TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/23 W209 2153462-1

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
AVG §71
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W209 2153462-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch BLS Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Kärntnerstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 14.12.2016, GZ: VA/ED-FP-0235/2016, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG in der Höhe von € 2.800,00 wegen unterlassener Anmeldung der Dienstnehmer XXXX , VSNR XXXX , XXXX , VSNR XXXX , XXXX , VSNR XXXX , und XXXX , VSNR XXXX , vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung sowie über die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages nach Beschwerdevorentscheidung vom 11.01.2017 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wird Folge gegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

II. Der Beschwerde gegen die Vorschreibung eines Beitragszuschlages wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 11.01.2017 ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 14.12.2016 schrieb die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden die belangte Behörde) dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von € 2.800,00 vor, weil er es unterlassen habe, die Dienstnehmer XXXX , VSNR XXXX , XXXX , VSNR XXXX , XXXX , VSNR XXXX , und XXXX , VSNR XXXX , vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung zu melden. Begründend führte die Kasse aus, dass im Rahmen einer am 21.05.2016 durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei auf einer Baustelle an der Adresse des Beschwerdeführers in XXXX , festgestellt worden sei, dass für die oben angeführten Dienstnehmer die Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht erstatten worden sei. Der vorgeschriebene Beitragszuschlag setze sich aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von €

2.000,00 und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in Höhe von € 800,00 zusammen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Arbeiten auf der Baustelle durch die vom Beschwerdeführer beauftragte Fa. XXXX GmbH durchgeführt worden seien und die Betretenen in einem Dienstverhältnis zu dieser Gesellschaft gestanden seien. In den Personalfragebögen der Finanzpolizei hätten die auf der Baustellte beschäftigten Arbeiter angegeben, bei der Firma XXXX Bau und Facilitiy Management GmbH mit Sitz in XXXX beschäftigt gewesen zu sein. Diese Firma habe die Arbeitnehmer auch zur WGKK angemeldet. Die Auftragsweitergabe sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen, was auch von den Arbeitern bei ihrer Einvernahme bestätigt worden sei. Der Beschwerdeführer lebe in Wien, wo er ein Restaurant betreibe. Er sei auf der Baustelle gar nicht anwesend gewesen. Ihn habe keine Verpflichtung zur Anmeldung der Arbeiter getroffen, da diese nicht seine Dienstnehmer gewesen seien.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.01.2017, dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt am 13.01.2017, wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, dass die Betretung der Arbeiter bei Umbauarbeiten am Haus des Beschwerdeführers nicht bestritten worden sei. Die betretenen Personen hätten in den Personenblättern angegeben, dass sie jeweils von Montag bis Freitag acht Stunden sowie am Samstag fünf Stunden gegen einen Stundelohn von € 12,00 gearbeitet hätten. Eine Person habe angegeben, samstags sieben Stunden gearbeitet zu haben. Da vor Arbeitsantritt keine Anmeldungen erfolgte sei, sei der angefochtene Beitragszuschlag vorgeschrieben worden. Die Dienstnehmereigenschaft der Betretenen ergebe sich aus dem Tätigkeitsbild (einfache manuelle Tätigkeiten) sowie aus dem Vorliegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, die sich in der vorgegebenen Arbeitszeit, dem vorgegebenen Arbeitsort und dem Fehlen eigener wesentlicher Betriebsmittel manifestiere. Dass die Betretenen für den Beschwerdeführer tätig geworden seien, schließe die Kasse aus der Tatsache, dass es sich bei den der WGKK übermittelten Anmeldungen lautend auf " XXXX " um eine Fälschung handle und diesbezüglich seitens der genannten Firma bereits eine Strafanzeige bei der Landespolizeidirektion Wien erstattet worden sei. Zudem habe mit der im Vertrag mit dem Beschwerdeführer angegebenen Firma " XXXX d.o.o." bzw. mit dem angegebenen " XXXX " trotz mehrmaliger Versuche kein Kontakt hergestellt werden können. Dieses Unternehmen sei für die Kasse somit nicht reell. Die Tätigkeiten der betretenen Arbeiter seien daher dem Beschwerdeführer als Hausbesitzer zuzurechnen.

