TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/19 W124 2100942-2

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Veröffentlicht am 19.10.2017
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Entscheidungsdatum

19.10.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §88 Abs2a
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W124 2100942-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF ist ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger. Am

XXXX stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am XXXX von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Am XXXX und XXXX fand vor dem BFA eine Befragung des BF statt. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

Gegen den Bescheid des BFA brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein.

Am XXXX fand vor dem BVwG in Anwesenheit des rechtsfreundlichen Vertreters eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde die Beschwerde betreffend den Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen.

Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum XXXX erteilt.

2. Mit am 18.01.2017 beim BFA eingelangten Antragsformularen beantragte der BF für sich die Ausstellung eines Fremdenpasses. Im Antrag ist in der Rubrik des Formulars "Staatsangehörigkeit" "Afghanistan" eingetragen.

3. Mit Bescheid vom XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2 a FPG ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass auf Grund des Besitzes seiner Geburtsurkunde das BFA davon ausgehe, dass es dem BF bei entsprechendem Engagement möglich und zumutbar gewesen sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen.

Laut der vom BF vorgelegten Bestätigung der afghanischen Botschaft, stelle diese dezidiert allen afghanischen Staatsangehörigen Reisepässe aus, die einen entsprechenden Antrag stellen und alle erforderlichen Unterlagen vorlegen würden.

Da der BF im Besitz einer Tazkira im Original sei, wodurch seine Identität und seine Staatsangehörigkeit zweifelsfrei feststehen würde, würde der BF nicht die Voraussetzungen eines Fremdenpasses gem. § 88 Abs. 2a FPG erfüllen.

4. Gegen den Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen vor, dass das BFA in keiner Weise die individuelle Situation des BF ermittelt habe, obwohl aus der Bestätigung der afghanischen Botschaft vom XXXX hervorgehe, dass dem BF kein afghanischer Reisepass ausgestellt werde, weil der BF nicht alle Anforderungen erfüllen würde. Das BFA ignoriere den Inhalt der Bestätigung der Botschaft, wonach der BF die Anforderungen für einen afghanischen Pass nicht erfülle. Die Behörde hätte weitere Ermittlungen tätigen müssen, welche Unterlagen der BF neben der Geburtsurkunde vorlegen hätte müssen, um einen afghanischen Pass zu erhalten. Ohne weitere Informationen sei es der Behörde nicht möglich abschließend zu beurteilen, ob es dem BF möglich sei, einen afghanischen Pass zu erhalten.

Dem BF sei jedenfalls gem. § 88 Abs. 2a FPG ein Fremdenpass auszustellen, da ihm in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukomme und sich aus der Bestätigung der Botschaft ergeben würde, dass er nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Heimreisezertifikat zu beschaffen.

Stelle die belangte Behörde fest, der BF sei in der Lage, sich einen Reisepass seines Herkunftsstaates zu beschaffen, komme dies einem Ignorieren des Parteivorbringens gleich.

Vielmehr lege der BF eine Bestätigung der afghanischen Botschaft vom 12.01.2017 vor, in der dargelegt wurde, dass für den BF kein afghanischer Reisepass ausgestellt werden könne, da er die Anforderungen zur Ausstellung nicht erfüllt habe. Die vorgelegte Bestätigung der afghanischen Botschaft unterstütze demnach das Vorbringen des BF, wonach es ihm nicht möglich sei, einen afghanischen Pass zu erhalten, da der BF nicht über die erforderlichen Unterlagen verfüge.

Die Behörde übergehe die Tatsache, dass die Bestätigung auch darlege, dass der BF die Anforderungen für die Ausstellung eines Reisepasses nicht erfülle. Da dem BF trotz Vorlage der Geburtsurkunde von der afghanischen Botschaft kein Reisepass ausgestellt werde, erfülle der BF entgegen der Annahme der belangten Behörde durchaus die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Fremdenpasses gem. § 88 Abs. 2a FPG. Die Bestätigung sei somit nicht vollumfänglich von der Behörde gewürdigt worden.

Zum Beweis dafür, dass der BF am 12.01.2017 vorstellig gewesen sei, um einen afghanischen Reisepass zu beantragen, stelle der BF den Beweisantrag bei der afghanischen Botschaft Rücksprache zu halten, zum Beweis dafür, dass dem BF kein Reisepass ausgestellt werde habe könne.

