TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 W235 2122812-2

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1 Z2
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W235 2122812-2/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2017, Zl. 1097222904-160504173, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Zum Vorverfahren:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, stellte erstmals am 30.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor stellte sie bereits am XXXX.07.2014 in Italien einen Asylantrag und erhielt ein Aufenthaltsdokument.

Zur Begründung ihrer nunmehrigen Antragstellung in Österreich gab die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt im Wesentlichen an, dass sie sich von XXXX07.2014 bis XXXX11.2015 in Italien aufgehalten habe. In Italien sei sie durch die nigerianische Frau, die sie nach Italien geholt habe, zur Prostitution gezwungen worden. Zuerst habe ihr diese Frau namens XXXX versprochen, dass sie in Italien in einem Frisiersalon arbeiten könne. Als sie jedoch in Italien gewesen sei, habe sie vier Monate lang als Zwangsprostituierte arbeiten müssen. Sie habe zweimal zu flüchten versucht, sei jedoch jedes Mal von den "Aufpassern" erwischt worden. Erst danach sei ihr die Flucht gelungen. Die Beschwerdeführerin habe Angst vor dieser Frau. Zur italienischen Polizei sei sie nicht gegangen, sondern habe sich an die Leute in der Betreuungsstelle gewandt. Daher wolle sie auch nicht nach Italien zurück. Auch sei ihr gesagt worden, dass ihr Asylverfahren in Italien "zu Ende" sei.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14.03.2016, Zl. W175 2122812-1/3E, gemäß § 5 Asyl sowie § 61 FPG als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

1.4. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin gegen dieses Erkenntnis eine außerordentliche Revision, die der Verwaltungsgerichtshof nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Erkenntnis vom 14.09.2016, Ra 2016/18/0077-7, als unbegründet abwies.

2. Zum gegenständlichen Verfahren:

2.1. Am 08.04.2016 stellte die Beschwerdeführerin aus der Schubhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (vgl. AS 23).

2.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung "Folgeantrag-Dublin" durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sie in der Schubhaft Medikamente "für ihren Bauch" erhalten habe. Schwanger sei sie nicht. Seit ihrer letzten Antragstellung habe sie Österreich nicht verlassen. Sie befinde sich in Schubhaft und wolle nicht nach Italien. Die Frage, ob sie abgeschoben worden sei, verneinte die Beschwerdeführerin.

Mit Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG vom 08.04.2016 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen in ihrem Verfahren nicht gilt, da das Bundesamt Konsultationen gemäß der Dublin III-VO in Form einer Anfrage mit Italien führt.

Ferner stellte die Beschwerdeführerin am 08.04.2016 aus der Schubhaft einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG (= Zeuge/Opfer von Menschenhandel/Prostitutionshandel; Gewährleistung der Strafverfolgung oder Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen) (vgl. AS 33).

2.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete ein Aufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) an Italien.

Mit Schreiben vom 20.04.2016 erteilte Italien die ausdrückliche Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO.

2.4. Im Akt des Bundesamtes befindet sich eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien bzw. Anzeige der Beschwerdeführerin gegen "XXXX" wegen Verdachts des Menschenhandels, der schweren Nötigung und des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels (§ 104a StGB, § 106 Abs. 1 Z 3 StGB, § 217 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) vom 27.04.2016 (vgl. AS 115).

Am 02.06.2016 gab die Staatsanwaltschaft Wien diesbezüglich bekannt, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werde, da die österreichischen Strafgesetze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar seien (vgl. AS 411).

2.5. Einem Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2016 ist nach Zusammenfassung des Verfahrensganges zu entnehmen, dass ein faktischer Abschiebeschutz nicht besteht, da die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Z 1 bis 4 AsylG derzeit erfüllt sind.

Am 20.02.2017 um 09:10 Uhr wurde die Beschwerdeführerin auf dem Luftweg nach Italien überstellt.

2.6. Ebenso am 20.02.2017 um 10:55 Uhr langte ein E-Mail des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin beim Bundesamt ein, in welchem dieser bekanntgab, dass er im Auftrag der Beschwerdeführerin eine Beschwerde an das UNO-Frauenrechtekomitee in New York bzw. an das Büro des Menschenrechtshochkommissars in Genf mit dem dringenden Ersuchen um Erlassung einer "interim measure" [Anm.: einstweilige Maßnahme] eingebracht habe und um Bekanntgabe des Überstellungstermins ersuche.