4. Mit Schriftsatz vom 14.02.2017 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seine Bevollmächtigung bekannt, stellte einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung eines Vorlageantrages und reichte den versäumten Vorlageantrag nach. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde zusammengefasst damit begründet, dass aufgrund eines Missverständnisses der mit dem Fall betrauten Rechtsanwaltsanwärterin und ihrer Assistentin trotz vorgesehener doppelter Kontrolle die Eintragung in das Fristenbuch nicht vollständig erfolgt sei, weswegen die Frist versäumt worden sei. Dies sei von der betroffenen Rechtsanwaltswärterin mittels beigelegter eidesstattlicher Erklärung bestätigt worden. Bei der Rechtsanwaltsanwärterin und ihrer Assistentin handle es sich um besonders sorgfältige und überaus gewissenhafte Mitarbeiterinnen. Da die Fristvormerkung in der Kanzlei so gestaltet sei, dass keine Fehler passieren könnten, sei im gegenständlichen Fall nur von einem minderen Grad des Versehens auszugehen, zumal aufgrund der Verlässlichkeit der Mitarbeiterinnen auch kein Grund bestanden habe, an der Vornahme der richtigen Fristvormerkung zu zweifeln. Die Fristversäumung sei erst am 06.02.2017 bemerkt worden. Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher rechtszeitig gestellt worden. Der Vorlageantrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer eine Baufirma mit der Durchführung von Sanierungsarbeiten am Mehrparteienhaus des Beschwerdeführers beauftragt habe. Das beauftragte Unternehmen mit Betriebssitz in Slowenien sei im slowenischen Gewerberegister eingetragen und habe dem Beschwerdeführer eine Bescheinigung der Republik Slowenien auf Grund der Richtlinie 2005/36/EG über die Befähigung zur Durchführung der Bauarbeiten übermittelt. Der Beschwerdeführer habe mit dem beauftragten Unternehmen einen Bauvertrag abgeschlossen, in dem sich das beauftragte Unternehmen verpflichtet habe, die Sanierung für einen Pauschalbetrag von € 8.880,00 (brutto) durchzuführen. Der Bauvertrag sei als Verbrauchergeschäft abgeschlossen worden. Das beauftragte Unternehme habe die Haftung für die Einhaltung sämtliche gesetzlicher Bestimmungen übernommen und die Baustelle ohne Zutun des Beschwerdeführers, der in Wien ein Restaurant betreibe und nicht auf der Baustelle anwesend gewesen sei, betrieben. Somit sei der Judikatur des VwGH zufolge das beauftragte Unternehmen als Dienstgeber der Betretenen zu qualifizieren. Aus der missglückten Kontaktaufnahme könne nicht geschlossen werden, dass das beauftragte Unternehmen gar nicht existiere, zumal es im slowenischen Gewerberegister eingetragen sei und nicht auf der Liste der Scheinunternehmen auf www.bmf.gv.at aufscheine. Auch die seitens der belangten Behörde behauptete Urkundefälschung könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden. Vielmehr liege es nahe, dass eine allfällige Urkundenfälschung von dem beauftragen Unternehmen ausgegangen sei. Anderenfalls hätte der Beschwerdeführer wohl kein Entgelt für die Durchführung der Arbeiten entrichtet. Dem Wiedereinsetzungsantrag und dem nachgeholten Vorlageantrag waren die erwähnten Urkunden in Kopie angeschlossen.

5. Mit Bescheid vom 13.03.2017 wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass im gegenständlichen Fall kein minderer Grad des Versehens vorliege, da der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, für den ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab gelte, seinen Überwachungspflichten gegenüber der mit der Kontrolle der Fristeintragung betrauten Rechtsanwaltsanwärterin nicht ausreichend nachgekommen sei.

