TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/25 LVwG-302-3/2017-R1

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

VwGVG 2014 §7 Abs3
AVG §18 Abs4
AVG §58 Abs3
AVG §42 Abs1
AVG §41 Abs1
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 lite
RPG Vlbg 1996 §28 Abs3 litl

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Nikolaus Brandtner über die Beschwerde des 1. Dr. E D, der 2. M D, der 3. B H, des 4. T H, der 5. R M, der 6. B S, des 7. O S und des 8. H S, alle L, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde L vom 06.04.2017,

I. zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. den Beschluss gefasst:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Antrag auf Aufhebung aller erteilten Ausnahmebewilligungen als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Mit Bescheid des Vizebürgermeisters der Gemeinde L vom 07.02.2017 wurde der Antragstellerin, der Architektur H GmbH, die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf GST-NR XXX, KG L, unter Auflagen erteilt.

Mit angefochtenem Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführer aufgrund des Beschlusses der Berufungskommission L vom 04.04.2017 als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Vizebürgermeisters bestätigt.

2.   Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringen sie im Wesentlichen vor, dass formale und inhaltliche Fehler, sowie Verfahrensfehler vorliegen würden. Sowohl der erst- als auch der zweitinstanzliche Bescheid würden nicht den Erfordernissen des § 18 Abs 4 AVG entsprechen. Beide Bescheide, die als Kopie übermittelt worden seien, hätten eine Fertigungsklausel enthalten müssen. Auf den Bescheiden sei nur eine eingescannte Unterschrift vorhanden. In der Kundmachung der mündlichen Verhandlung seien sie über die Nachbarrechte falsch bzw unzureichend informiert worden. Über ihr Nachbarrecht nach § 26 Abs 1 lit e Baugesetz, dass der Nachbar das Recht habe, durch Einwendungen die Einhaltung der Festlegung des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerkes geltend zu machen, seien sie nicht informiert worden. Dies sei ein schwerwiegender Verfahrensfehler. Ein Servitutsberechtigter sei nicht zur Verhandlung geladen worden. Zu den neuen „Projektunterlagen“ vom 07.02.2017 sei ihnen kein rechtliches Gehör gewährt worden. Die in diesen Unterlagen vorgesehene Retentionsanlage ohne zusätzliche Entwässerung habe bei den Nachbarn Besorgnis hervorgerufen, dass es durch diese Anlage zu Auswirkungen auf ihre Grundstücke komme. Es liege eine Einwendung iSd § 26 Abs 1 lit a Baugesetz vor. Es sei nicht nachvollziehbar, warum keine Auflage im Bescheid erteilt worden sei, dass ein befugter, unabhängiger Geologe eine Befundaufnahme vor Ort durchführe. Dies sei bei vergleichbaren Bauprojekten auf Nachbargrundstücken als Auflage vorgeschrieben worden. Es werde der Gleichheitsgrundsatz missachtet, nämlich ähnliche Sachverhalte ähnlich zu behandeln.

Ihnen sei im Verfahren zur Erteilung der Ausnahmebewilligung vom Bebauungsplan nach § 35 RPG kein rechtliches Gehör gewährt worden, obwohl im Gesetz ausdrücklich geregelt sei, dass die Nachbarn zu hören seien. Für beide Ausnahmebewilligungen sei die Gemeindevertretung und nicht der Gemeindevorstand zuständig. Es hätten sich hinsichtlich der Frage, ob eine Hanglage vorliege oder nicht, zahlreiche Fragen ergeben, die näher ausgeführt werden würden. Die Nachbarn, die zwar kein Mitspracherecht im Verfahren betreffend die Erteilung der Ausnahmebewilligung haben würden, hätten aber jedenfalls das Recht auf Einhaltung der zwingenden Verfahrensvorschriften. Die erteilte Baubewilligung beruhe auf drei nichtigen Ausnahmebewilligungen.

Das Gleichheitsgebot sei missachtet worden. In einem anderen durchaus vergleichbaren Verfahren, dass keine hundert Meter Luftlinie entfernt sei, seien die Interessen der Nachbarn berücksichtigt worden.

Die Bürgermeisterin sei im gesamten Bauverfahren befangen gewesen. Sie sei die Cousine des Alleingesellschafters und Geschäftsführers der Antragstellerin. Die Bürgermeisterin habe trotz ihrer Befangenheit Verfahrenshandlungen gesetzt und die wesentliche Ermittlung des Sachverhaltes vorgenommen bzw vorangetrieben und auch ungebührlichen Einfluss auf andere in der Sache entscheidende Organe genommen. Es seien im Verfahren betreffend die Erteilung der Ausnahmegenehmigung vom Bebauungsplan viele Fehler gemacht worden. Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung sei von der Gemeindevertretung erst versagt worden und einen Monat nach dieser Abstimmung habe eine neuerliche Abstimmung stattgefunden, in der diese dann erteilt worden sei. Die Bürgermeisterin habe eigenmächtig und entscheidend in das Bauverfahren eingegriffen. Es hätten zahlreich – näher beschriebene – bedenkliche Vorgänge stattgefunden. Die Berufungskommission sei befangen. Sie sei erst einen Tag vor der gegenständlichen Entscheidung um- und nachbesetzt worden.

