TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/11 L510 2127009-1

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Veröffentlicht am 11.01.2018
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Entscheidungsdatum

11.01.2018

Norm

ASVG §30
ASVG §410
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L510 2127009-1/326E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerden der XXXX, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer RAe, und des XXXX, vertreten durch Stolz Rechtsanwalts - GmbH, gegen Spruchpunkt 6. des Bescheides der XXXX Gebietskrankenkasse, vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH, vom 25.02.2016, GZ.: XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird hinsichtlich Spruchpunkt 6. des o. a. Bescheides stattgegeben und Spruchpunkt 6. des Bescheides der XXXX Gebietskrankenkasse vom 25.02.2016, GZ.: XXXX, mangels örtlicher Zuständigkeit der XXXX Gebietskrankenkasse gem. § 28 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die XXXX Gebietskrankenkasse (im Folgenden auch kurz bezeichnet als "GKK") hat mit im Spruch angeführten Bescheid in Spruchpunkt 6. festgestellt, dass XXXX (folgend kurz: "Herr S.") aufgrund der in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit für die XXXX in den jeweiligen - ebenso dort angeführten - Zeiträumen der Pflicht(Voll-)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gem. § 4 Abs. 1 und 2 ASVG iVm § 1 lit. a AlVG unterliegen würden.

Die GKK beurteilte unter weitgehenden Ausführungen, dass Herr S. im Zeitraum 01.01.2007 - 31.12.2014 als Dienstnehmer für die XXXX tätig gewesen sei. Er sei Gebietsleiter für Salzburg (auch Bereich Westen von Österreich) für die im Außendienst tätigen Handelsvertreter der bP gewesen.

2. Mit Schriftsatz der Vertretung der XXXX (beschwerdeführende Partei, folgend auch kurz: "bP") vom 24.03.2016 wurde Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid der GKK eingebracht. U. a. wurde Spruchpunkt 6. zur Gänze inhaltlich angefochten. Im Wesentlichen wurde unter weitgehenden Ausführungen dargelegt, dass Herr S. auf selbständiger Basis für die bP tätig gewesen sei.

Auch durch Herrn S. wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und wurde ebenfalls unter weitgehenden Ausführungen dargelegt, dass er auf selbständiger Basis für die bP tätig gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 29.04.2016 erfolgte die Bekanntgabe der Vertretung durch die Stolz Rechtsanwalts - GmbH.

3. Herr Alfred S. wurde vor dem BVwG in der mündlichen Verhandlung am 11.04.2017 als Zeuge zur Tätigkeit der Handelsvertreter und seiner diesbezüglichen Aufgaben befragt. In eigener Sache wurde er in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2017 als Verfahrenspartei befragt.

Es kam hervor, dass Herr S. in seiner Stellung als Gebietsleiter Handelsvertreter, welche in einem Vertragsverhältnis zur bP standen und im Außendienst tätig waren, betreute. Örtliche handelte es sich um das Gebiet Salzburg, welches jedoch auch den Bereich Westen Österreichs umfasste. Er war für die Terminzuteilung an die Handelsvertreter zuständig, welche Schlafberatungsveranstaltungen für die bP bei potentiellen Kunden hielten. Weiter hielt er Meetings, Workshops und Coachings für die Handelsvertreter ab. Es ging dabei um verkaufsfördernde Maßnahmen für die Handelsvertreter. Unter Coaching fiel neben der Durchführung von Einzelgesprächen auch das Anhören von Verkaufsveranstaltungen mit anschließendem Feedback an die Handelsvertreter oder das Analysieren von diesbezüglichen Tonbandaufnahmen von Verkaufsveranstaltungen. Es ging darum, was die Handelsvertreter bei den Veranstaltungen besser machen könnten.

