TE OGH 2017/11/14 10ObS107/17h

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Veröffentlicht am 14.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, wegen Rehabilitationsgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Juli 2017, GZ 6 Rs 4/16d-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. September 2015, GZ 42 Cgs 39/15w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 208,12 EUR bestimmten Teil der Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 27. 11. 1980 geborene Kläger bezog bis 31. 7. 2014 eine befristete Berufsunfähigkeitspension inklusive Ausgleichszulage in Höhe von 857,73 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 16. 7. 2014 sprach die beklagte Pensionsversicherungsanstalt aus, dass beim Kläger weiterhin vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliege und er Anspruch auf Rehabilitationsgeld habe.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 24. 4. 2015 wurde dem Kläger ab 1. 8. 2014 Rehabilitationsgeld in Höhe von 31,88 EUR brutto täglich zuerkannt. Ein darüber hinausgehender Anspruch bestehe nicht.

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger ab dem 1. 8. 2014 das Rehabilitationsgeld im gesetzlichen Ausmaß jedenfalls unter Anwendung der Regelungen über die Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze gemäß § 293 Abs 2 ASVG.

Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich brachte der Kläger zusammengefasst vor, dem Gesetz sei keine zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld zu entnehmen. Nach bisheriger Erfahrung sei auch mit länger währenden Leistungen zu rechnen. Dennoch sei keine jährliche Inflationsanpassung vorgesehen. Die Bezieher von Rehabilitationsgeld seien auf diese Weise schlechter gestellt als die Bezieher einer Ausgleichszulage. Es sei eine planwidrige Lücke gegeben, die durch analoge Anwendung der Regelungen über die Anpassung des Ausgleichszulagenrichtsatzes gemäß § 293 Abs 2 ASVG zu schließen sei.

Die beklagte Partei wendete ein, die Höhe des dem Kläger gebührenden Rehabilitationsgeldes sei entsprechend der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6a ASVG mit 31,88 EUR brutto (das sind 31,19 EUR netto) täglich berechnet worden. Das dem Kläger zuerkannte Rehabilitationsgeld überschreite den Ausgleichszulagen-richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG (für 2014 von 28,79 EUR und für 2015 von 29,08 EUR täglich). Eine Valorisierung wäre aber nur möglich, wenn das dem Kläger zugesprochene Rehabilitationsgeld den Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG nicht erreichen würde.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Kläger Anspruch auf Rehabilitationsgeld ab 1. 8. 2014 in Höhe von 31,88 EUR brutto täglich habe und dass ein darüber hinausgehender Anspruch nicht gegeben sei. Eine planwidrige Lücke infolge Fehlens einer Inflationsabgeltung liege nicht vor, weil der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 669 Abs 6a ASVG auf den gesamten zweiten Absatz des § 143a ASVG verwiesen habe (und nicht nur explizit auf den ersten Satz), zu erkennen gegeben habe, dass eine Anpassung des Rehabilitationsgeldes nicht gewollt sei. Die Leistung der Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspenion sei als Dauerleistung konzipiert, das Rehabilitationsgeld solle hingegen nur eine temporäre Absicherung während der Dauer einer vorübergehenden Invalidität bzw Berufsunfähigkeit bezwecken. Art und Zielrichtung beider Ansprüche seien nicht vergleichbar. Allein, dass eine Anpassungsregelung analog der Ausgleichszulagenregelung wünschenswert sei, rechtfertige nicht die Annahme einer ungewollten Gesetzeslücke.

