TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 L514 2135119-1

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
VwGVG §35

Spruch

L514 2135119-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Mariella KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Roland HERMANN, Caritas, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der am 09.08.2016 erfolgten Abschiebung nach Norwegen zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 46 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, ein Staatsangehörige des Irak, sei XXXX 2015 von XXXX per Flugzeug nach XXXX gereist. Von dort sei sie über

XXXX in die Nähe der norwegischen Grenze geflogen, welche sie zu Fuß überquert habe. In Norwegen sei die Beschwerdeführerin registriert worden, einen Antrag auf internationalen Schutz habe sie jedoch nicht gestellt. Letztlich sei sie per Zug über XXXX nach XXXX gefahren, wo sich ihr Freund namens XXXX aufhalten würde.

Als Grund für ihre Ausreise führte die Beschwerdeführerin an, dass sie seit dem Jahr 2005 mit XXXX zusammen sei. Dieser habe im Jahr 2008 das Land verlassen und hätte er auch die Beschwerdeführerin mitnehmen wollen, was aber ihre Familie verhindert habe. Seit einem Jahr werde die Beschwerdeführerin von ihren Brüdern bedroht bzw geschlagen, damit sie endlich heirate.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie kurdischer Abstammung sei, die Grundschule, das Gymnasium und die Universität in XXXX besucht und als Journalistin gearbeitet habe. Im Irak seien nach wie vor die Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern der Beschwerdeführerin aufhältig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete an Norwegen am 02.12.2015 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend die Beschwerdeführerin.

Mit Schreiben vom 14.12.2015 (eingelangt am selben Tag), stimmten die norwegischen Behörden der Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

In einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom 13.01.2016 gab die Beschwerdeführerin befragt im Beisein eines Rechtsberaters und nach erfolgter Rechtsberatung an, dass sie derzeit in medizinischer Behandlung sei, da sie ein Kind verloren habe.

Die Beschwerdeführerin legte in diesem Zusammenhang einen Befund vom XXXX 2015 vor, wonach sie im Krankenhaus vorgesprochen habe, da sie Schmerzen im Unterbauch habe und schwanger werden wolle. Diagnostiziert wurde ein Ausbleiben der Regel, eine positiver Urintest auf ß-HCG, sowie eine XXXX . Ein Konsiliarbefund vom XXXX 2016 hält starke Blutungen am XXXX 2016 fest. In einem Befund vom XXXX 2016 werden als Diagnosen Kinderwunsch, eine XXXX und ein Abortus festgehalten.

Sie habe seit 2005 eine Beziehung zu ihrem nun in Österreich lebenden Freund, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebe, seit sie nach Österreich gekommen sei. Sie werde von der Caritas unterstützt, der Freund beziehe Sozialhilfe. Weiters werde sie einen Deutschkurs besuchen.

Ihr Ziel sei immer Österreich gewesen. Sie habe nie in Norwegen bleiben wollen und keinen Antrag gestellt. Lediglich an der Grenze sei sie kontrolliert worden. Sie habe niemanden in Norwegen und wolle sie ihren Freund heiraten. Ein Termin beim Standesamt stehe fest. Eine Terminvergabe für den XXXX 2016 wurde vorgelegt.

2. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 04.02.2016, Zl. 1095108606/151792242 EAST-Ost, übernommen am 08.02.2016, den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Norwegen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 20 Abs. 5 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG, angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Norwegen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3. Am 06.04.2016 erließ das BFA einen Festnahmeauftrag und einen Durchsuchungsauftrag mit dem Inhalt, dass die Festnahme am 02.05.2016 erfolgen sollte, da die Überstellung nach Norwegen am nachfolgenden Tag erfolgen werde.

4. Die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2016, Zl. W175 2121631-1/5E, gemäß § 5 AsylG und § 61 FPG, ohne vorher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde am 29.04.2016 durch Hinterlegung zugestellt.

5. Mit Schreiben vom 13.05.2016 wurde das BFA seitens der LPD XXXX darüber informiert, dass die Beschwerdeführerin seit 02.05.2016 an verschiedenen Tages- und Nachtzeiten nicht an ihrer Adresse angetroffen werden konnte.

