TE OGH 2017/9/20 3Ob153/17x

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Veröffentlicht am 20.09.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen M*****, geboren am ***** 2015, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter J*****, vertreten durch Dr. Christian Wolf, Rechtsanwalt in Graz, dieser vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 19. Juni 2017, GZ 2 R 120/17g, 121/17d-55, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl, das dem Elternrecht vorgeht (RIS-Justiz

RS0118080 [T3]), maßgebend; dabei darf nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden, vielmehr sind auch Zukunftsprognosen zu stellen (RIS-Justiz

RS0048632). Um dem Grundsatz der Familienautonomie zu entsprechen, soll den Familienmitgliedern die Obsorge solange gewahrt bleiben, als sich das mit dem Kindeswohl verträgt. Eine Beschränkung oder Übertragung der Obsorge darf nur das letzte Mittel sein und nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Abwendung einer drohenden Gefährdung des Kindeswohls notwendig ist (RIS-Justiz

RS0048712 [T1, T8, T10]).

2. Der Begriff Gefährdung des Kindeswohls ist allerdings nicht geradezu als Missbrauch der elterlichen Befugnisse zu verstehen. Es genügt, dass die elterlichen Pflichten (objektiv) nicht erfüllt oder (subjektiv) gröblich vernachlässigt worden sind oder die Eltern durch ihr Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährden (RIS-Justiz

RS0048633 [T3]). Dazu gehört auch das Nichtbewältigen von Erziehungsaufgaben (RIS-Justiz RS0048633 [T18]), ohne dass ein subjektives Schuldelement hinzutreten muss (RIS-Justiz RS0048633 [T19]).

3. Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung nach § 181 ABGB erfüllt sind und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf, wenn dabei ausreichend auf das Kindeswohl Bedacht genommen wurde (RIS-Justiz

RS0007101 [T21]).

4. Dass die Vorinstanzen eine Übertragung der Obsorge für die Minderjährige auf den Kinder- und Jugendhilfeträger für notwendig erachteten, ist nicht zu beanstanden: Die Mutter ist (wie der Vater) aufgrund einer psychischen Erkrankung unfähig, sich ausreichend um die nicht einmal zwei Jahre alte Minderjährige zu kümmern, weshalb diese unzureichend ernährt ist, also bereits Entwicklungsdefizite im körperlichen, aber auch im intellektuellen und sozialen Bereich aufweist. Ob die Erkrankung der Mutter behandelbar ist (bzw wäre), kann nichts daran ändern, dass das Verhalten der Mutter das Kindeswohl gefährdet.

Auch die von der Mutter hilfsweise angestrebte Übertragung der Obsorge an die mütterliche Großmutter, in deren Haushalt die Mutter mit der Minderjährigen seit einiger Zeit lebt, entspräche nicht dem Kindeswohl, weil die Minderjährige dann faktisch weiterhin von der Mutter (mangelhaft) betreut würde und darüber hinaus noch das festgestellte hohe Konfliktpotential zwischen der Mutter und der Großmutter zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde.

Textnummer

E119821

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00153.17X.0920.000

Im RIS seit

16.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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