TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/20 W158 2139585-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2017
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Entscheidungsdatum

20.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §72 Abs1
AVG §72 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W158 2139585-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) diesen Antrag mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II.); erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan fest (Spruchpunkt III.) und setzte die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

I.3. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.4. Der Bescheid des BFA vom XXXX wurde dem BF am XXXX durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt und erwuchs mit Ablauf des XXXX in Rechtskraft. Der nicht behobene Bescheid wurde dem BFA am XXXX retourniert.

I.5. Mit Schreiben vom XXXX wurde der im Spruch genannte Vertreter durch den BF zur Vertretung im gegenständlichen Verfahren bevollmächtigt.

I.6. Mit Datum vom 14.11.2016 wurde durch den BF ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und beantragt, diesem die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Gleichzeitig wurde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX eine Beschwerde erhoben.

Zur Rechtzeitigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung wurde vorgebracht, dass der BF den Bescheid des BFA vom XXXX nicht erhalten habe. Dem BF sei erst am XXXX in seinem Quartier, in dem er durchgängig gemeldet gewesen sei, von einem Vertreter des Vereins Menschenrechte Österreich mitgeteilt worden, dass sein Verfahren beendet sei, woraufhin der BF - da er keinen Bescheid erhalten habe - die Beratungsstelle der ihm zur Seite gestellte Rechtsberatung (ARGE Rechtsberatung) aufgesucht habe. Diese habe daraufhin nach telefonischer Nachfrage beim BFA mitgeteilt bekommen, dass dem BF der Bescheid bereits übermittelt worden sei, woraufhin Akteneinsicht beantragt wurde, die am 02.11.2016 auch erfolgt sei. Dem BF wurde der in Rede stehende Bescheid am 03.11.2016 zur Kenntnis gebracht worden. Damit sei der am 14.11.2016 gestellte Antrag als rechtzeitig anzusehen.

Begründet wurde der Wiedereinsetzungsantrag damit, dass der BF seit 22.07.2016 durchgehend an einer näher bezeichneten Adresse aufrecht gemeldet gewesen sei. An dieser Adresse werde die Post seitens der Quartiergeberin persönlich entgegengenommen und von dieser persönlich an im Quartier wohnhafte Asylwerber übergeben. Nach telefonischer Auskunft der Quartiergeberin könne diese ausschließen, dass betreffend den in Rede stehenden Bescheid je ein Zustellversuch seitens der Post erfolgt sei. Sie habe nie einen Bescheid bzw. eine Verständigung einer Hinterlegung entgegengenommen.

I.7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wies das BFA den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück.

Das BFA führte im Wesentlichen begründend aus, dass mit der Beratung des BF durch den Verein Menschenrechte Österreich am XXXX - jedenfalls aber am XXXX, nachdem die Rechtsvertretung des BF beim BFA bezüglich des Verfahrens des BF nachgefragt habe - die Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages zu laufen begonnen habe, womit der gegenständlich am 14.11.2016 gestellte Antrag außerhalb der gesetzlich normierten zweiwöchigen Frist eingebracht worden und somit als verspätet zurückzuweisen sei.

I.8. Mit Schreiben vom 06.03.2017 erhob der BF, vertreten durch die im Spruch genannte Rechtsvertretung gegen den Bescheid des BFA vom XXXX Beschwerde und führte begründend aus, dass die Rechtsberatung (Rechtsvertretung) des BF erst am 02.11.2016 durch Einsichtnahme in den Akt Kenntnis vom abweisenden Bescheid vom XXXX erlangt habe bzw. dem BF der Inhalt des Bescheides erst am 03.11.2016 mitgeteilt und ihm eine Kopie übergeben worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 14.11.2016 sei daher rechtzeitig gestellt worden und hätte daher nicht zurückgewiesen werden dürfen. Das BFA verkenne, dass am XXXX durch den BF die erforderliche Kenntniserlangung nicht erfolgt sei, da von einer solchen erst gesprochen werden könne, wenn über die maßgebenden Umstände, sprich der Begründung des Bescheides, Kenntnis erlangt werde. Dies sei am XXXX nicht der Fall gewesen, da dem BF an diesem Tag nur mitgeteilt worden sei, dass sein Verfahren abgeschlossen sei, ohne dabei jedoch über den konkreten Ausgang oder der seitens des BFA herangezogenen Begründung informiert worden zu sein. Auch am XXXX sei die erforderliche Kenntniserlangung nicht erfolgt, da der Rechtsvertretung des BF durch das BFA lediglich mitgeteilt worden sei, dass der Bescheid bereits übermittelt worden sei. Selbst wenn in diesem Zusammenhang über den Ausgang des Verfahrens informiert worden wäre, hätte die Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages noch nicht zu laufen begonnen, da auch damit jedenfalls keine Kenntnis über Spruch, Inhalt oder Begründung des Bescheides erlangt worden wäre.