Nach Bekanntgabe des Überstellungstermins 20.02.2017 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter die "interim measure" des Committee on the Elimination of Discrimination against Women durch das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte vom 20.02.2017 (vgl. AS 361) und brachte hierzu vor, dass dieses der österreichischen Regierung aufgrund der vom rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Beschwerde gegen die drohende Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien empfohlen habe, die Überstellung vorerst nicht vorzunehmen. Daher seien sowohl die Überstellung als auch die Anhaltung der Beschwerdeführerin in der Schubhaft unzulässig.

Am 27.02.2017 übermittelte das Bundeskanzleramt, Verfassungsdienst, die vom rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachte Menschenrechtsbeschwerde (vgl. AS 427) gemäß der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) samt Begleitschreiben (vgl. AS 441) des Büros der Hochkommissarin für Menschenrechte und führt hierzu aus, dass das Komitee dem Antrag der Beschwerdeführerin, eine einstweilige Maßnahme gegen ihre Überstellung nach Italien auszusprechen, entsprochen habe. Allerdings sei die Mitteilung samt "interim measure" erst nach Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien zugestellt worden.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Nicht festgestellt werden könne, dass im Fall der Beschwerdeführerin schwere psychische Störungen und/oder schwere bzw. ansteckende Krankheiten bestünden. Festgestellt werde, dass sie am XXXX.07.2014 in Italien einen Asylantrag gestellt habe und sich Italien mit Schreiben vom 20.04.2016 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin für zuständig erklärt habe. Die Beschwerdeführerin verfüge in Österreich über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Sie sei am 04.04.2016 in Österreich eingereist und längstens seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besonderes Integrationsverfestigung der Person der Beschwerdeführerin in Österreich bestehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Italien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte.

4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde nach Wiederholung des wesentlichen Vorbringens sowie des Verfahrensganges ausgeführt, dass Österreich durch mehrere völker- und unionsrechtliche Abkommen bzw. Rechtsakte zum Schutz der Opfer von Menschenhandel verpflichtet sei. Sowohl die Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels als auch die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels (RL 2011/36/EU) als auch die Richtlinie über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind (RL 2004/81/EG), seien als Rechtsakte der Europäischen Union verbindlich. Sowohl Art. 14 der Konvention als auch die RL 2004/81/EG würden die Vertragsparteien zur Erteilung von Aufenthaltstiteln verpflichten. Österreich sei dieser Vorgabe mit (nunmehr) § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG nachgekommen. In erster Linie sei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als zuständige Behörde für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz als auch für die Erteilung des Aufenthaltstitels besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG für die Wahrnehmung von Hinweisen auf das Vorliegen von Menschenhandel zuständig. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Bundesamt die interim measure vom 20.02.2017 zwar im [Verfahrensgang des] angefochtenen Bescheid anführt, sich jedoch in keiner Weise in seiner Entscheidung damit auseinandersetzt. Österreich sei seit 31.03.1982 Teil der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und habe das Zusatzprotokoll am 06.09.2000 ratifiziert. Daher sei Österreich an die Einhaltung der Konvention sowie an das Fakultativprotokoll gebunden. Demnach wäre auch die von CEDAW am 20.02.2017 gewährte interim measure vom Bundesamt zu beachten gewesen.

Ferner wäre im konkreten Fall eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführerin in Italien eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, durchzuführen gewesen. Auch sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft, da die Behörde nicht einmal versucht habe, etwas über die aktuelle Situation in Italien in Erfahrung zu bringen. Die Behörde habe weder zum Vorbringen der Zwangsprostitution noch zum Vorbringen der Obdachlosigkeit weitere Ermittlungsschritte gesetzt. Da in Italien kein eigener Identifizierungsmechanismus für Vulnerable vorgesehen sei, sei fraglich, ob Italien seine Verpflichtungen aus Art. 10 der Konvention erfülle. Die Beschwerdeführerin könne jedenfalls nicht mit dem für sie als Opfer von Menschenhandel notwendigen Schutz rechnen. In der Folge zitierte die Beschwerde aus einem Bericht betreffend eine extrem hohe Zahl nigerianischer Sexarbeiterinnen in Italien.

