Fahrzeuglenker durch Blockieren der Fahrbahn anzuhalten, fehlt.

Schlagworte

Anhalten Fahrzeuglenker nach StVO, Blockieren Straße durch Polizeiauto

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.2.13.2018.R1

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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