Im erstinstanzlichen Bescheid sei zu Unrecht die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen worden. Dies sei rechtswidrig.

Von den Organen der Gemeinde solle eigentlich erwartet werden können, dass sie sich beim Abwägung der Interessen im gegenständlichen Fall der im § 3 RPG gewünschten möglichsten Schonung des Privateigentums eher verpflichtet fühlen als der Profitmaximierung der rein privaten Bauträgerschaft.

Die Kubatur und vor allem die Höhe des geplanten Gebäudes seien zur Fläche des zu bebauenden Grundstückes nicht verhältnismäßig. Die erteilten baugestalterischen Auflagen seien „Alibi-Auflagen“. Sie seien unrealistisch und sei kein Ersatz von Nadelbäumen notwendig, weil auf dem Grundstück kein einziger Nadelbaum stehen würde. Dies sei ein weiterer Hinweis darauf, wie schlampig die Baubehörde gearbeitet habe und mit wie vielen Mängeln das Bauverfahren behaftet sei. Es sei Aufgabe der Organe der Gemeinde für ein mit der Umgebung verträgliches Projekt zu sorgen.

Es könnte auch sein, dass es „inoffizielle“ Gründe für dieses überfallsartige, vom zeitlichen Ablauf undurchschaubare, intransparente, von diversen Mängeln behaftete Bauverfahren geben könnte. Aus ihrer Sicht könne im Hintergrund tatsächlich ein politisches Kalkül eine Rolle gespielt haben, das dazu geführt habe, eine auf Gemeinde-Ebene bereits gefällte Sachentscheidung in eine andere Richtung zu „drehen“. Einerseits verstärke sich immer mehr die Vermutung bzw der Eindruck, dass die Antragstellerin auf der Grundlage der Ausnahmebewilligung des unzuständigen Gemeindevorstandes das Bauprojekt mit großer Intensität vorangetrieben habe, im Vertrauen darauf, dass die Gemeindepolitik schon die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung schaffen werde. Die Organe der Gemeinde hätten unter dem entstandenen Zeitdruck und unter der Führung der befangenen Bürgermeisterin versucht, die ursprünglich fehlerhaft zustande gekommene Ausnahmebewilligung nachträglich zu sanieren. Aufgrund der bereits in beträchtlichem Ausmaß entstandenen Kosten auf Seiten der Antragsteller könne sich die Gemeinde Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt gesehen haben. Anderseits könne auch ein anderer inoffizieller Grund eine Rolle spielen. Der derzeitige Eigentümer der Liegenschaft, der mit der Antragstellerin einen Optionsvertrag hinsichtlich des betroffenen Grundstückes abgeschlossen habe, habe in einem Gewerbegebiet ein weiteres Grundstück, das für die Weiterentwicklung des Gewerbegebietes aus Sicht der Gemeinde von Bedeutung sein könne.

Es werde beantragt, dass alle erteilten Ausnahmebewilligungen aufgehoben werden und dass der Baubewilligungsbescheid und die bekämpfte Entscheidung aufgehoben werde.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest (alle GST-NR betreffend die KG L):

3.1. Mit Bescheid des Vizebürgermeisters der Gemeinde L vom 07.02.2017 wurde der Architektur H GmbH (im Folgenden Antragstellerin) gemäß § 35 Raumplanungsgesetz entsprechend deren Antrag vom 20.09.2016 und den Planunterlagen vom 07.02.2017 für den Bau einer Wohnanlage auf der Liegenschaft GST-NR XXX, die Ausnahme vom rechtsgültigen Bebauungsplan bezüglich der Anzahl der Geschosse von 2,5 auf 3,5 und betreffend der Baunutzungszahl von 40% auf 60,74% erteilt. Dem Bescheid liegt ein Beschluss des Gemeindevorstandes vom 20.09.2016 betreffend die Geschosszahl und ein Beschluss der Gemeindevertretung vom 06.02.2017 betreffend die Baunutzungszahl zugrunde. Dieser Bescheid ist rechtskräftig. In diesem Verfahren wurden die Beschwerdeführer nicht angehört. Die Bürgermeisterin der Gemeinde L hat weder bei der Beschlussfassung am 20.09.2016, noch bei der Beschlussfassung vom 06.02.2017 mitgewirkt.

3.2. S K ist Alleineigentümer der Liegenschaft GST-NR XXX, auf der das gegenständliche Bauvorhaben errichtet werden soll. Er hat dem Bauantrag zugestimmt. Der Erstbeschwerdeführer ist zu ¾- Anteilen Eigentümer der Liegenschaft GST-NR YYY und zur Hälfte Eigentümer der GST-NRN VVV und WWW. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft GST-NR UUU und zur Hälfte Eigentümerin der GST-NRN VVV und WWW. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft GST-NR TTT. Die Fünftbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft GST-NR SSS und zu 2/9- Anteilen Eigentümerin des GST-NR RRR. Die Sechstbeschwerdeführerin und der Siebtbeschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft GST-NR PPP. Der Achtbeschwerdeführer ist Alleineigentümer der Liegenschaft GST-NR OOO.

