TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/7 98/03/0349

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Veröffentlicht am 07.06.2000
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7;
B-VG Art94;
SHG Wr 1973 §26 Abs1 idF 1993/050;
SHG Wr 1973 §26 Abs3;
SHG Wr 1973 §27;
SHG Wr 1973 §30 Abs1;
SHG Wr 1973 §30 Abs3;
SHG Wr 1973 §37 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall, und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der GG, vertreten durch ihre einstweilige Sachwalterin HR in Wien, diese vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/16, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 29. Juli 1998, Zl. MA 12 - 10013/98A, betreffend Kostenersatz in Angelegenheit der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden die gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien vom 12. Dezember 1997 und vom 30. Dezember 1997 erhobenen Berufungen mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Beschwerdeführerin "aufgetragen wird, dem Sozialhilfeträger Wien die für den Aufenthalt im Pflegeheim Liesing in der Zeit vom 3.10.1996 bis 31.7.1997 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 25.000,-- und in der Zeit vom 1.8.1997 bis 31.12.1997 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 12.500,-- zu ersetzen".

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass sich die Beschwerdeführerin seit 3. Oktober 1996 im Pflegeheim Liesing befinde. Für ihren Aufenthalt in den Jahren 1996 und 1997 seien pro Pflegetag S 1.100,-- zu entrichten gewesen. Von der Beschwerdeführerin sei bereits ein Betrag von S 97.828,19 (Zeitraum vom 3. Oktober 1996 bis 31. Juli 1997) bzw. von S 53.124,18 (Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Dezember 1997) geleistet worden. Der Restbetrag von S 234.371,81 bzw. von S 115.175,20 sei vom Sozialhilfeträger Wien aufgewendet worden. Die Beschwerdeführerin verfüge über ein Fruchtgenussrecht an einer - näher bezeichenten - Baurechtseinlage samt Haus. Dieses Fruchtgenussrecht sei von der Magistratsabteilung 40 mit einem Betrag von monatlich S 3.650,-- bewertet worden.

Wie es in der Begründung dieses Bescheides an anderer Stelle weiters heißt, würden unter Vermögen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie sonstigen Werte verstanden, soweit diese auch verwertbar seien, d.h. in Geld bzw. Gegenstände oder Leistungen umgesetzt werden könnten, mit denen der Hilfe Suchende seinen Bedarf decken könne. Das Fruchtgenussrecht der Beschwerdeführerin an der genannten Baurechtseinlage stelle daher jedenfalls verwertbares Vermögen im Sinne des Sozialhilferechtes dar. Auf Grund der eingebrachten Berufungen sei die Magistratsabteilung 40 erneut um Erstellung eines Gutachtens ersucht worden, wobei diese eine Bewertung im Detail vorgenommen, den ermittelten monatlichen Wert des Fruchtgenussrechtes aber erneut mit S 3.650,-- festgelegt habe. Dieses Gutachten sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden, die betont habe, dass das monatliche Fruchtgenussrecht nicht mehr als S 1.000,-- betragen solle. Zum Beweis dafür seien zwei Gutachten eines unabhängigen gerichtlich beeideten Sachverständigen vorgelegt worden. Die Magistratsabteilung 40 habe dazu Stellung genommen, wobei sie angab, dass ihre Schätzung grundsätzlich aufrecht bleibe, die Ausschöpfung einer Schätzungsbandbreite von maximal rund 30 % nach unten auf einen Wert des Fruchtgenussgerechtes von mindestens S 2.500,-- monatlich (aber) noch vertretbar erscheine. Es sei daher ein monatlicher Betrag von S 2.500,-- als fiktiv erzielbares Fruchtgenussrecht zugrunde gelegt worden, weshalb sich für die offenen Zeiträume die im Spruch angeführten aushaftenden Beträge für die Pflegeentgeltforderungen ergeben hätten. Von der Magistratsabteilung 40 sei auch festgestellt worden, dass der ermittelte Betrag bei Vermietung auch im unsanierten Zustand jederzeit zu erzielen wäre.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 29. September 1998, B 1761/98-3, ab; antragsgemäß wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. Nr. 11/1973, hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

§ 10 WSHG hat folgenden Wortlaut:

"(1) Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

(2) Als nicht verwertbar gelten Gegenstände, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung kultureller Bedürfnisse in angemessenem Ausmaß dienen.

(3) Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden würde.

(4) Hat ein Hilfesuchender Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte möglich sein wird."