6. Das BFA informierte in weitere Folge am 17.05.2016 die norwegischen Behörden darüber, dass eine Überstellung der Beschwerdeführerin derzeit nicht möglich sei, da diese untergetaucht sei und dass sich die Überstellungsfrist nunmehr auf 18 Monate verlängern würde. Gleichzeitig wurde am selben Tag ein neuerlicher Festnahmeauftrag erlassen.

7. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30.06.2016, Zl. E 1161/2016-6, wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

8. Mit Schreiben vom 16.07.2016 wurde das BFA von der LPD XXXX darüber informiert dass eine mehrmalige neuerliche Nachschau an der Meldeadresse der Beschwerdeführerin zu keinem Erfolg geführt habe. Weder sei die Tür geöffnet worden, noch habe man auf die hinterlegte Verständigung reagiert. In weiterer Folge wurde die Beschwerdeführerin mit einer Meldeverpflichtung belegt.

9. Mit Schreiben vom 26.07.2016 erließ das BFA einen Abschiebeauftrag für den 09.08.2016. Gleichzeitig wurde am selben Tag ein Festnahmeauftrag erlassen, um die Abschiebung zu gewährleisten. Des Weiteren wurden die norwegischen Behörden über die geplante Abschiebung auf dem Flugweg am 09.08.2016 in Kenntnis gesetzt.

10. Am 09.08.2016 wurde die Beschwerdeführerin ohne besondere Vorkommnisse nach Norwegen abgeschoben.

11. Am 19.09.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben ein, in dem gegen die am 09.08.2016 erfolgte Abschiebung nach Norwegen eine Maßnahmenbeschwerde eingebracht wurde.

Begründend wurde in der Beschwerde im Wesentlichen wiederholend ausgeführt, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin in Österreich leben würde und ihre Familie mit der Wahl nicht einverstanden sei, weshalb eine Rückkehr in den Irak nicht möglich sei. Überdies sei die Beschwerdeführerin mittlerweile neuerlich von ihrem Ehegatten schwanger.

Bereits mit Eingabe vom 30.06.2016 sei das BFA darauf hingewiesen worden, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei und es dadurch gemäß Art 29 Abs. 2 erster Satz Dublin III-VO zu einem Zuständigkeitsübergang gekommen sei. Dies wurde jedoch vom BFA ignoriert und die Beschwerdeführerin stattdessen Anfang August abgeschoben. Es habe weder ein Prozedere nach Art. 9 Abs. 1a der Dublin Durchführungsverordnung gegeben, noch sei es zu einer Fristverlängerung gemäß Art 19 Abs. 2 zweiter Satz Dublin III-VO gekommen. Die Beschwerdeführerin habe sich seit ihrer Einreise nach Österreich durchgehend in der Wohnung ihres nunmehrigen Ehegatten aufgehalten und habe auch die ihr zuletzt auferlegte Meldeverpflichtung – obwohl hiezu in Anbetracht der Zulassungsfälligkeit des Asylverfahrens gar kein Rechtsanlaß mehr bestanden habe – befolgt. Ob des Zuständigkeitsüberganges sei die Abschiebung nach Norwegen einerseits rechtswidriger Weise erfolgt und andererseits sei diese auch unverhältnismäßig gewesen, zumal dem BFA die Verehelichung und die neuerlich Schwangerschaft bekannt gewesen sei. Darüber hinaus besitze die außerordentliche Revision eine beachtliche Erfolgsaussicht und sei die Statuserstreckung vom Ehegatten auf das neugeborene Kind zu erwarten.

Die Beschwerdeführerin stelle die Anträge, die Abschiebung nach Norwegen für rechtswidrig zu erklären sowie der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen.

12. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0109-14, wurde die Revision wegen Verspätung zurückgewiesen.

13. Am 07.11.2016 stellte die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Im Rahmen der Erstbefragung vom selben Tag führte sie aus, dass sie seit ihrer Überstellung nach Norwegen dort drei Monate lang aufhältig gewesen und ihr Asylverfahren negativ entschieden worden sei, weshalb sie selbstständig mit dem Zug wieder zu ihrem Ehegatten nach Österreich gereist sei. Sie sei mittlerweile im neunten Monat schwanger und wolle sie bei ihrem Ehegatten in Österreich bleiben.