Unmittelbar an das betroffene Grundstück grenzen lediglich die GST-NRN NNN und UUU an.

3.3. Mit Eingabe vom 20.09.2016, abgeändert mit Eingabe vom 07.02.2017 hat die Antragstellerin um die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit sieben Wohneinheiten und einer Tiefgarage auf GST-NR XXX, angesucht. Dieses Grundstück ist im Flächenwidmungsplan teilweise als Baufläche-Wohngebiet und teilweise als Freifläche Sondergebiet Ausflugsgasthof ausgewiesen. Die vom Bauvorhaben direkt betroffene Fläche ist als Baufläche-Wohngebiet ausgewiesen. Die Wohnanlage inklusive Garage verfügt über 3,5 Geschosse. Die Traufenhöhe beträgt 9,43 m und die Firsthöhe 14,03 m.

Der sonstige Sachverhalt ergibt sich aus den Planunterlagen vom 20.09.2016 und 07.02.2017. Die Projektunterlagen vom 20.09.2016 wurden aufgrund der Ergebnisse des Bauausschuss und der Gemeindevertretung überarbeitet. Insbesondere wurde das gesamte Gebäude 20 cm tiefer ins Erdreich gelegt und die Raumhöhe im EG und OG um je 20 cm verringert. Hinsichtlich der Entwässerung wurde von der Antragstellerin ein Entwässerungsplan der Ziviltechniker R + G vom November 2016 vorgelegt.

3.4. Die mündliche Bauverhandlung hat am 24.10.2016 auf Basis der Projektunterlagen vom 20.09.2016 stattgefunden. Sämtliche Beschwerdeführer wurden zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen. In der Kundmachung zur Bauverhandlung vom 05.10.2016 wurde auf die Einwendungsmöglichkeiten der Nachbarn gemäß § 26 Abs 1 lit a bis c BauG ausdrücklich hingewiesen. Die Einwendungsmöglichkeiten der Nachbarn gemäß § 26 Abs 1 lit d und e BauG wurde in der Kundmachung nicht erwähnt. Auf die Präklusionsfolgen wurde in der Kundmachung ordnungsgemäß hingewiesen. Verhandlungsleiterin der mündlichen Bauverhandlung war die Bürgermeisterin der Gemeinde L. Sie ist die Cousine des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Antragstellerin.

Der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid wurde vom Vizebürgermeister der Gemeinde L erlassen.

3.5. Mit Schreiben vom 07.06.2017 hat der Landesvolksanwalt die Bezirkshauptmannschaft B als Aufsichtsbehörde aufgefordert, zu überprüfen, ob der Bescheid nach § 35 Abs 2 RPG (Ausnahme vom Bebauungsplan) nichtig ist, weil die Nachbarn in diesem Verfahren nicht gehört worden seien. Daraufhin hat die Bezirkshauptmannschaft B ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft B vom 26.09.2017, welches nachrichtlich an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg übermittelt wurde, wurde mitgeteilt, dass der Bescheid vom 07.02.2017, mit welchem gemäß § 35 Abs 2 RPG eine Ausnahme vom Gesamtbebauungsplan sowie vom Bebauungsplan O für die Errichtung einer Wohnanlage auf GST-NR XXX, GB L erteilt wurde, nicht an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide.

4.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Aktenlage als erwiesen angenommen. Dieser Sachverhalt ist soweit unstrittig.

Die Feststellungen zu den Ausnahmegenehmigungen vom geltenden Bebauungsplan ergeben sich aus dem Bescheid vom 07.02.2017 ausgefertigt vom Vizebürgermeister der Gemeinde L. Die Eigentumsverhältnisse der einzelnen Grundstücke ergeben sich aus dem Grundbuch.

5.1. Sofern die Beschwerdeführer Vorbringen betreffend den Bescheid des Vizebürgermeisters gemäß § 35 Raumplanungsgesetz vom 07.02.2017 (Ausnahmen vom Bebauungsplan betreffend die Höchstgeschosszahl von 2,5 auf 3,5 Geschosse und dem Maß der baulichen Nutzung von BNZ 40 auf BNZ 60,74) erstatten, ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen (vgl VwGH 24.04.2015, 2011/17/0244). Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl VwGH 19.01.2016, Ra 2015/01/0070).

Die Änderung vom Bebauungsplan wurde rechtskräftig erteilt. Diese Entscheidung entfaltet daher Bindungswirkung. In diesem Verfahren ist nicht zu prüfen, ob diese rechtskräftige Entscheidung rechtswidrig ergangen ist. Auf das umfangreiche Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Erteilung der Ausnahme vom Bebauungsplan ist daher nicht weiter einzugehen. Auch die insbesondere auf Seite neun der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu beantworten. Vielmehr ist dieser Bescheid dieser Entscheidung zugrunde zu legen.