Herr S. hatte ein eigenes Büro in Salzburg bei der bP. Zudem stand ihm für die Meetings ein Raum an diesem Standort zur Verfügung. Laut eigenen Angaben übte Herr S. den überwiegenden Teil seiner Tätigkeit im Außendienst aus. Der Außendienst erfolgte zu 20 % in Salzburg, den Rest absolvierte er in Vorarlberg, Oberösterreich, Tirol und Kärnten. Dabei führte er Coachings (Einzelgespräche) mit Handelsvertretern durch, machte Analysen und hielt Workshops (zumeist 3 - 4 Personen) ab. Für Analysen und Coachings traf er sich mit den Handelsvertretern zumeist irgendwo in der Mitte zwischen Salzburg und deren Aufenthaltsort. Etwa durchschnittlich 10 Stunden im Monat verbrachte Herr S. im Büro in Salzburg. Er hielt im Jahr etwa 8 - 10 Meetings ab, welche je zwischen eineinhalb bis zwei Stunden dauerten. Davon wurden etwa 6 Meetings in Salzburg abgehalten. Der Rest wurde in anderen Bundesländern abgehalten, manchmal wurde ein Meeting in Deutschland durchgeführt. Workshops fanden zumeist in Salzburg statt, aber auch in Innsbruck oder Vorarlberg. In Salzburg fanden diese teils im Büro von Herrn S. oder in dem ihm für Meetings zur Verfügung stehenden Raum oder auch in Gasthäusern statt.

Stellungnahmen zu den Angaben von Herrn S. wurden durch die bP und die GKK nicht abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die GKK hat mit im Spruch angeführten Bescheid in Spruchpunkt 6. festgestellt, dass Herr S. aufgrund der in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit für die XXXX im Zeitraum 01.01.2007 - 31.12.2014 der Pflicht(Voll-)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gem. § 4 Abs. 1 und 2 ASVG iVm § 1 lit. a AlVG unterliegen würden.

Herr S. übte seine Tätigkeit nicht von einer festen Arbeitsstätte aus, sondern überwiegend im Außendienst abwechselnd an verschiedenen Orten (Verfahrensgang Pkt. 3). Der Standort seiner GmbH befindet sich in XXXX, wo sich auch sein Wohnort befindet.

Der Wohnort von Herrn S. befand sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches der GKK, ebenso wie der Standort seiner GmbH.

2. Beweiswürdigung:

Der für die gegenständliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei.

Der Wohnort von Herrn S. im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ergibt sich aus einer im Akt aufliegenden ZMR-Anfrage (OZ 325). Der Standort seiner GmbH im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Gewerberegisterauszug, einem beiliegenden Firmenbuchauszug und den Angaben von Herrn S. vor dem BVwG.

Die Feststellungen zur Tätigkeit für die bP ergeben sich aus den Angaben des Herrn S. in den mündlichen Verhandlungen. Seitens der bP wurde diesen Angaben nicht entgegen getreten. Seitens der GKK wurden die Angaben des Herrn S. in den Verhandlungen nicht bestritten. Etwaige Stellungnahmen wurden nicht eingebracht.

Seitens des BVwG ist festzustellen, dass Herr S. in der Verhandlung glaubwürdig wirkte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gem. § 414 Abs. 2 ASVG iVm § 410 Abs. 1 ASVG Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Behebung des Bescheides

Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 30 ASVG

(1) Die örtliche Zuständigkeit der Gebietskrankenkassen richtet sich, soweit in den Abs. 3 bis 5, im § 11 Abs. 2 und im § 16 Abs. 5 nichts anderes bestimmt wird, nach dem Beschäftigungsort des Versicherten, bei selbständig Erwerbstätigen nach dem Standort des Betriebes bzw. in Ermangelung eines solchen nach dem Wohnsitz.

(2) Beschäftigungsort ist der Ort, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Wird eine Beschäftigung abwechselnd an verschiedenen Orten ausgeübt, aber von einer festen Arbeitsstätte aus, so gilt diese als Beschäftigungsort. Wird eine Beschäftigung ohne feste Arbeitsstätte ausgeübt, so gilt der Wohnsitz des Versicherten als Beschäftigungsort. Der Beschäftigungsort von Hausgehilfen, die beim Dienstgeber wohnen, ist der Wohnsitz des Dienstgebers. Hat der Dienstgeber mehrere Wohnsitze, so ist der Wohnsitz maßgebend, an dem der Dienstgeber den überwiegenden Teil des Jahres verbringt.