Das BFA richtete an Norwegen am 11.11.2016 neuerlich ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend die Beschwerdeführerin.

Mit Schreiben vom 17.11.2016 stimmten die norwegischen Behörden der Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin prinzipiell zu, führten jedoch in diesem Zusammenhang auch aus, dass die österreichischen Behörden die fortgeschrittene Schwangerschaft der Beschwerdeführerin und den Umstand, dass diese keine Verwandten außer ihres Ehegatten in Europa habe, bei der Entscheidung mitberücksichtigen solle.

Am 27.11.2016 wurde der Sohn der Beschwerdeführerin in Österreich geboren und wurde diesem bereits der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin verließ ihre Heimat XXXX 2015 legal mit dem Flugzeug in Richtung Türkei. Von dort reiste sie über Russland nach Norwegen, wo sie registriert wurde. Danach fuhr sie mit dem Zug über Deutschland nach Österreich, wo sie am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wies das BFA mit Bescheid vom 04.02.2016, Zl. 1095108606/151792242 EAST-Ost, wegen der Zuständigkeit Norwegens zurück. Zudem ordnete es die Außerlandesbringung an und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Norwegen fest.

Die dagegen erhobene Beschwerde, welche dem Bundesverwaltungsgericht am 18.02.2016 vorgelegt wurde, wurde von diesem ohne vorherige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Erkenntnis vom 25.04.2016, Zl. W175 2121631-1/5E, abgewiesen, weshalb die Entscheidung des BFA vom 04.02.2016 bereits mit Ablauf des 25.02.2016 durchsetzbar wurde.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführerin spätestens seit Ende Februar 2016 bewusst sein musste, dass sie verpflichtet ist, das Bundesgebiet zu verlassen und dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme auch behördlich durchsetzbar ist. Diese ist ihrer Verpflichtung nie nachgekommen und hat auch nie um Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr nach Norwegen ersucht. Vielmehr wurde der erste Abschiebeversuch am 03.05.2016 insofern vereitelt, als die Beschwerdeführerin an ihrer Meldeadresse nicht mehr anzutreffen war.

Am 09.08.2016 wurde die Beschwerdeführerin in Form einer begleiteten Abschiebung per Flugzeug nach Norwegen abgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt lag eine sie betreffende durchsetzbare und durchführbare Anordnung zur Außerlandesbringung hinsichtlich Norwegens vor.

Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung flugtauglich und kam es während der Abschiebung zu keinen besonderen Vorkommnissen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsaktes des BFA sowie den entsprechenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die Feststellungen zum Verfahren betreffend internationalen Schutz in Österreich sind unstrittig. Auch die Reiseroute und die Registrierung in Norwegen wurden von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt. Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens Österreich nie verlassen hat und auch nie um Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr ersucht hat. Vielmehr war die Beschwerdeführerin zumindest vorübergehend an ihrer Meldeadresse nicht anzutreffen, weshalb ein erster Abschiebeversuch am 03.05.2016 fehlgeschlagen ist. Dass der Beschwerdeführerin die Verpflichtung zur Ausreise spätestens seit 25.02.2016 bekannt gewesen sein muss, ergibt sich aus dem Inhalt des Bescheides des BFA vom 04.02.2016 sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist.

2.3. Die Feststellungen zur Flugtauglichkeit sowie zur erfolgten Abschiebung ergeben sich aus dem Akteninhalt. Zudem wurde in der Beschwerde diesbezüglich nichts Gegenteiliges vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I: Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (u.a.) gemäß dem 7. Hauptstück des FPG, in dem sich der die Abschiebung regelnde § 46 FPG befindet. Es ist daher auch weiterhin zulässig, im Wege einer solchen Beschwerde die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (nunmehr:) durch das BVwG prüfen zu lassen. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (vgl. dazu VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089, mwN).