Die Bezirkshauptmannschaft B hat als Aufsichtsbehörde ein Prüfverfahren hinsichtlich des genannten Bescheides eingeleitet. In diesem Verfahren kam die Behörde zum Schluss, dass dieser Bescheid nicht an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass den Nachbarn kein Mitspracherecht in Fragen betreffend die Rechtmäßigkeit einer Ausnahmebewilligung nach § 35 Abs 2 RPG zukommt (vgl etwa VwGH 23.09.2010, 2010/06/0164).

Die Beschwerdeführer führen in der Beschwerde zu dieser Thematik weiters aus, dass für beide Ausnahmen vom Bebauungsplan, die gemäß § 35 RPG gewährt wurden, ausschließlich die Gemeindevertretung und nicht der Gemeindevorstand zuständig sei. Mangels Mitspracherecht der Beschwerdeführer im Verfahren nach § 35 RPG ist auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen. Anzumerken ist jedoch, dass die Zuständigkeiten in § 35 Abs 3 RPG geregelt sind und es durchaus sein kann, dass in einem Verfahren, in welchem mehrere Ausnahmen vom Bebauungsplan bewilligt werden, unterschiedliche Zuständigkeiten bestehen.

Auch das Vorbringen, dass im Verfahren das Gleichheitsgebot missachtet worden sei, bezieht sich nicht auf das Bauverfahren, das Gegenstand dieses Verfahrens ist, sondern das Verfahren betreffend die Ausnahmebewilligung nach § 35 RPG. Es ist daher auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen.

Auf sämtliches weitere Vorbringen, dass sich auf das Verfahren nach § 35 RPG bezieht ist aus diesen Gründen in diesem Verfahren nicht näher einzugehen. Gegenstand dieses Verfahren ist nur das Verfahren betreffend die Erteilung der Baubewilligung nach dem Baugesetz.

Unter Spruchpunkt II. war daher der Antrag auf Aufhebung der Ausnahmebewilligungen vom Bebauungsplan als unzulässig zurückzuweisen. Dieses Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

5.2. Die Beschwerdeführer wenden ein, dass weder der Bescheid vom 07.02.2017, noch der Bescheid vom 06.04.2017 den Erfordernissen des § 18 Abs 4 AVG entsprechen würde. Es läge ein formaler Fehler vor, weil die Unterschrift auf den Bescheid nur eine Kopie oder einen Ausdruck darstelle. Richtigerweise hätten die Bescheide eine Fertigungsklausel enthalten müssen.

Nach § 58 Abs 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Darüber hinaus sind Bescheide nach Abs 2 leg cit zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Im Übrigen gilt nach Abs 3 leg cit auch für Bescheide § 18 Abs 4 AVG. Infolge dieses Verweises haben schriftliche Ausfertigungen von Bescheiden überdies die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen von Bescheiden sind darüber hinaus entweder mit einer Amtssignatur zu versehen, seitens des Genehmigenden zu unterschreiben oder von der Kanzlei beglaubigen zu lassen.

In Anbetracht dieser Inhalts- und Formerfordernisse von Bescheiden stellt sich im Einzelfall stets die Frage, welche Konsequenzen aus einem Fehlen der genannten Kriterien zu ziehen sind. Im öffentlichen Recht wird in diesem Zusammenhang vom Fehlerkalkül die entscheidende Grenze zwischen normativ wirksamem Rechtsakt und rechtlich unwirksamem Akt gezogen. Während ein wesentlicher Fehler zur absoluten Nichtigkeit führt und damit bewirkt, dass ein Bescheid überhaupt nicht vorliegt und als solcher daher auch nicht überprüft werden kann, führen alle unterhalb dieser Grenze gelegenen Fehler im Rahmen des Fehlerkalküls zur Existenz eines rechtswidrigen Bescheides (vgl VwGH 29.06.2000, 97/07/0160).

Der bekämpfte Bescheid wurde vom Vizebürgermeister unterfertigt. Eine elektronische Signatur liegt nicht vor. Der Bescheid wurde zweifach im Original unterfertigt. Eine originale Ausfertigung liegt im Behördenakt, die andere originale Ausfertigung wurde an den Antragsteller übermittelt. In einem Mehrparteienverfahren erlangt ein Bescheid bereits dadurch rechtliche Existenz, dass er wenigstens einer Partei gegenüber „ordnungsgemäß“ iSd § 62 AVG (VwGH 03.07.1990, 90/08/0035) erlassen wurde. Da dem Antragssteller ein Bescheid mit einer originalen Unterschrift übermittelt wurde, erlangte der bekämpfte Bescheid rechtliche Existenz. Die Versendung des Bescheides mit einer kopierten Unterschrift an die anderen Parteien im Verfahren ist nicht relevant. Aus diesem Grund liegt ein Bescheid iSd AVG vor, der von den Beschwerdeführern bekämpft werden kann, auch wenn ihnen gegenüber ein Bescheid ohne Originalunterschrift und somit keine korrekte Ausfertigung eines Bescheides iSd § 18 Abs 4 AVG erlassen worden sein sollte (vgl auch § 7 Abs 3 VwGVG).