Aus Anlass der Berufung gegen diese Entscheidung stellte der Kläger einen zu G 1/2016 protokollierten Parteiantrag auf Normenkontrolle (§ 140 Abs 1 Z 1 lit b B-VG, § 62a VfGG) an den Verfassungsgerichtshof, die Wortfolge „Abs 1“ und die Wortfolge „und zwar einschließlich der dazu geleisteten Ausgleichszulage (§ 293 Abs 1)“ in § 669 Abs 6a ASVG idF BGBl I 2015/2 als verfassungswidrig aufzuheben. Jene Personen, die aufgrund des § 143a ASVG erstmals Anspruch auf Rehabilitationsgeld hätten, erhielten dieses in der Höhe des jeweiligen jährlich angepassten Ausgleichszulagenrichtsatzes. Bei jenen Personen, die – wie er – im Anschluss an eine befristete Invaliditätspension Rehabilitationsgeld gemäß § 669 Abs 6a ASVG erhielten, sei eine derartige Anpassung nicht vorgesehen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen stellte an den Verfassungsgerichtshof einen zu G 92/2016 protokollierten Antrag, den ersten Satz des § 669 Abs 6a ASVG als verfassungswidrig aufzuheben bzw festzustellen, dass diese Bestimmung verfassungswidrig war. Zum Unterschied zu § 143a ASVG fließe bei den Übergangsfällen durch den in § 669 Abs 6a ASVG enthaltenen Verweis auf den gesamten ersten Absatz des § 293 ASVG die zuletzt tatsächlich bezogene Ausgleichszulage in die Berechnung des Rehabilitationsgeldes gemäß § 669 Abs 6a ASVG ein. Zumindest für Übergangsfälle gelte daher, dass Änderungen in den Einkommensverhältnissen all jener Personen, die unter das Regime des § 669 Abs 6 ASVG fielen, weder zu ihren Gunsten noch zu ihren Lasten berücksichtigt würden. Umgekehrt erhalte ein von der Regelung des § 669 Abs 6a ASVG betroffene Person auch dann, wenn ihr nur in dem einen maßgeblichen Monat vor Anfall des Übergangsgeldes keine Ausgleichszulage gebührt habe, das Rehabilitationsgeld auch bei geänderten Verhältnissen niemals zumindest in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Einzelpersonen gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG.

Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 6. 3. 2017, G 1/2016-12, G 92/2016, den Antrag des Klägers sowie den Antrag des Oberlandesgerichts Innsbruck ab. Er begründete sein Erkenntnis im Wesentlichen wie folgt:

Beim Rehabilitationsgeld, das nach § 143a ASVG bemessen wird, und jenem, das nach § 669 Abs 6a ASVG bemessen wird, handelt es sich – abgesehen von der unterschiedlichen Erstbemessung – um keine verschiedenen Leistungen.

Es liegt zwar im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das Rehabilitationsgeld analog zu einem Pensionsanspruch durch Gewährung einer Ausgleichszulage entweder (mindest-)existenzsichernd auszugestalten oder die Bezieher insoweit auf das System der landesgesetzlich eingerichteten Mindestsicherung zu verweisen. Hat sich der Gesetzgeber aber für die existenzsichernde Variante entschieden, dann darf er innerhalb der Gruppe von Beziehern von Rehabilitationsgeld, dessen Höhe den Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG nicht erreicht, nicht ohne sachlichen Grund differenzieren.

Ob jemand vor diesem den Richtsatz unterschreitenden Rehabilitationsgeld Arbeitsentgelt, Arbeitslosengeld, Krankengeld oder eine befristete Invaliditätspension bezogen hat, vermag mangels einer inneren Beziehung dieses Umstands zur Frage der Gewährung und der Fortdauer der Existenzsicherung nach dem Ende dieser Leistungen eine derartige Differenzierung jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

Es entspräche ebenso wenig dem Sachlichkeitsgebot, Beziehern von Rehabilitationsgeld nur im Anschluss an eine Invaliditätspension eine Ausgleichszulage unabhängig von den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen weiter zu gewähren, wie im Anschluss an eine befristet gewährte Invaliditätspension eine Ausgleichszulage unabhängig von der Höhe des Rehabilitationsgeldes auf Dauer nur deshalb zu versagen, weil zum Zeitpunkt des letzten Pensionsbezuges ein Anspruch auf Ausgleichszulage nicht bestanden hat.

§ 143a Abs 2 ASVG und § 669 Abs 6a ASVG im Zusammenhang gelesen führen aber weder zwingend zu der Annahme des antragstellenden Gerichts, dass der Gesetzgeber mit der Übergangsbestimmung bestimmten Beziehern von Rehabilitationsgeld eine garantierte, andererseits aber auch „eingefrorene“ Ausgleichszulage schaffen wollte, noch zwingend zu der Annahme, dass bei einer Bemessung des Rehabilitationsgeldes nach § 669 Abs 6a erster Satz ASVG die Anwendung des § 143a Abs 2 zweiter und dritter Satz ASVG ausgeschlossen wäre. Wenn aber bei einer Rechtsnorm mehrere Interpretationen in Betracht kommen, ist jene zu wählen, nach der die Norm nicht als verfassungswidrig erscheint.

