TE Lvwg Beschluss 2017/11/28 VGW-111/082/9763/2016

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Entscheidungsdatum

28.11.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §2 Z4
ZustG §8 Abs1
ZustG §8 Abs2
ZustG §25 Abs1
ZustG §25 Abs2
VwGVG §33 Abs4
AVG §6

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Trefil über die Beschwerde des H. Z., vertreten durch Rechtsanwalt, vom 20.7.2015 (richtig: 2016), gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei - Gebietsgruppe ..., Stadterneuerung II, vom 2.2.2016, Zl. MA37/944989/2015-1, betreffend Baubewilligung (Bauwerberin: L. GmbH & Co KG mit Sitz in Wien, Handelsgericht Wien, FN ...) den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 31 in Verbindung mit § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG wird die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

II.  Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und gemäß § 6 AVG an die belangte Behörde zur Entscheidung weitergeleitet.

III. Gemäß § 25a VwGG ist gegen beide Spruchpunkte dieses Beschlusses eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

I.       Verfahrensgang und maßgeblicher Sachverhalt

I.1.    Erteilung der Baubewilligung

Mit Eingabe vom 3.12.2015 suchte die Bauwerberin bei der belangten Behörde um die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 der Bauordnung für Wien - BO, LGBl. für Wien Nr. 11/1930, für die Liegenschaft in der A.-gasse, ident mit P.-gasse, im ... Wiener Gemeindebezirk (Gst. Nr. ..., EZ ..., KG ..., im Folgenden die Bauliegenschaft) an.

Am 13.1.2016 führte die belangte Behörde eine mündliche Bauverhandlung durch.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts ... vom 22.1.2016, TZ ..., wurde die Einverleibung des Eigentumserwerbs des Beschwerdeführers an Miteigentumsanteilen an der Bauliegenschaft aufgrund des Kaufvertrags vom 6.8.2015 bewilligt (und am 25.1.2016 im Grundbuch eingetragen; davor besaß der Beschwerdeführer keine Miteigentumsanteile an der Bauliegenschaft).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2.2.2016 erteilte die belangte Behörde der Bauwerberin gemäß § 70 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 BO und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes 2008 - WGarG 2008, LGBl. für Wien Nr. 34/2009, die beantragte Baubewilligung für bauliche Herstellungen und Änderungen sowie für einen Zubau in Form eines Dachausbaus mit zusätzlichem Treppenhaus (der Bauwerberin am 9.2.2016 zugestellt).

Die Zustellung des angefochtenen Bescheids an den Rechtsvorgänger und die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers sowohl an deren (übereinstimmenden) Hauptwohnsitz in Wien und Nebenwohnsitz in B. scheiterte. Alle vier Postsendungen wurden an die belangte Behörde bis 15.2.2016 mit dem Vermerk "Verzogen" retourniert.

In der Folge erhob die belangte Behörde den Beschwerdeführer als deren Rechtsnachfolger ins Miteigentum an der Bauliegenschaft. Im Grundbuch war seine Adresse zu drei Miteigentumsanteilen mit (zugesagtem) zugehörigem Wohnungseigentum jeweils mit C.-straße in S. registriert.

Vom Bauverfahren, der Zustellung des angefochtenen Bescheids an die Bauwerberin und an andere Miteigentümer der Bauliegenschaft hatte der Beschwerdeführer nur dem Vernehmen nach Kenntnis erlangt. Am 7.3.2016 nahm er dazu mit der - wenngleich bereits im August 2015 nach Spanien ausgewanderten - Verkäuferseite Kontakt auf, weil er vom Ausgang des Bauverfahrens von anderen Miteigentümern erfahren hatte. Zusätzlich setzte er sich aber nicht initiativ mit der belangten Behörde in Verbindung. Er gab weder einen Vertreter bekannt, etwa den ihn bereits im März 2016 in dieser Sache beratenden und nunmehr in diesem Beschwerdeverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt, noch übermittelte er eine Zustellvollmacht an die belangte Behörde.