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

3.1.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt lag zum Zeitpunkt der Abschiebung der Beschwerdeführerin am 09.08.2016 eine bereits seit Ablauf des 25.02.2016 durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung vor. Wird eine Außerlandesbringung durchsetzbar, ist damit stets die Verpflichtung zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebietes verbunden. Die Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Fall ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgereicht nachgekommen, weshalb der Tatbestand des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG dadurch jedenfalls erfüllt ist. Jedoch hat die Beschwerdeführerin durch ihre zweitweise Abwesenheit von ihrer Meldeadresse bewirkt, dass der erste Abschiebeversuch am 03.05.2016 fehlgeschlagen ist, weshalb diesfalls auch § 46 Abs. 1 Z 2 in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber noch festzuhalten, dass als Reaktion auf das Untertauchen der Beschwerdeführerin diese mit einer Meldeverpflichtung belegt wurde. Somit geht die Kritik in der Beschwerde, dass diese ohne Grund ausgesprochen worden sei, ins Leere. Demnach ist es auch nicht richtig, dass sich die Beschwerdeführerin durchgehend in der Wohnung ihres Ehegatten aufgehalten habe, zumal die Polizei mehrmals zu unterschiedlichen Tageszeiten ebendort Nachschau gehalten und weder sie noch ihren Ehegatten angetroffen hat. Auch auf die Hinterlegung wurde weder von der Beschwerdeführerin noch von ihrem Ehegatten reagiert.

Des Weiteren stellt sich die Argumentation in der Beschwerde als haltlos dar, dass die Überstellungsfrist Ende Juni 2016 bereits abgelaufen gewesen sei, weshalb die Abschiebung Anfang August 2016 rechtswidriger Weise erfolgt sei. Dem ist nämlich entgegenzuhalten, dass das BFA am 17.05.2016 die norwegischen Behörden darüber informiert hat, dass eine Überstellung der Beschwerdeführerin derzeit nicht möglich sei, da diese untergetaucht sei und dass sich die Überstellungsfrist nunmehr gemäß Art 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf 18 Monate verlängern würde. Vor diesem Hintergrund ist die am 09.08.2016 erfolgte Überstellung zeitgemäß erfolgt.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin durch die Abschiebung nach Norwegen einer existentiellen Gefährdung oder sonstigen Bedrohung ausgesetzt war, sodass die Abschiebung eine Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK bedeuten würde. So obliegt es nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 MRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016). Fallbezogen hat die Beschwerdeführerin selbst eine solche (drohende bzw zugefügte) Verletzung in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet und auch sonst wurden keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Abschiebung nach Norwegen dem realen Risiko einer Verletzung des Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt war. Das Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Abschiebung schwanger und die Abschiebung aus diesem Grund unangemessen gewesen sei, ist insofern nicht zielführend, da eine Schwangerschaft per se einer Abschiebung nicht entgegensteht, zumal sich die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt erst im zweiten Drittel ihrer Schwangerschaft befunden hat und somit ein Durchsetzungsaufschub nicht zielführend gewesen wäre. Darüber hinaus wurde sie vor der tatsächlichen Abschiebung ärztlich untersucht und wurde ihre Flugtauglichkeit festgestellt. In der Beschwerde wurde diesbezüglich auch nichts Gegenteiliges ins Treffen geführt. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im laufenden Asylverfahren einen zum Aufenthalt in Österreich Berechtigten geheiratet hat, vermag an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung nichts zu ändern.

Des Weiteren wurde in der Beschwerde ins Treffen geführt, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine außerordentliche Revision gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes anhängig sei, die erhebliche Erfolgsaussichten habe und auch aus diesem Grund eine Abschiebung nicht notwendig gewesen wäre, geht insofern ins Leere, da mit Beschluss vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0109-14, die Revision wegen Verspätung vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen wurde.

Sonstige außergewöhnliche Umstände, die die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Norwegen unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerin durch die von ihr mittels Maßnahmenbeschwerde bekämpfte Abschiebung am 09.08.2016, die zur Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte, nicht in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde gegen die Abschiebung war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II: Abweisung des Antrags auf Kostenersatz

3.2.1. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Gemäß Abs. 3 leg cit ist die Behörde, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

3.2.2. Im vorliegenden Fall gebührt der Beschwerdeführerin kein Kostenersatz, da die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die obsiegende Partei und sie die unterlegene Partei ist.

Es ist daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG im gegenständlichen Fall die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Abschiebung, Antragsbegehren, aufenthaltsbeendende Maßnahme,
Befehls- und Zwangsgewalt, Intensität, Kostenersatz, Kostentragung,
mangelnder Anknüpfungspunkt, Mitgliedstaat, Schwangerschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L514.2135119.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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