6. Am 20.04.2017 einlangend legte belangte Behörde die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages sowie den zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholten Vorlageantrag samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Bei einer am 21.05.2016 auf einer Baustelle in einem Mehrparteienhaus in XXXX , XXXX , durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei wurden die Dienstnehmer XXXX , VSNR XXXX , XXXX , VSNR XXXX , XXXX , VSNR XXXX , und XXXX , VSNR XXXX , bei Trockenbauarbeiten angetroffen.

Das Mehrparteienhaus an der oben angeführten Adresse steht im Eigentum des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer schloss mit der Firma XXXX d.o.o. mit Betriebssitz in XXXX , einen Bauvertrag, in dem sich die Firma XXXX d. o.o. u.a. verpflichtete, am oben angeführten Mehrparteienhaus des Beschwerdeführers Fassaden- und Rigipsarbeiten gegen ein Pauschalhonorar von € 8.880,00 inkl. Umsatzsteuer durchzuführen.

Das beauftragte Unternehmen verfügt über eine Bescheinigung der Republik Slowenien über die Erfüllung der Voraussetzungen für die gewerbliche Durchführung von Bauarbeiten und ist seit 1990 im Firmenregister der Republik Slowenien eingetragen.

Als Geschäftsführer des Unternehmens scheint im Firmenregister XXXX mit Wohnsitz in XXXX , XXXX , auf.

Die betretenen Arbeiter wurden am 18.05.2016 bei der WGKK zur Pflichtversicherung angemeldet. Die im Meldeformular angeführte Firma XXXX Bau und Facilitiy Management GmbH mit Sitz in XXXX hat die Anmeldung nicht durchgeführt. Der bei der Anmeldung verwendete Firmenstempel stellte sich als Fälschung heraus.

Mit Urteil des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 05.04.2017; GZ: LVwG-S-8/001/2017, wurde das gegen den Beschwerdeführer erlassenen Straferkenntnis wegen eines Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde gegen die Vorschreibung eines Beitragszuschlages als unbegründet abgewiesen wurde, wurde dem Beschwerdeführer am 13.01.2017 rechtswirksam zugestellt.

Das Frist- und Kontrollsystem der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers gestaltet sich derart, dass der langjährige Kanzleileiter die über die allgemeine E-Mail-Adresse der Kanzlei eingehenden E-Mails an den zuständigen Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwaltsanwärter sowie an dessen Assistentin weiterleitet. Anschließend wird die Frist bzw. der Termin für die Erhebung eines Rechtsmittels, die Einbringung eines Schriftsatzes oder eine Verhandlung der zuständigen Assistentin – allenfalls nach Rücksprache mit dem zuständigen Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwaltsanwärter hinsichtlich Beginn und Dauer der Frist – in das im Empfangsbereich aufliegende Fristen- bzw. Verhandlungsbuch eingetragen. Dem für die Betreuung des jeweiligen Aktes zuständigen Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwaltsanwärter werden sämtlich per E-Mail einlangenden Schriftstücke – neben der elektronischen Übermittlung durch den Kanzleileiter – durch die jeweils zuständige Assistentin umgehend auch in ausgedruckter Form sämtlicher bezughabenden Akten vorgelegt. Der zuständige Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwaltsanwärter überprüft zunächst die Fristberechnung und die Fristeintragung. Die im Fristenbuch eingetragenen Fristen werden dem zuständigen Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwaltsanwärter täglich als Fristenliste vorgelegt.

Im vorliegenden Fall sendete der Beschwerdeführer am 25.01.2017 per E-Mail eine Ladung betreffend ein von seiner Rechtsvertreterin zu übernehmendes Verwaltungsverfahren an die allgemeine E-Mail-Adresse der Kanzlei. Diesem E-Mail war die beschwerdegegenständliche Beschwerdevorentscheidung kommentarlos angeschlossen. Der Kanzleileiter leitete das E-Mail anschließend an die mit dem Fall betraute Rechtsanwaltsanwärterin sowie an deren Assistentin weiter.