Ein subsidiär Schutzberechtigter sei dann nicht in der Lage sich ein Reisedokument seines Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigere. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernehme Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung (Schrefler-König/Szymanski (Hrsg.), Fremdenpolizei und Asylrecht, Anmerkung 2 zu § 88 FPG 2005).

In der Folge wurde auszugsweise auf ein Erkenntnis des XXXX vom 15.12.2015 hingewiesen, wonach die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem BF ein Reisedokument auszustellen, für die Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht ausreiche. Vielmehr müsse für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu besorgen. Weder im fremdenrechtlichen noch im asylrechtlichen Verfahren sei hervorgekommen, dass der BF über Personaldokumente seines Herkunftsstaates verfügen oder sich solche beschaffen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans. Mit Erkenntnis des BVwG Zl. W 222 2100942 vom 15.09.2016 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 15.09.2017 erteilt. Diese wurde bis zum 15.09.2019 verlängert.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die

Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn

konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, 127 und 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, 65 und 73 f.).

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

§ 88 Fremdenpolizeigesetz FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, lautet:

"Ausstellung von Fremdenpässen

§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik

gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.

(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend."

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) geht zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG Folgendes hervor:

"Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem

entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär

Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Szymanski in Schrefler- König/Szymanski (Hrsg.), Fremdenpolizei und Asylrecht, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2014] § 88 FPG Anm. 2).

Das in § 88 Abs. 2a normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechtes des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, K 8 zu § 88 FPG 2005).

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

Dem durchgeführten Ermittlungsverfahren mangelt es an entsprechenden Erhebungen, um zu dem Ergebnis gelangen zu können, der BF sei in der Lage, sich Reisedokumente vom Heimatstaat zu besorgen. Allein aus der Argumentation des BFA, wonach sich aus der allgemeinen Bestätigung der afghanischen Botschaft vom XXXX , welche vom BF im gegenständlichen Verfahren vorgelegt wurde, schließen lasse, dass Reisepässe allen Afghanen ausgestellt werden würden, die einen entsprechenden Antrag stellen und die notwendigen Unterlagen bereit stellen würden, kann aus Sicht des BVwG nichts gewonnen werden.

Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang vielmehr, ob der BF auch konkret in der Lage gewesen sei, sich ein gültiges Reisedokument zu beschaffen, zumal er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Zu klären wäre hierbei zunächst gewesen, welche Unterlagen als Voraussetzung für die Erteilung eines entsprechenden Dokumentes der afghanischen Behörde vorgelegt werden müssen. Zwar führt das BFA in seiner Begründung aus, dass der BF im Besitz einer Tazkira sei und das BFA davon ausgehe, dass es diesem daher zumutbar und möglich gewesen sei ein Reisedokument zu erlangen, doch basiert diese Argumentation auf einer nicht fundierten Annahme des BFA, als dahingehend keine abschließenden Ermittlungen durchgeführt wurden und nicht hervorgeht welche Unterlagen der BF im gegenständlichen Fall vorlegen hätte müssen.

Auf Grund dieser Basis wäre in der Folge zu klären gewesen, ob es dem BF tatsächlich möglich gewesen wäre, die dafür notwendigen Dokumente beizuschaffen. Die belangte Behörde hat es diesbezüglich gänzlich unterlassen dahingehende Ermittlungen anzustrengen, um diesen entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu klären.

Es bleibt folglich unklar, auf welcher Grundlage die belangte Behörde zu der (zumindest theoretischen) Annahme kommt, dass dem BF ein Reisepass ausgestellt werden könnte (was wiederum implizieren würde, dass er auch in der Lage wäre, die geforderten "geeigneten Dokumente" vorzulegen).

Die belangte Behörde wäre vielmehr angehalten gewesen, selbst Erhebungen (etwa durch Anfrage an die Vertretungsbehörde) durchzuführen und nach Vorhalt dieser an den BF im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme, anhand der Ergebnisse, dahingehend Feststellungen zu treffen gehabt.

Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.

Eine Zurückverweisung der Sache an das BFA zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt im vorliegenden Fall deshalb in Betracht, weil das BFA die erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat bzw. weil es den maßgebenden Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Im weiteren Verfahren wird das BFA ein umfassendes Ermittlungsverfahren zu führen haben, bei dem alle für die Entscheidung relevanten Angaben gemacht und Beweismittel erbracht werden.

In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an das BFA zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Folglich war das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen

keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an das BFA zur Erlassung eines neuen Bescheides ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Fremdenpass,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W124.2100942.2.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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