5.3. Die Beschwerdeführer haben mehrere Verfahrensfehler geltend gemacht. Dazu wird wie folgt ausgeführt:

5.3.1. Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass sie falsch bzw unvollständig über ihre Nachbarrechte in der Kundmachung informiert worden seien. Es läge eine Verletzung der Manuduktionspflicht unvertretener Parteien vor. Richtig ist, dass in der Kundmachung nicht auf § 26 Abs 1 lit e BauG hingewiesen worden ist.

Für die Kundmachung und die Präklusion sind folgende Normen maßgeblich:

§ 42 Abs 1 AVG: „Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.“

§ 41 Abs 2 AVG: „Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.“

Es ist nicht vorgesehen, dass die Parteien in der Ladung auf ihre Rechte hingewiesen werden, die ihnen nach dem betreffenden Materiengesetz – hier Rechte der Nachbarn nach dem Baugesetz – zustehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 18.12.2003, 2001/06/0032) zum Begriff der „Einwendung“ gemäß § 42 Abs 1 AVG muss auch eine rechtsunkundige Person, die zu einer mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG geladen wird, in der Lage sein, bei der Bauverhandlung eindeutig darzulegen, in welchen Punkten sie ein Bauvorhaben bekämpft. Im Übrigen steht es dem Nachbarn frei, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen (VwGH 26.11.1991, 91/05/0142) und sind die Gründe, aus denen keine Einwendung gegen ein Bauvorhaben erhoben wurden, rechtlich unerheblich (VwGH 06.12.1990, 89/06/0058). Ergeht an die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens eine rechtzeitige Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen, so besteht in Ansehung der Erhebung von Einwendungen keine weitere Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG, die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG geht nicht so weit, dass eine unter Hinweis auf die Folgen gemäß § 42 Abs 1 AVG zu einer mündlichen Verhandlung geladene Partei vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müsste (VwGH 30.05.1996, 93/06/0155).

Alle Beschwerdeführer wurden ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und es wurde in der Kundmachung auf die Präklusionsfolgen hingewiesen. Die Beschwerdeführer hätten sich vor der Verhandlung über ihre Rechte informieren müssen. Sämtliche Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung eingewendet, dass das Gebäude zu hoch sei. Die ersten vier Beschwerdeführer haben darüber hinaus eingewendet, dass sie darauf hinweisen würden, dass die Ableitung der Tagwässer schadlos zu erfolgen habe und ihre nördlich des Bauvorhabens befindlichen Liegenschaften keine nachteiligen Auswirkungen dadurch haben dürften. Auf die fristgerecht erhobenen Einwendungen wird später eingegangen.

Hinsichtlich der Kundmachung liegt kein Verfahrensmangel vor.

Die Beschwerdeführer bringen vor, dass ein Serviututsberechtigter nicht persönlich geladen worden sei. Auf dieses Vorbringen ist nicht näher einzugehen, weil einem Servitutsberechtigten im Bauverfahren keine Parteistellung zukommt (vgl § 2 Abs 1 lit k BauG).

5.3.2. Die Beschwerdeführer bringen vor, dass ihnen zu den Projektunterlagen vom 07.02.2017 kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Durch die in diesen Unterlagen neu vorgesehene „Retentionsanlage“ fürchten sie Einwirkungen auf ihre Grundstücke. Aufgrund jahrzehntelanger Beobachtungen bei „Starkregen-Ereignissen“ hätten sie feststellen müssen, dass es schon bisher bei „mittleren“ Regenereignissen zu Wassereintritten gekommen sei und eine Hangrutschung nur wenige Meter vor einem Haus zum Stillstand gekommen sei. Es entstünden durch das Projekt „versiegelte“ Flächen, auf denen keine Tagwässer versickern würden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum keine Auflage erteilt worden sei, dass von einem Geologen vorab zu prüfen sei, ob die anfallenden Tagwässer an Ort und Stelle versickert werden können. In dem vielfach erwähnten Bauverfahren betreffend eine Wohnanlage in unmittelbarer Nähe sei diese Auflage vorgeschrieben worden. Es werde wiederum gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Hinsichtlich der nach § 4 Abs 2 BauG gebotenen Beseitigung des Abwassers und Oberflächenwassers hat der Nachbar mittelbar ein Mitspracherecht über den Verweis auf § 4 Abs 4 BauG (vgl Germann/Fend, Baugesetz3, 47f).

Bei nicht ausreichender Gewährung von Parteiengehör durch eine Behörde einer unteren Stufe kann dieser Mangel hingegen noch durch die Erhebung eines Rechtsmittels geheilt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Verfahrensfehler insbesondere durch die mit der Berufung verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden (VwGH 27.02.2003, 2000/18/0040). Eine solche Heilung setzt voraus, dass in der Begründung des unterinstanzlichen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben (vgl VwGH 06.11.2003, 2000/07/0234), also der Partei dadurch die gleiche Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft wird, die ihr eigentlich im Rahmen des Parteiengehörs zu vermitteln gewesen wäre (VwGH 25.03.2004, 2003/07/0062).

Durch den erstinstanzlichen Bescheid haben die Beschwerdeführer Kenntnis über die Planänderung hinsichtlich der Retentionsanlage erlangt. Die Beschwerdeführer hatten die Möglichkeit in der Berufung dazu Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit haben sie Gebrauch gemacht. Dadurch ist ein allfälliger Verfahrensmangel geheilt.