Die Assistentin trug den Verhandlungstermin in den Verhandlungskalender ein, vergaß aber, die Frist für die Erhebung des Vorlagenantrages in das Fristenbuch einzutragen. Im Anschluss daran legte sie der Rechtsanwaltsanwärterin – wie in der Kanzleiordnung vorgesehen – die Ladung und die beschwerdegegenständliche Beschwerdevorentscheidung in ausgedruckter Form vor.

Noch am selben Tag überprüfte die Rechtsanwaltsanwärterin die Fristeneintragung durch ihre Assistentin, vergaß dabei aber, die Eintragung der Frist für die Erhebung des Vorlagenantrages zu kontrollieren.

Am 06.02.2017 stellte die Rechtsanwaltsanwärterin bei Durchsicht des Aktes fest, dass gegen die mit 11.01.2017 datierte Beschwerdevorentscheidung kein Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht erstattet wurde.

Dabei handelt es sich um das erstmalige Versehen der Rechtsanwaltsanwärter, das zu einer Fristversäumnis geführt hat.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Sachverhalt steht auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest und wird durch die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Urkunden, deren Inhalt seitens der belangten Behörde unbestritten blieb, bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

Im vorliegenden Fall stellt die Frage der Versicherungspflicht eine Vorfrage dar und liegt somit eine Angelegenheit vor, die auf Antrag eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter begründet. Mangels Stellung eines entsprechenden Antrages hat die Entscheidung jedoch mittels Einzelrichter zu erfolgen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu I.) Bewilligung der Wiedereinsetzung

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gemäß § 71 Abs. 2 leg.cit. muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages im gegenständlichen Fall damit, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, für den ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab gelte, seinen Überwachungspflichten gegenüber der mit der Kontrolle der Fristeintragung betrauten Rechtsanwaltsanwärterin nicht ausreichend nachgekommen sei und die Fristversäumung im vorliegenden Fall daher keinen minderen Grad des Versehens darstelle.

Nach der Judikatur des VwGH muss ein Rechtsanwalt nicht jede Frist selbst vermerken, sondern er kann sich hierfür eines Mitarbeiters bedienen. Auch eine Überwachung des mit der Führung des Fristenkalenders betrauten Mitarbeiters "auf Schritt und Tritt" ist nicht erforderlich (VwGH 29.04.2005, 2005/05/0100; 08.11.2005, 2005/17/0200; 19.04.2007, 2007/09/0019).

Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass der Parteienvertreter auch bei Einsatz eines Kanzleimitarbeiters Maßnahmen vorzusehen hat, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen. Von der Rechtsprechung wird jedoch anerkannt, dass dieser Verpflichtung dadurch entsprochen werden kann, dass der Parteienvertreter einen geschulten und verlässlichen Kanzleiangestellten mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut (vgl. VwGH 16.12.2004, 2004/16/0198).

Das Frist- und Kontrollsystem der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers ist derart gestaltet, dass Fristen und deren korrekte Erfassung im Fristenbuch durch eine Kanzleimitarbeiterin von einem Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter kontrolliert werden. Ausgehend von der unbestrittenen Verlässlichkeit der im gegenständlichen Fall mit der Kontrolle der Fristeintragung betrauten Rechtsanwaltsanwärterin ist daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde im Lichte der o.a. Judikatur des VwGH von der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems auszugehen, das nach dem "Vier-Augen-Prinzip" Fehler weitestgehend auszuschließen vermag, sodass der Rechtsvertreter seinen Überwachungspflichten nachgekommen und im gegenständlichen Fall daher nur von einem minderen Grad des Versehens auszugehen ist.

Der Fehler wurde den Feststellungen zufolge am 06.02.2017 bemerkt und die Wiedereinsetzung am 14.02.2017 – somit innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 71 Abs. 2 AVG – beantragt.

Da mit der Versäumung der Frist für die beschwerdeführende Partei zweifelsfrei ein Rechtsnachteil verbunden ist, liegen alle Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung vor und ist diese im vorliegenden Fall daher zu bewilligen.