I.2.    Zustellvorgänge an den Beschwerdeführer

Die belangte Behörde versuchte dem Beschwerdeführer im Ergebnis erfolglos drei Mal den angefochtenen Bescheid an seine Adresse in der C.-straße in S. zuzustellen:

Der erste Zustellversuch am 15.3.2016 (behördliche Abfertigung) scheiterte am 16.3.2016 ohne Zurücklassen einer Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstücks wegen einer vom Zusteller vermerkten Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers für weitere 13 Tage bis 29.3.2016.

Der zweite Zustellversuch am 1.4.2016 (behördliche Abfertigung) scheiterte am 4.4.2016 ohne Zurücklassen einer Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstücks wegen einer vom Zusteller vermerkten Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers für weitere 26 Tage bis 30.4.2016.

Der dritte Zustellversuch am 29.4.2016 (behördliche Abfertigung) scheiterte am 3.5.2016 ohne Zurücklassen einer Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstücks wegen des vom Zusteller angebrachten Vermerks "Abgabestelle unbenutzt".

I.3.    Aufenthalt und Einschreiten des Beschwerdeführers

Im ersten Halbjahr 2016 bis etwa Mitte Juli 2016 war der Beschwerdeführer praktisch durchgehend von seiner S.er Wohnung in der C.-straße ortsabwesend und erhielt keine Zustellungen, so auch in dem hier hineinfallenden siebenwöchigen Zeitraum vom 16.3.2016 bis zum 3.5.2016. Pro Monat war der Beschwerdeführer höchstens einige wenige Tage in S..

An welcher anderen Adresse sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum aufgrund seiner Abwesenheit von seiner Meldeadresse regelmäßig aufgehalten hat und wo er postalisch erreichbar gewesen war, hat er im gesamten Verfahren nicht erwähnt. Eine andere Zustelladresse als jene in der C.-straße in  S. wurde nicht bekannt gegeben.

I.4.    Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung

Aufgrund der ersten beiden erfolglosen Zustellversuche am 16.3.2016 und 4.4.2016 rief die belangte Behörde am 2.5.2016 beim anwaltlichen Vertreter des Rechtsvorgängers und der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers an, namentlich bei Rechtsanwalt Dr. W. R., der den Verkauf der Liegenschaftsanteile an den Beschwerdeführer treuhändig abgewickelt hatte. Dieser verneinte die Vertretung des Beschwerdeführers im Bauverfahren. Nach dem erfolglosen dritten Zustellversuch am 3.5.2016 konnte am 11.5.2016 vom behördlich kontaktierten Rechtsanwalt Dr. G. K. (Vertreter einer anderen Miteigentümerin) keine andere Zustelladresse oder Vertretung des Beschwerdeführers im Bauverfahren in Erfahrung gebracht werden. Ebenfalls am 11.5.2016 wurde daher die genaue Adresse des Lofts des Beschwerdeführers auf der Bauliegenschaft vom Geschäftsführer (der geschäftsführenden Gesellschafterin) der Bauwerberin, DI M. Wa., erfragt und mit der P.-gasse im Objekt …, Loft 4.8 erhoben.

Ein Zustellversuch an dieser Wiener Adresse am 12.5.2016 (behördliche Abfertigung) scheiterte am 13.5.2016 ohne Zurücklassen einer Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstücks wegen des vom Zusteller angebrachten Vermerks "Unbekannt".

Daraufhin verfügte die belangte Behörde am 20.5.2016 die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung in der Zeit vom 25.5.2016 bis 8.6.2016 an der Amtstafel. Der Aushang mit Hinweis auf die Rechtsfolgen der Zustellungswirkung erfolgte im genannten Zeitraum, ohne dass das Schriftstück vom Beschwerdeführer übernommen wurde.

I.5.    Rechtskraftbestätigung und Beschwerdeverfahren

Mit Schreiben vom 12.7.2016 bestätigte die belangte Behörde auf Ersuchen der Bauwerberin die Rechtskraft des angefochtenen Bescheids. Hiervon nahm der Beschwerdeführer unmittelbar Notiz.