Die Rechtsfolge der Präklusion nach § 42 AVG bezieht sich grundsätzlich nur auf jenes Vorhaben, welches Gegenstand der Kundmachung bzw der Verständigung von der Bauverhandlung war. Eine nach der Verhandlung vorgenommene Projektänderung ermöglicht neue Einwendungen aber nicht in den Bereichen, in denen das bisherige Projekt überhaupt nicht geändert worden ist. Bei einer Einschränkung des Vorhabens oder bei Projektänderungen ausschließlich im Interesse des Nachbarn oder bei solchen Änderungen des Gegenstandes, bei welchen eine Berührung subjektivöffentlicher Rechte des Nachbarn von vornherein ausgeschlossen ist bzw eine Verbesserung der Nachbarstellung offenkundig eintritt, ist eine bereits früher eingetretene Präklusion weiter als gegeben anzunehmen (VwGH 29.09.2016, 2013/05/0193).

Ursprünglich war geplant, dass die Regenwasserableitung in eine vorhandene private Leitung erfolgt. Weil mit dem privaten Leitungsbetreiber keine zivilrechtliche Vereinbarung getroffen werden konnte, mussten die Pläne diesbezüglich geändert werden, was erst nach Durchführung der mündlichen Verhandlung geschehen ist. Zu dieser Änderung in den Plänen wurde den Nachbarn kein Gehör gewehrt. Eine Präklusion konnte daher hinsichtlich der Einwendungen gegen die geänderten Pläne nicht eintreten.

Auf die Einwendung selbst wird unter Punkt 5.4. eingegangen.

5.3.3. Die Beschwerdeführer bringen vor, dass die Bürgermeisterin befangen sei und deshalb am gesamten Verfahren nicht hätte mitwirken dürfen.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§ 36a) oder einer ihrer Pflegebefohlenen beteiligt sind.

Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragstellerin ist der Cousin der Bürgermeisterin. Ein Cousin ist als Verwandter iSd § 36a Abs 1 Z 2 AVG anzusehen. Die Bürgermeisterin hat sich in diesem Bauverfahren selbst für befangen erklärt. Sie hat an keiner Abstimmung teilgenommen und den erstinstanzlichen Bescheid nicht erlassen. Richtig ist, dass die Bürgermeisterin die Amtsleiterin der mündlichen Bauverhandlung war. Aufgrund ihrer Befangenheit hätte sie die mündliche Bauverhandlung nicht als Verhandlungsleiterin abhalten dürfen.

Setzt ein befangenes Organ entgegen § 7 AVG eine Amtshandlung, so ist diese objektiv rechtswidrig. Die Mitwirkung eines befangenen Organs bildet aber weder einen Nichtigkeitsgrund (VwSlg 4942 A/1959; 8644 A/1974) noch einen Unzuständigkeitsgrund, sondern lediglich einen Verfahrensmangel (VwGH 18.03.2013, 2011/05/0010). Dieser Mangel kann mit dem jeweils gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid vorgesehenen Rechtsmittel geltend gemacht werden, dies allerdings nur dann mit Erfolg, wenn Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit des Bescheides bestehen (vgl dazu VwGH 26.02.2010, 2009/02/0297).

Hat ein befangener Organwalter an der Erlassung des unterinstanzlichen Bescheides mitgewirkt, dann wird dieser Mangel schon durch die – ausreichend begründete (vgl VwSlg 7872 A/1970) – Sachentscheidung der unbefangenen Berufungsbehörde saniert (vgl VwGH 18.06.2013, 2013/10).

Die Bürgermeisterin der Gemeinde L hat nicht bei der Erlassung des Bescheides selbst mitgewirkt, sondern eine Amtshandlung getätigt, in dem sie die mündliche Bauverhandlung geleitet hat. Bereits durch die Sachentscheidung der unbefangenen Berufungskommission wurde dieser Verfahrensmangel geheilt. Darüber hinaus besteht im Landesverwaltungsgericht eine weitere unbefangene Instanz, die in dieser Angelegenheit eine Sachentscheidung zu treffen hat. Dadurch wird ein allfälliger Verfahrensmangel geheilt. Im Übrigen haben die Beschwerdeführer nicht ausreichend dargetan, welche inhaltlichen Bedenken sie aufgrund der Durchführung der mündlichen Verhandlung durch die Bürgermeisterin gegen die Sachentscheidung haben.

5.3.4. Die Beschwerdeführer bezweifeln die Unbefangenheit der Berufungskommission an. Die Berufungskommission sei erst einen Tag vor der Sitzung am 04.04.2017 um- und nachbesetzt worden. Die Berufungskommission hätte in der von der Gemeindevertretung beschlossenen Zusammensetzung gar keine Sitzung einberufen dürfen. Sie habe nicht den Bestimmungen des § 53 des Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung entsprochen. Die Berufungskommission sei anlassbezogen für diesen brisanten Fall installiert worden.