Zu I.) Vorschreibung eines Beitragszuschlages

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder

4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a (Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben) aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf € 500,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf € 800,00. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 400,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Im vorliegenden Fall ist als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und der Beschwerdeführer als Dienstgeber verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Als Dienstgeber im Sinne des ASVG gilt gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgeltes verweist.

Für die Dienstgebereigenschaft ist wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen Gesichtspunkten) aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im gesamten unmittelbar trifft (vgl. z.B. VwGH 2007/08/0240, ZAS 2009/40, 76 = ARD 5928/7/2009).

Der Betrieb ist im gegenständlichen Fall in der Führung der Baustelle und nicht – wie die belangte Behörde behauptet – darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer Eigentümer des Hauses ist, an dem die hier zu Rede stehenden Arbeiten durchgeführt wurden (vgl. VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024).

Für die Beurteilung, auf wessen Gefahr und Rechnung die Baustelle geführt wurde, ist entscheidend, wem das Risiko unvorhersehbarer Verzögerungen und damit höherer Baukosten getroffen hätte (vgl. VwGH 13.11.2013, 2008/08/0165).

Der Beschwerdeführer hat den Feststellungen zufolge mit seinem Auftragnehmer ein umfassendes Pauschalhonorar vereinbart, wodurch allfällige Verzögerungen ausschließlich zu Lasten seines Auftragnehmers gegangen wären. Demensprechend ist davon auszugehen, dass die Baustelle auf Rechnung und Gefahr des vom Beschwerdeführer beauftragten Unternehmens geführt wurde.

Anhaltspunkte, dass es sich bei dem beauftragten Unternehmen um eine nicht existente "Scheinfirma" gehandelt hat, liegen nach der Aktenlage nicht vor. Das beauftragte Unternehmen scheint seit 1990 im slowenischen Firmenregister auf und verfügt über eine aufrechte Gewerbeberechtigung. Aus dem Umstand, dass es der belangten Behörde nicht gelungen ist, mit den Verantwortlichen des Unternehmens Kontakt aufzunehmen, kann nicht geschlossen werden, dass das Unternehmen keine Geschäftstätigkeit ausübt und nur zur Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen zwischengeschaltet wurde.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der im Firmenregister aufscheinende Geschäftsführer des beauftragten Unternehmens über eine Zustelladresse in Deutschland verfügt, wohin ihm gemäß Art. 10 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, behördliche Schriftstücke rechtswirksam zugestellt werden können.

Dass die betretenen Arbeiter vor der Kontrolle mit einem gefälschten Firmenstempel bei der WGKK angemeldet wurden, deutet zwar darauf hin, dass es sich bei den Arbeitern nicht um Dienstnehmer des beauftragten Unternehmens gehandelt hat. Dieser Umstand hat aber nicht zwingend zur Folge, dass der Beschwerdeführer als Dienstgeber anzusehen wäre, da nach der Aktenlage auch eine Auftragsweitergabe an ein Subunternehmen, das in der Folge die gefälschten Anmeldungen erstattet hat, oder die Anmeldung durch die beauftragte Firma selbst, um Beiträge zur (slowenischen) Sozialversicherung zu vermeiden, naheliegender wäre, zumal alle betretenen Arbeitnehmer in den Erhebungsbögen der Finanzpolizei den Geschäftsführer des beauftragten Unternehmens als jene Person angegeben haben, von der sie Arbeitsanweisungen erhalten haben.

Mangels Vorliegens ausreichender Indizien, die für die Dienstgebereigenschaft sprechen, ist – in Übereinstimmung mit dem o. a. Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich – der Beschwerdeführer daher nicht als Dienstgeber anzusehen und traf ihn daher auch nicht die Verpflichtung, die betretenen Arbeiter vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, weswegen die Vorschreibung des gegenständlichen Beitragszuschlages zu Unrecht erfolgte und die Beschwerdevorentscheidung, mit der die Vorschreibung bestätigt wurde, ersatzlos zu beheben ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid (hier: die Beschwerdevorentscheidung vom 11.01.2017) aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragszuschlag, Dienstgebereigenschaft, Kontrollsystem, minderer
Grad eines Versehens, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W209.2153462.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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