Am 14.7.2016 nahm er - auf Anraten seines anwaltlichen Vertreters - bei der belangten Behörde Akteneinsicht. Einen Tag später, am 15.7.2016 machte der Beschwerdeführer einen "Ortsaugenschein" an der ehemaligen Adresse seines Rechtsvorgängers und seiner Rechtsvorgängerin im Miteigentumsrecht in B., um die Richtigkeit der behördlich verfügten Zustellvorgänge nachzuprüfen.

Am 19.7.2016 um 11:35 Uhr schrieb der Beschwerdeführer ein E-Mail an den Magistrat S. im Zusammenhang mit der Meldung seines Hauptwohnsitzes im Zentralen Melderegister in der C.-straße in S. mit folgendem Inhalt (Hervorhebungen durch das Verwaltungsgericht Wien):

"Sehr geehrter Herr E.! Mein Anwalt Herr Dr. G. L. hat mich beauftragt beim Meldeamt in S. nachzufragen unter welcher Meldeadresse ich dort aufscheine. In unserem heutigen Telefonat um 11:08 Uhr (06:18 Minuten Gesprächsdauer) haben Sie mir mitgeteilt ich sei unter der C.-straße Top 1 gemeldet. Unter dieser Anschrift habe ich mich nie angemeldet. Zuletzt war die Top 1 über mehrere Monate eine Baustelle. Herr … vom Magistrat S. drohte mir an mich an dieser Adresse abzumelden und habe ich mich diesem nicht widersetzt da ich dort nie gemeldet war (siehe beiliegender Meldeschein). Nur in letzter Zeit bekomme ich von Wiener Anwälten an diese Adresse - natürlich ergebnislose - Zustellungen. Ich ersuche dringend um Richtigstellung! Bei Ortsabwesenheiten werden von mir ordnungsgemäß Meldungen bei der Briefzustellung vorgenommen. Leider bin ich in den letzten Monaten - auf Vorgabe meines Arztes - sehr oft ortsabwesend gewesen. Pro Monat bin ich aber immer zumindest 2 oder mehr Tage in S.. Mit besten Grüßen … ".

Hierüber berichtete der Beschwerdeführer seinem anwaltlichen Vertreter wenig später mit folgendem E-Mail vom 19.7.2016 um 13:07 Uhr wie folgt:

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Doktor L.! Um 12:53 Uhr (11:53 Minuten Gesprächsdauer) hat mich Herr P. E. angerufen. Es wurde mitgeteilt, dass das Haus C.-straße von außen 2 getrennte Zugänge hat. Mein Zugang ist seit 1985 klar und deutlich mit großem Einzelbuchstaben mit Atelier Z. gekennzeichnet! Es wurde meinerseits Herrn E. alles aufgezählt, von wo mir alles unter der C.-straße zugestellt wird (Bescheide Mag. S., Finanzamt, Justiz, Sozialversicherungsanstalt, Kammer, Grundsteuer, Stadtkassa, Gewerbeanmeldungen etc. etc.) Herr E. hat mir zugesichert, dass das eingeleitete behördliche Abmeldungsverfahren nun gestoppt wurde. Mit besten Grüßen …".

Mit dem einen Tag später per E-Mail eingebrachten Schriftsatz vom 20.7.2016 beantragte der Beschwerdeführer 1. die sofortige Baueinstellung, 2. die Zustellung des angefochtenen Bescheids an seinen bevollmächtigten anwaltlichen Vertreter sowie 3. die Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist.

Weiters erhob der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 20.7.2016 das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde mit der Begründung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids wegen "Nichtvorliegen seiner Zustimmung als Miteigentümer" der Bauliegenschaft und stellte den Beschwerdeantrag auf Versagung der Baubewilligung, in eventu auf Zurückverweisung der Rechtssache.