I.9. Am 07.03.2017 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 29.09.2017 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W158 (neu) zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Der Bescheid des BFA vom XXXX, Zl. XXXX, mit dem der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen versagt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan festgestellt wurde, wurde dem BF am XXXX durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt.

Mit Ablauf des XXXX erwuchs dieser Bescheid mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

Am XXXX wurde der BF durch einen Vertreter des Vereins Menschenrechte Österreich über die Beendigung seines Asylverfahrens informiert.

Am XXXX bevollmächtigte der BF den im Spruch genannten Vertreter zu dessen Rechtsvertretung. Die Rechtsvertretung kontaktierte in weiterer Folge das BFA zur Klärung der Frage des Verfahrensstandes.

Am 02.11.2016 erfolgte durch die Rechtsvertretung beim BFA Einsicht in den den BF betreffenden Verwaltungsakt, womit diese Kenntnis über Spruch, Inhalt sowie Begründung des (abweisenden) Bescheides des BFA vom XXXX erlangte.

Am 03.11.2016 wurde dem BF seitens der Rechtsvertretung eine Kopie des in Rede stehenden Bescheides übergeben.

Am 14.11.2016 wurde vom BF ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

II.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 39 Abs. 1 AVG sind für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Verwaltungsvorschriften maßgebend.

Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

§ 71 AVG lautet:

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen".

§ 9 Abs. 1 VwGVG lautet:

"(1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist."

II.3.2. Zu Spruchpunkt A):

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Wiedereinsetzungsantrag des BF vom 14.11.2016 zurückgewiesen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht aufgrund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, 2013/08/0136). "Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG - und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG - ist im vorliegenden Fall somit die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Das BFA begründete die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages damit, dass der BF am XXXX (durch Mitteilung eines Vertreters einer Rechtsberatungsorganisation, wonach sein Asylverfahren beendet sei) Kenntnis über den negativen Ausgang seines Asylverfahren erlangt habe und somit zu diesem Zeitpunkt - spätestens jedenfalls am XXXX (nachdem die mit diesem Tag bevollmächtigten Rechtsvertretung des BF nach telefonischer Kontaktaufnahme über den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens informiert worden sei), das Hindernis zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX weggefallen sei. Die zweiwöchige Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags und Nachholung der Erhebung einer Beschwerde habe somit am XXXX bzw. jedenfalls am XXXX zu laufen begonnen, womit sich der am 14.11.2016 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag daher als nicht rechtzeitig erweise.

Zur Frage der Rechtzeitigkeit definiert § 71 Abs. 2 AVG zwei Zeitpunkte, zu denen die Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrags zu laufen beginnt. Der erste - gegenständlich relevante - Zeitpunkt stellt auf den "Wegfall des Hindernisses" ab. Danach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der Partei binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des "Hindernisses", also des (unvorhergesehenen oder unabwendbaren) Ereignisses - gegenständlich die Unkenntnis einer bereits rechtskräftigen negativen Entscheidung - im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 (VwGH 21.05.1992, 92/09/0009; 15.09.1994, 94/19/0393; vgl auch Hengstschläger 3 Rz 608; Thienel 4 325), das die Fristenwahrung verhindert hat (VwGH 16.11.2005, 2004/08/0021, VwGH 2004/08/0021), zu stellen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 100, Stand 01.04.2009, rdb.at).

Für die Beantwortung der Frage, ob die in § 71 Abs. 2 AVG vorgegebene Frist versäumt oder eingehalten wurde, ist es rechtlich irrelevant, ob die Partei an der Verfristung ein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, weil gegen die Versäumung dieser Frist keine Wiedereinsetzung stattfindet. Entscheidend dafür ist allein, zu welchem Zeitpunkt das Ereignis weggefallen ist, welches die Partei daran hinderte, die (versäumte) Verfahrenshandlung fristgerecht auszuführen (VwGH 23.06.1994, 94/18/0282).

