TE Bvwg Beschluss 2018/2/12 W267 2148915-2

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Veröffentlicht am 12.02.2018
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Entscheidungsdatum

12.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §16 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W267 2148915-2/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Essl als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2017, ZI. XXXX , mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2017, ZI. XXXX , abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2017 beschlossen:

A)

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, stellte am 21.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des BFA vom 12.01.2017, Zl. XXXX , wurde dieser Antrag gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan wurde für zulässig erklärt und eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides wurde sowohl in Deutsch wie auch in Dari auf eine zweiwöchige Rechtsmittelfrist hingewiesen.

3. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, vom 12.01.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE – Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG zur Seite gestellt.

4. Der Bescheid des BFA vom 12.01.2017, Zl. XXXX , wurde dem BF mittels RSa zugestellt und am 13.01.2017 in die ihm zugeordnete Abgabeeinrichtung eingelegt. Der erste Tag der Abholfrist war der 16.01.2017.

5. Innerhalb der damals geltenden zweiwöchigen Beschwerdefrist wurde vom BF kein Rechtsmittel erhoben.

6. Am 13.02.2017, sohin jedenfalls innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung des erwähnten Bescheides, langte beim BFA jedoch ein Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt ausgeführter Beschwerde ein.

7. Mit Bescheid des BFA vom 16.02.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

8. Der diesbezügliche Bescheid wurde den ausgewiesenen, mit Zustellvollmacht ausgestatteten Vertretern des BF, der ARGE – Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, im Wege des Diakonie Flüchtlingsdienstes mittels RSa zugestellt und dort am 17.02.2017 nachweislich übernommen.

9. Gegen den oben zuletzt genannten Bescheid des BFA richtet sich die vom BF durch seine ausgewiesenen Vertreter am 06.03.2017 fristgerecht erhobene Beschwerde. In dieser wird u.a. ausgeführt, dass der BF krank geworden sei und daher nicht den Termin bei der ARGE Rechtsberatungen zur Verfassung der Beschwerde wahrnehmen habe können. Er habe eine im selben Quartier wohnende persische Familie nicht gebeten, ihm bei der Kontaktaufnahme zu helfen, da er nicht habe zur Last fallen wollen. Der BF habe die Beschwerde auch nicht selbst verfassen können, da er nicht wisse, was die Anforderungen an eine Beschwerde seien und er mit dem österreichischen Postwesen nicht vertraut sei. Zudem wäre es aufgrund der sprachlichen Verständigung schwierig gewesen, der ARGE Rechtberatung sein Anliegen telefonisch zu schildern.

10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 10.04.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung ausschließlich zur Prüfung des Wiedereinsetzungsantrages durch, an der der BF im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des BFA vom 12.01.2017, Zl. XXXX war der BF an der Adresse 2320 Schwechat, XXXX , mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der Bescheid wurde dem BF am 13.01.2017 an eben dieser Adresse durch Hinterlegung zugestellt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF sich im Jänner 2017 nicht regelmäßig an seinem oben erwähnten Wohnsitz aufgehalten hätte.

Die damals geltende zweiwöchige Rechtsmittelfrist, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides des BFA vom 12.01.2017, Zl. XXXX , hingewiesen wurde, endete mit Ablauf des 30.01.2017. Die nunmehr anzuwendende vierwöchige Beschwerdefrist endete mit Ablauf des 13.02.2017. Die am 13.02.2017 eingebrachte Beschwerde erweist sich daher als rechtzeitig.

2. Beweiswürdigung:

Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 33 VwGVG idgF lautet:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

"(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (z. B. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (z. B. VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z. B. VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (z. B. VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136).

Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung jedenfalls dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Im gegenständlichen Fall ist darüber hinaus insbesondere die erst kürzlich ergangenen Entscheidungen des VfGH vom 26.09.2017, G134/2017-12, G207/2017-8, zu berücksichtigen, mit der Teile des § 16 Abs. 1 BFA-VG zur Verkürzung der Beschwerdefrist bei Bescheidbeschwerden aufgehoben wurden. Die Aufhebung betrifft die Wortfolgen "2,4 und" im 1. Satz sowie den 2. Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist". Weiters sprach der VfGH aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

Aufgrund dieser rückwirkenden Entscheidung des VfGH beträgt im verfahrensgegenständlichen Fall die Frist für ein rechtzeitiges Erheben einer Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BFA vom 12.01.2017, Zl. XXXX , daher statt 2 Wochen nunmehr 4 Wochen.

Der Bescheid vom 12.01.2017 wurde dem BF am 13.01.2017 in der dem BF zugeordneten Abgabeeinrichtung hinterlegt. Hinterlegte Dokumente sind gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Beginn der Abholfrist war der 16.01.2017. Da die Beschwerde am 13.02.2017 und somit innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung des Bescheides erhoben wurde und damit als rechtzeitig anzusehen ist, hat der BF keine Frist versäumt und es mangelt ihm daher an einer Beschwer.

Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerde in der Sache vom 13.02.2017 rechtzeitig erhoben und keine Frist iSd § 33 VwGVG versäumt wurde, war die Beschwerde vom 06.03.2017 gegen den Bescheid des BFA vom 16.02.2017, Zl. XXXX , mit dem der Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, als unzulässig zurückzuweisen.

Über die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 12.01.2017, Zl. XXXX , wird gesondert entschieden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Rechtsanschauung des VfGH, Rechtsmittelfrist, Rechtzeitigkeit,
Wiedereinsetzung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W267.2148915.2.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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