Die belangte Behörde sah von der beantragten Zustellung des angefochtenen Bescheids an den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Zustellung durch die Bekanntmachung an der Amtstafel und Rechtskraft des angefochtenen Bescheids mit 7.7.2016 ab und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vor (hier eingelangt am 2.8.2016). Über den ebenfalls gestellten Wiedereinsetzungsantrag hat die belangte Behörde nicht entscheiden.

II.      Beweiswürdigung

Diese Feststellungen gründen sich auf den oben auszugsweise im Detail wiedergegebenen nicht bestrittenen Akteninhalt, insbesondere den darin einliegenden Rückscheinen, den auf diesen angebrachten Hinweisen sowie den unbedenklichen behördlichen Aktenvermerken.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nach dem Erwerb von Miteigentum an der Bauliegenschaft - etwa im "März 2016" (Beschwerde vom 20.7.2016, Seite 2 dritter Absatz) oder danach - keine Kontaktdaten, keine Abgabestelle und keinen Vertreter bzw. Zustellbevollmächtigten bekannt gegeben hat (Punkt I.1 des Verfahrensgangs), beruht auf den nichts Gegenteiliges vorbringenden Beschwerdeausführungen. Eine andere Abgabestelle als die C.-straße in S. führt auch die Beschwerde nicht ins Treffen (Beschwerde vom 20.7.2016, Punkt 2, Seite 7 erster Absatz). Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf die "Mitwirkungspflicht der Bauwerberin" und anderer involvierter Personen (Beschwerde vom 20.7.2016, Punkt 3, Seite 7 f), bei denen sich die belangte Behörde über eine geeignete Abgabestelle oder Kontaktdaten des Beschwerdeführers hätten informieren müssen.

Die festgestellte Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers von der C.-straße in S. im ersten Halbjahr 2016 (Punkt I.3 des Verfahrensgangs) ergab sich aus den in diesem Zeitraum erfolgten erfolglosen Zustellversuchen an diese Adresse (Punkt I.2 des Verfahrensgangs) und gründet sich weiters auf die damit im Einklang stehenden eigenen Angaben des Beschwerdeführers in seinem E-Mail vom 19.7.2016 um 11:35 Uhr (Punkt I.5 des Verfahrensgangs; Beilage zur Beschwerde vom 20.7.2016):

Konkret hat sich der Beschwerdeführer - auf Vorgabe seines Arztes, demnach offenbar gesundheitsbedingt - im ersten Halbjahr 2016 nicht in S. aufgehalten. Auf seine häufige Abwesenheit "in den letzten Monaten" und auf die "ordnungsgemäße Meldung bei der Briefzustellung", also den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Angaben, hat der Beschwerdeführer in seinem E-Mail vom 19.7.2016 um 11:35 Uhr ausdrücklich hingewiesen (Punkt I.5 des Verfahrensgangs; Beilage zur Beschwerde vom 20.7.2016; ebenso Beschwerde vom 20.7.2016, Punkt 2 Seite 7 erster Absatz). In diese Zeit fallen auch die erfolglosen Zustellversuche der belangten Behörde. Aus den retournierten Postsendungen lässt sich die Abwesenheit des Beschwerdeführers für bestimmte Zeiträume genauer erkennen und feststellen. Die praktisch durchgehende Ortsabwesenheit mit nur ganz kurzen Aufenthalten in der C.-straße in S. in diesem Zeitraum des ersten Halbjahrs 2016 konnte daher als unstrittig erwiesener Sachverhalt den Feststellungen zu Grunde gelegt werden.