Am 03.04.2017 hat die 25. Gemeindevertretungssitzung der Gemeinde L stattgefunden. Aus der Niederschrift dieser Sitzung, die auf der Internetseite der Gemeinde abrufbar ist, ergibt sich, dass die Berufungskommission aufgrund des § 55 GG ergänzt werden musste. Die neue Zusammensetzung der Berufungskommission wurde von der Gemeindevertretung einstimmig beschlossen.

Schon aus dem Begriff der Befangenheit folgt, dass Adressat des § 7 AVG niemals ein Organ als bloße Summe von Zuständigkeiten sein kann, sondern nur der Mensch (= Organwalter; VwGH 29.03.2000, 94/12/0180), der zur Ausübung der Kompetenzen eines bestimmten Organs berufen ist (VwGH 18.10.2012, 2012/06/0171).

Die Beschwerdeführer bringen keine konkreten Befangenheitsgründe gegen einzelne Mitglieder der Berufungskommission vor. Die Berufungskommission als Organ kann in ihrer Gesamtheit nicht befangen sein. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die darauf schließen lassen, dass einzelne Mitglieder der Berufungskommission befangen waren. Der Umstand, dass eine Ergänzung der Berufungskommission am Tag vor der Beschlussfassung stattgefunden hat, führt noch nicht dazu, dass eine Befangenheit vorliegt.

5.4. Nach § 28 Abs 2 BauG, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 22/2014, ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht und auch sonst öffentliche Interessen, besonders solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Denkmalschutzes, der Energieeinsparung und des haushälterischen Umgang mit Grund und Boden (§ 2 Abs 3 lit a Raumplanungsgesetz), nicht entgegenstehen.

Gemäß § 29 Abs 1 BauG, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 23/2003, ist durch Befristungen, Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 geschaffen werden, wenn das Bauvorhaben diesen Voraussetzungen nicht entspricht.

Nach § 26 Abs 1 BauG, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 54/2015, hat der Nachbar in Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vor-schriften geltend zu machen:

a) § 4 Abs 4, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist; (Schutz des Nachbargrundstückes vor einer Gefährdung durch Naturgefahren bzw elementaren Ereignissen)

b) §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen; (Abstandsvorschriften)

c) § 8 Abs 1 und 2, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist und sein Grundstück nicht mehr als 100 Meter vom Baugrundstück entfernt ist; (Immissionsschutz)

d) § 8 Abs 3 und 4, soweit der benachbarte Betrieb in den Anwendungsbereich von anderen anlagenrechtlichen Vorschriften fällt, diese die Vorschreibung nachträglicher Aufträge zu Lasten des Inhabers des Betriebes vorsehen und sein Grundstück nicht mehr als 100 Meter vom Baugrundstück entfernt ist;

e) die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks, soweit das Bauwerk nicht mehr als 20 Meter von seinem Grundstück entfernt ist.

Die Bestimmung des § 26 Abs 1 BauG enthält eine taxative Aufzählung der in Frage kommenden Nachbarrechte (VwGH 19.09.2006, 2005/06/0067).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Hinsicht beschränkt. Einerseits besteht ein Mit-spracherecht nur insoweit, als dem Nachbarn nach den zur Anwendung kommenden baurechtlichen Bestimmungen subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar die ihm zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat.

In der mündlichen Verhandlung wurden von den Beschwerdeführern folgende Einwendungen erhoben: „Die Gesamthöhe des Gebäudes ist zu hoch.“ Diese Einwendung wurde von allen Beschwerdeführern erhoben.

Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 26 Abs 1 lit e Baugesetz ergibt, wollte der Gesetzgeber den Nachbarn nur ein Mitspracherecht bezüglich des Bebauungsplanes und hier nur bzgl der Baugrenze, der Baulinie und der Höhe des Bauwerks einräumen. Hinsichtlich aller anderen Kriterien, die mit Bebauungsplan festgelegt werden können (unter anderem auch die Zahl der Geschosse), hat der Gesetzgeber den Nachbarn kein Mitspracherecht eingeräumt.

Im hier geltenden Bebauungsplan sind keine Regelungen über die Höhe des Bauwerks enthalten. Es wird ua die Höchstgeschosszahl im Bebauungsplan festgelegt. Von der Geschosszahl kann nicht auf die Höhe eines Gebäudes geschlossen werden. Nach § 2 lit e der Baubemessungsverordnung – BBV, LGBl Nr 29/2010, ist ein oberirdisches Geschoss ein Geschoss, bei dem die Flächen der Außenwände in Summe zu mehr als der Hälfte über dem anschließenden Gelände liegen. Schon aus dieser Definition des oberirdischen Geschosses zeigt sich klar, dass sich lediglich aus der Festlegung über die Anzahl der oberirdischen Geschosse keine genaue Gebäudehöhe ermitteln lässt. Will der Verordnungsgeber somit eine exakt bestimmbare Gebäudehöhe festlegen, ist dies durch die Festlegung der Anzahl der möglichen oberirdischen Geschosse nicht möglich.

Mangels Regelung der Höhe im Bebauungsplan, kann die Höhe des Bauwerks nicht vom Nachbarn eingewendet werden. Die erhobene Einwendung hinsichtlich der Höhe des Bauwerkes ist daher nicht berechtigt.