Verfassungskonform interpretiert gewährleistet § 669 Abs 6a ASVG weder eine von einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse unabhängige Ausgleichszulage (§ 143a Abs 2 und Abs 3 ASVG in der hier noch anzuwendenden Fassung bleiben vielmehr auch auf Ausgleichszulagen, die nach § 669 Abs 6a ASVG einbezogen wurden, anwendbar) noch schließt § 669 Abs 6a erster Satz ASVG für den Fall, dass zur befristeten Invaliditätspension zuletzt keine Ausgleichszulage gebührt hat, die Anwendung des zweiten und dritten Satzes des § 143a Abs 2 ASVG aus. Die in den Anträgen behaupteten Verstöße gegen den Gleichheitssatz liegen daher nicht vor.

Das Berufungsgericht, das nach Einlangen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs das Berufungsverfahren von Amts wegen fortsetzte (§ 528b Abs 3 ZPO) gab der Berufung nicht Folge. Der vom Kläger gewünschte Analogieschluss sei nicht zu ziehen; daran ändere sich auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nichts. Die Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6a ASVG diene lediglich dazu, den Übergang vom alten ins neue System zu ermöglichen. Dass das Rehabilitationsgeld in derselben Höhe zustehen sollte wie die seinerzeit bezogene befristete Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension, lasse sich dieser Bestimmung ebenso wenig entnehmen wie eine Notwendigkeit, die ermittelten Beträge jährlich entsprechend dem Ausgleichszulagenrichtsatz anzupassen. Vielmehr sehe § 669 Abs 6a ASVG eine eigene Berechnungsmethode vor, die auf den Kläger fehlerfrei zur Anwendung gebracht worden sei. Eine automatische Erhöhung des (nach § 669 Abs 6a ASVG errechneten) Rehabilitationsgeldes habe so lange nicht stattzufinden, als die in § 143a Abs 2 zweiter Satz erwähnte Schutzgrenze (der Einzelrichtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG) nicht verletzt wird. Das Revisionsgericht ließ die Revision mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist dennoch zulässig, weil zur Frage der jährlichen Anpassung (Valorisierung) des Rehabilitationsgeldes noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorhanden ist.

Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, es habe nicht nur eine Anpassung des Rehabilitationsgeldes für Bezieher nach § 669 Abs 6a ASVG zu erfolgen, wenn die Schutzgrenze nach § 143a Abs 2 zweiter und dritter Satz ASVG verletzt werde, also die Bezugshöhe den Richtsatz des § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG nicht erreicht (wie das Berufungsgericht meine). Vielmehr müsse das nach § 669 Abs 6a ASVG gewährte Rehabilitationsgeld auch in allen jenen Fällen, in denen es den genannten Richtsatz übersteigt, jährlich angepasst werden. Da Menschen über längere Zeiträume Rehabilitationsgeld beziehen werden, könne es nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, Pensionen bzw die Ausgleichszulage jährlich anzupassen, hingegen die Bezieher des Rehabilitationsgeldes gemäß § 669 Abs 6a ASVG von einer solchen Anpassung auszunehmen.

Die beklagte Partei hat – obwohl ihr die Möglichkeit dazu eingeräumt wurde – keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist nicht berechtigt.

I.1 Gemäß § 143a Abs 1 ASVG (in der zum Stichtag 1. 8. 2014 anwendbaren Stammfassung BGBl I 2013/3) haben Personen, für die auf Antrag bescheidmäßig festgestellt wurde, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 255b (§ 273b, § 280b) erfüllt sind, ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer Anspruch auf Rehabilitationsgeld.

I.2.1 Die Höhe des Rehabilitationsgeldes wird in § 143a Abs 2 ASVG geregelt. Nach dessen erstem Satz gebührt das Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes nach § 141 Abs 1 und ab dem 43. Tag im Ausmaß des erhöhten Krankengeldes nach § 141 Abs 2, das aus der letzten eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz oder nach dem B-KUVG begründende Erwerbstätigkeit gebührt hätte. Jedenfalls gebührt es jedoch in der Höhe des Richtsatzes nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb (§ 143a Abs 2 zweiter Satz) ASVG. Die Erhöhung bis zu diesem Richtsatz ist nur zu gewähren, solange die das Rehabilitationsgeld beziehende Person ihren rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 143a Abs 2 dritter Satz ASVG).