Welche andere Abgabestelle behördlich in Erfahrung hätte gebracht werden können, an der sich der Beschwerdeführer damals hauptsächlich aufgehalten hatte, wurde nicht vorgebracht. Die S.er C.-straße war aktenkundig. An der erhobenen Wiener P.-gasse war der Beschwerdeführer nicht bekannt (Punkt I.3 und I.4 des Verfahrensgangs). Eine angeblich am 7.11.2015 der belangten Behörde schriftlich mitgeteilte Zustelladresse wurde in der Beschwerde selbst namentlich nicht genannt, sondern nur auf das Datum der Bekanntgabe bei der Behörde nach einem Telefonat am 6.11.2015 verwiesen (Beschwerde vom 20.7.2016, Punkt 2, Seite 6). Das zugehörige Schreiben findet sich nicht in den Verwaltungsakten. Allerdings war damals weder das (mit Eingabe vom 3.12.2015 eingeleitete) Bauverfahren anhängig, noch hatte der Beschwerdeführer Parteistellung als Miteigentümer (Eigentumserwerb war im Jänner 2016). Die Wohnung bzw. das Atelier in der C.-straße war der belangten Behörde ohnedies bekannt, allerdings blieben sämtliche Zustellversuche an diese Adresse - vom Beschwerdeführer gänzlich unbestritten - erfolglos. Dass ein Zustellversuch an diese Adresse nicht zulässig war, sich ganz generell Zustellmängel häuften oder dass Zustellungen an eine andere Adresse hätten erfolgen müssen, wurde vom Beschwerdeführer gerade nicht eingewendet (Beschwerde vom 20.7.2016, Punkt 2, Seite 7). Insoweit konnten weitere Ermittlungen des Sachverhalts zu diesem Punkt unterbleiben.

III.    Rechtslage

Nach § 2 Z 4 des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 (in der Neunummerierung nach dem Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 5/2008; ehemals Z 5 in der gleichlautenden Fassung des BGBl. I Nr. 10/2004), ist eine "Abgabestelle" im Sinne des ZustG definiert als "die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort."

§ 8 und § 25 ZustG (beide Bestimmungen in der Stammfassung mit terminologischen Anpassungen des § 25 Abs. 1 durch das Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 und zuletzt durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013) samt Überschrift haben folgenden Wortlaut:

"Änderung der Abgabestelle

§ 8. (1)  Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2)  Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung

§ 25. (1)  Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

(2)  Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen."

IV.      Rechtliche Beurteilung

IV.1.   Vorbemerkungen zur Zurückweisung der Beschwerde

Einleitend ist aus dem den Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde gelegten Verfahrensgang hervorzuheben, dass die belangte Behörde die drei Zustellversuche an den Beschwerdeführer im März, dann Anfang April sowie zuletzt Ende April bzw. Anfang Mai 2016 an die C.-straße ohne Ergänzung einer Tür- oder Topnummer verfügt hatte. Die (letztlich immer unverändert gebliebene) Meldung des Beschwerdeführers im Zentralen Melderegister in der C.-straße mit dem Zusatz "Top 1" seit 21.9.2005 bis Mitte 2016 (und nachfolgend bis zum zwischenzeitlich erfolgten Hauptwohnsitzwechsel im August 2017) war auch nicht die Ursache der erfolglosen Zustellung von Schriftstücken. Post hat der Beschwerdeführer ungeachtet des Meldeeintrags laufend bekommen. Der Beschwerdeführer wurde auch zutreffend als Empfänger identifiziert, weil die Zustellung des angefochtenen Bescheids nicht wegen "Unbekannt" misslang, sondern an seiner Ortsabwesenheit und zuletzt an der unbenutzten Abgabestelle scheiterte.

Weiters ist einleitend voranzustellen, dass einer Eintragung im Zentralen Melderegister zwar Indizwirkung zukommt, sie aber keinen Beweis für eine Wohnadresse bietet (vgl. zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 22.12.2015, Ra 2015/06/0086). Unter einer "Wohnung" (im Sinne des § 2 Z 4 ZustG) ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jene Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers. Eine "Wohnung" wird durch das Faktum des (regelmäßigen) Bewohntwerdens begründet (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 26.11.2008, 2005/08/0089; vergleichbar betreffend Geschäftsräumlichkeiten das Erkenntnis des VwGH vom 9.9.2009, 2007/08/0227; beide zur vergleichbaren früheren Rechtslage vor dem Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 5/2008; aus der Literatur Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2 (2011) ZustG § 2 Rz. 6 und Rz. 7a letzter Absatz; Larcher, Zustellrecht (2010), Rz. 147 bis 152; ebenso Gitschthaler in Rechberger (Hrsg.), Kommentar zur ZPO4 (2014) ZustG § 2 Rz. 7/1 und Rz. 8).