Auch habe das Bundesamt seinen ersten Bescheid vom 20.02.2017 [gemeint: 2016] auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO gestützt. Der gegenständliche Bescheid stütze sich jedoch auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO, wobei das Bundesamt nicht dargelegt habe, weshalb es plötzlich zu der Auffassung gelangt sei, das Asylverfahren der Beschwerdeführerin in Italien sei weiterhin offen. Weiters habe es das Bundesamt verabsäumt, die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren einzuvernehmen. Nach ihrer Abschiebung nach Italien habe die Beschwerdeführerin versucht, in Mailand oder in Rom erneut in einem Lager Unterkunft zu finden, habe dort jedoch keinen Platz erhalten. Derzeit lebe sie in einem verlassenen alten Haus in Rom. Da sie in Italien keine staatliche Unterstützung erhalte, sei sie gezwungen auf der Straße zu betteln. Die Beschwerdeführerin sei Opfer von Zwangsprostitution in Italien und daher als vulnerable Person zu qualifizieren, sodass das Bundesamt eine individuelle Zusicherung Italiens über die konkrete Unterbringungs- und Versorgungssituation der Beschwerdeführerin in Italien einholen hätte müssen. Die Überstellung nach Italien verletze Art. 3 EMRK und sei daher unzulässig gewesen. Darüber hinaus habe es das Bundesamt unterlassen, seiner Entscheidung Berichte zur Thematik des Menschenhandels in Italien, insbesondere betreffend nigerianische Frauen, zugrunde zu legen. In der Folge zitierte die Beschwerde aus verschiedenen Berichten betreffend die Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wörtlich und verwies auf Entscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte. Zusammengefasst wurde diesbezüglich ausgeführt, dass sich die Länderberichte im angefochtenen Bescheid mangels Aktualität und Vollständigkeit sowie aufgrund von Einseitigkeit nicht als ausreichende Grundlage für eine mängelfreie Beweiswürdigung eignen würden.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2017, Zl. W235 2122812-2/3Z, wurde dieser Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

2. Zu A)

2.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [ ]

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller – der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können – sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

2.3. Im gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter der Annahme, dass die Beschwerdeführerin am XXXX07.2014 in Italien einen Asylantrag stellte sowie aufgrund der Zustimmung Italiens zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin zunächst zurecht von der Zuständigkeit Italiens zur Übernahme und zur Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin bzw. von der diesbezüglichen Unzuständigkeit Österreichs aus.

Allerdings erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus mehreren Gründen als mangelhaft:

2.3.1. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Bundesamt resultiert im vorliegenden Fall insbesondere daraus, dass die Behörde im Hinblick auf zentrale Aspekte des Parteienvorbringens jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat. Die Beschwerdeführerin brachte zusammengefasst vor, dass sie in Italien von jener Frau, die sie nach Italien gebracht habe, zur Prostitution gezwungen worden sei und vier Monate lang als Zwangsprostituierte habe arbeiten müssen. Erst dann habe sie dieser Frau entkommen können und sei nach Österreich gereist. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin dieses Vorbringen in ihrem ersten Asylverfahren, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.03.2016 rechtskräftig abgeschlossen wurde und der Verwaltungsgerichtshof eine dagegen erhobene außerordentliche Revision als unbegründet abwies, erstattet hat. Allerdings steht der erste Asylantrag der Beschwerdeführerin in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem zweiten Asylantrag, da der zweite Asylantrag vom Bundesamt als "Folgeantrag-Dublin" gewertet wurde und der Beschwerdeführerin aus diesem Grund der faktische Abschiebeschutz nicht zukam, was dazu führte, dass sie – trotz laufendem (zweiten) Asylverfahren – am 20.02.2017 nach Italien überstellt werden konnte. Jedoch – und dieser Umstand wurde vom Bundesamt vollkommen unberücksichtigt gelassen – richtete die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters eine Beschwerde gegen die drohende Überstellung nach Italien an das UNO-Frauenrechtskomitee bzw. an das Büro des Menschenrechtshochkommissars mit dem Ersuchen um Erlassung einer "interim measure". Am 20.02.2017 wurde diesem Ersuchen entsprochen und eine "interim measure" erlassen, in welcher Österreich aufgefordert worden war, die Überstellung vorerst nicht vorzunehmen (vgl. AS 361: " has requested the State party to refrain from expelling Ms. XXXX to Italy while her communication is under consideration"). Auch wenn die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Bundesamtes von der "interim measure" bereits nach Italien überstellt wurde, hätte das Bundesamt im angefochtenen Bescheid Feststellungen zur "interim measure" zu treffen gehabt. Dies wurde zur Gänze unterlassen und zwar hat das Bundesamt weder Feststellungen zum Vorhandensein bzw. zum Vorliegen dieser "interim measure" noch zum Stand dieses Verfahrens getroffen. Die "interim measure" wurde zwar unter Punkt B) Beweismittel des angefochtenen Bescheides angeführt, jedoch ist nicht erkennbar, dass sich das Bundesamt mit diesem, von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel auch tatsächlich auseinander gesetzt hat. Auch ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen davon Abstand genommen wurde, dieser "interim measure" – beispielsweise durch die Rückverbringung der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet – nachzukommen.