I.2.2 Das Rehabilitationsgeld ist demnach als eine dem Krankengeld ähnliche Leistung konzipiert, wodurch das Prinzip „der Rehabilitation statt Pension“ verstärkt und die Rückkehr in die Arbeitswelt gefördert werden soll. Während die Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension eine Leistung mit Pensionscharakter war, liegt beim Rehabilitationsgeld nach der Systematik des Krankengeldes der Fokus auf der Einkommensersatzfunktion (AB 60 BlgNR 25. GP, 2 und 3 zu § 669 Abs 6a ASVG).

II. Zum Übergangsrecht:

II.1 Auf Personen, die am 31. 12. 2013 eine zeitlich befristet zuerkannte Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit beziehen, ist § 256 ASVG in der am 31. 12. 2013 geltenden Fassung bis zum Ablauf der jeweiligen Befristung weiterhin anzuwenden (§ 669 Abs 6 ASVG).

II.2.1 Zur Ermöglichung des Übergangs vom alten ins neue System und weil die Berechnungsweise der beiden Leistungen deutliche Unterschiede nach oben und nach unten zulässt, wurde die Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6a ASVG geschaffen:

Hat eine Person nach Abs 6 unmittelbar nach dem Ende der befristet zuerkannten Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld, so ist § 143a Abs 2 ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I 2013/3 so anzuwenden, dass das Rehabilitationsgeld im Ausmaß der zuletzt bezogenen, um 11,5 % erhöhten Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension gebührt, und zwar einschließlich der dazu geleisteten Ausgleichszulage (§ 293 Abs 1 ASVG) und der dazu geleisteten Kinderzuschüsse (§ 262 ASVG). Der Pensionsversicherungsträger hat die Höhe des Rehabilitationsgeldes rückwirkend von Amts wegen neu festzusetzen, wenn das bereits zuerkannte Rehabilitationsgeld niedriger ist als die zuletzt bezogene Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension im Sinne des ersten Satzes.

II.2.2 Mit dieser Übergangsbestimmung sollte ein Ausgleich geschaffen werden, der damit erreicht wird, dass das Rehabilitationsgeld, das nach Auslaufen einer solchen befristeten Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension gebühren könnte, in der Höhe der bereits bezogenen Pensionsleistung gewährt wird. Zu diesem Zweck sind bei Bemessung des Rehabilitationsgeldes nach § 669 Abs 6a ASVG die Ausgleichszulage sowie etwaige Kinderzuschüsse, auf die im letzten Bezugsmonat der befristeten Pensionsleistung Anspruch bestand, miteinzubeziehen. Zudem wird berücksichtigt, dass die Pensionsleistung – im Unterschied zum Rehabilitationsgeld – 14 mal jährlich ausgezahlt wird und von dieser ein Krankenversicherungsbeitrag samt Ergänzungsbeitrag in der Höhe von 5,1 % zu leisten ist, weshalb die maßgebliche Pensionsleistung zum einen um ein Sechstel zu erhöhen (16,6 %) und zum anderen um 5,1 % zu vermindern ist. Daraus ergibt sich ein Erhöhungsbetrag von 11,5 % der maßgeblichen Pensionsleistung. Damit wird für alle jene Fälle eine Verringerung des Leistungsausmaßes verhindert, in denen bereits eine befristete Pensionsleistung nach „altem“ Recht bezogen wurde (AB 60 BlgNR 25. GP, 3).

II.2.3 Davon, dass diese – mittlerweile mit 31. 12. 2015 wieder außer Kraft getretene (Art 4 Z 3 BGBl I 2014/30) Übergangsbestimmung auf den Kläger anzuwenden ist, weil die von ihm bezogene befristete Berufsunfähigkeitspension im Jahr 2014 ausgelaufen und daran unmittelbar anschließend Anspruch auf Rehabilitationsgeld bestand, gehen die Parteien übereinstimmend aus.

II.2.4 Außer Streit steht auch, dass sich die für den Kläger errechnete Höhe des Rehabilitationsgeldes mit 31,88 EUR brutto täglich auf Basis der zuvor bezogenen Berufsunfähigkeitspension in Höhe von 857,73 EUR (inklusive Ausgleichszulage) erhöht um 11,5 % und dividiert durch 30 ergibt.