Das BFA ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der BF bereits am XXXX bzw. XXXX von der (negativen) Entscheidung Kenntnis erlangt hat. Im Zusammenhang mit der bloßen Kenntnis von der Existenz eines (abweisenden) Bescheids im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzungsfrist hat der VwGH im Erkenntnis vom 15.09.1994, 94/19/0393, jedoch folgende Aussagen getroffen:

"Die bloße Kenntnis von der "Existenz" eines abweisenden Bescheides ist dem Wegfall des Hindernisses iSd § 71 Abs. 2 AVG dann nicht gleichzusetzen, wenn dem Wiedereinsetzungswerber dadurch die maßgebenden Umstände (die sich beispielsweise aus der Begründung des Bescheides ergeben) nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, welche ihn erst in die Lage versetzt hätten, eine Berufung mit einem iSd § 63 Abs. 3 AVG ausreichenden Inhalt zu erheben. Hat die Partei vom Inhalt des abweisenden Bescheides (einschließlich seiner Begründung) keine Kenntnis, ist sie idR gehindert, die versäumte Verfahrenshandlung durch Vornahme der dafür notwendigen rechtlichen Schritte nachzuholen, weshalb die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht zu laufen begonnen hat (VwGH 15.09.1994, 94/19/0393; vgl auch VwGH 21.05.1992, 92/09/0009; 16.03.1994, 94/01/0121)."

Im vorliegenden Fall ist der BF vor der Akteneinsicht seiner Rechtsvertretung am 02.11.2016 jedenfalls jedoch nicht über die maßgebenden Umstände der Entscheidung des BFA informiert gewesen. Er wusste insbesondere nicht, ob bzw. in welchem Umfang er durch das Ergebnis des Bescheides beschwert ist und ob daher eine Beschwerdeerhebung überhaupt bzw. in welchem Umfang in Frage käme. Ob der BF am XXXX bzw. am XXXX - wie vom BFA angenommen - bereits Kenntnis über die negative Entscheidung erlangt hat oder - wie vom BF vorgebracht - er lediglich über die Beendigung der Verfahrens informiert gewesen ist bzw. ihm lediglich die Übermittlung des Bescheides mitgeteilt worden sei, kann jedenfalls dahingestellt bleiben, da auch allein die Kenntniserlangung "von der "Existenz" eines abweisenden Bescheides" unter Berücksichtigung der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als ausreichend erachtet wird, um von einem Wegfall eines Hindernisses gemäß § 71 Abs. 2 AVG auszugehen und die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags laufen lassen zu beginnen. Vielmehr bedarf es neben der Kenntniserlangung über die Existenz der (negativen) Entscheidung auch einer Kenntniserlangung über die maßgebenden Umstände der Entscheidung durch den BF, welche diesen erst in die Lage versetzen, ein Rechtsmittel mit einem "ausreichenden Inhalt" zu erheben (vgl. § 9 Abs. 1 VwGVG). Dies war im vorliegenden Fall vor dem 02.11.2016 jedenfalls nicht der Fall. Erst zu diesem Zeitpunkt erlangte der BF (durch Akteneinsicht seiner Rechtsvertretung) Kenntnis vom Inhalt des Bescheides und war er erst ab diesem Zeitpunkt in der Lage, ein Rechtsmittel mit einem "ausreichenden Inhalt" zu erheben und erfolgte damit erst auch diesem Zeitpunkt ein Wegfall des Hindernisses iSd § 71 Abs. 2 AVG. Der am 14.11.2016 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag erweist sich daher jedenfalls als rechtzeitig eingebracht.

Die Zurückweisung des Antrages ist somit unrechtmäßig erfolgt, weshalb der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren den Wiedereinsetzungsantrag einer meritorischen Prüfung zu unterziehen haben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offen geblieben sind, sondern diese vielmehr aus den Verwaltungsakten beantwortet werden konnten.

II.3.3. Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zu Fragen der Rechtzeitigkeit von Wiedereinsetzungsanträgen ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, Rechtsmittelfrist,
Rechtzeitigkeit, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W158.2139585.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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