2.3.2. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin am 08.04.2016 weiters einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG gestellt hat. Auch diesbezüglich finden sich im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen, insbesondere kann dem Bescheid nicht entnommen werden, ob über diesen Antrag bereits entschieden wurde.

2.3.3. Ferner kommt im gegenständlichen Verfahren hinzu, dass die Feststellung "Sie sind am 04.04.2016 in Österreich eingereist und längstens seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig." (vgl. AS 471) aus dem Verwaltungsakt nicht nachvollzogen werden kann. Die Beschwerdeführerin gab ihm Rahmen ihrer Erstbefragung am 08.04.2016 wie folgt (die Antworten sind fettgedruckt) an (vgl. AS 17):

"5. Sie haben in Österreich bereits unter der Zahl 1097222904 einen Asylantrag gestellt, welcher bereits entschieden wurde. Haben Sie seit dieser Entscheidung Österreich verlassen?

[ ] ja [x] nein

6. Aufenthalt im Dublingebiet:

In welchen Dublin (EU) Staaten haben Sie sich (nach der Überstellung v. Österreich nach –x-) aufgehalten?

Ich war in Schubhaft.

6.2. Wurden Sie abgeschoben? Wohin?

Nein."

Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist eine Wiedereinreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.04.2016 nicht ersichtlich, sondern ergibt sich daraus vielmehr, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer ersten Antragstellung am 30.11.2015 Österreich nicht verlassen hat und erweist sich daher die oben angeführte Feststellung als aktenwidrig. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass im Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides (vgl. AS 468) ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin am 01.04.2016 nach Italien überstellt worden und am 04.04.2016 erneut illegal in Österreich eingereist sei, jedoch ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung nicht zugrunde gelegt wurden und kann sohin nicht nachvollzogen werden, wie das Bundesamt in Anbetracht der gegenteiligen Angaben der Beschwerdeführerin zur oben angeführten Feststellung gelangt.

2.3.4. Letztlich ist auch den Beschwerdeausführungen dahingehend recht zu geben, dass im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt wurde, aus welchen Gründen sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nunmehr betreffend die Zuständigkeit Italiens auf lit. b des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO stützt und sohin davon ausgeht, dass das Asylverfahren der Beschwerdeführerin in Italien wieder offen ist, zumal die italienische Dublinbehörde auch in ihrer zweiten Zustimmungserklärung vom 20.04.2016 (vgl. AS 69) die Überstellung der Beschwerdeführerin gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO akzeptiert. Sohin erweist sich auch die Feststellung, dass sich Italien mit Schreiben vom 20.04.2016 gemäß Art. 18 (1) (b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates für die Führung des Asylverfahrens für zuständig erklärt habe, als aktenwidrig.

2.4. In einer Gesamtbetrachtung ist sohin auszuführen, dass im gegenständlichen Verfahren die von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren unterblieben ist. Nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes ist das Bundesamt seiner Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Das Bundesamt hat keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Im fortgesetzten Verfahren wird insbesondere die "interim measure" entsprechend zu berücksichtigen und werden – nach Durchführung von Erhebungen – Feststellungen zum diesbezüglichen Stand des Verfahrens zu treffen sein. Ebenso verhält es sich mit dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Besonderer Schutz"; auch diesbezüglich sind Feststellungen zum Stand des Verfahrens zu treffen. Ferner sind im fortgesetzten Verfahren die oben in den Punkten II.2.3.3. und II.2.3.4. angeführten Unklarheiten bzw. Aktenwidrigkeiten entsprechend zu bereinigen bzw. sind für die diesbezüglichen Feststellungen nachvollziehbare Begründungen zu liefern. Erst nach Durchführung dieser ergänzenden Ermittlungen kann eine Grundlage für die Entscheidung geschaffen werden, ob eine Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin gegeben oder ob Österreich dazu verpflichtet ist, von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben ist. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

4. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegende) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).

5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Behebung der
Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Menschenhandel, Selbsteintrittsrecht,
vorläufige Maßnahme, Zulassungsverfahren, Zwangsprostitution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W235.2122812.2.00

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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