IV.2.   Zurückweisung der Beschwerde (Spruchpunkt I)

Ausgehend von den weiteren Sachverhaltsfeststellungen war der Beschwerdeführer in der ersten Hälfte des Jahres 2016 praktisch durchgehend von seiner S.er Wohnung in der C.-straße ortsabwesend, so auch im hier relevanten Zeitraum von fast sieben Wochen vom 16.3.2016 bis zum 3.5.2016. Die auf die Zeiträume seiner Ortsabwesenheit Bedacht nehmenden Zustellversuche der belangten Behörde konnten aufgrund unmittelbar anschließender neuerlicher Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht gelingen. Im März 2016 betrug die Ortsabwesenheit zumindest 13 Tage vom Mittwoch, 16.3.2016, bis Dienstag, 29.3.2016. Bereits 6 Tage später am Montag, 4.4.2016, war der Beschwerdeführer erneut ortsabwesend mit einer Ortsabwesenheitsmeldung von zumindest 26 Tagen bis Samstag, 30.4.2016, an. Nur 3 Tage später am darauffolgenden Dienstag, 3.5.2016, scheiterte der dritte Zustellversuch, weil die Abgabestelle unbenutzt war. Der Beschwerdeführer hatte dort also keinen regelmäßigen Aufenthalt. Er hielt sich auch in den nachfolgenden Monaten im Mai, Juni und Juli 2016 nicht vor Ort auf. Vielmehr war er - offenbar gesundheitsbedingt - praktisch durchgehend ortsabwesend. Viele Postsendungen aus Wien erreichten ihn nicht, was ihm im Juli 2016 auch bekannt wurde.

In einer ex post Betrachtung nach objektiven Gesichtspunkten hat der Beschwerdeführer seine Wohnung in der C.-straße im ersten Halbjahr 2016 faktisch nicht mehr benützt, dort also nicht tatsächlich gewohnt. Er hielt sich an dieser Adresse nicht regelmäßig auf, sondern kehrte dorthin nur fallweise für ganz wenige Tage bei sonst durchgehender Abwesenheit zurück. Damit fehlte der Wohnung in diesem Zeitraum die Eigenschaft des regelmäßigen Bewohntwerdens. Auf die - aus welchen Gründen auch immer verfolgte - subjektive Absicht des Beschwerdeführers, die von ihm gar nicht benutzte Adresse als Abgabestelle beibehalten zu wollen, kommt es in rechtlicher Hinsicht nicht an. Dieser Adresse an der C.-straße kam daher keine Qualität als Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG zu.

Die belangte Behörde konnte auch nach mehreren umfassenden Ermittlungshandlungen keine (neue) Abgabestelle des Beschwerdeführers in Erfahrung bringen (vgl. zur Ermittlung der Abgabestelle die Erkenntnisse des VwGH vom 28.10.2003, 2003/11/0056; vom 19.2.2003, 2002/08/0207; sowie zur Grenze behördlicher Ermittlungspflichten zur Ausforschung einer Partei vom 29.11.1989, 89/01/0388). An der konkreten Adresse des Lofts des Beschwerdeführers auf der Bauliegenschaft war er nicht bekannt. Die bisher der belangten Behörde im Baubewilligungsverfahren bekannt gewordenen Personen konnten keine Hinweise zu einer möglichen Abgabestelle des Beschwerdeführers liefern. Der (anwaltlich beratene) Beschwerdeführer hatte - etwa im März 2016 - weder eine Vollmacht an die belangte Behörde übermittelt, noch einen Zustellungsbevollmächtigten bekannt gegeben. Die allfällige Bevollmächtigung anderer ins Bau(bewilligungs)verfahren involvierter Personen durch den Beschwerdeführer oder laufende geschäftliche Kontakte vermögen für diese keine besondere Mitwirkungspflicht im Interesse des Beschwerdeführers zu begründen und auch nicht die Offenlegung eines Vollmachtsverhältnisses gegenüber der Behörde im Zeitpunkt der Erlangung der Parteistellung zu ersetzen (vgl. dazu die Erkenntnisse des VwGH vom 29.1.2008, 2005/05/0252; und vom 28.1.1991, 90/19/0455).