[...]

Die Definition des Beschäftigungsortes in Abs. 2 ist in Form einer Kaskade aufgebaut. Grundsätzlich ist der Beschäftigungsort jener Ort, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Abs. 2 stellt somit auf die faktische Dienstleistungserbringung (Tätigkeitserbringung) ab und nicht auf den vertraglich bedungenen Arbeitsort (vgl. SozSi 1970, 319). Werden die versprochenen Dienstleistungen (Tätigkeiten) jeweils an unterschiedlichen Orten erbracht, jedoch von einer festen Arbeitsstätte aus, so gilt jene als Beschäftigungsort. Als feste Arbeitsstätte ist jener Ort anzusehen, von dem aus die Arbeitseinsätze unmittelbar geleitet werden, nicht der Verwaltungssitz (OLG 11 R 176, DRdA 1960, 87; Krej- ci, Sozialversicherungsverhältnis 11). In § 3 Abs. 3 werden beispielhaft Kanzleien und Büros als Arbeitsstätten angeführt. Auch wenn § 3 Abs. 3 nicht wie Abs. 1 auf § 30 Abs. 2 verweist, ist davon auszugehen, dass der Begriff der Arbeitsstätte in beiden Bestimmungen inhaltsgleich ist. Daraus ist abzuleiten, dass die Arbeitsstätte eine gewisse Infrastruktur und innere Organisation aufweisen muss (Höfle, ASoK 1997, 11 [13]). Die Ergänzung des Begriffs um das Adjektiv "fest" in § 30 Abs. 2 legt nahe, dass die Arbeitsstätte darüber hinaus für eine verhältnismäßig lange Dauer eingerichtet sein muss (SozSi 1960, 277). Werden jeweils Beschäftigungen an unterschiedlichen Orten erbracht, ohne dass eine feste Arbeitsstätte vorliegt und ist auch keine Eingliederung in ein ausländisches System der sozialen Sicherheit gegeben, ist der Wohnort der versicherten Person als Beschäftigungsort anzusehen (vgl VwGH 2007/08/ 0107, ARD 5938/12/2009) [Felten, in: Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg), Der SV-Komm 2015, § 30 ASVG Rz 3].

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Für den Fall, dass die Tätigkeit des Herrn S. als unselbständig zu qualifizieren wäre, ist festzustellen, dass dieser unbestrittener Weise seine Tätigkeit an verschiedenen Orten und auch nicht von einer festen Arbeitsstätte aus ausgeübt hätte.

Folglich würde sich gem. § 30 Abs. 2 ASVG ergeben, da Herr S. an unterschiedlichen Orten seine Tätigkeit verrichtet hätte, ohne dass eine feste Arbeitsstätte vorgelegen wäre und auch keine Eingliederung in ein ausländisches System der sozialen Sicherheit gegeben wäre, dass der Wohnort des Herrn S. als Beschäftigungsort anzusehen wäre.

Aufgrund des durchgehenden Wohnortes in Oberösterreich wäre somit eine Zuständigkeit der OÖ GKK gegeben.

Für den Fall, dass die Tätigkeit des Herrn S. als selbständig zu qualifizieren wäre, ist festzustellen, dass der Standort seiner GmbH ebenfalls durchgehend in Oberösterreich gelegen war, ebenso wie sein persönlicher Wohnsitz.

Es steht somit fest, dass unabhängig von der Qualifikation der Tätigkeit des Herrn S. für die bP jedenfalls keine örtliche Zuständigkeit der XXXX GKK vorliegt, weshalb auch eine inhaltliche Prüfung der Tätigkeit des Herrn S. für die bP auf Grundlage des Bescheides der XXXX GKK, welchen diese nicht hätte erlassen dürfen, seitens des BVwG nicht zu erfolgen hatte.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2127009.1.01

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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