Die ersten vier Beschwerdeführer haben weiters eingewendet, dass sie darauf hinweisen würden, dass die Ableitung der Tagwässer schadlos zu erfolgen habe und ihre nördlich des Bauvorhabens befindlichen Liegenschaften keine nachteiligen Auswirkungen dadurch haben dürften. Weitere Einwendungen wurden weder im Zuge der mündlichen Verhandlung noch vor der mündlichen Verhandlung von den Beschwerdeführern erhoben. Hinsichtlich der Änderung der Regenwasserableitung ist, wie bereits ausgeführt wurde, keine Präklusion eingetreten. Es ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführer durch die Änderung des Entwässerungskonzeptes in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind.

Der Entwässerungsplan, welcher vom November 2016 datiert und von den Ziviltechnikern R + G stammt, basiert ua auf Bohrergebnissen vom 08. und 09.11.2016. Dieser Entwässerungsplan wurde einem Amtssachverständen von der belangten Behörde zur Überprüfung vorgelegt. Aus diesen Plänen kann entnommen werden, dass einzig die Dachfläche mit 335 m2 als abflussverschärfende Fläche verbleibt. Nach dem Entwässerungsplan ist vorgesehen, dass die Dachwässer zentral im Nordosten des Gebäudes zusammengeführt und über einen Schacht mit Schlammfang über drei Versickerungsrohre in die Retentions-Verrieselungsanlage eingeleitet werden.

Die Berufungskommission hat aufgrund der erhobenen Bedenken der Beschwerdeführer gegen die Änderung der Regenwasserableitung eine wasserbautechnische Stellungnahme von einem Amtssachverständigen eingeholt. Die Stellungnahme wurde von jenem Amtssachverständigen abgegeben, der schon bei der mündlichen Bauverhandlung dabei war und aus diesem Grund mit dem gegenständlichen Sachverhalt vertraut war. Die Antragsteller haben einen Entwässerungsplan der Ziviltechniker R + G, welcher im November 2016 errichtet wurde, vorgelegt.

Der Amtssachverständige hat in seiner Stellungnahme vom 14.03.2017 ausgeführt, dass das Entwässerungsprojekt in Bezug auf das gegenständliche Bauvorhaben auf ein 100-jährliches Niederschlagsereignis dimensioniert sei. Standard sei heute lediglich ein 5-jährliches Niederschlagsereignis, dh pro 100 m2 versiegelter Fläche seien ca 1,4 m3 Retentionsvolumen vorzusehen, was für das vorliegende Bauvorhaben ein Volumen von ca 5 m3 ergeben würde. Das vorliegende Entwässerungsprojekt weise die 4-fache Kubatur auf. Aus seiner Sicht sei das Projekt schlüssig, nachvollziehbar und genehmigungsfähig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat, wer an der Klärung des Sachverhaltes mitwirken will, solchen Ausführungen eines Sachverständigen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind, auf gleicher fachlicher Ebene, also durch Vorlage entsprechender Gutachten entgegenzutreten (VwGH 16.12.1986, 84/05/0016).

Die Beschwerdeführer sind den Ausführungen des Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Aufgrund der Ausführungen des Amtssachverständigen steht fest, dass das Entwässerungskonzept die 4-fache Kubatur vorsieht, die nach dem heutigen Standard gefordert wird. Das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten ist schlüssig und widerspruchsfrei. Es entspricht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen. Es war somit von dem sich aus dem Gutachten ergebenden Sachverhalt auszugehen.

Die Nachbarn sind durch die Änderung des Entwässerungskonzepts nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Die Einwendung ist daher nicht berechtigt.

6.   Zum weiteren Vorbringen der Beschwerdeführer ist wie folgt auszuführen:

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer möglichen Berufung im Baubewilligungsbescheid vom 07.02.2017 liegt offenbar ein Versehen bei der Rechtsmittelbelehrung vor. Es wurde dem Baubescheid offensichtlich eine falsche Rechtsmittelbelehrung hinzugefügt. Die Rechtsmittelbelehrung bezieht sich auf ein Abgabenverfahren. Die aufschiebende Wirkung wurde in Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides zuerkannt. Dieser Fehler wurde somit umgehend saniert.

Das weitere Vorbringen enthält insbesondere zahlreiche Spekulationen aus welchen Gründen die Baubewilligung erteilt wurde. Es werden in diesem Vorbringen keine zulässigen Einwendungen iSd BauG erhoben oder Verfahrensfehler aufgezeigt. Auf dieses Vorbringen ist daher nicht näher einzugehen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde weder von der belangten Behörde noch von den Beschwerdeführern beantragt. Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus diesen Gründen gemäß § 24 VwGVG abgesehen werden.

7.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheid ohne Originalunterschrift, Unterschirift auf Exemplar für andere Partei, Beschwerde zulässig, Ladung mündliche Verhandlung, Belehrung über Nachbarrechte nicht erforderlich, Bebauungsplan, Festlegungen über Geschoßzahl, kein Mitspracherecht der Nachbarn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2017:LVwG.302.3.2017.R1

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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