III. Zur Valorisierung:

III.1 Für eine Valorisierung des Rehabilitationsgeldes findet sich eine gesetzliche Grundlage in § 143a Abs 2 zweiter Satz ASVG für den Fall der Erhöhung des nach § 143a ASVG bemessenen Rehabilitationsgeldes auf den Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG. In diesem Fall gebührt das Rehabilitationsgeld in der Höhe des jeweiligen – nach § 293 Abs 2 ASVG jährlich erhöhten – Richtsatzes.

III.2 Wie der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, schließt aber auch § 669 Abs 6a erster Satz ASVG bei verfassungskonformer Interpretation für den Fall, dass zur befristeten Invaliditätspension zuletzt keine Ausgleichszulage gebührt hat, die Anwendung des zweiten und dritten Satzes des § 143a Abs 2 ASVG nicht aus. Bei verfassungskonformer Interpretation ist unter dieser Voraussetzung demnach auch bei einem nach der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6a ASVG bemessenen Rehabilitationsgeld (in Richtsatzhöhe) eine Valorisierung durch jährliche Anpassung des Richtsatzes (§ 293 Abs 2 ASVG) möglich.

III.3 Übersteigt das Rehabilitationsgeld aber den Richtsatz, bleibt es – zum Unterschied zu den jährlich valorisierten Pensionen – mangels einer gesetzlichen Anordnung unverändert, auch wenn es mehrere Jahre bezogen werden sollte. Das gilt nicht nur für das nach § 143a ASVG bemessene Rehabilitationsgeld, sondern auch für jene (Übergangs-)Fälle, in denen sich dessen Höhe aus § 669 Abs 6a ASVG bestimmt. Der Zweck der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6a ASVG liegt darin, beim Wechsel von der befristeten Pension zum Rehabilitationsgeld eine Verringerung der letzten Bezugshöhe zu verhindern. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber gleichzeitig vormalige Bezieher einer befristeten Pensionsleistung für die Zukunft dadurch besser stellen wollte, dass die ihnen erhalten gebliebene Letztbezugshöhe in Zukunft jährlich erhöht wird, lassen sich aus § 669 Abs 6a ASVG nicht ableiten.

III.4 Im vorliegenden Fall war die befristete Berufsunfähigkeitspension des Klägers auf den Ausgeichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG erhöht. Nach Auslaufen der Befristung wurde die Ausgleichszulage in die Berechnung des Rehabilitationsgeldes nach § 669 Abs 6a ASVG einbezogen. Das – entsprechend dieser Regelung – mit 31,88 EUR brutto täglich errechnete Rehabilitationsgeld übersteigt den (auf Tage umgerechneten) Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG (für 2014 in Höhe von 28,79 EUR täglich und für 2015 in Höhe von 29,08 EUR täglich), sodass nach den §§ 143a und 669 Abs 6a ASVG eine jährliche Valorisierung nicht stattfindet.

III.5 Eine planwidrige Lücke, die die (analoge) Anwendung der Bestimmung des § 293 Abs 2 ASVG über die jährliche Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze auch auf den Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG übersteigenden Rehabilitationsgeldanspruch des Klägers ermöglichen würde, könnte nur dann angenommen werden, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig wäre und seine Ergänzung nicht einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspräche (RIS-Justiz RS0008866). Hat aber der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge für einen bestimmten Sachverhalt ausdrücklich nicht angeordnet, so fehlt es an einer planwidrigen Gesetzeslücke (RIS-Justiz RS0008866 [T8 und T13]). Analogie wäre nur dann geboten, wenn für eine verschiedene Behandlung der Sachverhalte kein Grund zu finden ist (RIS-Justiz RS0008870). Davon kann aber im Hinblick darauf nicht ausgegangen werden, dass eine jährliche Anpassung des Rehabilitationsgeldes nach § 293 Abs 2 ASVG vom Gesetzgeber aus Gründen der Existenzsicherung offenbar (nur) dann als notwendig erachtet wurde, wenn das Rehabilitationsgeld lediglich die Richtsatzhöhe erreicht, nicht aber bei einem die Richtsatzhöhe übersteigenden Rehabilitationsgeldbezug.

Die Revision erweist sich daher als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls waren dem unterlegenen Versicherten die Hälfte der Kosten seines Vertreters zuzusprechen (RIS-Justiz RS0085871).

Textnummer

E120144

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00107.17H.1114.000

Im RIS seit

20.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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