Gemäß § 26 Abs. 1 WSHG - in der Fassung LGBl. Nr. 50/1993 - ist der Empfänger der Hilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, 1. soweit er über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hiezu gelangt, oder

2. wenn er innerhalb der letzten drei Jahre vor der Zeit der Hilfeleistung, weiters während der Hilfeleistung oder innerhalb von drei Jahren nach ihrer Beendigung durch Rechtshandlungen oder diesbezüglich wirksame Unterlassungen, wie etwa die Unterlassung des Antrittes einer Erbschaft, die Mittellosigkeit selbst verursacht hat.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, für die Bewertung eines Fruchtgenussrechtes, welches ein zivilrechtliches Institut darstelle, sei überhaupt kein Verwaltungsverfahren durchzuführen. Vielmehr hätte der zuständige Rechtsträger den Privatrechtsweg beschreiten müssen. Dabei richte sich die Beschwerdeführerin lediglich gegen die Feststellung der Höhe des Fruchtgenussrechtes durch die belangte Behörde, "nicht hingegen auf die bescheidmäßige Vorschreibung eines durch ein Gericht (oder die Finanzverwaltung) in einem vorher durchgeführten Verfahren festgesetzten monatlichen Betrages durch die belangte Behörde". Die Beschwerdeführerin sei in ihren Rechten auch dadurch verletzt, dass nach § 69 Abs. 1 Z. 2 Bewertungsgesetz ein Fruchtgenussrecht ein sonstiges Vermögen darstelle und gemäß § 16 Abs. 2 Bewertungsgesetz mit dem Kapitalisierungsfaktor 3 zu bewerten sei. Beim Kapitalwertverfahren nach dem Bewertungsgesetz sei daher das Alter der Beschwerdeführerin zu beachten und es seien im Sinne der Ermittlung des Rohvermögens alle Lasten und Schulden abzuziehen. Bei der Festsetzung der Höhe des Fruchtgenussrechtes im Sinne des Bewertungsgesetzes, welches nicht in den Vollzugsbereich der belangten Behörde falle, wären die Gründe für die Bemessung des Fruchtgenussrechtes mit S 1.000,-- im Notariatsakt zu berücksichtigen gewesen. Dieser Betrag sei mit S 1.000,-- deshalb festgesetzt worden, "zumal" das Einfamilienhaus auf der Baurechtsanlage in einem äußerst desolaten Zustand sei und außerdem die Liegenschaft vom nunmehrigen Eigentümer erst von der Gemeinde Wien habe angekauft werden müssen. Eine Bemessung des Fruchtgenussrechtes auf dem Zivilrechtsweg bzw. auf Grund des Bewertungsgesetzes hätte ergeben, "dass keinesfalls ein S 1.000,-- übersteigendes Fruchtgenussrecht pro Monat vorzuschreiben ist".

Die Beschwerdeführerin stellt die Zuständigkeit der Behörde zur Bemessung der Höhe des Fruchtgenussrechtes in Abrede. Ihr ist dabei der insofern eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegenzuhalten. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für Ersatzansprüche gegenüber dem Empfänger der Sozialhilfe selbst. Während nämlich § 30 Abs. 3 WSHG für Streitigkeiten über die nach § 26 Abs. 4 (Ersatz durch die Erben des Leistungsempfängers) und § 27 (Ersatz durch Dritte) geltend gemachten Ansprüche die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorsieht, ergibt sich aus den §§ 30 Abs. 1 und 37 Abs. 1 WSHG die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für Ersatzansprüche gegenüber dem Empfänger der Sozialhilfe selbst (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1992, Zl. 91/08/0027; nach diesem Erkenntnis kann es auch nicht als unsachlich erkannt werden, wenn der Gesetzgeber im Verhältnis zum Hilfeempfänger Maßnahmen der Hoheitsverwaltung sowohl bei der Gewährung der Leistung als auch bei deren Rückforderung vorsieht). Wenn aber § 26 Abs. 1 WSHG als Tatbestandsvoraussetzung für eine von den Verwaltungsbehörden geltend zu machende Rückforderung (u.a.) das Vorliegen eines hinreichenden Vermögens vorsieht, so versteht es sich von selbst, dass die Behörden auch Feststellungen über die Höhe eines allfälligen Verwertungserlöses zu treffen haben, um die Rechtsfrage des Vorliegens eines hinreichenden Vermögens beantworten zu können (vgl. in diesem Sinne auch das zum Salzburger Sozialhilfegesetz ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1994, Zl. 93/08/0093).

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin trifft es daher nicht zu, dass die Gerichte bzw. die Behörden der Finanzverwaltung - und nicht die Verwaltungsbehörden nach dem WSHG - über die Höhe des Wertes des Fruchtgenussrechtes zu entscheiden haben. Davon aber, dass die belangte Behörde nicht für die Vollziehung des Bewertungsgesetzes zuständig ist (hinsichtlich des Anwendungsbereiches des Bewertungsgesetzes 1955 vgl. dessen § 1) geht die Beschwerdeführerin selbst aus.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 7. Juni 2000

Schlagworte

Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998030349.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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