Der Beschwerdeführer mag die belangte Behörde am 6.11.2015 telefonisch und am 7.11.2015 schriftlich kontaktiert haben (und hat dabei offenbar vorsorglich auf seine anstehenden Ortsabwesenheiten hingewiesen). Damals war weder das Verfahren bei der belangten Behörde anhängig (der verfahrenseinleitende Antrag wurde erst am 3.12.2015 eingebracht), noch war der Beschwerdeführer im November 2015 oder im Zeitpunkt der Bauverhandlung am 13.1.2016 Miteigentümer der Bauliegenschaft (die Bewilligung der grundbücherlichen Einverleibung erfolgte erst am 22.1.2016). Nach seinem Eigentumserwerb war dem Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger ins Miteigentum an der Bauliegenschaft - als nächster Verfahrensschritt - der angefochtene Bescheid vom 2.2.2016 zuzustellen. Bis dahin war der Beschwerdeführer dem Verfahren nicht beizuziehen. Bei der Zustellung des angefochtenen Bescheids kam ein behördliches Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG nicht in Betracht (vgl. zu den - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen das Erkenntnis des VwGH vom 12.5.2010, 2006/20/0766; sowie Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2 (2011) ZustG § 8 Rz. 4, mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung des VwGH und OGH).

Die Adresse C.-straße in  S. war im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheids keine taugliche Abgabestelle des Beschwerdeführers. Da eine (neue) Abgabestelle unbekannt und kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt war (und eine andere taugliche Abgabestelle nicht erhoben werden konnte), erfolgte die anschließende Zustellung des angefochtenen Bescheids durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 1 ZustG mit zweiwöchigem Aushang an der Amtstafel der belangten Behörde vom 25.5.2016 bis 8.6.2016 zu Recht. Gegenüber dem Beschwerdeführer war die Zustellung des angefochtenen Bescheids nach Ablauf von zwei Wochen ab Kundmachung bewirkt. Der angefochtene Bescheid galt damit am 8.6.2016 als zugestellt.

Ausgehend vom Zustelldatum am 8.6.2016 dauerte die vierwöchige Beschwerdefrist bis 6.7.2016. Die vorliegende Beschwerde wurde nach diesem Datum erst am 20.7.2016 eingebracht. Sie erweist sich damit als verspätet, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Eine (vom anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers nicht beantragte) mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

IV.3.   Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags (Spruchpunkt II)

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verbietet sich eine Auslegung, die es der belangten Behörde überlassen würde, wer über die Wiedereinsetzung zu entscheiden hat. § 33 Abs. 4 VwGVG kann damit verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 28.9.2016, Ro 2016/16/00133, insbesondere Rz. 13 der Entscheidungsgründe).

Über die (neben dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht allein als nachzuholende Prozesshandlung) vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde hatte demnach das Verwaltungsgericht Wien zu entscheiden. Die belangte Behörde ist unverändert zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig (vgl. dazu Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017), VwGVG § 33 K 18 und K 32).

IV.4.   Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist gegen beide Spruchpunkte dieses Beschlusses unzulässig. Sämtliche im vorliegenden Beschwerdefall aufgeworfenen (verfahrensrechtlichen) Rechtsfragen zum Vorliegen einer Abgabestelle und zur Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung sind durch die verwiesene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beantwortet, ebenso die Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen (parallel zur Beschwerde bei der belangten Behörde eingebrachten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Darüber hinaus war keine weitere Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG zu beurteilen, der über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Änderung der Abgabestelle; Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung; Antrag auf Wiedereinsetzung

Anmerkung

VwGH v. 20.3.2018, Ra 2018/05/0033; Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.111.082.9763.2016

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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